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20.06.2022 · IWW-Abrufnummer 229795

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg: Urteil vom 26.04.2022 – 7 Sa 106/22

1. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers nach § 106 GewO beinhaltet auch die Anordnung in bestimmten Situationen zum Gesundheitsschutz Masken zu tragen.

2. Im Vergütungsprozess ist der Arbeitnehmer darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass es ihm aus gesundheitlichen Gründen unzumutbar ist, eine Maske zu tragen. Ein ärztliches Attest erbringt keinen Anscheinsbeweis.


In Sachen
hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, 7. Kammer,
auf die mündliche Verhandlung vom 26. April 2022
durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht .... als Vorsitzende
sowie die ehrenamtliche Richterin ... und den ehrenamtlichen Richter ...für Recht erkannt:

Tenor:
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neuruppin vom 02. Dezember 2021 - 1 Ca 347/21 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.


II. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand



Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers auf Vergütung für Zeiten, in denen die Beklagte ihn nicht beschäftigte, weil er ihrer Anweisung zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes nicht nachgekommen ist.



Der Kläger ist seit dem 1. März 2018 auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages nebst Änderungsvereinbarungen bei der Beklagten, einem Unternehmen, das im Schichtbetrieb Kakaobutter herstellt, als Anlagenfahrer/Schichtleiter Produktion beschäftigt. In dieser Funktion fungiert er als Vorgesetzter, erteilt Mitarbeitern Anweisungen und betreut externe Dienstleister. Ein Betriebsrat besteht nicht.



Im Oktober 2020 führte die Beklagte wegen der Corona-Pandemie für ihren Betrieb eine Maskenpflicht ein. Darüber informierte sie die Mitarbeiter per E-Mail vom 5. Oktober 2020 (Bl. 84 d.A.). Danach sollten die Mitarbeiter ab dem 7. Oktober 2020 innerhalb des Firmengebäudes in allen öffentlichen Bereichen (Haupteingang, Hygieneschleusen, in den Gängen, im Treppenhaus, beim Betreten der Kantine, etc.), beim Verlassen des jeweiligen Arbeitsbereichs und überall dort, wo der Mindestabstand von 1,5 m nicht eingehalten werden konnte, einen Mund-Nasen-Schutz tragen. Zur Umsetzung dieser Maskenpflicht erhielt der Kläger am 6. Oktober 2020 einen Karton mit Mund-Nasen-Bedeckungen, die er während seiner Schicht im Bedarfsfall an Mitarbeiter und externe Arbeitnehmer übergeben sollte. Diesen Karton warf der Kläger mit den Worten "Scheiß Masken" in einen Mülleimer und entleerte diesen später im Restmüllcontainer.



Am 7. Oktober 2020 übergab der Kläger der Beklagten ein ärztliches Attest (Bl. 86 d.A.), wonach ihm "aus medizinischer Sicht" dringend vom Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung abgeraten wurde. Mit weiterem Attest vom 8. Oktober 2020 (Bl. 88 d.A.) bescheinigte ihm dieselbe Ärztin, dass es ihm "aus hausärztlicher Sicht und medizinischen Gründen unzumutbar" sei, eine Mund- und Nasenbedeckung zu tragen. Mit anwaltlichem Schreiben vom 12. Oktober 2020 (Bl. 90 und 91 d.A.) ließ der Kläger mitteilen, er sei zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung nicht verpflichtet, die arbeitgeberseitige Weisung überschreite das Direktionsrecht der Beklagten.



Da die Parteien eine Einigung über das Tragen einer Maske nicht erzielen konnte, der Kläger auch die angebotene Möglichkeit des Tragens eines Gesichtsvisiers ablehnte, setzte die Beklagte ihn in der Folgezeit nicht mehr ein, und zahlte ihm auch kein Arbeitsentgelt. Stattdessen erhielt der Kläger in den hier streitgegenständlichen Monaten November 2020 bis April 2021 Arbeitslosengeld und zwar in Höhe von 42,28 Euro kalendertäglich bis zum 31. Dezember 2020 und in Höhe von 42,80 Euro kalendertäglich ab dem 1. Januar 2021. Für den im Berufungsverfahren zur Akte gereichten Arbeitslosengeldbescheid im Einzelnen wird auf Bl. 173 - 174 d.A. Bezug genommen.



