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  • 23.09.2010 | Landgericht Hildesheim

    Steuerberater als Wahlverteidiger im gerichtlichen Verfahren

    von Oberstaatsanwalt Raimund Weyand, St. Ingbert

    Wirft die Anklage einem Angeschuldigten sowohl Steuer- als auch Nichtsteuerstraftaten vor, ist ein Steuerberater von Gesetzes wegen berechtigt, neben einem Rechtsanwalt oder Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule die Verteidigung zu übernehmen, soweit die Steuerstraftaten betroffen sind. Stehen die ebenfalls angeklagten Nichtsteuerstraftaten in einem engen Zusammenhang zu den Steuerstraftaten, ist der Steuerberater auch im Übrigen als Verteidiger zuzulassen (LG Hildesheim 18.2.10, 25 KLs 5101 Js 76196/06, Abruf-Nr. 102069).

     

    Sachverhalt

    Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeschuldigten mehrfachen gewerbsmäßigen Betrug zum Nachteil der Einzugsstellen der Sozialversicherung, Vorenthalten von Arbeitsentgelt sowie die Hinterziehung von ESt und LSt vor, wobei die Tatzeiten jeweils identisch sind. Schon im Ermittlungsverfahren hatte der Angeschuldigte, neben einem Rechtsanwalt, einen Steuerberater mit seiner Verteidigung beauftragt. Das LG entsprach dem Antrag des Steuerberaters, ihn auch im Hauptverfahren als weiteren (Wahl-)Verteidiger zuzulassen.  

     

    Anmerkungen

    In Strafverfahren können prinzipiell nur Rechtsanwälte oder juristische Hochschullehrer mit der Befähigung zum Richteramt als Verteidiger tätig werden („geborene Verteidiger“ nach § 138 Abs. 1 StPO). Für den Bereich des Steuerstrafverfahrens trifft § 392 Abs. 1 S. 1 AO eine wichtige Erweiterung: Führt die Finanzbehörde, also die zuständige BuStra, das Ermittlungsverfahren selbstständig (§§ 386 Abs. 4, 399 Abs. 1 AO), darf der Beschuldigte auch einen Angehörigen der steuerberatenden Berufe zum alleinigen Verteidiger wählen. Dessen eigenständige Verteidigungsbefugnisse enden aber, sobald die Staatsanwaltschaft oder aber ein Gericht mit der Strafsache befasst werden.  

     

    Wichtig: Es ist streitig, ob der Steuerberater gegen einen von der Finanzbehörde beantragten Strafbefehl rechtswirksam Einspruch einlegen kann. Manche Gerichte sehen schon in diesem Antrag eine gerichtliche Befassung, sodass nur entweder der Beschuldigte selbst oder aber ein von ihm mandatierter Rechtsanwalt wirksame Rechtsmittel einlegen kann.