03.08.2023 · IWW-Abrufnummer 236619
Hessisches Landesarbeitsgericht: Urteil vom 22.05.2023 – 17 Sa 644/22
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 25. Februar 2022 ‒ 7 Ca 6313/21 ‒ wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Rückzahlung eines Darlehnsbetrages.
Der Kläger ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen der A (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin).
Die Insolvenzschuldnerin und der Beklagte schlossen am 17. Oktober 2018 eine „Ausbildungsvereinbarung zum Erwerb der Musterberechtigung als Co-Pilot auf dem Flugzeugmuster Airbus A320 Family“ (im Folgenden: Ausbildungsvereinbarung). Diese hat auszugsweise folgenden Inhalt:
„§ 1 Gegenstand/Zeitrahmen
(1) Der Co-Pilot wird auf eigene Kosten an dem Lehrgang zum Erwerb der Musterberechtigung (Type Rating) als Co-Pilot auf dem Flugzeugmuster Airbus A320 Family teilnehmen und zwar in der Flugschule B als Ausbildungsbetrieb.
(2) Der Lehrgang wird voraussichtlich in dem Zeitraum vom 07.01.2019 bis zum 30.04.2019 stattfinden.
§ 2 Vergütung
Mit Beginn des Lehrgangs zum Erwerb der Musterberechtigung erhält der Co-Pilot eine Ausbildungsvergütung in Höhe von 1.550,00 € brutto monatlich.
(…)
§ 4 Arbeitsvertrag
Nach erfolgreich abgeschlossenem Type Rating erhält der/die Auszubildende
ein Arbeitsvertragsangebot als Co-Pilot.
(…)“
Wegen der weiteren Einzelheiten dieser Ausbildungsvereinbarung wird auf die Anlage K3 Bezug genommen (Bl. 14 d. A.).
Ebenfalls am 17. Oktober 2018 schlossen die Insolvenzschuldnerin und der Beklagte
einen „Darlehensvertrag zur Finanzierung der Type Rating Kosten für das Flugzeugmuster Airbus A320 Family“ (im Folgenden: Darlehensvertrag). In diesem heißt es auszugsweise wie folgt:
„Im Hinblick auf das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses mit der Gesellschaft vereinbaren die Parteien folgendes Darlehen und zwar zur Finanzierung des/der Type Rating Lehrganges/Prüfung als Co-Pilot auf dem Flugzeugmuster Airbus A320 Family:
§ 1 Darlehen
Die Gesellschaft gewährt dem Darlehensnehmer ein Darlehen in Höhe von 20.950 EUR (…) („Darlehensbetrag“).
§ 2 Fälligkeit der Auszahlung
Die Auszahlung des Darlehensbetrages erfolgt durch die Gesellschaft bei Ausbildungsbeginn direkt an den Darlehensnehmer. Die Auszahlung der ersten Rate in Höhe von 10.475 EUR erfolgt zum Ausbildungsbeginn 07.01.2019 und die Auszahlung der zweiten Rate in Höhe von 10.475 EUR erfolgt zum 21.01.2019.
§ 3 Zins/Lohnsteuer
(1) Das Darlehen ist nicht zu verzinsen.
(…)
§ 4 Tilgung
(1) Das Darlehen ist in monatlichen Raten in Höhe von 225 EUR (...) (Höhe der Einzelraten), mit dem Beginn des Arbeitsverhältnisses zu tilgen und zwar jeweils zum Ende des Monats, der dem Beginn des Arbeitsverhältnisses folgt (Datum der ersten Ratenzahlung).
(2) Nach der ersten Ratenzahlung sind die Tilgungsraten ebenfalls jeweils zum Ende eines jeden Monats fällig.
(3) Die Tilgung des Darlehens erfolgt über einen Zeitraum von 94 Monaten.
(…)
§ 6 Vorzeitige Beendigung des Darlehens/Fälligkeit
(1) Der ausstehende Darlehensrestbetrag wird insgesamt fällig, wenn das bestehende Arbeitsverhältnis, gleich aus welchem Grunde, beendet wird. Dies gilt nicht für die Fälle der betriebsbedingten Kündigung, der durch die Gesellschaft veranlassten Eigenkündigung, der einvernehmlichen Aufhebung des Arbeitsverhältnisses oder der gerichtlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses.