Mit der vorliegenden, beim Arbeitsgericht Neuruppin am 21. Mai 2021 eingegangenen Klage begehrt der Kläger die Zahlung der Vergütung für die Monate November 2020 bis April 2021 in Höhe von monatlich 3.459,06 Euro brutto, von denen er sich 1.240,00 Euro netto als Arbeitslosengeld in Abzug bringen lässt.



Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 2. Dezember 2021, auf dessen Tatbestand wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte sei nicht in Annahmeverzug geraten, da sie nicht verpflichtet gewesen sei, den Kläger ohne Mund-Nasen-Bedeckung zu beschäftigen. Die Anordnung der Beklagten, ab Oktober 2020 einen Mund-Nasenschutz zu tragen, sei vom Direktionsrecht gedeckt. Diese Anordnung erweise sich auch als verhältnismäßig, weil die Maskenpflicht auf eng umschriebene Bereiche begrenzt gewesen sei, in denen der Mindestabstand von 1,5 - 2 m nicht habe gewahrt werden können. Damit erfordere diese Anordnung nur ein kurzes Tragen der Maske. Hier gehe das Interesse der Beklagten an den Schutz ihrer Mitarbeiter dem Interesse des Klägers ohne Maske zu arbeiten, vor. Dass der Kläger aus medizinischen Gründen keine Mund-Nasen-Bedeckung tragen könne, habe er nicht hinreichend nachgewiesen. Die von ihm vorgelegten Atteste seien nicht aussagekräftig. Insbesondere sei nicht ersichtlich, auf welcher Grundlage die attestierende Ärztin zu ihrer Einschätzung gekommen sei, dem Kläger sei das Tragen einer Maske auch nur in den von der Beklagten angeordneten geringfügigen Umfang unzumutbar. Darüber hinaus seien aber auch die von der Beklagten geäußerten Zweifel an den vorgebrachten gesundheitlichen Gründen in Anbetracht des Vorverhaltens des Klägers berechtigt. Ohne Maske habe der Kläger die von ihm geschuldete Arbeitsleistung nicht erbringen können, da er während seiner Arbeitszeit auch Bereiche betreten müsse, in denen ein Mindestabstand zu anderen Personen nicht eingehalten werden könne. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.



Gegen dieses dem Kläger am 6. Januar 2022 zugestellte Urteil richtet sich seine Berufung, die er mit einem beim Landesarbeitsgericht am 23. Januar 2022 eingegangenen Schriftsatz eingelegt und zugleich begründet hat.



Der Kläger vertritt auch im Berufungsverfahren die Auffassung, die Anweisung der Beklagten, während der Arbeit eine Maske zu tragen, sei unwirksam. Eine solche Regelung falle nicht unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers, da diese Anweisung in sein Persönlichkeitsrecht eingreife. Weder nach dem Arbeitsvertrag noch nach gesetzlichen Regelungen sei er verpflichtet gewesen, eine Maske zu tragen. Er leide an einer ehemaligen Lungenerkrankung, die das dauerhafte Tragen der Maske erschwere. Kurzfristig hätte er eine Maske getragen. Auch habe die Beklagte keine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt bzw. diese sei unwirksam, weil sie ihn als Arbeitssicherheitskraft nicht hinzugezogen habe. Mittlerweile sei es anerkannt, dass das Tragen einer medizinischen Maske die Infektion mit dem Coronavirus nicht verhindern könne. Lüften und Abstandhalten sowie Testungen seien geeignetere Maßnahmen. Testungen habe die Beklagte gar nicht angeboten. Zudem sei er problemlos ohne Maske einsetzbar. So könne er in der Nachtschicht arbeiten. Dort seien persönliche Kontakte ausgeschlossen, da nur 6 Personen anwesend seien. Zum anderen wäre es auch möglich, mit Mitarbeitern über Funkgerät zu kommunizieren.



