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  • · Fachbeitrag · Rechtsprechung

    BGH zur Lebensverlängerung: Wrongful Life ist kein Schaden! Was bedeutet das für den Chefarzt?

    von RA, FA Medizinrecht, Dr. Rainer Hellweg, M.mel., Hannover

    | Auch ein sinnloses Aufrechterhalten künstlicher Ernährung kann keine zivilrechtliche Haftung auslösen, weil ein (Weiter-)Leben des Patienten a priori keinen ersatzfähigen Schaden darstellt. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit seinem aufsehenerregenden Urteil vom 02.04.2019 entschieden (Az. VI ZR 13/18). Was aber folgt aus diesem Urteil: Müssen Entscheidungen über lebensverlängernde medizinische Maßnahmen in der Klinik jetzt anders getroffen werden? Der folgende Beitrag gibt Antworten. |

    Der Fall

    In dem vom BGH entschiedenen Fall ging es um einen gut 80-jährigen Patienten, der an fortgeschrittener Demenz litt sowie bewegungs- und kommunikationsunfähig war. Er wurde in den letzten Jahren bis zu seinem Tod mittels einer PEG-Magensonde künstlich ernährt. Eine Patientenverfügung existierte nicht. Nach dessen Tod verklagte der Sohn des verstorbenen Patienten den behandelnden Allgemeinmediziner auf 100.000 Euro Schmerzensgeld sowie Ersatz für Behandlungs- und Pflegeaufwendungen in Höhe von ca. 53.000 Euro. Sein Vorwurf: Die künstliche Ernährung habe nur noch zu einer sinnlosen Verlängerung des krankheitsbedingten Leidens geführt. Der Allgemeinmediziner sei daher verpflichtet gewesen, das Therapieziel dahin gehend zu ändern, dass das Sterben des Patienten durch Beendigung der lebenserhaltenden Maßnahmen zugelassen werde.

    Die Entscheidung

    Der BGH wies die Haftungsklage im Ergebnis ab. Dem Kläger stehe kein Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgelds zu. Dabei ließ es der BGH dahinstehen, ob überhaupt eine ärztliche Pflichtverletzung begangen worden sei. Allerdings fehle es an einem ersatzfähigen Schaden ‒ so die Wertung der BGH-Richter. Denn es stehe der durch die künstliche Ernährung ermöglichte Zustand des Weiterlebens mit krankheitsbedingtem Leiden dem Zustand gegenüber, wie er bei Abbruch der künstlichen Ernährung eingetreten wäre, also dem Tod. Das menschliche Leben sei ein höchstrangiges Rechtsgut und absolut erhaltungswürdig. Das Urteil über seinen Wert stehe keinem Dritten zu. Deshalb verbiete es sich, das Leben ‒ auch ein leidensbehaftetes Weiterleben ‒ als Schaden anzusehen. Kurz gesagt: Selbst ein „Wrongful Life“ könne kein Anknüpfungspunkt für Schadenersatz sein.