(2) Ferner wird der Darlehensbetrag insgesamt fällig, wenn der Darlehensnehmer nach der erfolgreichen Absolvierung des Type Rating Lehrganges als Co-Pilot den Arbeitsvertrag vor Arbeitsaufnahme kündigt und/oder seine arbeitsvertragliche Tätigkeit als Co-Pilot nicht aufnimmt. Voraussetzung für die Rückzahlung/Fälligkeit des Darlehensbetrages ist, dass die Kündigung vor Arbeitsaufnahme und/oder die Nichtaufnahme der Arbeit nicht durch die Gesellschaft veranlasst wurde.
(3) Ferner wird der Darlehensbetrag insgesamt fällig, wenn der Mitarbeiter das Ausbildungsziel schuldhaft nicht erreicht (etwa aufgrund endgültig nicht bestandener Prüfungen).
(4) Entschließt sich der Darlehensnehmer die Ausbildung aus von ihm zu vertretenden Gründen abzubrechen, ist er der Gesellschaft zur Rückzahlung des Darlehensbetrages in Höhe der bis dahin entstandenen Ausbildungskosten verpflichtet.
(…)“
Wegen der weiteren Einzelheiten des Darlehensvertrages wird auf die Anlage K2 Bezug genommen (Bl. 13 d. A.).
Die Insolvenzschuldnerin zahlte die erste Darlehensrate in Höhe von 10.475,00 Euro an den Beklagten aus.
Mit Beschluss vom 5. Februar 2019 ordnete das Amtsgericht Charlottenburg das vorläufige Insolvenzverfahren und mit Beschluss vom 1. April 2019 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin an. Der Kläger wurde zum Insolvenzverwalter bestellt.
Die Insolvenzschuldnerin kündigte das „Arbeitsvertragsverhältnis“ mit dem Beklagten mit Schreiben vom 25. März 2019 zum 10. April 2019 (Anlage B 1, Bl. 52 f. d.A.).
Die Insolvenzschuldnerin bzw. der Kläger zahlte die zweite Darlehensrate iHv. 10.475,- Euro nicht an den Beklagten aus. Vor dem Hintergrund hatte der Beklagte die Wahl, die Ausbildung abzubrechen oder die Ausbildung auf eigene Kosten zu Ende zu bringen. Der Beklagte zahlte die zweite Rate selbst und absolvierte den Lehrgang zum Erwerb der Musterberechtigung als Co-Pilot auf dem Flugzeugmuster Airbus A320 Family erfolgreich. Die Insolvenzschuldnerin bzw. der Kläger unterbreiteten dem Beklagten insolvenzbedingt kein Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrages, so dass ein solcher nicht zustande kam.
Der Beklagte leistete weder Tilgungsraten iHv. 225 Euro monatlich auf das Teildarlehen noch zahlte er dieses insgesamt an die Insolvenzschuldnerin bzw. den Kläger zurück. Mit Schreiben vom 7. Januar 2021 forderte der Kläger den Beklagten erfolglos zur Zahlung in Höhe von 4.275,00 Euro und zur Aufnahme der Tilgung auf (Anlage K5, Bl. 19 f. d.A.). Mit Schreiben vom 2. März 2021 kündigte der Kläger das Darlehen und verlangte von dem Beklagten die Rückzahlung des gesamten Darlehens in Höhe von 10.475,00 Euro (Anlage K6, Bl. 22 d.A.).
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, es bestehe ein Anspruch auf Rückzahlung des gesamten Darlehnsbetrages. Da das Darlehen dem Beklagten unentgeltlich überlassen worden sei, sei § 605 Nr. 1 BGB entsprechend anzuwenden. Eine Kündigung sei auch nach § 498 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. a BGB möglich, da der Beklagte mit mindestens zwei aufeinander folgenden Teilzahlungen in Verzug gewesen sei.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 10.475,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, ein Rückzahlungsanspruch bestehe nicht. Ein solcher folge weder aus dem Darlehensvertrag, da bereits kein Arbeitsverhältnis begründet worden sei noch - mangels planwidriger Regelungslücke - aus einer analogen Anwendung des § 605 Nr. 1 BGB.