Der Kläger und Berufungskläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils 1 Ca 347/21 des Arbeitsgerichts Neuruppin vom 02.12.2021wird beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger folgende Beträge zu zahlen:a) € 3.459,06 brutto abzüglich € 1240,00 netto nebst 5%-Punkten Zinsen über dem Basiszins seit dem 01.12.2020.b) € 3.459,06 brutto abzüglich € 1240,00 netto nebst 5%-Punkten Zinsen über dem Basiszins seit dem 01.01.2021.c) € 3.459,06 brutto abzüglich € 1240,00 netto nebst 5%-Punkten Zinsen über dem Basiszins seit dem 01.02.2021.d) € 3.459,06 brutto abzüglich € 1240,00 netto nebst 5%-Punkten Zinsen über dem Basiszins seit dem 01.03.2021.e) € 3.459,06 brutto abzüglich € 1240,00 netto nebst 5%-Punkten Zinsen über dem Basiszins seit dem 01.04.2021.f) € 3.459,06 brutto abzüglich € 1240,00 netto nebst 5%-Punkten Zinsen über dem Basiszins seit dem 01.05.2021.



Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.



Die Beklagte verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil unter Ergänzung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens zur Wirksamkeit der von ihr erteilten Weisung, Masken auf ihrem Betriebsgelände in den von ihr festgelegten Räumlichkeiten und Situationen zu tragen. Eine Beschäftigung des Klägers ohne Maske sei nicht möglich gewesen, da es immer wieder Situationen gebe, in denen der Abstand von 1,5 m nicht eingehalten werden könne. Dies sei auch in der Nachtschicht der Fall. Isolierte Arbeitsplätze bestünden in dem Bereich des Klägers nicht. Als Schichtleiter müsse der Kläger auch in das Labor, das am Morgen wieder voll besetzt sei. Insofern könne der Kläger nicht von der Maskenpflicht befreit werden. Dass der Kläger aus gesundheitlichen Gründen zum Tragen einer Maske nicht in der Lage sei, sei zu bestreiten. Das ärztliche Attest sei nicht überzeugend, zumal die ausstellende Ärztin zuvor nicht seine Hausärztin gewesen sei. Das weitere Verhalten des Klägers, wie z. B. das Wegwerfen der ihm übergebenen Masken sowie Äußerungen gegenüber anderen Mitarbeitern, er sei der Erste, der sich ein Attest habe ausstellen lassen, würden zudem dafürsprechen, dass der Kläger eine Maskenpflicht nicht aus gesundheitlichen Gründen, sondern generell ablehne.



Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 23. Januar 2022 (Bl. 165 - 174 d.A.), vom 17. März 2022 (Bl. 201 d.A.) und vom 20. April 2022 (Bl. 210 - 211 d.A.) sowie auf diejenigen der Beklagten vom 25. Februar 2022 (Bl. 181 - 198 d.A.) und vom 4. April 2022 (Bl. 205 - 207 d.A.) Bezug genommen.



Entscheidungsgründe



Die Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch unbegründet.



1. Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 ArbGG (Arbeitsgerichtsgesetz) statthafte Berufung des Klägers ist von ihm form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden §§ 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO (Zivilprozessordnung), § 66 Abs. 1 und 2 ArbGG.



Die Berufung des Klägers ist daher zulässig.



2. Die Berufung des Klägers ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat mit zutreffender Begründung, auf die das Berufungsgericht gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG ausdrücklich Bezug nimmt und von einer eigenen, lediglich wiederholenden Darstellung absieht, die Klage abgewiesen. Das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren ist nicht geeignet, eine andere Entscheidung herbeizuführen:



Der Kläger hat keinen Anspruch auf Vergütung aus §§ 611a Abs. 2, 615 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag. Die Beklagte befand sich mit der Annahme der Arbeitsleistung des Klägers nicht in Verzug (§§ 293 ff. BGB).



