· Fachbeitrag · Umsatzsteuer
Vorsteuerprobleme bei Investitionen der Gesellschafter für ihre Gesellschaft
von Georg Nieskoven, Troisdorf
| Eine Gesellschaft kann aus ihren für vorsteuerunschädliche Ausgangsumsätze getätigten Investitionen den Vorsteuerabzug für sich reklamieren. Probleme ergeben sich in der Praxis jedoch, wenn Eingangsbezüge nicht von der Gesellschaft selbst, sondern von den Gesellschaftern für Zwecke der Gesellschaft bezogen wurden. An dieser strikten Trennung zwischen Gesellschaft und Gesellschafter hält der V. Senat des BFH fest und hat dem XI. Senat - der eine Rechtsprechungsänderung beabsichtigt hatte - auf dessen Anfrage hin nachdrücklich widersprochen (BFH 14.11.12, V ER-S 2/12). Inzwischen hat der XI. Senat in dieser Frage den EuGH angerufen ( BFH 20.02.13, XI R 26/10 ). |
1. Ausgangsproblem und Rechtsentwicklung
1.1 Gründung einer Kapitalgesellschaft
Der Vorsteuerabzug steht einer Gesellschaft dem Grunde nach mit Begründung ihrer Unternehmereigenschaft zu. Diese beginnt im Umsatzsteuerrecht bereits mit den ersten Vorbereitungshandlungen der Gesellschaft. Bei Kapitalgesellschaften führt dies allerdings zu einem „Systembruch“, da diese zivilrechtlich erst mit der Eintragung im Handelsregister rechtsfähig sind, erste Vorbereitungshandlungen aber häufig bereits früher erfolgen:
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A und B wollen zur Realisierung ihrer Anfang 2012 entwickelten Geschäftsidee eine GmbH gründen. Im Vorgriff darauf haben sie bereits erste Investitionen getätigt sowie Aufwendungen für Unternehmens- und Steuerberatung getragen. Nach der Zusage der Hausbank zum Finanzierungskonzept gründen sie mit notariellem Gesellschaftsvertrag vom 2.7.12 die A&B-GmbH, die am 3.9.12 ins Handelsregister eingetragen wird.
Wie das Körperschaftsteuerrecht unterscheidet auch das Umsatzsteuerrecht bei der Gründungsphase zwischen der „Vorgründungsgesellschaft“, der „Vorgesellschaft“ und der eingetragenen GmbH. Rechtlich existent ist die A&B-GmbH zwar erst mit Eintragung im Handelsregister am 3.9.12. Umsatzsteuerlich wird der GmbH jedoch bereits die mit notarieller Gründung einsetzende Phase der „Vorgesellschaft“ zugerechnet, sofern es später tatsächlich auch zur Eintragung kommt (Übernahme der zivilrechtlichen „Identitätstheorie“ in das Steuerrecht/ vgl. BFH 9.3.78, V R 90/74).
Wichtig | Bis zu ihrer Eintragung hat die Vorgesellschaft im Hinblick auf die Vorsteuerfähigkeit ihrer Ein- wie Ausgangsrechnungen auf den Zusatz „in Gründung“ (i.G.) zu achten (vgl. BFH 12.8.09, XI R 48/07, Rz. 39).
Besonderheiten ergeben sich allerdings für Leistungen, die im Zusammenhang mit dem Gründungsvorgang selbst anfallen, wie z.B. Notarleistungen bei Abschluss des Gesellschaftsvertrages: |
Kostenschuldner dieser Notariatsgebühren sind zwar die die Eintragung beantragenden Gesellschafter, sodass Rechtsbeziehungen - abgesehen von der vertraglichen Übernahme der Kosten durch die Kapitalgesellschaft - nur zwischen den Gesellschaftern und dem leistenden Notar bestehen. Wirtschaftlich handelt es sich hierbei jedoch um eine Leistung für die in Entstehung befindliche GmbH, die als erster notwendiger Akt für die künftige unternehmerische Tätigkeit der GmbH anfällt. Ausweislich der Verfügung der OFD Frankfurt vom 11.7.06 (UR 06, 715 unter 2.1.2) ist der in Gründung befindlichen Gesellschaft daher unter den übrigen Voraussetzungen des § 15 UStG der Vorsteuerabzug auch bereits aus diesen Gründungskosten zu gewähren.
