· Fachbeitrag · Management/Abrechnung
Mit im Boot: Der Chefarzt und seine Verantwortung für die Abrechnung der Klinik
von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Dr. Kyrill Makoski, Möller und Partner, Düsseldorf, www.m-u-p.info
| In vielen Arbeitsverträgen wird dem Chefarzt die Verantwortung für die ordnungsgemäße Erfassung der abrechnungsrelevanten Daten übertragen - insbesondere für die richtige Kodierung und Dokumentation der für die Eingruppierung in die Fallpauschale notwendigen Angaben (siehe etwa § 6 Abs. 8 S. 3 des Mustervertrags der DKG). Fraglich ist jedoch, was diese Pflicht im Einzelnen konkret umfasst und welche Konsequenzen dem Chefarzt bei einer Pflichtverletzung drohen. |
Die Vergütung einer Behandlung im Krankenhaus
Das Krankenhaus erwirbt mit der Behandlung eines Patienten einen Vergütungsanspruch - zumeist gegen dessen Krankenkasse. Die Höhe dieses Anspruchs ergibt sich aus dem Fallpauschalensystem, insbesondere den Vorgaben der jährlich neu geschlossenen Fallpauschalenvereinbarung in Verbindung mit den Kodierrichtlinien und dem Fallpauschalenkatalog.
Auf Grundlage des Patientenalters, der Diagnosen und der Prozeduren sowie eventueller Beatmungsstunden ergibt sich eine bestimmte Fallpauschale, die wiederum zusammen mit dem jeweiligen Landesbasisfallwert sowie den vereinbarten Zu- und Abschlägen bestimmt, welchen Betrag das Krankenhaus für einen Aufenthalt bekommt.
Für welche Kliniken gelten die Fallpauschalen nicht?
Die Regelungen des Fallpauschalensystems gelten nicht nur bei gesetzlich krankenversicherten Patienten, sondern auch bei Privatpatienten und für sonstige Kostenträger, da die Klinik die Vergütung bei allen Patienten gleich zu berechnen hat (§ 17 Abs. 1 S. 1 Krankenhausfinanzierungsgesetz [KHG], § 8 Abs. 1 S. 1 Krankenhausentgeltgesetz [KHEntgG]).
Selbst die Ausgründung einer Privatklinik ändert diese Gebundenheit nicht, wenn die Privatklinik in der Nähe eines Plankrankenhauses liegt und mit ihm organisatorisch verbunden bleibt (§ 17 Abs. 1 S. 5 KHG). Auch der freiwillige Verzicht eines - für die Versorgung notwendigen - Krankenhauses auf öffentliche Förderung führt nicht dazu, dass es seine Entgelte frei berechnen darf (§ 17 Abs. 5 S. 2 KHG). Nur reine Privatkliniken, die von öffentlich geförderten Kliniken vollkommen unabhängig sind, können ihre Preise frei festlegen.
Klinik-Abteilung und (Chef-)Ärzte arbeiten Hand in Hand
Hieraus ergibt sich, dass die Abrechnungsabteilung eines Krankenhauses eine möglichst genaue und zutreffende Angabe der jeweils einschlägigen Diagnosen und Prozeduren benötigt, da nur dann eine korrekte Rechnung erstellt werden kann. Das Krankenhaus ist verpflichtet, den Krankenkassen Diagnosen und Prozeduren zu übermitteln (§ 301 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, Nr. 6 SGB V). Nun verfügt die Abrechnungsabteilung nicht über die notwendigen Informationen über die Krankheiten des Patienten und die durchgeführten Eingriffe; diese sind nur auf der behandelnden Station vorhanden. Daher ist es nötig, dass die Kodierfachkräfte - in seltenen Fällen sogar die Ärzte selbst - auf Basis der Krankenunterlagen die erforderlichen Daten erfassen, damit diese von der Abrechnungsabteilung umgesetzt werden können.
Probleme bei der Abrechnung von Komplexbehandlungen
Eigentlich nicht weiter erwähnt werden muss, dass nur gesicherte Diagnosen erfasst werden und auch nur dann ein bestimmter Prozedurenschlüssel eingetragen wird, wenn seine Voraussetzungen erfüllt sind. Dies ist von besonderer Bedeutung bei sogenannten Komplexbehandlungen (OPS-Ziffern 8-97 ... bis 8-98 ...). Diese Ziffern dürfen nur dann in die Abrechnung eingesetzt werden, wenn sämtliche Voraussetzungen erfüllt sind. Dies betrifft zum Beispiel die Behandlung im Team. Es müssen nicht nur die Teammitglieder auf der Station verfügbar sein; vielmehr müssen sie auch - nachweisbar - in die Behandlung eingebunden sein.
