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  • · Fachbeitrag · Infektionsschutz

    Die ärztliche Schweigepflicht in Zeiten des Coronavirus

    von RAin, FAin Medizinrecht Dr. Birgit Schröder, Hamburg, dr-schroeder.com

    | Das Coronavirus prägt derzeit den Gesundheitssektor und wirft eine Vielzahl neuer Probleme auf. So hat etwa ein selbst infizierter Hausarzt in Bayern dem Gesundheitsamt eine Liste aller Patienten übergeben, die er in den vorangehenden Tagen behandelt hatte. Liegt darin ein Verstoß gegen die ärztliche Schweigepflicht? |

    Die ärztliche Schweigepflicht in der MBO-Ä ...

    Die ärztliche Schweigepflicht ist in § 9 Abs. 1 (Muster-)Berufsordnung-Ärzte MBO-Ä beziehungsweise den entsprechenden Bestimmungen der Berufsordnungen der Landesärztekammern geregelt. Ärzte haben über das, was ihnen als Arzt anvertraut oder bekannt geworden ist, auch nach dem Tod des Patienten, zu schweigen. Unter die Schweigepflicht von Ärzten fallen alle Angaben wie beispielsweise:

    • personenbezogene Daten des Patienten,
    • Angaben in der Patientenakte,
    • Untersuchungsbefunde,
    • aber auch Gesprächsinhalte.

    ... und im Strafgesetzbuch

    Flankierend zu den berufsrechtlichen Regelungen findet sich eine Norm im Strafgesetzbuch (StGB). Nach § 203 Abs. 1 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis, offenbart, das ihm als Arzt anvertraut worden oder sonst bekannt geworden ist.

    Ausnahmen erlauben ein Durchbrechen der Schweigepflicht

    Von diesem Grundsatz der Verschwiegenheitsverpflichtung gibt es Ausnahmen, die dazu führen, dass die Schweigepflicht durchbrochen werden darf. Grundsätzlich sind vier Offenbarungsbefugnisse anerkannt:

     

    • Einwilligung,
    • mutmaßliche Einwilligung,
    • gesetzliche Offenbarungspflichten oder -rechte
    • und die sog. Güterabwägung.

     

    Eine Offenbarungsbefugnis kann sich für den Arzt also auch aus gesetzlichen Offenbarungspflichten oder -rechten ergeben, wie beispielsweise aus den gesetzlichen Meldepflichten nach dem Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz, IfSG).

    Meldepflichten nach dem Infektionsschutzgesetz

    Aktuell wurde vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) die Meldepflicht, die nach § 6 IfSG gilt, in einer Rechtsverordnung ausgeweitet auf Infektionen mit dem erstmals im Dezember 2019 in Wuhan (China) aufgetretenen neuartigen Coronavirus („2019-nCoV“). Ärzte sind daher verpflichtet, alle begründeten Verdachts-, Krankheits- und Todesfälle im Zusammenhang mit dem Coronavirus dem örtlichen Gesundheitsamt zu melden.

     

    MERKE | Um einen meldepflichtigen „begründeten Verdachtsfall“ handelt es sich laut Robert Koch-Institut (RKI), wenn die Person Kontakt zu einem bestätigten Fall hatte oder innerhalb der letzten 14 Tage in einem vom RKI genannten Risikogebiet gewesen ist und Symptome wie Fieber, Heiserkeit, Husten oder Atemnot aufweist. Alle anderen Verdachtsfälle sind derzeit nicht zu melden (Stand: 19.03.2020).

     

    Die Meldung, die innerhalb von 24 Stunden zu erfolgen hat, umfasst gemäß § 9 IfSG unter anderem Angaben wie den Namen und die Kontaktdaten der betroffenen Person sowie die wahrscheinliche Infektionsquelle inkl. der zugrunde liegenden Tatsachen.

     

    Werden Tatsachen festgestellt, die zum Auftreten einer übertragbaren Krankheit wie im Fall des Coronavirus führen können, so trifft die zuständige Behörde nach § 16 IfSG die notwendigen Maßnahmen zum Abwenden der drohenden Gefahren. Die hierbei erhobenen personenbezogenen Daten dürfen nur für Zwecke des Infektionsschutzes verarbeitet werden.

     

    In der Praxis bedeutet dies, dass, wer wegen des Verdachts auf eine Infektion mit dem Coronavirus nach Kontaktpersonen gefragt wird, Auskünfte geben muss. Die Verschwiegenheitspflicht wird in diesem Fall gesetzlich durchbrochen, um den Gesundheitsschutz der Bevölkerung sicherzustellen. Das gilt auch für den Arzt. Es geht hierbei allerdings allein um die Identität der Kontaktpersonen ‒ nicht aber um den Kontaktanlass oder Inhalte der Kommunikation.

     

    MERKE | Den Behörden und Gesundheitsämtern ist es in den entsprechenden Fällen auch möglich, zur Durchführung von Ermittlungen und zur Überwachung der angeordneten Maßnahmen Grundstücke, Räume, Anlagen und Einrichtungen sowie Verkehrsmittel aller Art zu betreten und Bücher oder sonstige Unterlagen einzusehen. Sie dürfen Abschriften, Ablichtungen oder Auszüge anfertigen sowie sonstige Gegenstände untersuchen oder Proben zur Untersuchung fordern oder entnehmen. Das kann im Einzelfall auch auf eine Ambulanz zutreffen.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Arzt darf bei Information an Behörde über fahruntüchtigen Patienten nicht zu viel preisgeben (CB 04/2016, Seite 14)
    • Ambulante Krankenhausbehandlung: Was Sie als Chefarzt zum Thema „Datenschutz“ wissen müssen (CB 05/2019, Seite 13)
    Quelle: Ausgabe 04 / 2020 | Seite 13 | ID 46454855