Die von A und B bis zum 2.7.12 unterhaltene „Vorgründungsgesellschaft“ kann dem Unternehmen der späteren GmbH hingegen nicht zugerechnet werden. Vielmehr ist dieses als Personengesellschaft agierende Gebilde auch umsatzsteuerrechtlich eigenständig zu beurteilen. Scheitert bei einer „GmbH i.G.“ deren spätere Eintragung, ist umsatzsteuerlich rückwirkend in der gesamten Gründungsphase durchgängig der Status einer Personengesellschaft anzunehmen (vgl. zu einer solchen „unechten Vorgesellschaft“ auch BFH 29.8.12, XI R 40/10). |
Hinsichtlich der als „Vorgründungsgesellschaft“ ggf. vorgeschalteten Personengesellschaft ergibt sich aus der EuGH- und BFH-Rechtsprechung eine weitere Besonderheit: Das Recht auf Vorsteuerabzug setzt systematisch die unternehmerische Absicht der nachhaltigen Erwirtschaftung vorsteuerunschädlicher Ausgangsumsätze voraus. Ist es jedoch einziger Zweck der Vorgründungsgesellschaft, für die geplante Kapitalgesellschaft bereits entsprechende Vorbereitungshandlungen zu tätigen und diese „Infrastruktur“ anschließend auf die gegründete Kapitalgesellschaft zu übertragen, würde der Personengesellschaft nach den allgemeinen Systemgrundsätzen die Absicht zur nachhaltigen Umsatzerwirtschaftung - und damit die für den Vorsteuerabzug erforderliche Unternehmereigenschaft - fehlen.
MERKE | Der EuGH hatte insofern jedoch bereits in der Rechtssache „Faxworld“ (EuGH 29.4.04, C-137/02) entschieden, dass einer - allein mit dem Ziel der Gründung und Vorbereitung einer Kapitalgesellschaft errichteten - Personengesellschaft der Vorsteuerabzug aus dem Bezug von Dienstleistungen und Gegenständen möglich sein müsse, wenn entsprechend ihrem Gesellschaftszweck ihr einziger Ausgangsumsatz die Übertragung der bezogenen Leistungen in einem Akt gegen Entgelt an die Kapitalgesellschaft sei. Obwohl die Personengesellschaft nur ein einziges Geschäft ohne Wiederholungsabsicht ausführe, könne von einer nachhaltigen unternehmerischen Betätigung ausgegangen werden, da in diesem Fall für die Beurteilung der Nachhaltigkeit die von der Kapitalgesellschaft beabsichtigten Umsätze maßgebend seien. |
Dieser Rechtsauffassung haben sich dann auch der BFH (15.7.04, V R 84/99) und die Finanzverwaltung (A 15.2 Abs. 17 S. 9- 10 UStAE) angeschlossen. Der Umfang der Vorsteuerabzugsberechtigung der „Vorgründungsgesellschaft“ aus den Vorbereitungshandlungen orientiert sich dabei an der beabsichtigten Umsatzstruktur (vorsteuerschädlich/vorsteuerunschädlich) der nachfolgend gegründeten Kapitalgesellschaft.
