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  • · Fachbeitrag · Insolvenzverfahren

    Bereiten Sie sich schon jetzt auf die Reform des Verbraucherinsolvenzverfahrens vor

    | Gläubiger erwarten mit der am 18.7.013 verkündeten (BGBl. I, 2379) und zum 1.7.14 in Kraft tretenden 2. Stufe der Insolvenzrechtsreform erhebliche Neuerungen, auf die sie sich frühzeitig einstellen müssen, wenn sie keine unliebsamen Überraschungen erleben wollen. Anders als der Titel des „Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte“ verheißt, bringt es nämlich neben Aspekten der Stärkung der Gläubigerrechte deutliche Verschlechterungen für Einzelgläubiger mit sich. FMP stellt die Einzelregelungen vor und beleuchtet deren Vor- und Nachteile sowie die Handlungsoptionen für Gläubiger. |

    1. Wer früh vorgesorgt hat, wird künftig bestraft

    Wer frühzeitig vorgesorgt hat, wird nach dem bisherigen Insolvenzrecht dafür belohnt. Hat der Schuldner vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nämlich eine Forderung für die spätere Zeit auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge abgetreten oder verpfändet, ist diese Verfügung trotz der Insolvenz wirksam, soweit sie sich auf die Bezüge für die Zeit vor Ablauf von zwei Jahren nach dem Ende des zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens laufenden Kalendermonats bezieht.

     

    • Beispiel

    Gläubiger G. hat in einem Ratenzahlungsvergleich mit Schuldner S. zugleich vereinbart, dass dieser dem G. sein pfändbares Einkommen abtritt, wenn er die Raten nicht vereinbarungsgemäß zahlt. Nachdem dieser Fall eintritt, leitete S. das Insolvenzverfahren ein, das dann auch im Mai 2012 eröffnet wurde. Folge: G. erhält noch bis Mai 2014 nach § 114 Abs. 1 InsO das gesamte pfändbare Arbeitseinkommen des S., soweit die Forderung nicht schon zuvor vollständig getilgt ist.

     

    Die Insolvenzrechtsreform zielt nach ihrer Begründung nun angeblich darauf ab, die Rechte der ungesicherten Gläubiger zu stärken. Deren Befriedigungsaussichten würden bisher häufig durch ‒ in der Regel formularmäßig vereinbarte ‒ Lohnvorausabtretungen geschwächt. Um dem Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung Rechnung zu tragen und die Verteilungsgerechtigkeit im Insolvenzverfahren zu erhöhen, sei eine Abschaffung des Lohnabtre-tungsprivilegs zwingend. In der Konsequenz ist in Art. I Nr. 15 des Gesetzes lapidar formuliert „§ 114 wird aufgehoben“.

     

    Mit der Streichung von § 114 InsO möchte der Gesetzgeber die Insolvenzmasse verbreitern und die Verteilungsgerechtigkeit des Verfahrens erhöhen. Außergerichtliche Einigungen seien bisher an dem Widerstand der durch die Abtretung begünstigten Gläubiger gescheitert. Dem wirke die Streichung entgegen.

     

    MERKE | In beiden Annahmen irrt der Gesetzgeber. Von der Streichung profitiert zwar vordergründig die Insolvenzmasse. Tatsächlich wird der Mehrerlös allerdings zur Deckung von Verfahrenskosten und der Insolvenzverwaltervergütung verwandt, also nicht der Mehrheit der Gläubiger über eine höhere Quote zugute kommen. Auch sind außergerichtliche Einigungen nicht an vorhandenen Abtretungen gescheitert, sondern an dem Umstand, dass regelmäßig nur „Nullpläne“ angeboten wurden und es für einen Gläubiger keinen vernünftigen Grund gibt, solchen Plänen zuzustimmen. Die Gesetzesbegründung geht mithin an der Wirklichkeit vorbei.