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Ein Krankenhaus rechnet eine palliativmedizinische Komplexbehandlung (OPS 8-982) ab. Diese setzt unter anderem eine „wöchentliche multidisziplinäre Teambesprechung mit wochenbezogener Dokumentation bisheriger Behandlungsergebnisse und weiterer Behandlungsziele“ voraus. Die Krankenkasse bemängelt, dass die Patientenakte keine entsprechende Dokumentation enthalte. Es sei irrelevant, ob die Besprechungen stattgefunden hätten; von Bedeutung sei aus ihrer Sicht vor allem die Dokumentation. Da die OPS nicht berücksichtigt werde, sei die Behandlung in eine geringer bewertete Fallpauschale einzustufen. |
Der Chefarzt ist dafür verantwortlich, dass die Ärzte seiner Abteilung nicht nur die Behandlung medizinisch ordnungsgemäß dokumentieren, sondern auch so dokumentieren, dass die Abrechenbarkeit von Leistungen gewahrt bleibt. Dies ist auch deswegen von Bedeutung, weil die Nachberechnung von Entgelten - zum Beispiel nach einer Überprüfung der Abrechnungen - nur beschränkt möglich ist, nämlich im Regelfall nur bis zum Ende des auf den Entlassungszeitpunkt folgenden Jahres, und nur dann, wenn der nachzufordernde Betrag 300 Euro übersteigt (siehe Urteil des Bundessozialgerichts vom 22. November 2012, Az. B 3 KR 1/12 R, Abruf-Nr. 142203). Ein einmal begangener Abrechnungsfehler kann daher nur begrenzt korrigiert werden.
Folgen einer Pflichtverletzung für den Chefarzt
Bisher nicht geklärt ist, welche Folge eine Verletzung dieser Pflicht durch den Chefarzt hat. Auch wenn er eine herausgehobene Stellung hat, gelten für ihn wie für jeden anderen Arbeitnehmer des Krankenhauses die Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmerhaftung: Danach hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber einen im Rahmen der betrieblichen Tätigkeit verursachten Schaden nur dann voll zu ersetzen, wenn er ihn vorsätzlich verursacht hat. Grobe Fahrlässigkeit wird von den Gerichten wie Vorsatz behandelt, allerdings kann es aus Billigkeitsgründen - etwa bei einem offensichtlichen Missverhältnis zwischen Schaden und Gehalt - zu einer Reduzierung des zu ersetzenden Betrages kommen. Bei mittlerer Fahrlässigkeit - sie wird meist angenommen - wird der Schaden zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber geteilt. Bei einfacher Fahrlässigkeit hingegen haftet der Arbeitnehmer überhaupt nicht.
Wann liegt welcher Verschuldensgrad vor?
Bei der Beurteilung, welcher Grad des Verschuldens vorliegt, ist auch die Organisation des Arbeitsplatzes zu bedenken. Ein Krankenhaus zeichnet sich durch einen hohen Grad von Arbeitsteilung aus: Es ist weder möglich noch erwünscht, dass der Chefarzt alle Tätigkeiten in seiner Abteilung selbst ausübt. Vielmehr kann er gerade einfache Arbeiten wie die Dokumentation und Datenerfassung auf nachgeordnete Ärzte und nichtärztliches Personal übertragen. Er muss jedoch sicherstellen, dass die Mitarbeiter ordnungsgemäß eingewiesen sind und wissen, welche Angaben sie wo zu machen haben.
PRAXISHINWEIS | Der Klinikträger hat seine Chefärzte bei Dokumentation und Datenerfassung zu unterstützen, da die Detailkenntnisse des DRG-Systems eher beim Klinikcontrolling als beim Chefarzt vorhanden sein dürfte. |
Die Überwachungspflicht des Chefarztes
Neben der Instruktionspflicht trifft den Chefarzt auch eine Überwachungspflicht. Er sollte also zumindest stichprobenartig überprüfen, ob die Mitarbeiter die Anweisungen korrekt umsetzen. Sobald er Hinweise bekommt (zum Beispiel vom Krankenhauscontrolling), dass ein Mitarbeiter „unsauber“ dokumentiert, muss er diesen erneut einweisen und dann genauer überwachen. Ignoriert der Chefarzt hingegen entsprechende Informationen und kommt es hierdurch zu einem Vergütungsverlust des Krankenhauses, ist der Chefarzt - jedenfalls anteilig - zum Ausgleich verpflichtet.
Weigert sich der Chefarzt, seine Mitarbeiter vom Krankenhaus anleiten zu lassen, oder reagiert er auf Hinweise der Klinikverwaltung nicht, verletzt er seine arbeitsvertraglichen Pflichten. Denn egal, ob es im Arbeitsvertrag erwähnt ist: Der Chefarzt muss das Seine tun, damit der Krankenhausträger die ihm zustehende Vergütung erhält. Dies ergibt sich schon aus der arbeitsvertraglichen Treuepflicht. Eine derartige Pflichtverletzung berechtigt den Klinikträger als Arbeitgeber des Chefarztes zu einer Abmahnung und im Wiederholungsfall auch zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
FAZIT | Der Chefarzt sollte seinen Arbeitsvertrag dahingehend prüfen, welches Dokumentationsniveau (etwa „übliche Dokumentation“, „medizinisch erforderliche Dokumentation“ oder „Dokumentation zum Zwecke der Abrechnung“) enthält, da sich hieraus unterschiedliche Pflichten ergeben. |
Weiterführender Hinweis
- In der nächsten Ausgabe wird beleuchtet, was einzelne Formulierungen im Arbeitsvertrag des Chefarztes für das von ihm geforderte Dokumentationsniveau bedeuten.