1.2 Gründung einer Personenhandelsgesellschaft
Bei der Gründung von Personenhandelsgesellschaften ergibt sich die im Beispiel 1 beschriebene Unterteilungsproblematik regelmäßig nicht. Denn wenn die Gründungsgesellschafter einer OHG bereits vor Eintragung gemeinschaftlich mit der Aufnahme eines Handelsgewerbes begonnen haben, gilt ihr Rechtsgebilde auch bereits vor Eintragung als OHG (vgl. § 105 Abs. 1 u. § 123 Abs. 2 HGB). Insofern ist m.E. in Aus- wie Eingangsrechnungen - vorbehaltlich einer möglichen Verwechslungsgefahr (vgl. A 15.2 Abs. 4 u. Abs. 20 UStAE) - sowohl die Bezeichnung als GbR, als auch als OHG zulässig.
2. Neueste Tendenzen in Rechtsprechung und Literatur
In einem polnischen Vorabentscheidungsersuchen hatte der EuGH (1.3.12, C-280/10) jüngst über den Vorsteuerabzug der Gesellschafter einer ausländischen Personenhandelsgesellschaft vor deren Konstituierung zu urteilen. In 12/06 erwarben die beiden Gesellschafter der erst in 4/07 rechtswirksam gegründeten OHG aus einem Zwangsversteigerungsverfahren einen Natursteinbruch und erhielten dabei eine auf ihren Namen lautende Rechnung mit Umsatzsteuerausweis. Dabei war unstreitig, dass sie den Steinbruch bereits im Vorgriff auf die OHG-Gründung erworben hatten. Im Zuge der Gründung legten die beiden Gesellschafter den Steinbruch als Sacheinlage in die Gesellschaft ein und die OHG machte den Vorsteuerabzug aus der auf die Gesellschafter ausgestellten Rechnung geltend. Diesen Vorsteuerabzug versagte die polnische Finanzverwaltung, weil Leistungs- und Rechnungsempfänger die Gesellschafter gewesen seien - nicht die OHG. Auch ein Vorsteuerabzug der Gesellschafter scheide auf Basis des polnischen Rechts aus.
Der EuGH widersprach und führte aus, die Gesellschafter seien im Hinblick auf ihre vorbereitenden Investitionen bereits als Unternehmen zu werten und daher zum Vorsteuerabzug berechtigt (Rz. 31); alternativ hielt der EuGH jedoch - soweit das nationale Steuerrecht den Gründungsgesellschaftern den Vorsteuerabzug verwehre - unter Verweis auf den Neutralitätsgrundsatz den Vorsteuerabzug der OHG für zulässig und die Ausstellung der Rechnung auf die Gesellschafter ausnahmsweise für unbeachtlich (Rz. 35 u. 43-46).
MERKE | Aus dieser EuGH-Entscheidung waren in der Literatur bereits weitreichende Schlussfolgerungen für das deutsche Umsatzsteuerrecht dahingehend gezogen worden, dass fortan dem Gesellschafter einer Gesellschaft eine „mittelbare Unternehmerstellung“ zukomme und somit ihm - oder alternativ seiner Gesellschaft (s.o. EuGH) - ein Vorsteuerabzug aus seinen „persönlichen Investitionen für Zwecke der Gesellschaft“ zukomme.
Außerdem beschränke sich dieser neue Grundsatz nicht nur auf Gründungsinvestitionen bzw. gemeinschaftliche Investitionen aller Gesellschafter (so Stadie in UR 12, 337). |
Im Kontext dieser veränderten Systemüberlegungen hatte nun der BFH im Verfahren XI R 26/10 über den Vorsteuerabzug aus Gründungsinvestitionen des Gesellschafters einer GbR zu entscheiden:
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Steuerberater S war Gesellschafter einer Steuerberatersozietät, die zum 31.12.94 im Wege der Realteilung aufgelöst wurde. Jeder Gesellschafter erwarb dabei einen Teil des bisherigen Mandantenstamms gegen Rückgabe seiner Gesellschaftsrechte. Hinsichtlich dieser Übertragungsvorgänge stellte die Sozietät dem S (im Nachhinein) eine Rechnung mit Umsatzsteuerausweis aus. Gleichfalls zum 31.12.94 gründete S mit Steuerberater T die S&T-Steuerberatungs-GbR. Die GbR erhielt den aus der Realteilung stammenden Mandantenstamm des S nicht übertragen, sondern nur unentgeltlich zur Nutzung überlassen; S machte aus der von der Ursprungssozietät erhaltenen Rechnung den Vorsteuerabzug geltend und erklärte andererseits Umsatzsteuer aus den gegenüber der (neuen) GbR gegen Sondervergütung erbrachten Geschäftsführungsleistungen.
