· Fachbeitrag · Abgeltungsteuer
Neues vom BFH zu Darlehen zwischen Angehörigen und zur Gesellschafterfremdfinanzierung
von Richter am Bundesfinanzhof Joachim Moritz, München
| Der BFH hat erstmals geklärt, unter welchen Voraussetzungen bei Darlehen zwischen Angehörigen bzw. bei einer Gesellschafterfremdfinanzierung an Stelle des Abgeltungsteuersatzes von 25 % der Regelsteuersatz zur Anwendung kommt. Während der BFH bei der Gesellschafterfremdfinanzierung bei Beteiligungen von mindestens 10 % den Abgeltungsteuersatz grundsätzlich ausschließt, reicht ihm bei Darlehen zwischen Angehörigen die Angehörigeneigenschaft i.S. des § 15 AO nicht aus, um den Abgeltungsteuersatz auszuschließen ( BFH 29.4.14, VIII R 9/13, VIII R 44/13, VIII R 35/13 und VIII R 23/13 sowie BFH 14.5.14, VIII R 31/11 ). |
1. Vorbemerkungen
Mit der durch das UntStRefG 2008 vom 14.8.07 (BStBl I 07, 630) eingeführten Abgeltungsteuer hat der Gesetzgeber die Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen deutlich ausgeweitet. Mit der Einführung eines gesonderten linearen Steuersatzes für im Privatvermögen gehaltene Kapitalanlagen i.H.v. 25 % geht die Steuerverstrickung sämtlicher im Privatvermögen gehaltener Kapitalanlagen einher. Dieser Paradigmenwechsel wird u.a. durch Folgendes gekennzeichnet:
- kein Teileinkünfteverfahren für Einkünfte aus Kapitalvermögen
- Steuerpflicht von Veräußerungsgewinnen bei Kapitalforderungen jeder Art i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG
- als Veräußerung gilt auch die Einlösung, Rückzahlung, Abtretung oder verdeckte Einlage bei einer Kapitalgesellschaft (§ 20 Abs. 2 S. 2 EStG)
- Steuerpflicht von Stillhalterprämien
- Zusammenfassung von Sparer-Freibetrag und Werbungskosten-Pauschbetrag zu einem Sparer-Pauschbetrag von 801 EUR; gemäß § 20 Abs. 9 EStG kein Abzug der tatsächlichen Werbungskosten
- Beschränkung der Verlustverrechnung auf positive Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 6 EStG)
- Wahlrecht zur Besteuerung nach der tariflichen Einkommensteuer, sog. Günstigerprüfung (§ 32d Abs. 6 EStG).
Für Einkünfte aus Kapitalvermögen, die nicht vorrangig anderen Einkunftsarten zuzuordnen sind, beträgt die Einkommensteuer nach § 32d Abs. 1 S. 1 EStG 25 %. § 32d Abs. 2 EStG macht davon unter besonderen Voraussetzungen Ausnahmen, z.B. wenn Gläubiger und Schuldner nahestehende Personen sind (Abs. 2 Nr. 1a der Norm) oder wenn Kapitalerträge von einer Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft an einen Anteilseigner gezahlt werden, der mit zumindest 10 % an der Gesellschaft oder Genossenschaft beteiligt ist; dies gilt auch, wenn der Gläubiger der Kapitalerträge eine dem Anteilseigner nahestehende Person ist (Abs. 2 Nr. 1b) oder soweit ein Dritter die Kapitalerträge schuldet und die Kapitalanlage im Zusammenhang mit einer Kapitalüberlassung an einen Betrieb des Gläubigers steht (Abs. 2 Nr. 1c der Vorschrift). § 20 Abs. 6 und Abs. 9 EStG finden dann keine Anwendung.