2.1 Da der Kläger unstreitig in dem streitgegenständlichen Zeitraum nicht gearbeitet hat, kommt ein Anspruch auf Vergütung nur nach §§ 615 S. 1, 293 ff. BGB in Betracht. Nach § 615 S. 1 BGB hat der Arbeitgeber die nach § 611a Abs. 2 BGB vereinbarte Vergütung fortzuzahlen, wenn er mit der Annahme der Dienste in Verzug gerät. Gemäß § 293 BGB kommt er in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt. Dabei muss die Leistung dem Gläubiger so, wie sie zu bewirken ist, tatsächlich (§ 294 BGB) oder bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen auch nur wörtlich angeboten werden (§ 295 BGB). Dies bedeutet, dass sie am rechten Ort, zur rechten Zeit und in der rechten Art und Weise entsprechend dem Inhalt des Schuldverhältnisses anzubieten ist (vgl. BAG 28. September 2016 - 5 AZR 224/16 - BAGE 157, 34 - 43 Rn 25).



2.2 Der Kläger hat der Beklagten seine Arbeitsleistung nicht so, wie sie zu bewirken war, angeboten. Dazu wäre erforderlich gewesen, dass er der von der Beklagten angeordneten Maskentragungspflicht nachgekommen wäre. Die Anweisung der Beklagten war rechtmäßig. Der Kläger hat gleichwohl das Tragen einer Maske abgelehnt.



2.2.1 Die Weisung der Beklagten an ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, in bestimmten Situationen und bestimmten Räumlichkeiten eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, ist vom Direktionsrecht nach § 106 GewO gedeckt. Nach dieser Vorschrift kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Auch kann er Regelungen hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb treffen (§ 106 S. 2 GewO). Darunter fallen auch Anweisungen des Arbeitgebers an die Arbeitnehmer, die Arbeitsschutzmaßnahmen im Betrieb zu befolgen (Preiss Erf. Komm. zum Arbeitsrecht 22. Aufl. 2022 Rn 33a). Zu diesen Arbeitsschutzmaßnahmen zählen Anordnungen zum Tragen von Mund-Nasenbedeckungen. Diese können zwar nicht die Ansteckung vollständig verhindern, aber die Ansteckungsgefahr bei der Arbeit und im Betrieb reduzieren (vgl. so auch LAG Köln 12. April 2021 - 2 SaGa 1/21 Rn 28 - juris).



Gesetzliche Regelungen stehen - entgegen der Auffassung des Klägers - der Anordnung der Beklagten zum Tragen von Masken in den genannten Fällen nicht entgegen. Zwar sahen zum damaligen Zeitpunkt weder das Infektionsschutzgesetz noch die Verordnung über den Umgang mit dem SARS-CoV-2Virus und COVID-19 in Brandenburg (SARS-CoV-2-Umgangsverordnung vom 12.06.2020) eine generelle Maskenpflicht für Betriebe vor. Sie haben entsprechende Regelungen aber auch nicht verboten. Vielmehr waren Arbeitgeber verpflichtet, in ihren Betrieben Hygienekonzepte umzusetzen, mithin auch das Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen als Teil eines solchen Hygienekonzepts anzuordnen. Das Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 GG, auf das sich der Kläger beruft, besteht seinerseits nicht uneingeschränkt, sondern findet seine Grenzen nach Art. 2 Abs. 1 in den Rechten der anderen Arbeitnehmer und in deren Anspruch auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG). Der Arbeitsvertrag des Klägers enthält keine Regelungen. Entgegen der Auffassung des Klägers eröffnet er damit den Anwendungsbereich des Direktionsrechts.



