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  • 24.06.2009 | Bundesverfassungsgericht

    Durchsuchung mehrerer Kanzleiniederlassungen

    von Oberstaatsanwalt Raimund Weyand, St. Ingbert

    Es ist mit Art. 13 Abs. 1 GG nicht vereinbar, Kanzleiräume von Rechtsbeiständen als nichtverdächtigen Dritten, die den Beschuldigten nach Auffassung der Ermittlungsbehörde hinsichtlich bestimmter steuerrechtlicher Fragestellungen beraten haben sollen, auf der Grundlage von § 103 StPO zu durchsuchen, um Unterlagen von Mandanten, die mit dem Ermittlungsverfahren in keinem Zusammenhang stehen, zu erhalten und hieraus Rückschlüsse auf den Inhalt der Beratung zu ziehen (BVerfG 18.3.09, 2 BvR 1036/08, Abruf-Nr. 091878).

     

    Sachverhalt

    Die StA München betrieb umfangreiche steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen die Initiatoren von Film- und Medienfonds. Im Rahmen dieser Ermittlungen ordnete das AG die Durchsuchung mehrerer Niederlassungen einer überörtlichen Rechtsanwaltssozietät mit dem Ziel an, dort allgemeine Unterlagen über die Beratung der Beschuldigten sicherzustellen, insbesondere auch Dokumente, die Fondsgesellschaften betrafen, in deren Umfeld nicht ermittelt wurde. Bei den Durchsuchungsmaßnahmen wurden umfangreiche Unterlagen sichergestellt und EDV-Daten kopiert. Rechtsmittel gegen die Durchsuchungsbeschlüsse blieben erfolglos. Das BVerfG gab einer Verfassungsbeschwerde der betroffenen Berater teilweise statt.  

     

    Entscheidungsgründe

    Art. 13 Abs. 1 GG garantiert die Unverletzlichkeit der Wohnung. Der Schutz dieser Verfassungsnorm erstreckt sich auch auf geschäftlich genutzte Räume, die nicht allgemein zugänglich sind. Damit wird dem Einzelnen ein elementarer Lebensraum gewährleistet. In seinen Räumen hat er das Recht, in Ruhe gelassen zu werden. In diese grundrechtlich geschützte Lebenssphäre greift eine Durchsuchung schwerwiegend ein. Dem Gewicht dieses Eingriffs entspricht es, dass die Anordnung einer Durchsuchung nach Art 13. Abs. 2 GG grundsätzlich dem Richter vorbehalten ist. Der Richtervorbehalt soll eine vorbeugende Kontrolle der Maßnahme durch eine unabhängige und neutrale Instanz gewährleisten.  

     

    Dem erheblichen Eingriff in die grundrechtlich geschützte Lebenssphäre des Betroffenen entspricht ein besonderes Rechtfertigungsbedürfnis nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Durchsuchung muss im Hinblick auf den bei der Anordnung verfolgten Zweck verhältnismäßig sein. Ferner muss gerade diese Zwangsmaßnahme zur Ermittlung und Verfolgung der vorgeworfenen Tat erforderlich sein. Dies ist nicht der Fall, wenn weniger einschneidende Mittel zur Verfügung stehen. Schließlich muss der jeweilige Eingriff in angemessenem Verhältnis zu der Schwere der Straftat und der Stärke des Tatverdachts stehen. Hierbei sind auch die Bedeutung des potenziellen Beweismittels für das Strafverfahren sowie der Grad des auf die verfahrenserheblichen Informationen bezogenen Auffindeverdachts zu bewerten. Im Einzelfall können die Geringfügigkeit der zu ermittelnden Straftat, eine geringe Beweisbedeutung der zu beschlagnahmenden Gegenstände sowie ein bloß vager Auffindeverdacht einer Durchsuchungsmaßnahme entgegenstehen.