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  • · Fachbeitrag · Schutz für Berufsgeheimnisträger

    Durchsuchung einer Kanzlei im berufsgerichtlichen Verfahren muss verhältnismäßig sein

    von Oberstaatsanwalt Raimund Weyand, St. Ingbert

    Angesichts der erheblichen Eingriffsintensität ist die Durchsuchung von Kanzleiräumen im berufsgerichtlichen Verfahren nur unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zulässig (Anwaltsgerichtshof (AGH) Rostock 20.9.12, AGH 5/12 (I/3), Abruf-Nr. 123709).

    Sachverhalt

    Die Generalstaatsanwaltschaft hatte beim Anwaltsgericht zwei Anschuldigungsschriften gegen einen Anwalt vorgelegt. Ihm wurde vorgeworfen, gegen verschiedene Bestimmungen der Berufsordnung der Rechtsanwälte (BORA) verstoßen zu haben. Aufgrund von Einwendungen des Anwalts beantragte die Generalstaatsanwaltschaft im berufsgerichtlichen Verfahren den Erlass von Durchsuchungsbeschlüssen, um Handakten des Berufsangehörigen in dessen Kanzleiräumen sicherstellen zu können. Auch sollte so ermittelt werden, welche bisher namentlich unbekannten Mitarbeiter er beschäftigt hatte, um diese zeugenschaftlich zu vernehmen. Die Maßnahme wurde durchgeführt, wobei 36 Aktenordner sichergestellt werden konnten. Auf die Beschwerde des betroffenen Anwalts stellte der AGH die Rechtswidrigkeit der Durchsuchung fest.

     

    Entscheidung

    Durchsuchungsmaßnahmen greifen schwerwiegend in das von Art. 13 Abs. 1 GG hervorgehobene Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung ein, wobei die Verfassung auch Büroräume schützt. Diesem erheblichen Eingriff entspricht ein besonderes Rechtfertigungsbedürfnis nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Richtet sich die angefochtene Ermittlungsmaßnahme gegen die Büroräume eines Berufsgeheimnisträgers, bringt dies darüber hinaus regelmäßig die Gefahr mit sich, dass geschützte Daten von Nichtbeschuldigten - vor allem von völlig unbeteiligten Mandanten - zur Kenntnis der Ermittlungsbehörden gelangen. Dadurch werden nicht nur die Grundrechte der Auftraggeber berührt. Der Schutz der Vertrauensbeziehung zwischen Anwalt und Mandant liegt auch im Interesse der Allgemeinheit an einer wirksamen und geordneten Rechtspflege.

     

    Diese Belange erfordern eine besondere Beachtung bei der Prüfung der Angemessenheit einer Zwangsmaßnahme. Vor allem muss gerade die Durchsuchungsanordnung zur Ermittlung und Verfolgung der vorgeworfenen Tat zwingend erforderlich sein. Dies war nach Meinung des AGH hier gerade nicht der Fall, weil weniger einschneidende Ermittlungsmöglichkeiten bestanden hatten. Zwar hatte sich der Berufsangehörige trotz expliziter Aufforderung geweigert, bestimmte Unterlagen herauszugeben bzw. die Namen von Mitarbeitern zu benennen. Zweck der Durchsuchungsanordnung war es aber, das Verteidigungsvorbringen des Anwalts auf seinen Wahrheitsgehalt zu prüfen. Hierzu hätte es keiner Durchsuchungs- und Beschlagnahmeaktion bedurft. Vielmehr wäre es auch möglich gewesen, die betroffenen - bekannten - gegnerischen Rechtsbeistände bzw. Prozessparteien zum Verhalten des Berufsangehörigen zu vernehmen. Die Namen der als potenzielle Zeugen anzusehenden Mitarbeiter hätte man über die Krankenkassen, die Rentenversicherung bzw. die Bundesagentur für Arbeit ohne größere Probleme ermitteln können, da diese Daten dort gesammelt werden (§ 28h Abs. 3 SGB IV). Damit standen ebenso effektive aber mildere Mittel zur Verfügung, um den Zweck der Durchsuchungsanordnung zu erreichen. Die angefochtene Maßnahme stellt somit einen unverhältnismäßigen Eingriff in die verfassungsmäßigen Rechte des Betroffenen dar.

     

    Praxishinweis

    Die Grundsätze der Entscheidung gelten in gleichem Sinne für die Angehörigen der steuerberatenden Berufe. Auch hier wird die Staatsanwaltschaft als Verfolgungsbehörde tätig (§§ 113 ff. StBerG), wobei ihr alle von der StPO vorgesehenen Ermittlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen (§ 153 StBerG). Ob der vor dem AGH errungene Zwischenerfolg dem Berufsangehörigen letztlich auch im Hauptverfahren hilfreich sein wird, ist aber zweifelhaft. Der Senat weist ausdrücklich darauf hin, dass der festgestellte zweifelsfreie Verstoß gegen Beweiserhebungsvorschriften nicht auch zwingend zu einem umfassenden Beweisverwertungsverbot führt: Ein solcher allgemeiner Grundsatz sei dem deutschen Strafprozessrecht fremd.

    Quelle: Ausgabe 01 / 2013 | Seite 7 | ID 36593810