2.2.2 Die Anordnung der Beklagten, Maske zu tragen, wahrt billiges Ermessen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte nicht nur die Interessen des Klägers im Augen behalten muss, sondern auch die Interessen anderer Mitarbeiter. Das Maskentragen ist generell geeignet, den Ausstoß von Aerosolen auf dem geringstmöglichen Niveau zu halten und damit das Übertragungsrisiko zu minimieren. Im Oktober 2020 stand die zweite Infektionswelle an. Das Virus konnte für infizierte Menschen tödliche Auswirkungen haben und hat dies auch in zahlreichen Fällen gehabt. Impfungen gab es zu diesem Zeitpunkt nicht, um die Mitarbeiter hinreichend vor dem Virus schützen zu können. Das Maskentragen war eines der wenigen probaten Mittel, um das Infektionsrisiko zu reduzieren. Entgegen der Auffassung des Klägers musste sich die Beklagte auch nicht etwa auf das Testen beschränken. Abgesehen davon, dass Schnelltests im Herbst 2020 noch nicht zur Verfügung standen, erkennen diese nicht jede Infektion. Insofern war das Tragen eines Mund-Nasenschutzes ein sinnvolles Mittel, um die Mitarbeiter vor Infektionen bei der Arbeit zu schützen.



Hinzu kommt, dass sich die Beklagte bei der Anordnung zum Tragen von Masken auf das Maß beschränkt hat, das erforderlich war, um den Zweck, Infektionsschutz, zu erreichen. Masken mussten nur dort getragen werden, wo die Gefahr bestand, dass der Abstand nicht gewahrt werden konnte bzw. wo ein erhöhtes Infektionsrisiko bestand. Damit beschränkte sich die Maskenpflicht in der Regel auf wenige Minuten, um den Eingangsbereich und die Hygieneschleuse zu passieren, Wege zurückzulegen oder gemeinsam Arbeitsabläufe zu bewältigen, bei denen der Abstand nicht gewahrt werden konnte. In seinem Arbeitsbereich war der Kläger nicht verpflichtet, kontinuierlich eine Maske zu tragen, sondern auch hier nur dann, wenn der Abstand nicht gewahrt werden konnte. Soweit der Kläger den Vortrag der Beklagten zu den Wegen und Abständen bestreitet, war dies schon deshalb unbeachtlich, weil der Kläger gemäß § 138 ZPO dazu konkret hätte vortragen müssen. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass auch dann, wenn die Flure breiter sein sollten, die Beklagte berechtigt war, für diese das Maskentragen vorzusehen. Dies gilt schon wegen der Begegnungsmöglichkeiten, aber auch wegen der Gefahr, sich über noch verbleibende Aerosole anzustecken. Den geringfügigen Einschränkungen durch das Tragen einer Maske stand das Ziel der Beklagten gegenüber, andere Arbeitnehmer vor Infektionen mit einer Krankheit, die auch einen tödlichen Verlauf aufweisen kann, zu schützen. Dieses Interesse der Beklagten und ihrer übrigen Beschäftigten überwog das Interesse des Klägers, keine Maske zu tragen. Die hier von ihr vorgenommene Abwägung erweist sich als zutreffend.



Entgegen der Auffassung des Klägers war die Beklagte auch nicht verpflichtet, mit anderen Mitteln wie z.B. einem Funkverkehr zu versuchen, etwaige Gefährdungen ihrer Mitarbeiter zu beschränken. Die vom Kläger vorgeschlagenen Maßnahmen ersetzen die Maskentragungspflicht schon deshalb nicht, weil die von Personen ohne Maske ausgestoßenen Aerosole in ungelüfteten Räumlichkeiten wie z. B. Fluren oder Hygieneschleusen länger verbleiben können, auch wenn die betreffende Person diesen Raum bereits verlassen hat. Zudem war die Beklagte nicht verpflichtet, den Kläger als Vorgesetzten dahingehend einzusetzen, dass er keinen konkreten Kontakt mehr zu den Mitarbeitern hat. Soweit der Kläger darauf abstellt, er hätte in der Nachtschicht eingesetzt werden können, ist auch bei einem geringeren Einsatz von Mitarbeitern in der Nachtschicht nicht ausgeschlossen, dass es zu Kontakten von weniger als 1,5 m kommt und der Kläger sich dann eben nicht in der Lage sieht, seine Maske zu tragen. Die Beklagte war nicht zu weiteren Umstrukturierungsmaßnahmen wie z. B. dem ausschließlichen Einsatz des Klägers in der Nachtschicht verpflichtet.