MERKE | Der Gesetzgeber will damit Gestaltungen verhindern, bei denen aufgrund der Steuersatzspreizung betriebliche Gewinne - z.B. in Form von Darlehenszinsen - abgesaugt werden, um die Steuerbelastung auf den Abgeltungsteuersatz zu reduzieren (vgl. Watrin/Wittkowski/Strohm, GmbHR 07, 785ff.). |
Außerdem lässt der Gesetzgeber durch § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG auf Antrag die Option zur Regelbesteuerung zu, sofern der Steuerpflichtige im VZ, für den der Antrag erstmals gestellt wird, unmittelbar oder mittelbar mit zumindest 25 % an der Kapitalgesellschaft beteiligt ist oder zumindest 1 % der Gesellschaftsanteile hält und beruflich für die Gesellschaft tätig ist.
2. Nahestehende Personen
Leider hat der Gesetzgeber versäumt zu definieren, was unter einer nahestehenden Person i.S. des § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG zu verstehen ist. Die Finanzverwaltung geht in Anlehnung an § 1 Abs. 2 AStG von einem Nahestehenden aus, wenn
- eine Person auf den Steuerpflichtigen einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder umgekehrt oder
- ein Dritter auf beide einen beherrschenden Einfluss ausüben kann bzw.
- die Person oder der Steuerpflichtige im Stande ist, bei der Vereinbarung der Bedingungen einer Geschäftsbeziehung auf den jeweils anderen einen außerhalb dieser Geschäftsbeziehung begründeten Einfluss auszuüben
- oder wenn einer von ihnen ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen hat.
Sofern Gläubiger und Schuldner der Kapitalerträge Angehörige i.S. des § 15 AO sind oder an einem Personenunternehmen der Steuerpflichtige und/oder ein Angehöriger beteiligt ist, nimmt die Finanzverwaltung ein derartiges Verhältnis an. Liegt kein Angehörigenverhältnis im vorgenannten Sinne vor, geht die Finanzverwaltung von einem „Nahestehen“ aus, wenn die Vertragsbeziehungen zwischen den Beteiligten einem Fremdvergleich nicht standhalten (BMF 22.12.09, IV C 1-S 2252/08/10004, BStBl I 10, 94 f., Rz. 136; ebenso BMF 9.10.12, IV C-S 2252/10/10013, BStBl I 12, 953, Rz. 136).
HINWEIS | Bei Berechnung der Beteiligungsgrenze gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 1b EStG bezieht sich die Finanzverwaltung sowohl auf unmittelbare als auch auf mittelbare Beteiligungen. |
3. Vom BFH zu entscheidende Fragen
Der BFH hatte sich jetzt erstmals mit der Frage zu befassen,
- ob allein der Umstand, dass es sich bei Vertragsparteien um Angehörige i.S. des § 15 AO handelt, ausreicht, die Anwendung des Abgeltungsteuertarifs auszuschließen und ob
- der Ausschluss des Abgeltungssteuertarifs nach § 32d Abs. 2 Nr. 1b EStG auf Missbrauchsfälle zu beschränken ist und die Regelung zu einer Diskriminierung von Familienangehörigen führt.
3.1 Die Urteile VIII R 9/13, VIII R 44/13 und VIII R 35/13
Im Verfahren VIII R 9/13 gewährten die verheirateten Kläger ihrem Sohn und ihren Enkeln festverzinsliche Darlehen zur Anschaffung fremdvermieteter Immobilien. Im Verfahren VIII R 44/13 bewilligte der Kläger seiner Ehefrau und seinen Kindern entsprechende Darlehen und im Streitfall VIII R 35/13 stundete die Klägerin ihrem Bruder den Kaufpreis für die Veräußerung von Geschäftsanteilen. Der Kaufpreis war ab dem Zeitpunkt ihres Ausscheidens aus der Gesellschaft zu verzinsen.
Hinweis | In den ersten beiden Streitfällen waren die Darlehen nur in einem Fall besichert (und zwar durch Forderungsabtretung, keine Besicherung durch Grundpfandrechte). Vereinbarungen über Vorfälligkeitsentschädigungen waren in allen Fällen nicht getroffen.