Das FA versagte S den Vorsteuerabzug aus dem Mandantenstammerwerb mit der Begründung, dieses Wirtschaftsgut gehöre bei S nicht zu dessen umsatzsteuerlichen Unternehmensvermögen, da er es weder eigenunternehmerisch, noch mittels entgeltlicher Überlassung nutze, sondern es seiner Gesellschaft nur unentgeltlich überlasse. Im Klageverfahren bestätigte das FG dagegen die Vorsteuerabzugsberechtigung des S:
Der Teilmandantenstamm sei entgeltlich von S erworben worden. Die unentgeltliche Überlassung dieses immateriellen Wirtschaftsguts an die „neue GbR“ sei vorsteuerlich unschädlich, da die Unternehmereigenschaft des S - in Form seiner entgeltlichen Geschäftsführung für die GbR - unstreitig sei und er den Mandantenstamm unmittelbar zur Ausübung der Beratungs- und Geschäftsführungstätigkeit für bzw. im Auftrag der GbR nutzte. Die unentgeltliche Überlassung des Mandantenstamms an die GbR hielt das FG dabei für unschädlich. Denn bei dem Mandantenstamm handele es sich einerseits um ein Wirtschaftsgut, das aufgrund seines spezifischen Unternehmensbezugs im Privatvermögen schlechterdings nicht denkbar sei; andererseits sei die Geschäftsführungs- und Beratungstätigkeit des S ohne die „wesentliche Betriebsgrundlage“ Mandantenstamm kaum vorstellbar. Demnach bestand nach Ansicht des FG hinsichtlich des Mandantenstamms ein derart zwingender Unternehmensbezug, dass der Erwerb eine vorsteuerfähige Eingangsleistung für das Unternehmen des S (Geschäftsführungsleistungen gegenüber der GbR) darstellte. |
Nach bisheriger BFH-Rechtsprechung stand dem Gesellschafter einer Personengesellschaft aus dem Erwerb eines Wirtschaftsguts „für Zwecke seiner Gesellschaft“ der Vorsteuerabzug aus den Erwerbskosten nur zu, soweit das Wirtschaftsgut dem Gesellschafter zur Umsatzerwirtschaftung dient, also der Gesellschaft entgeltlich überlassen wird. In diesem Sinne hatte der V. Senat (BFH 6.9.07, V R 16/06) den Vorsteuerabzug einer aus Ehemann EM und Ehefrau EF bestehenden Grundstücksgemeinschaft aus Errichtungskosten für ein Gebäude verwehrt, welches die Grundstücksgemeinschaft unentgeltlich einer gleichfalls von EM und EF gegründeten OHG überließ. In der Revision war der XI. Senat nun jedoch der Ansicht, aus der EuGH-Entscheidung C-280/10 ergebe sich zweifelsfrei der neue Grundsatz eines weitreichenden Vorsteuerabzugs des Gesellschafters aus Investitionen für seine Gesellschaft. Das bisherige „Entgeltlichkeitserfordernis“ (s.o. BFH V R 16/06) hielt er demzufolge eindeutig für überholt und fragte vorsorglich beim V. Senat an, ob dieser der beabsichtigten Rechtsprechungsänderung zustimme.
