Der BGH hat schon mehrfach zur Erwerbsobliegenheit Stellung genommen und dabei strenge Maßstäbe formuliert: - Zur Obliegenheit des Schuldners, sich um eine angemessene Beschäftigung zu bemühen, gehört es, sich im Regelfall bei der Bundesagentur für Arbeit arbeitssuchend zu melden und laufend Kontakt zu den dort für ihn zuständigen Mitarbeitern zu halten. Weiter muss er sich selbst aktiv und ernsthaft um eine
Arbeitsstelle bemühen, etwa durch stetige Lektüre einschlägiger Stellenanzeigen und durch entsprechende Bewerbungen. Als ungefähre Richtgröße können zwei bis drei Bewerbungen in der Woche gelten, sofern entsprechende Stellen angeboten werden. Der Schuldner wird dem Bemühen um eine Arbeitsstelle nicht gerecht, wenn er durchschnittlich alle drei Monate eine Bewerbung abgibt, sonst aber keine Aktivitäten entfaltet (BGH 19.5.11, IX ZB 224/09, Abruf-Nr. 122304).
- Ein Schuldner, der lediglich eine Teilzeitbeschäftigung ausübt, muss sich im Rahmen der Erwerbsobliegenheit regelmäßig um eine angemessene Vollzeittätigkeit bemühen (BGH 14.1.10, IX ZB 242/06, Abruf-Nr. 100658).
- Ob und in welchem Umfang ein Schuldner neben einer von ihm übernommenen Kinderbetreuung erwerbstätig sein muss, ist anhand der zu § 1570 BGB entwickelten Maßstäbe zu bestimmen (BGH 3.12.09, IX ZB 139/07, Abruf-Nr. 100018).
- Die Restschuldbefreiung ist zu versagen, wenn der Schuldner keine angemessene Erwerbstätigkeit ausübt, weil er trotz gleich lautender Anstellungsverträge und Beschäftigungsbedingungen eine geringere Vergütung (exakt in Höhe des Pfändungsfreibetrags) erhält als ein befreundeter Kollege (BGH 24.9.09, IX ZB 288/08, Abruf-Nr. 102846).
- Die Versagung der Restschuldbefreiung wegen Verletzung der in § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO bestimmten Erwerbsobliegenheit setzt voraus, dass hierdurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt worden ist (§ 296 Abs. 1
S. 1 InsO). Hierfür genügt nicht eine abstrakte Gefährdung der Befriedigungsinteressen der Gläubiger, sondern nur eine messbare tatsächliche Beeinträchtigung (BGH 14.1.10, IX ZB 78/09, Abruf-Nr. 101466).
- Wählt der verheiratete Schuldner ohne einen sachlichen Grund Steuerklasse V, kann dies einen Verstoß gegen die Erwerbsobliegenheit darstellen (BGH 5.3.09, IX ZB 2/07, Abruf-Nr. 091119).
- Während der Laufzeit der Abtretungserklärung obliegt es dem Insolvenzschuldner unverzüglich anzuzeigen, wenn er Arbeit bei einer Beschäftigungsstelle gefunden hat. Verletzt der Schuldner diese Obliegenheit, versagt das Insolvenzgericht auf Antrag eines Insolvenzgläubigers die Restschuldbefreiung (BGH 18.6.09, IX ZA 11/09, Abruf-Nr. 131579).
- § 4c Nr. 4 InsO reicht so weit wie der Versagungsgrund des § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Entsprechend § 296 Abs. 1 S. 1 InsO kann die Stundung nach § 4c Nr. 4 InsO aufgehoben werden, wenn der Schuldner es schuldhaft unterlassen hat, sich um eine angemessene Erwerbstätigkeit zu bemühen (BGH 13.9.12, IX ZB 191/11, Abruf-Nr. 123060).
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Beim selbstständigen Schuldner gilt es einige Besonderheiten zu beachten: - Erzielt der Schuldner mit seiner selbstständigen Tätigkeit in der Wohlverhal-tensphase kein Einkommen, das ihn in die Lage versetzt, Zahlungen nach § 295 Abs. 2 InsO an den Treuhänder zu erbringen, ist er im Rahmen seiner Erwerbsobliegenheit aus § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO verpflichtet, sich darum zu bemühen, eine Erwerbstätigkeit zu finden, mit der er pfändbare Bezüge erzielt. Trägt der Schuldner trotz richterlichen Hinweises Bemühungen um eine abhängige Tätigkeit nicht vor, ist ihm eine schuldhafte Verletzung seiner Erwerbsobliegenheit vorzuwerfen, die zur Versagung der Restschuldbefreiung führt (BGH 10.5.12, IX ZB 203/10, Abruf-Nr. 131580).
- In der Wohlverhaltensphase muss der selbstständig tätige Schuldner auf Verlangen Auskünfte erteilen, aus denen die ihm mögliche abhängige Tätigkeit
bestimmt und das anzunehmende fiktive Nettoeinkommen ermittelt werden kann, nicht jedoch Auskünfte über etwaige Gewinne aus seiner selbstständigen wirtschaftlichen Tätigkeit (BGH 26.2.13, IX ZB 165/11, Abruf-Nr. 130940).
Zum Verfahren sagt der BGH: - Beantragt ein Gläubiger, dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen,
bedarf es zunächst eines schlüssigen Vortrags des antragstellenden Gläubigers, welcher einen Versagungstatbestand wahrscheinlich macht, bevor aufwändige
gerichtliche Ermittlungen aufgenommen werden. Die Frage, ob eine angemessene Erwerbstätigkeit im Sinne von § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO auch eine angemessene Bezahlung erfordere, wird einhellig bejaht und bedarf keiner höchstrichterlichen Klärung (BGH 1.12.11, IX ZB 112/11, Abruf-Nr. 131581).
- Befindet sich der Schuldner während der Wohlverhaltensphase für längere Zeit in Haft, entbindet dies einen die Versagung der Restschuldbefreiung beantragenden Insolvenzgläubiger nicht von der Verpflichtung, den Verstoß des Schuldners gegen die Erwerbsobliegenheit und die konkrete Beeinträchtigung der Befriedigungsaussichten der Gläubiger glaubhaft zu machen. Der Gläubiger muss
also vortragen und glaubhaft machen, dass der Schuldner ohne Haft einer
Erwerbstätigkeit hätten nachgehen können, die ihm ein Einkommen oberhalb der Pfändungsfreigrenze gesichert hätte (BGH 1.7.10, IX ZB 148/09, Abruf-Nr. 102647).
- Die Glaubhaftmachung einer schuldhaften Obliegenheitsverletzung durch den antragstellenden Gläubiger ist nicht erforderlich. Entsprechend der Verpflichtung des Schuldners, sich nach § 296 Abs. 1 S. 1 InsO vom vermuteten Verschulden zu entlasten, muss der Schuldner den Entlastungsbeweis ungeachtet einer vorhergehenden Glaubhaftmachung des Gläubigers führen (BGH 24.9.09, IX ZB 288/09, Abruf-Nr. 131582).
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