In allen drei Fällen unterwarf das FA die Darlehenszinsen beim Empfänger der tariflichen Einkommensteuer. Die Anwendung des niedrigeren Abgeltungsteuersatzes nach § 32d Abs. 2 S. 1 Nr. 1a EStG lehnten die FÄ ab, weil Gläubiger und Schuldner der Kapitalerträge „einander nahestehende Personen“ seien. Die dagegen erhobenen Klagen hatten in erster Instanz keinen Erfolg (FG Niedersachsen 18.6.12, 15 K 417/10, EFG 12, 2009; FG München 26.2.13, 11 K 3265/10, EFG 13, 1764; FG Baden-Württemberg 16.4.13, 8 K 3100/11).
Mit der Revision machten die Kläger geltend, bei Darlehensverträgen, die einem Fremdvergleich standhielten, dürfe allein aus dem Verwandtschaftsverhältnis nicht auf ein Näheverhältnis i.S. des § 32d Abs. 2 Nr. 1a EStG geschlossen werden bzw. der Ausschluss des Abgeltungsteuersatzes verstoße gegen das Gebot der Belastungsgleichheit und gegen das Diskriminierungsverbot von Ehe und Familie. In allen drei Fällen hob der BFH die vorinstanzlichen Urteile auf und gab den Klagen statt.
3.2 Die Begründung des BFH
Der VIII. BFH-Senat stellt u.a. darauf ab, dass die zwischen den Klägern und den anderen Vertragsbeteiligten abgeschlossenen Darlehensverträge dem Fremdvergleich standhalten, also steuerlich anzuerkennen seien. Zudem seien Gläubiger und Schuldner der Kapitalerträge keine einander nahestehenden Personen i.S. des § 32d Abs. 2 Nr. 1a EStG.
MERKE | Zwar fallen nach der wörtlichen Auslegung unter „nahestehende Personen“ alle natürlichen und juristischen Personen, die zueinander in enger Beziehung stehen. Dazu zählen unzweifelhaft auch Angehörige i.S. des § 15 AO. Eine derart weite Auslegung des gesetzlichen Tatbestands widerspreche aber dem Willen des Gesetzgebers. Dieser nehme ein Näheverhältnis nur für den Ausnahmefall an, dass eine Person auf den Steuerpflichtigen einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder umgekehrt. Ein nur aus der Familienangehörigkeit abgeleitetes persönliches Interesse - so der BFH - reiche nicht aus, ein Näheverhältnis zu begründen. Das gelte auch für Beziehungen zwischen Eheleuten und zwischen Eltern und Kindern. |
3.3 Das Urteil VIII R 23/13
Der Kläger, alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH, hatte mit dieser bereits im Jahr 2000 einen Vertrag über die Gewährung eines unbesicherten Darlehens i.H.v. 600.000 DM zu einem Zinssatz von 6 % p.a. abgeschlossen. Die Auszahlung des Darlehens erfolgte je nach Bedarf. Am 31.12.09 valutierte das Darlehen mit 273.000 EUR. Im Streitjahr 2009 erzielte der Kläger aus dem Darlehen 16.320 EUR Zinsen.
Bei der Veranlagung besteuerte das FA die Zinserträge mit dem Regelsteuersatz nach der tariflichen Einkommensteuer. Einspruch und Klage blieben erfolglos (FG Niedersachsen 12.4.12, 14 K 335/10). Mit der Revision machte der Kläger geltend, der Ausschluss des Abgeltungsteuersatzes müsse auf Missbrauchsfälle beschränkt werden. Der Darlehensvertrag sei bereits im Jahr 2000 abgeschlossen worden, es handele sich um einen „Altvertrag“, für den die Abgeltungsteuer im Zeitpunkt des Vertragsschlusses keinerlei Bedeutung gehabt habe. Wenn die Finanzverwaltung bei Verträgen mit Gesellschaftern pauschal von einem Rechtsmissbrauch i.S. des § 42 AO ausgehe, liege darin eine verfassungswidrige Benachteiligung. Mit dieser Argumentation hatte der Kläger allerdings keinen Erfolg.
