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  • · Nachricht · Krankenhaushaftungsrecht

    Hygienemangel bedeutet nicht zwingend groben Behandlungsfehler

    von RA, FA für MedR, Wirtschaftsmediator Dr. Christian Bichler, Ulsenheimer Friedrich Rechtsanwälte, München, www.uls-frie.de

    | Fasst ein Krankenpfleger mit den schon behandschuhten Händen die Türklinke des Krankenzimmers an und öffnet danach - ohne die Handschuhe zu wechseln - eine Abszedierung an der Hand einer Patientin, liegt zwar ein Hygienemangel vor. Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm sah darin aber nur einen einfachen, nicht einen groben Behandlungsfehler (Urteil vom 17.8.2015, Az. I-3 U 28/15, Abruf-Nr. 145919, nicht rechtskräftig; anhängig beim Bundesgerichtshof unter Az. VI ZR 529/15). |

    Der Fall

    Der Patientin wurde ein Venenverweilkatheter auf dem linken Handrücken gesetzt, der allerdings wegen Beschwerden wieder entfernt wurde. Es wurde eine Venenentzündung festgestellt, aus der sich eine kleine Abszedierung entwickelte, die ein Krankenpfleger auf ärztliche Anordnung öffnete und versorgte. Wenige Wochen später wurde bei der Patientin in einem anderen Krankenhaus eine Spondylitis diagnostiziert. Die Patientin klagte nun gegen das erste Krankenhaus wegen der Venenentzündung, die durch den Krankenpfleger verursacht sei, weil dieser vor Eröffnung der Abszedierung mit seinen behandschuhten Händen die Türklinke des Zimmers angefasst hatte.

    Die Entscheidung

    Das OLG Hamm schließt eine Beweislastumkehr nach den Grundsätzen über den groben Behandlungsfehler aus, da der festgestellte Verstoß gegen den hygienischen Standard nicht als grob bewertet werden konnte. Ein solcher grober Behandlungsfehler setze einen Verstoß gegen bewährte elementare Behandlungsregeln voraus. Ein schlechterdings unverständliches Fehlverhalten liege indes nicht vor. Nicht jeglicher Verstoß gegen den hygienischen Standard führe zu einem groben Behandlungsfehler. Ein Verstoß gegen den hygienischen Standard wiege umso schwerer und sei somit umso unverständlicher, je höher das Infektionsrisiko und je gravierender die Folgen einer möglichen Infektion sein können. Verstöße gegen die Standards der Händehygiene bei den Risikogruppen 3 und 4 - zum Beispiel einer Gelenkpunktion - seien nicht hinnehmbar, wohingegen die Öffnung eines Abszesses der untersten Risikogruppe zuzuordnen sei.

     

    FAZIT | Die Beweislastumkehr bei groben Behandlungsfehlern ist zwischenzeitlich in § 630h Abs. 5 BGB normiert. Dennoch bleibt nach dem Urteil des OLG festzuhalten, dass aus einem Hygienefehler keinesfalls zwingend ein grober Behandlungsfehler resultieren muss. Vielmehr ist auf den Risikograd des jeweiligen Verstoßes abzustellen. Ein Abweichen dieses Hygienestandards in der untersten Risikogruppe stellt lediglich einen einfachen Behandlungsfehler dar.

    Quelle: ID 43776590