Der V. Senat hat dies jedoch kategorisch abgelehnt: Er hält daran fest, dass Wirtschaftsgüter, die ein Gesellschafter (außerhalb einer eigenen wirtschaftlich-unternehmerischen Tätigkeit des Gesellschafters) für Zwecke seiner Gesellschaft erwirbt und ihr unentgeltlich überlässt, weder den Gesellschafter, noch die Gesellschaft zum Vorsteuerabzug berechtigen. Mit dieser Einschätzung sieht er sich auch nicht im Widerspruch zur EuGH-Entscheidung C-280/10, denn dort sei es um den Sonderfall des Vorsteuerabzugs aus den bereits mit Blick auf die beabsichtigte Gründung einer Gesellschaft getätigten „Vorgründungsinvestitionen“ gegangen, die aufgrund ihrer nachfolgenden entgeltlichen Übertragung auf die Gesellschaft bereits auf Basis der früheren EuGH- und BFH-Rechtsprechung zum Vorsteuerabzug berechtigt hätten (EuGH 29.4.04, C-137/02 und BFH 15.7.04, V R 84/99).
Fehle aber die nachfolgende entgeltliche Übertragung auf bzw. entgeltliche Überlassung an die Gesellschaft, so fehle den Gesellschaftern die unternehmerisch-wirtschaftliche Nutzung des fraglichen Wirtschaftsguts und damit die Vergleichbarkeit mit dem Urteilssachverhalt. Zudem könne der EuGH-Entscheidung bereits nicht entnommen werden, dass ihre Urteilsgrundsätze nicht nur bei gemeinschaftlichen Investitionen aller Gründungsgesellschafter, sondern auch bei der Investition eines einzelnen Gründungsgesellschafters - wie vorliegend bei S für „seine“ S&T-GbR - zu gelten hätten, was der BFH z.B. bei den individuellen Leistungsbezügen einer unbestimmten Vielzahl von Gesellschaftern einer Publikumsgesellschaft für fragwürdig hielte.
3. Schlussfolgerungen aus der Ablehnung des V. Senats
Der XI. Senat hatte im Verfahren XI R 26/10 bereits durch Gerichtsbescheid den Vorsteuerabzug des S bejaht und erst im Zuge der vom FA beantragten mündlichen Verhandlung beim V. Senat angefragt; angesichts der nun erfolgten EuGH-Vorlage, in der der XI. Senat seine neue vorsteuerbejahende Sichtweise sowie die gegenteilige Argumentation des V. Senats ausführlich wiederholt, bleibt der weitere Ausgang des Verfahrens abzuwarten. Vorläufig muss allerdings davon ausgegangen werden, dass die von Gesellschaftern „für Zwecke ihrer Gesellschaft“ bezogenen Investitionen die Gesellschafter (rechtssicher) nur dann zum Vorsteuerabzug berechtigen, wenn
- 1.sie im Vorgründungsstadium der Gesellschaft erfolgten und nach vollzogener Gründung auf die Gesellschaft übertragen werden (s.o. BFH 15.7.04, V R 84/99 sowie nun EuGH 1.3.12, C-280/10).
- Gemeinschaftlicher Bezug: Die bislang entschiedenen Fallkonstellationen betrafen gemeinschaftliche Vorgründungsaktivitäten, sodass ungeklärt ist, ob Entsprechendes auch für Vorgründungsaktivitäten nur einzelner Gesellschafter gelten kann. Die Finanzverwaltung lässt dies in A 15.2 Abs. 17 S. 9 u. 10 UStAE offen, der V. Senat hat dies aber in Rz. 18 seiner Stellungnahme ausdrücklich in Zweifel gezogen. M.E. lässt sich Letzteres auch aus den o.g. BFH- und EuGH-Verfahren schließen, die zur Rechtfertigung des Vorsteuerabzugs aus Vorgründungshandlungen die systematische Zusammenschau der beiden „Rechtsphasen“ Vorgründungsgesellschaft und Gründungsgesellschaft heranziehen. Dieser Begründungsansatz spricht m.E. (weiterhin) gegen den Vorsteuerabzug einzelner Gründungsgesellschafter aus individuellen Vorgründungsaktivitäten, es sei denn, der jeweilige Leistungsbezug und seine entgeltliche Weitergabe an die Gesellschaft erfolgte im Rahmen einer ohnehin bestehenden (einzel-) unternehmerischen Aktivität des Gesellschafters.