3.4 Die Entscheidung des BFH
Der BFH hat die Revision bereits deshalb zurückgewiesen, weil der Kläger die Voraussetzungen des § 32d Abs. 2 Nr. 1b EStG erfüllte. Er war mit mehr als 10 % als Anteilseigner beteiligt, die Anwendung des Abgeltungsteuertarifs war danach ausgeschlossen. Das sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Die Ungleichbehandlung des Kl. im Verhältnis zu denjenigen Steuerpflichtigen, die durch den Abgeltungsteuersatz begünstigt würden, sei durch sachliche Gründe gerechtfertigt.
MERKE | Insbesondere sei die Beteiligungsquote von 10 % nicht willkürlich. Es sei Anliegen des Gesetzgebers gewesen, die Anwendung des Abgeltungsteuersatzes auf Fälle zu beschränken, bei denen die Gefahr bestehe, dass Kapital in das niedrig besteuerte Ausland verlagert werde. Der Gesetzgeber habe insoweit keinen atypischen Fall als Leitbild gewählt und sei dem Gebot der Folgerichtigkeit durch Kompensation der steuerrechtlichen Vor und Nachteile bei dem Ausschluss des Abgeltungsteuersatzes nachgekommen. |
3.5 Das Urteil VIII R 31/11
Die Klägerin des Ausgangsverfahrens gewährte einer GmbH, an der ihre Tochter und ihre Enkelkinder zu mehr als jeweils 10 % beteiligt waren, ein festverzinsliches Darlehen von 250.000 EUR mit einer Laufzeit von 5 Jahren. Im Streitjahr 2009 erzielte die Klägerin daraus Kapitalerträge von 6.290 EUR. Das FA besteuerte die Kapitalerträge mit der tariflichen Einkommensteuer: Der niedrigere Abgeltungsteuersatz nach § 32d Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Buchst. b S. 2 EStG sei nicht anzuwenden, weil der Gläubiger der Kapitalerträge eine den Anteilseignern „nahestehende Person“ sei. Das FG schloss sich dieser Auffassung an und wies die Klage ab (FG Niedersachsen 6.7.11, 4 K 322/10, EFG 12, 242). Der BFH sah das jedoch anders.
3.6 Die Entscheidung des BFH
Der BFH hob das FG-Urteil auf und gab der Klage statt. Die Kapitalerträge der Klägerin seien gemäß § 32d Abs. 1 EStG nach dem günstigeren Abgeltungsteuersatz zu besteuern, da nach dem Willen des Gesetzgebers auch bei § 32d Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Buchst. b S. 2 EStG ein lediglich aus der Familienangehörigkeit abgeleitetes persönliches Interesse nicht ausreiche, um ein Näheverhältnis zu begründen. Erforderlich sei vielmehr, dass eine der Vertragsparteien einen beherrschenden oder außerhalb der Geschäftsbeziehung begründeten Einfluss ausüben könne oder ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen habe. Dies sei hier nicht der Fall, sodass eine missbräuchliche Gestaltung zur Ausnutzung des gesonderten Steuertarifs für Einkünfte aus Kapitalvermögen nicht gegeben sei.
Da die Klage in vollem Umfang Erfolg habe, sei nicht darüber zu entscheiden, ob die von der Klägerin erklärten Kapitaleinkünfte bei der Steuerfestsetzung gänzlich unberücksichtigt bleiben müssten, weil der zwischen der Klägerin und der GmbH geschlossene Darlehensvertrag einem Fremdvergleich ggf. nicht standhalte. Dies gelte auch für die Frage, ob und ggf. in welcher Höhe die Zinszahlungen der GmbH als vGA den Anteilseignern und nicht der Klägerin zuzurechnen sein könnten. Aus § 96 Abs. 1 S. 2 FGO folge, dass der BFH nicht über das Klagebegehren hinausgehen dürfe.