Wegen des weiteren Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat die Klage durch am 25. Februar 2022 verkündetes Urteil (- 7 Ca 6313/21 -) abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, ein Anspruch auf Rückzahlung des gesamten Darlehensteilbetrages bestehe nicht nach § 6 Abs. 1 des Darlehensvertrages. Ein Arbeitsverhältnis sei nicht begründet worden. Selbst wenn man das zwischen den Parteien begründete Ausbildungsverhältnis als Arbeitsverhältnis iSd. Norm verstehen würde, lägen die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Darlehensvertrag nicht vor, da das Ausbildungsverhältnis zwischen der Insolvenzschuldnerin und dem Beklagten durch eine betriebsbedingte Kündigung beendet worden sei.
Eine Fälligkeit des gesamten noch offenen Darlehensbetrages in Höhe von 10.475,00 Euro ergebe sich mangels Arbeitsvertrag auch nicht aus § 6 Abs. 2 Darlehensvertrag. Zudem nehme die Regelung eine Kündigung, die durch die Gesellschaft veranlasst wurde, ausdrücklich von der Möglichkeit der Fälligstellung aus.
Ein Zahlungsanspruch ergebe sich ferner nicht aus der Möglichkeit der vorzeitigen Fälligstellung nach § 6 Abs. 3 oder § 6 Abs. 4 Darlehensvertrag.
Der Kläger habe auch kein gesetzliches Kündigungsrecht gemäß § 490 Abs. 1 BGB. Die Voraussetzung - der Eintritt einer wesentlichen Verschlechterung in den Vermögensverhältnissen des Darlehensnehmers - lägen bei dem Beklagten nicht vor.
Das Kündigungsrecht bestehe auch nicht nach § 605 Nr. 1 BGB analog. Die für eine Analogie erforderliche planwidrige Regelungslücke liege nicht vor. Auch ein zinsloses Darlehen stelle ein Darlehen im Sinne der §§ 488 ff. BGB dar. Würde man auf zinslose Darlehen die Regelungen der Leihe wie § 605 Nr. 1 BGB anwenden, stünde dies im klaren Widerspruch zu den gesetzlichen Regelungen zum Darlehen.
Gegen dieses ihm am 31. März 2022 zugestellte Urteil hat der Kläger am 26. April 2022 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist auf rechtzeitigen Antrag hin bis zum 30. Juni 2022 am 30. Juni 2022 begründet.
Der Kläger hält die angefochtene Entscheidung für unrichtig. Er wiederholt und vertieft sein Vorbringen und vertritt die Auffassung, das Arbeitsgericht Frankfurt am Main verkenne das aus dem Rechtsgedanken des § 605 Nr. 1 BGB abgeleitete Recht zur außerordentlichen Kündigung bei einem unverzinslichen Gefälligkeitsdarlehen für den Fall, dass der Darlehensgeber des „verliehenen“ Geldes bedürfe. Die Gesetzessystematik stehe der Anwendung von § 605 Nr. 1 BGB nicht entgegen. Aus dieser ergebe sich nicht, dass die Vorschriften zum Gelddarlehen in jeder Hinsicht abschließend seien. Das Darlehen zeige vorliegend auch die Merkmale eines Gefälligkeitsdarlehens. Dies ergebe sich unmittelbar aus den von der Insolvenzschuldnerin zugunsten des Beklagten gewährten Sonderkonditionen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass das Darlehen zinslos, ohne vorhergehende Bonitätsprüfung und ausreichende Sicherheiten, an den Beklagten ausgegeben worden sei. Im Darlehen sei zudem eine besonders niedrige Annuität vereinbart worden, die den Beklagten wirtschaftlich nur wenig belaste und unterhalb marktüblicher Bedingungen liege. Die Rückzahlung sei zudem zunächst gestundet und auf den Beginn des Arbeitsverhältnisses als Co-Pilot vereinbart worden. Der Gefälligkeitscharakter ergebe sich außerdem aus der gleichzeitig mit Eingehung des Darlehens abgeschlossenen Ausbildungsvereinbarung und der darin geregelten Ausbildungsvergütung für die Dauer des Type Ratings in Höhe von monatlich 1.550,00 Euro, die nicht von der Rückzahlungsverpflichtung umfasst sei. Er habe das Darlehen in entsprechenden Anwendung von § 605 Nr. 1 BGB gesamtfällig stellen dürfen.