     

    Im Hinblick auf die Verkürzung der Wohlverhaltensphase von sechs auf drei Jahre, soweit der Schuldner 35 Prozent der angemeldeten Forderungen befriedigt, müsse auch gesichert sein, dass dem Schuldner sein Arbeitseinkommen als regelmäßig einzige Einnahmequelle ungeschmälert zur Verfügung stehe, um die Verfahrenskosten auszugleichen und die zur Verkürzung der Restschuldbefreiung erforderliche Quote auch tatsächlich erreichen zu können.

     

    PRAXISHINWEIS | Der Gesetzesbegründung lässt sich entnehmen, dass es dem Gesetzgeber vor allem um die Entlastung der Landesjustizkassen ging, bei denen er sich eine Entlastung bei der Verfahrenskostenstundung für den Schuldner verspricht. Die Rechtsverkürzung durch die Streichung des § 114 InsO korrespondiert also auch hier nicht mit einer höheren Quote auf die angemeldete Forderung.

     

    Checkliste / Gläubiger muss unmittelbar reagieren

    Die Streichung des § 114 InsO wird zwar erst mit dem 1.7.14 wirksam. Sie muss aber gleichwohl schon Eingang in die aktuelle Verfahrensweise des Gläubigers finden:

     

    • Die Abtretung des Arbeitslohns verliert schon im Zusammenhang mit der Vertragsanbahnung im Hinblick auf die Insolvenzgefahr an Sicherheit und kann mithin eine Kreditgewährung nicht mehr ohne Weiteres rechtfertigen. Im Übrigen muss die künftig möglicherweise höhere Forderungsausfallquote bei der Preisgestaltung berücksichtigt werden.

     

    • Praxishinweis: Der Gesetzgeber ist der Meinung, dass die Lohnabtretung ohnehin nur ein untergeordnetes Sicherungsmittel darstelle, weil der Bestand des Arbeitsverhältnisses nicht sicher sei und weil die Abtretung regelmäßig in Arbeits- und Tarifverträgen ausgeschlossen sei ‒ sodass es dann keiner Aufhebung von § 114 InsO bedurfte ‒ und sie letztlich auch in AGB und nicht individuell vereinbart werde. Er verkennt damit das Bemühen des Gläubigers um ein dichtes Sicherungsnetz und den Umstand, dass ein solches Netz einen niedrigen Forderungsausfall begründet, was als Preisvorteil an alle Kunden weitergegeben werden kann.
    •  
    • Die Situation ist bei Raten- und Teilzahlungsvergleichen im Rahmen der Forderungsbeitreibung nicht anders zu beurteilen. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund von zunehmenden Insolvenzanfechtungen von solchen Vereinbarungen nach § 133 InsO.

     

    • Ungeachtet dessen darf auf die Abtretung von Lohnabtretungen nicht verzichtet werden. Grund: Nicht jeder Schuldner beantragt tatsächlich auch ein Verbraucherinsolvenzverfahren. Außerdem wird sich die Gläubigerforderung oft auch aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung begründen lassen, sodass diese ‒ entsprechend angemeldet ‒ nach § 302 InsO nicht an der Restschuldbefreiung teilnimmt. Die Lohnabtretung lebt dann mit dem Ende der Restschuldbefreiung wieder auf.

     

    • Der Gläubiger muss von der Vertragsanbahnung über Vereinbarungen während des vollzogenen Vertragsverhältnisses bis hin in die Forderungsbeitreibung darauf bedacht sein, andere Sicherheiten zu erlangen, die eine höhere Sicherheit im Insolvenzverfahren, insbesondere Ab- oder Aussonderungsrechte begründen. Zu denken ist an
      • die Einräumung von Sicherungseigentum an beweglichen Gegenständen, insbesondere Pkw, Maschinen, Elektronikgeräten, Schmuck oder sonstigen Kostbarkeiten. Gerade wenn der Schuldner einen Ratenzahlungsvergleich von sich aus anstrebt, besteht die Chance, dass er zu solchen Vermögensgegenständen Auskunft gibt, während sie bei der Zwangsvollstreckung von den Vollstreckungsorganen nicht gesucht oder aufgefunden und im Rahmen der Vermögensauskunft verschwiegen werden.