4. Anmerkungen und Beratungshinweise
Die neue BFH-Rechtsprechung ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Das gilt nicht nur für den Begriff einander nahestehenden Personen, sondern auch für das Kriterium des Fremdvergleichs und für die Gesellschafter-Fremdfinanzierung. Im Einzelnen dazu Folgendes:
4.1 Nahestehende Personen
Nach den Rezensionsentscheidungen steht fest, dass der Begriff der „einander nahestehenden Personen“ ein unbestimmter Rechtsbegriff ist, der restriktiv auszulegen ist. Da dieser im EStG nicht definiert ist, wäre zu überlegen, ersatzweise auf die Definitionen in § 1 Abs. 2 AStG bzw. § 138 InsO zurückzugreifen. Der BFH ist diesen Überlegungen vornehmlich wegen des unterschiedlichen Zwecks der Regelungen jedoch nicht gefolgt. Denn § 1 Abs. 2 AStG zielt vornehmlich darauf ab, das ertragsteuerliche Ergebnis am Maßstab des Fremdvergleichs zu korrigieren. Für den Ausschluss des Abgeltungsteuersatzes sind derartige Überlegungen ohne jede Relevanz. Auch § 138 InsO ist auf einen gänzlich anderen Regelungsbereich zugeschnitten und kommt als Maßstab daher nicht in Betracht.
PRAXISHINWEIS | Entscheidend ist aber, dass nach Auffassung des BFH auch der Angehörigenbegriff in § 15 AO kein taugliches Kriterium für den Anwendungsbereich des § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG ist. Zu „Angehörigen“ gehören alle natürlichen und juristischen Personen, die zueinander in enger Beziehung stehen und damit unzweifelhaft auch Angehörige, bei denen die Verwandtschaft, Verlöbnis oder Eheschließung auf eine enge Bindung hindeuten (so zuletzt BMF 9.10.12, IV C-S 2252/10/10013, BStBl I 12, 953, Rz. 136). |
Dass ein lediglich aus der Familienangehörigkeit abgeleitetes persönliches Interesse indes gerade nicht ausreichen soll, ein Näheverhältnis i.S. des § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG zu begründen, hat der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung unmissverständlich klargestellt. So hat er in der BT-Drs. 16/4841, 61 formuliert, dass
„die Person auf den Steuerpflichtigen einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder umgekehrt der Steuerpflichtige auf diese Person einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder eine dritte Person auf beide einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder die Person oder der Steuerpflichtige im Stande ist, bei der Vereinbarung der Bedingungen einer Geschäftsbeziehung auf den Steuerpflichtigen oder die nahestehende Person einen außerhalb dieser Geschäftsbeziehung begründeten Einfluss auszuüben oder dass einer von ihnen ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen hat“.
Wichtig | Diese Erwägungen zur Beherrschung einer Person lassen lt. BFH darauf schließen, dass der beherrschten Person aufgrund eines absoluten Abhängigkeitsverhältnisses im Wesentlichen kein eigener Entscheidungsspielraum verbleiben darf. Das gilt sogar für Beziehungen zwischen Eheleuten untereinander und zwischen Eltern und Kindern. |
Der VIII. BFH-Senat hält das auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten für geboten. Zwar hält er die Ungleichbehandlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen, die dem Abgeltungsteuersatz unterworfen werden, gegenüber anderen Einkunftsarten, die progressiv besteuert werden, grds. für verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BVerfG 26.6.91, 2 BvL 1493/89, BVerfG 84, 239). Der BFH konstatiert aber eine mit Art. 6 Abs. 1 GG unvereinbare Diskriminierung der Familie, wenn der Ausschluss des Abgeltungsteuertarifs ausschließlich an bestimmte familienrechtliche Beziehungen i.S. des § 15 AO geknüpft und - anders als bei fremden Dritten - selbst dann eintreten würde, wenn der Darlehensvertrag als solcher einem Fremdvergleich standhält. Das liefe letztlich auf eine unwiderlegbare Vermutung hinaus, dass Ehegatten und Familienangehörige den Abgeltungsteuersatz missbräuchlich ausnutzen. Das hat der BFH jedoch unmissverständlich abgelehnt.
Beachten Sie | Auch die Überlegungen der Finanzverwaltung, die Familie als „einheitlichen Bilanzraum“ zu beurteilen, hat der BFH verworfen. Eine solche Betrachtung lässt außer Acht, dass die Familie als solche keine Vermögensgemeinschaft begründet. Ein „nahes persönliches Verhältnis“ führt nicht notwendiger- oder typischerweise zu einer Wirtschaftsgemeinschaft oder zu einer wirtschaftlichen Abhängigkeit, durch die Familienangehörige in die Rolle unselbstständiger „Strohmänner“ gedrängt würden.