- Im Sinne seiner strengen Sichtweise hätte der V. Senat dem S wohl selbst dann den Vorsteuerabzug versagt, wenn dieser den Teilmandantenstamm der S&T-GbR entgeltlich übertragen hätte (vgl. den Verweis des V. Senats in Rz. 7 seiner Stellungnahme auf seine frühere Entscheidung - BFH 15.1.87, V R 3/77: kein Vorsteuerabzug aus dem Erwerb eines Einzelunternehmens, wenn es unmittelbar nachfolgend entgeltlich in eine Personengesellschaft eingebracht wird).
- Vorgründungsinvestitionen: Nach meinem Auslegungsverständnis der bisherigen Rechtsprechung bleibt der gemeinschaftliche Vorsteuerabzug der Gesellschafter zudem - anders als Stadie in UR 12, 339 meint - auf „Vorgründungsaktivitäten“ beschränkt. Denn BFH und EuGH begründen das „Sonderrecht des Vorsteuerabzugs der Gesellschafter“ mit der Sondersituation der Vorgründungsphase, in der der Gesellschaft ein eigener Erwerb mangels Rechts- und Handlungsfähigkeit eben noch nicht möglich sei, was eine vorsteuerbezogene „Zusammenschau der Vorgründungs- und Gründungsphase“ erforderlich mache. Dieses Sonderrechts bedarf es aber bei einer bereits existenten Gesellschaft nicht mehr, denn in diesem Fall haben die Beteiligten Gestaltungsfreiheit, die fraglichen Leistungsbezüge durch die Gesellschaft - oder alternativ durch einen oder mehrere Gesellschafter - tätigen zu lassen. In diesem Sinne lassen sich m.E. „versehentliche“ Erwerbe von Investitionsgütern durch den Gesellschafter während des laufenden Betriebs der Gesellschaft nicht durch entgeltliche Übertragung auf die Gesellschaft „umsatzsteuerlich reparieren“, soweit dieser Erwerb nicht einen Bezug zu einem ohnehin bestehenden (Einzel-) Unternehmen des Gesellschafters aufweist (s.u.).
- 2.die fraglichen Wirtschaftsgüter zwar nicht von allen Gesellschaftern gemeinschaftlich oder zwar nicht in der Vorgründungsphase erworben, aber gleichwohl „durch entgeltliche Überlassung an die Gesellschaft“ zur unternehmerischen Umsatzerwirtschaftung genutzt werden; die unentgeltliche Überlassung berechtigt mithin weiterhin nicht zum Vorsteuerabzug (vgl. ausführlich A 15.20 UStAE). Der von der Finanzverwaltung in A 15.20 Abs. 2 UStAE beschriebene Fall der Vorsteuerabzugsberechtigung trotz unentgeltlicher Überlassung betrifft nur Gegenstände, die beim Gesellschafter „bereits aus anderen Gründen“ zu seinem dortigen Unternehmensvermögen gehören, wie z.B. die unentgeltliche Überlassung einer von ihm in seinem Einzelunternehmen genutzten Baumaschine an eine ARGE, an der er beteiligt ist (vgl. Verweis auf A 1.6 Abs. 7 Nr. 2b, Bsp. 4 UStAE).
- „Eigenunternehmerische Gesellschafteraktivitäten“: Neben den beiden vorstehenden Fallkategorien 1. und 2. ist der Vorsteuerabzug des Gesellschafters zudem noch aus Leistungsbezügen denkbar, die ihm „zur Erwirtschaftung entgeltlicher Umsätze gegenüber seiner Gesellschaft“ dienen. Dies wäre z.B. der Fall beim Erwerb eines Unternehmensfahrzeugs, das der Gesellschafter für die Erwirtschaftung der gegenüber „seiner Gesellschaft“ gegen gewinnunabhängige Vergütung erbrachten Geschäftsführungsleistungen nutzt (vgl. A 1.6 Abs. 3 u. 4 UStAE). In diesem Sinne hatte das FG im o.a. Verfahren bei Steuerberater S argumentiert, S nutze den erworbenen Teilmandantenstamm als „notwendige Betriebsgrundlage“ für seine eigenunternehmerischen Aktivitäten der entgeltlichen Geschäftsführungs- und Beratungsleistungen gegenüber der S&T-GbR. Diese m.E. nicht ganz von der Hand zu weisende Argumentation hat den V. Senat aber offenkundig nicht überzeugt.