Hilfsweise ergebe sich die Gesamtfälligkeit des Darlehens aus dem Zahlungsverzug des Beklagten und der daraufhin erklärten Kündigung des Darlehens durch ihn. Der Beklagte habe sich mit mindestens zwei aufeinander folgenden Teilzahlungen im Verzug befunden und der Betrag übersteige fünf Prozent des Nennbetrags des Darlehens (§ 498 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB).
Im Übrigen sei die Geschäftsgrundlage als gestört anzusehen, weil der Flugbetrieb der Insolvenzschuldnerin nicht weiterbetrieben worden sei. Vor dem Hintergrund sei es nicht zum Abschluss eines Arbeitsvertrages gekommen.
Wegen des weiteren Vortrags des Klägers im Berufungsverfahren wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründung vom 30. Juni 2022.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 25. Februar 2022, Aktenzeichen 7 Ca 6313/21, abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an ihn 10.475,- Euro zu zahlen, nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.Der Beklagte ist der Ansicht, das Arbeitsgericht Frankfurt am Main habe zutreffend ein Kündigungsrecht des Darlehensvertrags durch den Kläger gem. § 605 Nr. 1 BGB analog verneint. Für die Annahme einer Analogie mangele es bereits an einer planwidrigen Regelungslücke. Die analoge Anwendung von § 605 Nr. 1 BGB würde die vom Gesetzgeber zum Darlehensrecht getroffenen und im vorliegenden Fall anwendbaren Normen umgehen und zu diesen in einem Wertungswiderspruch stehen. Das zinslose Darlehen unterliege vollständig und ausschließlich dem Darlehensrecht und insoweit den Vorschriften der §§ 488 ff. BGB. Der Gesetzgeber habe die Störungen eines Darlehensvertrags und die sich hieraus ergebenden rechtlichen Konsequenzen abschließend in den Vorschriften des Darlehensrechts geregelt. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund von § 490 Abs. 3 BGB und dem hierin enthaltenen Verweis auf §§ 313, 314 BGB.
Wegen des weiteren Vortrags des Beklagten im Berufungsverfahren wird Bezug genommen auf die Berufungserwiderung vom 8. September 2022.
Wegen des weiteren Sachvortrages der Parteien, ihrer Beweisantritte und der von ihnen überreichten Unterlagen sowie ihrer Rechtsausführungen im Übrigen wird ergänzend auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 25. Februar 2022 - 7 Ca 6313/21 - hat keinen Erfolg.
A.
Die Berufung des Klägers ist gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 lit. b ArbGG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 64 Abs. 6 ArbGG iVm. 524 ZPO).
B.
Die Berufung des Klägers ist allerdings unbegründet. Das Arbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass dem Kläger kein Anspruch auf Rückzahlung des durch die Insolvenzschuldnerin dem Beklagten gewährten Darlehens iHv. 10.475,00 Euro zusteht.
1. Ein Rückzahlungsanspruch der - vom Kläger ausschließlich begehrten - gesamten Darlehenssumme iHv. 10.475 Euro ergibt sich nicht aus § 605 Nr.1 BGB analog.
a) Nach der Norm kann der Verleiher die Leihe kündigen, wenn er infolge eines nicht vorhergesehenen Umstandes der verliehenen Sache bedarf.
b) Vorliegend ist § 605 Nr. 1 BGB nicht unmittelbar anwendbar.
Bei dem zwischen dem Beklagten und der Insolvenzschuldnerin geschlossenen „Darlehensvertrag“ vom 17. Oktober 2018 handelt es sich nicht um einen Fall der Leihe, sondern um einen - zulässigen - unverzinslichen Darlehensvertrag, der den Regelungen der § 488 ff. BGB unterfällt. Dies ergibt sich bereits aus § 488 Abs. 3 Satz 3 BGB, aus dem folgt, dass bei einem der §§ 488 ff. BGB unterfallenden Darlehen nicht zwingend Zinsen geschuldet sein müssen (vgl. zum unverzinslichen Darlehen auch: BeckOK BGB/Rohe, 66. Ed. 1. Mai 2023, BGB § 488 Rn. 51; HK-BGB/Volker Wiese, 11. Aufl. 2021, BGB § 488 Rn. 4; BeckOGK/C. Weber, 1. April 2023, BGB § 488 Rn. 249; BeckOGK/Binder, 1.5.2023, BGB § 488 Rn. 13; vgl. auch BAG 23. August 2012 - 8 AZR 394/11 - Rn. 15, BAGE 143, 50).