4.2 Fremdvergleich
Die Rezensionsentscheidungen sind alle dadurch gekennzeichnet, dass die zwischen den Beteiligten geschlossenen Darlehensverträge dem Fremdvergleich standhalten. Bei einzelnen Sachverhalten könnte man daran zweifeln, zumal die Parteien auf üblicherweise geforderte Besicherungen (z.B. Grundpfandrechte, selbstschuldnerische Bürgschaft, Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung) verzichtet hatten. Der BFH fühlte sich in den Streitfällen indes an die tatsächlichen Feststellungen der vorinstanzlichen Urteile gebunden und sah keine Veranlassung, dies zu problematisieren (vgl. § 118 Abs. 2 FGO).
Die Beratungspraxis muss sich darüber im Klaren sein, dass dem sog. Fremdvergleich bei der Frage Abgeltungsteuer oder Regelsteuersatz erhebliche Bedeutung zukommt. Nur wenn dieses Kriterium erfüllt wird, sind die daraus resultierenden Einnahmen oder Ausgaben bei der Besteuerung zu berücksichtigen, d.h. die Zinseinnahmen beim Gläubiger als Einkünfte aus Kapitalvermögen, die Zinsaufwendungen beim Schuldner als Betriebsausgaben oder als Werbungskosten. Nach dieser ersten Prüfungsstufe (Fremdvergleichskriterium erfüllt oder nicht erfüllt?) schließt sich dann die zweite Stufe an, d.h. die Prüfung, ob der Abgeltungsteuersatz von nur 25 % oder die Ausnahmeregelung (tarifliche Einkommensteuer) zum Tragen kommt.
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Vater V gibt seinem Sohn S ein mit 6 % zu verzinsendes Darlehen über 1 Mio. EUR. S verwendet dieses zum Erwerb einer VuV-Immobilie. Der Darlehensvertrag hält dem Fremdvergleich stand, ein beherrschendes Verhältnis zwischen V und S ist nicht gegeben.
Lösung: V muss die von ihm vereinnahmten Zinsen versteuern, S kann die Schuldzinsen als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus VuV absetzen. Für V ist der Abgeltungsteuertarif anzuwenden. Zwar ist zwischen V und S ein familiäres Näheverhältnis gegeben, beherrschende Einflüsse sind indes nicht erkennbar. |
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Wie Beispiel 1, der Darlehensvertrag hält dem Fremdvergleich indes nicht stand. Es fehlt nicht nur an der Besicherung, die Zahlungen erfolgen nur unregelmäßig und auch sonst halten die Beteiligten die vertraglich vereinbarten Bedingungen nicht ein.
Lösung: Wenn der Darlehensvertrag die Fremdvergleichskriterien nicht erfüllt, ist er der Besteuerung nicht zu Grunde zu legen. Zwar muss V die von ihm vereinnahmten Zinsen nicht versteuern, S kann indes die Schuldzinsen nicht als Werbungskosten abziehen. |
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Wie Beispiel 1, der Darlehensvertrag soll dem Fremdvergleich standhalten. S muss V aber bei jeder Investition von mehr als 5.000 EUR um Zustimmung bitten und alle 6 Monate über Zustand und Ertrag der Immobilie schriftlich Bericht erstatten. Bei Zuwiderhandlung ist V befugt, den Darlehensvertrag fristlos zu kündigen. S hat sich insoweit zur Absicherung der Darlehensforderung der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen.