     

      • die Einräumung von Immobiliarsicherheiten an eigenem oder fremdem (Familie!) Grundbesitz. Die Einräumung und Bewilligung einer nachrangigen Sicherungshypothek kann dabei auch sinnvoll sein, wenn das Grundstück erheblich vorbelastet ist, da die Hauptgläubiger wie der Insolvenzverwalter nicht selten eine freie Verwertung anstreben, sodass man sich in einer bequemen Verhandlungsposition befindet, die nicht selten zu einer höheren Teilbefriedigung führen kann.

     

      • die Einbeziehung Dritter in die zu treffende Vereinbarung, etwa den Ehegatten, Mitgesellschafter oder sonst nahestehende Personen. Dabei kommt die Einbeziehung als weiterer Schuldner ebenso infrage wie die Stellung als Bürge.

     

    • Es muss geprüft werden, ob der Schuldner gegebenenfalls mit Dritten für die Forderung gesamtschuldnerisch haftet. Nicht immer gehen alle Schuldner dann gleichzeitig in ein Insolvenzverfahren. Hier ist z.B. an Ehegatten (§ 1357 BGB), Mitgesellschafter einer GbR oder einer OHG (§§ 124, 128 HGB) oder GmbH-Gesellschafter, der die Leistung der Gesellschaftseinlage nicht nachweisen kann, zu denken.

     

    • Der Gläubiger muss auch feststellen, ob er seine Forderung aus vorsätzlich unerlaubter Handlung nach § 823, 826 BGB begründen kann. Dies hat zwei Vorteile:

     

      • Wird dem Schuldner ein solcher Forderungsgrund vor Augen geführt, verzichtet er oft auf die Verbraucherinsolvenz, weil er bei wesentlichen Forderungen ohnehin keine Restschuldbefreiung erlangen kann.
      • Soweit der Schuldner gleichwohl die Verbraucherinsolvenzverfahren durchläuft, nimmt die Forderung an der Restschuldbefreiung nicht teil, sodass die Lohnabtretung nachfolgend wieder genutzt werden kann.

     

    • Praxishinweis: Dabei profitiert der Gläubiger doppelt. Es gelten dann nicht die Pfändungsfreigrenzen des § 850c ZPO, sondern dem Schuldner ist nach § 850f Abs. 2 ZPO nur so viel zu belassen, wie er für seinen notwendigen Unterhalt (Hartz IV) und zur Erfüllung seiner gesetzlichen Unterhaltspflichten bedarf.
     

    In § 287 Abs. 3 InsO wird klargestellt, dass die vor der Insolvenz erklärten Lohnabtretungen während der Restschuldbefreiungsphase insoweit unwirksam sind, als sie die Wirkungen der Abtretungserklärung nach § 287 Abs. 2 InsO beeinträchtigen, mit der der Schuldner seine pfändbaren Forderungen auf Bezüge aus seinem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretenden laufenden Bezüge für die Zeit von sechs Jahre nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an einen vom Gericht zu bestimmenden Treuhänder abtritt. Der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages meinte die Gefahr zu sehen, dass ungeachtet der Streichung von § 114 InsO eine Lohnabtretung vor der Insolvenzeröffnung der Abtretungserklärung nach § 287 Abs. 2 InsO vorgehen würde (BT-Drucksache 17/13535, S. 39).

