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  • · Fachbeitrag · Arbeitsrecht

    Bewerber kennenlernen: Möglichkeiten und Risiken des Probearbeitens

    von RAin und Mediatorin Jasmin Johanna Herbst, LL.M., Dr. Schmidt und Partner, Koblenz

    | Möchten Sie als potenzielle Arbeitgeber einen Bewerber über das Vorstellungsgespräch hinaus besser kennenlernen, können Sie ein Probearbeiten vereinbaren. Da unbefristete Arbeitsverhältnisse auch mündlich oder sogar konkludent geschlossen werden können, ist das bloße Probearbeiten arbeitsrechtlich schnell als Vertragsschluss eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses zu werten ‒ mit Vergütungspflichten, Kündigungsfristen etc. Hier helfen nur eindeutige Regeln. |

    1. Nur kurzes Einfühlungsverhältnis vereinbaren?

    Eine Möglichkeit des unverbindlichen Kennenlernens bietet das sog. Einfühlungsverhältnis, um ein Gespür für die jeweils andere potenzielle Arbeitsvertragspartei zu entwickeln. Hier bestehen keine originären arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten: Der Arbeitnehmer ist nicht zur Arbeitsleistung und der Arbeitgeber ist nicht zur Zahlung einer Vergütung verpflichtet. Es besteht auch kein arbeitgeberseitiges Direktionsrecht. Der Bewerber ist nur dem Hausrecht unterworfen. Dem Rechtsanwalt ist es allerdings auch nicht möglich, die Arbeitsleistung des Bewerbers zu testen.

     

    PRAXISTIPP | Nach der Rechtsprechung darf das Einfühlungsverhältnis nur als bloße unbezahlte Kennenlernphase ausgestaltet sein. Es sollte deshalb nur wenige Tage dauern und den Zeitraum von maximal einer Woche nicht überschreiten. Der Bewerber darf in keinem Fall Tätigkeiten für die Kanzlei ausführen. Es dürfen ihm keinerlei Arbeitspflichten auferlegt werden.

     

    Das Einfühlungsverhältnis unterliegt keinem Schriftformerfordernis und kann auch mündlich vereinbart werden. Aus haftungsrechtlicher Sicht empfiehlt es sich jedoch, die Bedingungen schriftlich festzuhalten. Sollte der Bewerber während des Zeitraums des Einfühlungsverhältnisses Schäden in der Kanzlei verursachen, ist die private Haftpflichtversicherung zum Schadenausgleich heranzuziehen. Der Rechtsanwalt sollte sich insofern zuvor durch eine vertragliche Regelung über das Bestehen einer privaten Haftpflichtversicherung absichern.

     

    2. Befristetes Arbeitsverhältnis zur Erprobung nutzen

    Eine andere Möglichkeit des Kennenlernens eines Bewerbers stellt das befristete Arbeitsverhältnis zur Erprobung dar.

     

    a) Befristung eindeutig regeln

    Der Zweck der Erprobung ist nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) ein sachlicher Grund, der die Befristung des Arbeitsverhältnisses ermöglicht. Die Parteien schließen einen schriftlichen Arbeitsvertrag, der nur bis zu einem vereinbarten Stichtag andauern soll. Das damit begründete Arbeitsverhältnis endet automatisch mit Erreichen des Endtermins, ohne dass es einer Kündigung bedarf.

     

    MERKE | Der Erprobungszweck kommt nicht als sachlicher Grund für ein befristetes Arbeitsverhältnis in Betracht, wenn dem Arbeitgeber die persönliche und fachliche Eignung für die vorgesehene Tätigkeit aufgrund einer vorangegangenen Beschäftigung bereits bekannt ist. Etwas anderes gilt nur, wenn es sich um eine deutlich andere oder höherwertige Tätigkeit handelt.

     

    b) Schriftlich fixieren

    Für das befristete Arbeitsverhältnis muss die Schriftform gewahrt werden (vgl. § 14 Abs. 4 TzBfG). Hierfür müssen beide Parteien die Vertragsurkunde vor der tatsächlichen Arbeitsaufnahme unterzeichnen, sonst wird das Arbeitsverhältnis als unbefristet gewertet. Für die Beendigung des unbefristeten Arbeitsverhältnisses bleiben nur eine Kündigung unter Berücksichtigung etwaigen Sonderkündigungsschutzes oder ein Aufhebungsvertrag, der die Zustimmung des Arbeitnehmers voraussetzt.

     

    c) Eine Maximaldauer der Erprobung ist nicht vorgeschrieben

    Eine Maximaldauer ist nicht gesetzlich vorgeschrieben. Maßgeblich ist, dass der Zweck der Erprobung im Mittelpunkt des Arbeitsverhältnisses steht. Rechtssicher dürfte in jedem Fall die Dauer von drei bis sechs Monaten sein. Eine Befristung zur Erprobung über sechs Monate hinaus ist nur im Ausnahmefall möglich, wenn es um besonders qualifizierte Tätigkeiten geht (vgl. BAG 15.3.78, 5 AZR 831/76).

    3. Befristetes Arbeitsverhältnis ohne Sachgrund möglich

    § 14 Abs. 2 TzBfG macht die befristete Einstellung ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zu einer Dauer von zunächst zwei Jahren möglich. Dies gilt nicht, wenn zuvor eine Beschäftigung zwischen den Arbeitsvertragsparteien geführt wurde (BVerfG 6.6.18, 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14, „Vorbeschäftigungsverbot“). Das BAG hatte vorher angenommen, dass eine sachgrundlose Befristung jedenfalls dann nicht gegen das Vorbeschäftigungsverbot verstößt, wenn mehr als drei Jahre seit der letzten Beschäftigung zurückliegen.

     

    MERKE | Für einen sachgrundlosen Befristungsvertrag muss zwingend eine Neueinstellung erfolgen ‒ zwischen den Parteien darf zu keiner Zeit in der Vergangenheit ein Beschäftigungsverhältnis bestanden haben. Auch hier gilt Schriftform.

     

    4. Alternative ist unbefristetes Arbeitsverhältnis mit Probezeit

    Die Parteien können auch einen unbefristeten Arbeitsvertrag mit Probezeit vereinbaren, die nach den gesetzlichen Vorgaben sechs Monate nicht überschreiten darf. Innerhalb der Probezeit kann der Arbeitgeber mit einer verkürzten gesetzlichen Frist von zwei Wochen das Arbeitsverhältnis kündigen (§ 622 Abs. 3 BGB). Das KSchG ist in der Probezeit nicht anwendbar.

     

    Weiterführender Hinweis

    • 8 Tipps: Wie Rechtsanwälte ihren Auszubildenden den Einstieg in der Kanzlei erleichtern, AK 20, 17, mit Checkliste, Abruf-Nr. 46860471
    Quelle: Ausgabe 04 / 2023 | Seite 66 | ID 46237149