c) Eine analoge Anwendung des § 605 Nr. 1 BGB scheidet im vorliegenden Fall ebenfalls aus. Es fehlt sowohl an der erforderlichen planwidrigen Regelungslücke als auch an einer vergleichbaren Interessenlage.
aa) Die analoge Anwendung einer Vorschrift ist nur möglich, wenn das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält, deren Planwidrigkeit aufgrund konkreter Umstände positiv festgestellt werden kann. Andernfalls könnte jedes Schweigen des Gesetzgebers als planwidrige Lücke aufgefasst und im Wege der Rechtsfortbildung von den Gerichten ausgefüllt werden. Die Lücke muss sich aus dem unbeabsichtigten Abweichen des Gesetzgebers von seinem dem konkreten Gesetzgebungsverfahren zugrundeliegenden Regelungsplan ergeben. Darüber hinaus muss der gesetzlich ungeregelte Fall nach Maßgabe des Gleichheitssatzes und zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen nach der gleichen Rechtsfolge verlangen wie die gesetzessprachlich erfassten Fälle (vgl. BAG 16. August 2022 - 9 AZR 76/22 (A) - Rn. 23; 23. Oktober 2019 - 7 ABR 7/18 - Rn. 20, BAGE 168, 204; 25. Januar 2018 - 8 AZR 338/16 - Rn. 42 mwN). Richterliche Rechtsfortbildung darf nicht dazu führen, dass ein Gericht seine eigene materielle Gerechtigkeitsvorstellung an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers setzt. Die Aufgabe der Rechtsprechung beschränkt sich darauf, den vom Gesetzgeber festgelegten Sinn und Zweck eines Gesetzes auch unter gewandelten Bedingungen möglichst zuverlässig zur Geltung zu bringen oder eine planwidrige Regelungslücke mit den anerkannten Auslegungsmethoden zu füllen. Eine Interpretation, die als richterliche Rechtsfortbildung den Wortlaut des Gesetzes hintanstellt und sich über den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers hinwegsetzt, greift unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers ein (vgl. BVerfG 6. Juni 2018 - 1 BvL 7/14, 1 BvL 1375/14 - Rn. 73, BVerfGE 149, 126 [BVerfG 23.05.2018 - 1 BvR 97/14] ; BAG 12. Juli 2016 - 9 AZR 352/15 - Rn. 19; BAG 16. August 2022 - 9 AZR 76/22 (A) - Rn. 23).
bb) Unter Anwendung dieser Grundsätze fehlt es bereits an einer planwidrigen Regelungslücke. Der Gesetzgeber hat in den §§ 488 ff. BGB abschließende Regelungen zum Darlehensvertrag getroffen. Dies schließt sowohl das verzinsliche (§ 488 Abs. 1 Satz 2 BGB) als auch das unverzinsliche Darlehen ein (vgl. § 488 Abs. 3 Satz 3 BGB). Der Gesetzgeber hat sowohl ein ordentliches als auch ein außerordentliches Kündigungsrecht für Darlehensverträge geregelt (vgl. §§ 489 f., 498 ff. BGB) als auch die Vorschriften der § 313 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage) und § 314 BGB (Kündigung von Dauerschuldverhältnisses aus wichtigem Grund) für anwendbar erklärt (vgl. § 490 Abs. 3 BGB). Unter Berücksichtigung dieser umfangreichen gesetzlichen Regelungssystematik bestehen keine konkreten Anhaltpunkte für das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke für die Konstellation, dass der Darlehensgeber nach Gewährung eines unverzinslichen Darlehens bedürftig wird. Dieser Fall ist vielmehr von den insoweit abschließenden Regelungen der §§ 488 ff. BGB (iVm. §§ 313, 314 BGB) umfasst.
cc) Selbst bei Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke fehlte es für eine analoge Anwendung von § 605 Nr. 1 BGB an einer vergleichbaren Interessenlage. Eine hinreichende Vergleichbarkeit zur Situation der Leihe kommt allenfalls bei einem unverzinslichen Gefälligkeitsdarlehen in Betracht (vgl. dazu OLG Koblenz 24. Januar 2000 - 13 U 819/99 - Rn. 10; OLG Sachsen-Anhalt 11. Mai 2017 - 1 W 53/16 - Rn. 30; OLG Stuttgart 21. März 1986 - 2 U 181/85 - Rn. 22; BeckOGK/Lohsse, 1. März 2023, BGB § 605 Rn. 8; MüKoBGB/Häublein, 9. Aufl. 2023, BGB § 605 Rn. 6). Ein solches ist vorliegend nicht gegeben.