2.2.3 Die Weisung der Beklagten ist nicht deshalb unwirksam, weil die Beklagten bei der unter dem Datum vom 29.10.2020 erstellten Gefährdungsbeurteilung (Bl. 99 ff. d.A.) den Kläger als Arbeitssicherheitskraft nicht beteiligt hat. Dahinstehen kann, ob der Kläger als unmittelbar betroffene und damit befangene Person überhaupt daran hätte beteiligt werden müssen. Denn auch dann kommt es allein darauf an, ob die Gefährdungsbeurteilung objektiv zutreffend ist, was hier im Hinblick auf die Maskenpflicht zu bejahen ist. Die Gefährdungsbeurteilung dient der Überprüfung, ob und ggf. welche Gefährdungen mit einer Tätigkeit einhergehen und ob Schutzmaßnahmen geboten sind. In diesem Fall hat der Arbeitgeber dann die entsprechenden Schutzmaßnahmen zu treffen. Steht wie hier objektiv fest, dass bei einem Abstand von weniger als 1,5 m ein erhöhtes Infektionsrisiko besteht, wird die dafür angeordnete Maskentragungspflicht nicht rechtswidrig, auch wenn nicht alle für die Gefährdungsbeurteilung zuständigen Personen beteiligt wurden. Es geht darum, ob der Arbeitgeber die objektiv erforderlichen Maßnahmen durchführt, um seiner Verpflichtung nach § 618 BGB nachzukommen. Daran kann der Arbeitgeber aber nicht wegen einer etwa fehlenden Beteiligung der Arbeitssicherheitskraft gehindert werden.



2.2.4 Die Weisung der Beklagten an den Kläger, in den vorgesehenen Fällen Maske zu tragen, verstößt nicht gegen § 2 Abs. 3 Nr. 2 der Verordnung über den Umgang mit dem SARS-CoV-2 Virus und Covid-19 in Brandenburg vom 12. Juni 2020. Danach sind Personen, denen die Verwendung einer Mund-Nasen-Bedeckung wegen einer Behinderung oder aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich oder unzumutbar ist, von der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung ausgenommen.



Der Kläger beruft sich zwar auf diese Ausnahmevorschrift, er hat jedoch nicht hinreichend dargetan, dass ihm die Verwendung einer Mund-Nasen-Bedeckung aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich oder unzumutbar ist. Dazu reichten die von ihm vorgelegten ärztlichen Atteste im Prozess nicht aus. Zunächst ist davon auszugehen, dass der Kläger im Rahmen einer Zahlungsklage, mit der Vergütung aus Annahmeverzug geltend gemacht wird, darlegungs- und beweispflichtig dafür ist, dass er aus gesundheitlichen Gründen an dem Tragen einer Maske gehindert ist. Denn dies ist Bestandteil eines ordnungsgemäßen Angebotes seiner Arbeitsleistung und damit Teil der Anspruchsvoraussetzungen, für die nach den allgemeinen zivilprozessualen Regelungen derjenige die Darlegungslast trägt, der einen Anspruch geltend macht. Im Rahmen dieser ihm obliegenden Darlegungslast muss der Kläger aber nachvollziehbar vortragen, dass es ihm aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich oder unzumutbar ist, eine solche Maske auch nur für wenige Minuten, wie von der Beklagten in ihrer Anordnung vorgesehen, möglich ist. Hier ist der Vortrag des Klägers insofern schon widersprüchlich, als er zuletzt vorgetragen hat, er wäre bereit gewesen, wenige Minuten eine Maske zu tragen. Nur um solche Zeiträume ging es aber bei der von der Beklagten angeordneten Maskentragungspflicht.