     

    FAZIT | Am Ende bestraft der Gesetzgeber den vorsorgenden Gläubiger, der im Sinne der Preissicherheit für alle seine Kunden und zur Absicherung seines Geschäftsmodells, einschließlich der Sicherung von Arbeitsplätzen, die Abtretung als ein bisher teilweises insolvenzsicheres Instrument genutzt hat. Eine tatsächliche Gleichstellung der Gläubiger wird damit nicht bewirkt, weil der Mehrerlös der Insolvenzmasse weitgehend den Verfahrenskosten und der Insolvenzverwaltervergütung zugute kommt und darüber hinaus die Immobiliargläubiger in die Solidarität aller Gläubiger untereinander nicht einbezogen, sondern weiter bevorzugt werden.

     

    2. Erheblicher Nachteil bei Pfändung von Arbeitseinkommen

    Ist vor Eröffnung des Verfahrens mittels Zwangsvollstreckung über die Bezüge für die spätere Zeit verfügt worden, ist diese Verfügung nach § 114 Abs. 3 InsO in der derzeit noch gültigen Fassung für den Monat der Insolvenzeröffnung wirksam. Ist die Eröffnung nach dem 15. des Monats erfolgt, ist die Verfügung auch für den folgenden Kalendermonat wirksam. Die Rückschlagsperre gilt also nicht und die Pfändung wirkt sogar noch über die Insolvenzeröffnung hinaus. Auch diese Privilegierung des Vollstreckungserfolgs entfällt zum 1.7.14.

     

    Der Gläubiger muss außerdem befürchten, bereits ausgekehrte Pfändungsbeträge an den Insolvenzverwalter zurückgewähren zu müssen. Es stellt deshalb sicher keine Stärkung der Gläubigerrechte dar, dass § 88 InsO zum 1.7.14 ergänzt wird. Er sah bisher vor, dass eine Sicherung mit der Eröffnung des Verfahrens unwirksam wird, wenn ein Insolvenzgläubiger im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag durch Zwangsvollstreckung eine Sicherung an dem zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögen des Schuldners erlangt hat. Diese Frist wird für Verbraucherinsolvenzverfahren nun auf drei Monate verlängert. Dies war nach § 321 Abs. 1 S. 2 InsO bisher nur bei einem Eigenantrag des Schuldners der Fall. Der Gesetzgeber möchte so erreichen, dass der außergerichtliche Einigungsversuch nicht durch Vollstreckungsbemühungen einzelner Gläubiger gestört wird. In Kombination mit der Streichung von § 114 Abs. 3 InsO verliert der Pfändungspfandgläubiger also insgesamt vier Monate den pfändbaren Anteil am Arbeitseinkommen des Schuldners. In der Konsequenz muss der Gläubiger sich darauf einstellen, den Pfändungserlös der letzten drei Monate vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurückzahlen zu müssen.

     

    PRAXISHINWEIS | Die Rechtsdienstleister des Gläubigers müssen zur Vermeidung übermäßigen Abrechnungsaufwands insoweit erwägen, vertraglich zu vereinbaren, dass der Vollstreckungserlös erst drei Monate nach Zahlungseingang an den Gläubiger weitergeleitet wird und bis dahin auf einem Treuhandkonto verbleibt.

     

    Auch die Entwertung der Maßnahme der Einzelzwangsvollstreckung zwingt den Gläubiger die in der obigen Checkliste aufgeführten Maßnahmen zu ergreifen. Der in der Zwangsvollstreckung erfolgreiche Einzelgläubiger wird auch an dieser Stelle ungerechtfertigt benachteiligt, weil er nicht nur seine Befriedigungschance verliert und bereits erhaltene Gelder zurückzahlen muss, sondern auch noch auf den investierten Verfahrenskosten sitzen bleibt.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Die weiteren Änderungen, die die 2. Stufe der Insolvenzrechtsreform für das Forderungsmanagement mit sich bringt, werden wir in den folgenden Ausgaben von FMP ausführlich darstellen
    • Einen ersten Überblick zur Reform haben wir in FMP 13, 122 zusammengestellt
    • Reform der Restschuldbefreiung: Reform der Versagungsgründe, FMP 13, 142
    Quelle: Ausgabe 02 / 2014 | Seite 35 | ID 42505109