(1) Zwar hat die Insolvenzschuldnerin dem Beklagten das Darlehen ohne vorherige Bonitätsprüfung unverzinslich mit niedriger Tilgungsrate gewährt und die Rückzahlung bis zum Beginn eines Arbeitsverhältnisses gestundet.
(2) Allerdings hat die Insolvenzschuldnerin mit der vorübergehenden Geldüberlassung auch erhebliche Eigeninteressen verfolgt (vgl. dazu OLG Koblenz 24. Januar 2000 - 13 U 819/99 - Rn. 10 f). Die Darlehensgewährung erfolgte nicht zur Finanzierung privater Angelegenheiten des Beklagten, sondern zur Finanzierung des Type Ratings, das für den Einsatz des Beklagten als Co-Pilot auf den Flugzeugen der A320 Familie der Insolvenzschuldnerin erforderlich war. Entsprechend bezeichnet die Präambel den Leistungszweck des Darlehens, nämlich die „Finanzierung des/der Type Rating Lehrganges/Prüfung als Co-Pilot auf dem Flugzeugmuster Airbus A320 Family“. Zudem ist in der Präambel des Darlehensvertrages aufgenommen, dass dieser „im Hinblick auf das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses mit der Gesellschaft“ vereinbart werde. Es handelt sich somit um ein zweckgebundenes Darlehen, dass bei erfolgreichem Absolvieren des Type Ratings den Abschluss eines Arbeitsvertrages und die Tätigkeit des Beklagten bei Insolvenzschuldnerin ermöglichen sollte. Somit ist kein Gefälligkeitsdarlehen gegeben. Vielmehr sollten - im Interesse beider Parteien - durch die Gewährung des Darlehens die Voraussetzungen geschaffen werden, ein Arbeitsverhältnis zu begründen (vgl. auch § 4 Ausbildungsvertrag).
2. Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Rückzahlung des durch die Insolvenzschuldnerin gewährten ersten Darlehensrate iHv. 10.475,00 Euro nach § 498 Abs. 1 BGB zu. Der Beklagte befand sich nicht mit zwei aufeinander folgenden Teilzahlungen in Verzug (§ 498 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. a BGB).
a) Nach § 4 Abs. 1 Darlehensvertrag ist das Darlehen in monatlichen Raten in Höhe von 225 EUR mit dem Beginn des Arbeitsverhältnisses zu tilgen.
b) Da die Parteien keinen Arbeitsvertrag geschlossen haben, bestand auch keine Fälligkeit der Rückzahlungsraten nach § 4 Abs. 1 Darlehensvertrag und insofern auch kein Verzug mit der Ratenzahlung. Die Parteien haben eine Verpflichtung zur Rückzahlung von Darlehensraten für den Fall, dass ein Arbeitsvertrag nicht zustande kommt, nicht geregelt.
3. Der Kläger kann sich auch nicht mit dem Argument, der Flugbetrieb der Insolvenzschuldnerin sei nicht weiterbetrieben worden und daher sei es nicht zum Abschluss eines Arbeitsvertrages gekommen, auf die Störung der Geschäftsgrundlage berufen, mit der Folge, dass eine Kündigung des Darlehensvertrages möglich ist (§ 490 Abs. 3 iVm. § 313 BGB; vgl. zur Kündigungsmöglichkeit BeckOGK/C. Weber, 1.4.2023, BGB § 490 Rn. 178).