Das von ihm eingereichte Attest vom 7. Oktober 2020 enthält zudem keine Feststellungen dazu, dass dem Kläger aus gesundheitlichen Gründen das Tragen einer Gesichtsmaske unzumutbar ist. In diesem Attest heißt es lediglich, dass die unterzeichnende Ärztin dem Kläger aus medizinischer Sicht dringend vom Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung abrate. Ob sie dies tut, weil anderenfalls beim Kläger gesundheitliche Einschränkungen auftreten würden, oder weil sie selbst nicht überzeugt vom Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung ist und meinte, diese könne ihrerseits bei unfachmännischer Anwendung zur Übertragung von Infektionen führen, lässt sich dem Attest nicht entnehmen. Das Attest vom 8. Oktober 2020 lässt ebenfalls eine der Verordnung entsprechende Feststellung vermissen. Auch hier heißt es, aus hausärztlicher Sicht und medizinischen Gründen sei es dem Kläger unzumutbar, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Auch hier enthält sich die Ärztin jeglicher Bewertung, dass dem Kläger aus gesundheitlichen Gründen, also aus Gründen die auf seine eigene Gesundheit bezogen sind, das Tragen einer Maske unzumutbar ist.



Näheren Vortrag zu den gesundheitlichen Gründen, aufgrund derer dem Kläger das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung auch nur für wenige Minuten unzumutbar sein soll, erbringt der Kläger nicht. Soweit er behauptet, er sei wegen einer vergangenen Lungenerkrankung am Maskentragen gehindert, erlaubt dieser Vortrag keine Schlüsse auf gesundheitliche Beeinträchtigungen, die einem Maskentragen entgegenstehen würden. Der Vortrag des Klägers diesbezüglich ist auch deshalb nicht besonders überzeugend, weil die damaligen vorherrschenden Virusvarianten erhebliche Auswirkungen auf die Lunge haben konnten, der Kläger also als ehemals Lungenerkrankter ein besonderes Interesse hätten haben müssen, sich selbst nicht zu infizieren. Ausführungen, warum ihm auch das Tragen eines Gesichtsvisiers unmöglich gewesen sein soll, was ihm die Beklagte angeboten hat, macht er ebenfalls nicht.



Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass das ärztliche Attest einen Anscheinsbeweis für die Unzumutbarkeit in sich trage. Das ärztliche Attest besagt lediglich, dass die unterzeichnende Ärztin diese Erklärung abgegeben hat, nicht aber, dass diese Erklärung zutreffend die Voraussetzungen der Verordnung beschreibt. Insoweit unterscheidet sich das vorliegende Attest und die vorliegende Sachverhaltskonstellation von dem Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung im Rahmen eines Entgeltfortzahlungsprozesses. Dort wird der Beweis krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit in der Regel durch die Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung iSd. § 5 Abs. 1 S. 2 EFZG geführt. Dies beruht auf den im Entgeltfortzahlungsgesetz vorgesehenen Regelungen. Danach ist die ordnungsgemäß ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung das gesetzlich ausdrücklich vorgesehene und insoweit wichtigste Beweismittel für das Vorliegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 EFZG reicht die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung iSd. § 5 Abs. 1 S. 2 EFZG aus, um dem Arbeitgeber das Recht zur Leistungsverweigerung zu entziehen. Diese gesetzgeberische Wertentscheidung strahlt auf die beweisrechtliche Würdigung aus. Der ordnungsgemäß ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kommt daher aufgrund der normativen Vorgaben im Entgeltfortzahlungsgesetz ein hoher Beweiswert zu (vgl. dazu zuletzt BAG vom 8. September 2021 - 5 AZR 149/21 - NZA 2022, 39). Vergleichbare Regelungen gibt es indes zum ärztlichen Attest zur Befreiung von der Maskenpflicht nicht. Insofern verbleibt es bei der Darlegungs- und Beweislast des Arbeitnehmers, der von der Maskenpflicht befreit sein will.