Lösung: V muss die von ihm vereinnahmten Zinsen versteuern, S kann die Schuldzinsen als Werbungskosten bei Ermittlung seiner Einkünfte aus VuV absetzen. Für V ist der Regelsteuersatz anzuwenden. Zwischen V und S besteht nicht nur ein familiäres Näheverhältnis, sondern ein absolutes Beherrschungsverhältnis. |
PRAXISHINWEIS | Das Ergebnis der „ Abwandlung 2y“ könnte in der Praxis dazu verlocken, Darlehensverträge bewusst so zu gestalten, dass die Fremdvergleichskriterien nicht erfüllt werden, um die vertraglichen Verpflichtungen der Beteiligten der steuerlichen Ebene zur Gänze zu entziehen. Zwar könnte der Darlehensnehmer die zu leistenden Zinsen steuerlich nicht mehr abziehen, andererseits müsste der Darlehensgeber die vereinnahmten Zinsen nicht versteuern. Vor einem derartigen „Steuersparmodell“ kann jedoch nur gewarnt werden. Nicht nur, dass die FÄ solche Fälle im Hinblick auf verdeckte Unterhaltszahlungen i.S.v. § 12 EStG genau unter die Lupe nehmen dürften, droht dann auch das „Schwert des Rechtsmissbrauchs gemäß § 42 AO“. Mit der Annahme eines absoluten Beherrschungsverhältnisses wird die Finanzverwaltung in krassen Fällen kaum sonderlich zurückhaltend sein. |
4.3 Gesellschafterfremdfinanzierung
Soweit im Verhältnis Gesellschaft/Gesellschafter eine vGA gegeben sein sollte, unterliegen die Kapitaleinkünfte stets der Abgeltungsteuer, denn sie werden vom Ausschlusstatbestand des § 32d Abs. 2 Nr. 1b EStG nicht erfasst. Der BFH hält diese Ungleichbehandlung mit Kapitaleinkünften i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG für sachlich gerechtfertigt, weil Erträge aus einer vGA mit 15 % Körperschaftsteuer vorbelastet sind (§ 23 Abs. 1 KStG), denn die vGA darf das Einkommen der Gesellschaft nicht mindern (vgl. § 8 Abs. 3 S. 2 KStG).
Der Streitfall VIII R 23/13 war durch die Besonderheit gekennzeichnet, dass der Kläger mit seiner GmbH einen Darlehensvertrag bereits im Jahr 2000, das heißt weit vor Einführung der Abgeltungsteuer, geschlossen hatte. Auch in diesem Fall sah der BFH im Ausschluss des Abgeltungsteuersatzes keine einfachrechtlichen bzw. verfassungsrechtlichen Probleme. Denn im Vergleich zur alten Rechtslage werden Steuerpflichtige in derartigen Fällen nicht benachteiligt, weil ihre Zinseinkünfte bereits vor Einführung der Abgeltungsteuer ebenfalls der tariflichen Steuer gemäß § 32a EStG unterworfen waren. Außerdem weist der BFH explizit darauf hin, dass die Chance, von einer steuerlichen Begünstigung von Kapitalerträgen zu profitieren, die weit nach Abschluss des Darlehensvertrages vom Gesetzgeber eingeführt wird, nicht dem Grundrechtsschutz unterliegt.
FAZIT | Mit den Rezensionsentscheidungen dürfte feststehen, dass das bloße Verhältnis der „familiären Nähe“ nicht ausreicht, die Anwendung des Abgeltungsteuersatzes auszuschließen. Der BFH verlangt vielmehr eine besondere Form der Beherrschung, um ausnahmsweise von der Anwendung des Abgeltungsteuersatzes abzusehen. Bevor sich diese Frage ernsthaft stellt, müssen indes die Verträge, die der Besteuerung zu Grunde gelegt werden, auf Einhaltung der sog. Fremdvergleichskriterien untersucht werden. Hält ein Darlehensvertrag dem Fremdvergleich nicht stand, hat das zur Folge, dass die sich daraus ergebenden Einnahmen und Ausgaben der Besteuerung nicht zu Grunde gelegt werden. Die Frage Abgeltungsteuer oder tarifliche Einkommensteuer stellt sich dann nicht.
Wie die Finanzverwaltung auf diese Entscheidungen reagieren wird, bleibt abzuwarten. Die Beratungspraxis kann sich aber in jedem Fall darauf einstellen, dass allein die Angehörigeneigenschaft i.S. des § 15 AO nicht ausreicht, die Anwendung des Abgeltungsteuertarifs auszuschließen. |