- Sonderregelung „Bruchteilsvorsteuerabzug“?: Für eine Vorsteuerversagung beim Gesellschafter spricht für den V. Senat die fehlende Nutzung des fraglichen Leistungsbezugs „zur Erzielung eigener unternehmerisch-wirtschaftlicher Ausgangsumsätze“. Nach der Rechtsprechung des EuGH und des BFH bedarf es dieses Bezugs jedoch ausnahmsweise bei solchen Leistungsbezügen nicht, soweit eine Gemeinschaft eine Investition tätigt, die zwar nicht der Gemeinschaft selbst zur unternehmerischen Tätigkeit dient, aber die von ihren Gemeinschaftern/ Gesellschaftern für ihre eigenunternehmerischen Zwecke genutzt werden (vgl. EuGH 21.4.05, C-25/03; BFH 6.10.05, V R 40/01). Es wäre daher systematisch erwägenswert gewesen, diesen Rechtsgedanken bei „gemeinschaftlichen Leistungsbezügen der Gesellschafter für Zwecke ihrer Gesellschaft“ zu analogisieren. Auch diese Argumentation steht der Gestaltungsberatung aber m.E. nicht zur Verfügung, denn der V. Senat des BFH (6.9.07, V R 16/06) hat sie in der Begründung seiner Entscheidung explizit abgelehnt.
- Rechnungsformalia: Für den Vorsteuerabzug der Gesellschafter einerseits bzw. der Gesellschaft andererseits bedarf es einer auf den/die Gesellschafter bzw. die Gesellschaft nach den Formerfordernissen des § 14 UStG ausgestellten Rechnung. Demnach kann z.B. die Gesellschaft aus einer auf den oder die Gesellschafter ausgestellten Rechnung keinen Vorsteuerabzug für sich beanspruchen, wenn die Rechnung keinen Hinweis auf die Gesellschaft als Leistungsempfänger enthält. Diese streng formale Sichtweise ist nicht nur Auffassung der Finanzverwaltung (Abschn. 15.2. Abs. 20 S. 4 UStAE), sondern wurde in jüngerer Zeit auch durch den BFH bestätigt (vgl. BFH 02.11.11, V B 46/11).
- Beachten Sie | Auch eine nachträgliche Rechnungskorrektur führt in diesen Fällen nur dann zur Lösung des Vorsteuerproblems, wenn der als Adressat aufgeführte Gesellschafter die fragliche Leistung tatsächlich „erkennbar in Vertretung für seine Gesellschaft als Auftraggeber“ bestellt hatte und demnach nur der Leistungsempfänger in der Ursprungsrechnung unzutreffend bezeichnet war. Erfolgt demgegenüber eine Rechnungsberichtigung auf die Gesellschaft und stellt sich bei späteren Nachforschungen des Finanzamts heraus, dass auch die Bestellung der fraglichen Leistung durch den Gesellschafter selbst - ohne Offenlegung seines Handelns in Vertretung für die Gesellschaft - erfolgte (vgl. hierzu BFH 23.9.09, XI R 14/08), so verhilft eine solche Rechnungs-„Berichtigung“ der Gesellschaft nicht zum Vorsteuerabzug, sondern führt vielmehr beim leistenden Unternehmer besteuerungsverschärfend zu einer zusätzlichen Steuerschuld nach § 14c Abs. 2 UStG.