a) Nach § 313 BGB ist ein Vertrag anzupassen, wenn Umstände, die zu seiner Grundlage geworden sind, sich schwerwiegend verändert haben. Geschäftsgrundlage sind die bei Vertragsschluss bestehenden gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien oder die dem Geschäftsgegner erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen einer Vertragspartei vom Vorhandensein oder künftigen Eintritt bestimmter Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf diesen Vorstellungen aufbaut. Voraussetzung für eine Vertragsanpassung ist, dass die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie die Änderung vorausgesehen hätten, und dass einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann (BAG 8. Oktober 2009 - 2 AZR 235/08 - Rn. 34 mwN). Erforderlich ist nach § 313 Abs. 1 BGB, dass der betroffenen Partei unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Dies kann nur angenommen werden, wenn ein Festhalten an der vereinbarten Regelung für die betroffene Partei zu einem nicht mehr tragbaren Ergebnis führt (BAG 23. April 2013 - 3 AZR 475/11 - Rn. 21; BGH 1. Februar 2012 - VIII ZR 307/10 - Rn. 30 mwN). Eine Vertragslücke stünde der Anwendung der Regeln über die Störung der Geschäftsgrundlage nicht entgegen (vgl. BAG 23. April 2013 - 3 AZR 475/11 - Rn. 19). Allerdings ist § 313 im Bereich des Darlehensvertragsrechts nur sehr eingeschränkt anwendbar (MüKoBGB/K. P. Berger, 8. Aufl. 2019, BGB § 490 Rn. 67 mwN).
b) Der Kläger kann sich - wegen Einstellung des Flugbetriebes und Nichtzustandekommen des Arbeitsvertrages - nicht auf die Störung der Geschäftsgrundlage berufen.
aa) Es bestehen bereits Bedenken, ob eine Rückzahlungsvereinbarung für den Fall, dass der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer nur eine der zwei vereinbarten Darlehensraten auszahlt, der Darlehensnehmer die Ausbildung nur unter Aufwendung eigener finanzieller Mittel beenden kann und ihm im Anschluss vereinbarungswidrig kein Arbeitsvertragsangebot des Darlehensgebers unterbreitet wird, hätte rechtswirksam geregelt werden können.
bb) Jedenfalls scheidet ein Berufen auf die Störung der Geschäftsgrundlage mit der Folge der Kündigungsmöglichkeit des Darlehensvertrages und der Rückzahlungspflicht des gesamten ausgezahlten Darlehensbetrages bereits unter Berücksichtigung der Regelung in § 6 Abs. 2 Darlehensvertrag aus.
Voraussetzung für „die Rückzahlung/Fälligkeit des Darlehensbetrages“ ist in dem Fall, in dem der Darlehensnehmer seine arbeitsvertragliche Tätigkeit nicht aufnimmt, dass die Nichtaufnahme der Arbeit nicht durch die Gesellschaft veranlasst wurde (§ 6 Abs. 2 Darlehensvertrag). Umgekehrt folgt daraus, dass dann keine Rückzahlungspflicht des gesamten Darlehensbetrages besteht, wenn die Nichtaufnahme der Arbeit durch die Gesellschaft veranlasst wurde.
Auch wenn im Streitfall - insolvenzbedingt - kein Arbeitsvertrag geschlossen wurde und insofern das Tatbestandsmerkmal der Nichtaufnahme einer „arbeitsvertraglichen“ Tätigkeit nicht vorliegt, besteht in diesem Fall erst recht keine Rückzahlungspflicht. Denn der Kläger bzw. der Insolvenzverwalter hat vorliegend nicht nur die Nichtaufnahme der Tätigkeit des Beklagten als Co-Pilot veranlasst, sondern auch das Nichtzustandekommen eines Arbeitsvertrages.
Scheidet eine Rückzahlungspflicht des gesamten Darlehensbetrages nach § 6 Abs. 2 Darlehensvertrag in der vorliegenden Konstellation aus, kann eine solche nicht über § 313 BGB unter Umgehung der vertraglichen Regelungen begründet werden.
4. Das Arbeitsgericht ist auch zutreffend davon ausgegangen, dass kein Rückzahlungsanspruch des geleisteten Darlehensbetrages aus § 6 Darlehensvertrag folgt. Insofern wird Bezug genommen auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichtes gegen die der Kläger im Rahmen der Berufung auch keine Einwände erhoben hat. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass Voraussetzung für „die Rückzahlung/Fälligkeit des Darlehensbetrages“ in dem Fall, in dem der Darlehensnehmer seine arbeitsvertragliche Tätigkeit nicht aufnimmt, ist, dass die Nichtaufnahme der Arbeit nicht durch die Gesellschaft veranlasst wurde (§ 6 Abs. 2 Darlehensvertrag). Auch diese Voraussetzung liegt, wie dargelegt, nicht vor.
C.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
D.
Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision beruht auf § 72 ArbGG. Ein Zulassungsgrund nach § 72 Abs. 2 ArbGG liegt nicht vor.