Die vom Kläger eingereichten ärztlichen Atteste vermochten aber auch deshalb nicht ohne weitere Darlegung seitens des Klägers in geeigneter Weise glaubhaft zu machen, dass ihm die Verwendung einer Mund-Nasen-Bedeckung aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich oder unzumutbar ist, weil die Beklagte mit ihrem Vortrag einen etwaigen Beweiswert dieser Atteste erschüttert hat. Dies hat das Arbeitsgericht bereits im Einzelnen ausgeführt. Unstreitig hat der Kläger unmittelbar nach Veröffentlichung der Weisung der Beklagten die ihm für Dritte überlassenen Mund-Nasen-Bedeckungen in den Papierkorb geworfen mit der Bemerkung "Scheiß Maske". Darüber hinaus hat der Kläger mehrmals sich gegenüber Dritten geäußert, dass er Masken für Quatsch und unnötig halte und dass die von ihm aufgesuchte Ärztin "Maskenbefreiungen" gebe. Aus diesem Verhalten und diesen Äußerungen ergibt sich aber, dass der Kläger nicht etwa aus gesundheitlichen Gründen das Tragen einer Maske ablehnt, sondern weil er dies für überflüssig und sinnlos hält und sich gegen das Tragen einer Maske deshalb ausspricht, weil er es für einen Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht hält. War der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aber erschüttert, hatte der Kläger näher als bisher dazu vorzutragen, aus welchen gesundheitlichen Gründen ihm das Tragen einer Maske unzumutbar sein soll. Dieser Vortragslast stehen datenschutzrechtliche Bedenken nicht entgegen. Der Kläger verlangt im vorliegenden Prozess Zahlung von der Beklagten. Er kann sich bei der Anspruchsbegründung gegenüber der Beklagten nicht auf Datenschutz berufen, um von der ihn treffenden Vortragslast frei zu werden.



2.3 Erweist sich die Weisung der Beklagten aber als rechtswirksam, hat der Kläger seine Arbeitsleistung nicht, wie sie von ihm zu bewirken war, angeboten. Denn der Kläger war nicht bereit, mit Maske seine Arbeit anzutreten. Soweit der Kläger jetzt erstmals im Berufungsverfahren behauptet, er sei bereit gewesen wenige Minuten die Maske zu tragen, kann dahinstehen, ob dieser Vortrag zutreffend ist. Denn jedenfalls hätte er bei seinem Arbeitsangebot der Beklagten gegenüber verdeutlichen müssen, dass er zwar aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage ist, eine Maske zu tragen, gleichwohl aber bereit ist, entsprechend ihrer Weisung an den dort vorgesehenen Orten kurzfristig die Maske zu tragen. Mehr hat die Beklagte zu keinem Zeitpunkt vom Kläger verlangt.



3. Fehlt es an einem hinreichenden Angebot des Klägers, war die Klage insgesamt unbegründet. Die Klage ist aber auch teilweise schon deshalb unbegründet, weil der Kläger lediglich 1.240,00 Euro netto Arbeitslosengeld von seiner Bruttoforderung in Abzug bringt, obwohl er ausweislich des von ihm eingereichten Arbeitslosengeldbescheides vom 9. Februar 2021 für November und Dezember 2020 1.268,40 Euro Arbeitslosengeld im Monat bezogen hat und für die Monate Januar bis April 2021 1.284,00 Euro. Da in Höhe des geleisteten Arbeitsentgelts Ansprüche aber auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangen sind, ist der Kläger - seinem Klageanspruch unterstellt - nicht in vollem Umfang aktiv legitimiert.



4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorlagen.

Verkündet am 26. April 2022

Vorschriften§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 2 ArbGG (Arbeitsgerichtsgesetz), §§ 519, 520 Abs. 1, 3 ZPO (Zivilprozessordnung), § 66 Abs. 1, 2 ArbGG, § 69 Abs. 2 ArbGG, §§ 611a Abs. 2, 615 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch), §§ 293 ff. BGB, §§ 615 S. 1, 293 ff. BGB, § 615 S. 1 BGB, § 611a Abs. 2 BGB, § 293 BGB, § 294 BGB, § 295 BGB, § 106 GewO, § 106 S. 2 GewO, Art. 2 GG, Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG, § 138 ZPO, § 618 BGB, § 5 Abs. 1 S. 2 EFZG, § 7 Abs. 1 Nr. 1 EFZG, § 97 ZPO