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  • 22.02.2008 | Musterformulierungen

    Möglichkeiten und Fehlerquellen einer vertraglichen Haftungsbegrenzung

    von RA FA für Steuerrecht Jürgen Gemmer, Braunschweig

    Die Flut neuer Rechtsprechung macht die Vermeidung von Haftungsfällen immer schwerer. Hinzu kommt, dass immer mehr Mandanten von der Möglichkeit Gebrauch machen, wegen angeblich unzureichender Beratung und unterbliebener Aufklärung über steuerlich erhebliche Tatsachen Schadenersatz zu verlangen – und dies mit zunehmendem Erfolg. Durch das neue Verjährungsrecht (s. Gemmer, KP 08, 04), das in vielen Fällen zu einer längeren Verjährungsfrist führt, erhöhen sich zusätzlich die Risiken. Schon nach altem Verjährungsrecht war dem Steuerberater zu empfehlen, alle Möglichkeiten der Haftungsbegrenzung auszuschöpfen. Diese Empfehlung gilt heute eindringlicher denn je.  

    1. Wege der Haftungsbegrenzung

    Die Möglichkeiten der Haftungsbegrenzung des Steuerberaters sind geregelt in § 67a Abs. 1 StBerG i.V.m. §§ 51 ff. DVStB i.V.m. §§ 42 f. BOStB. Grundsätzlich kommt eine vertragliche Haftungsbegrenzung nur hinsichtlich einer fahrlässigen Pflichtverletzung des Steuerberatungsvertrages in Betracht.  

     

    • Durch Individualvereinbarung kann die Haftung bis zur Höhe der Mindestversicherungssumme in Höhe von 250.000 EUR begrenzt werden. Anders als bei vorformulierten Vertragsbedingungen kann im Rahmen einer Individualvereinbarung die Haftungsbegrenzung auch auf grob fahrlässiges Verhalten ausgedehnt werden.

     

    • Durch vorformulierte Vertragsbedingungen kann die Haftung auf den 4-fachen Betrag der Mindestversicherungssumme begrenzt werden. Um in den Genuss dieser Haftungsbegrenzung zu kommen, muss die vertragliche Versicherungssumme wenigstens 1 Mio. EUR für den einzelnen Schadensfall betragen.

    2. Haftungsbegrenzung durch Individualvereinbarung

    Die Rechtsprechung stellt an die Anerkennung einer Individualvereinbarung hohe Anforderungen (vgl. Gräfe/Lenzen/Schmeer, Steuerberaterhaftung, Rz. 766 m.w.N.). Danach kommt eine Individualvereinbarung nur in Betracht, wenn sie nicht vorformuliert und stattdessen zwischen den Vertragsparteien individuell vereinbart worden ist. Leitbild ist hierbei der Vertrag, der unter gleich starken Partnern ausgehandelt worden ist. Aushandeln in diesem Sinne bedeutet gegenseitiges Nachgeben, also aus der Sicht des Steuerberaters auch die ernsthafte Erwägung, sich auf Alternativen einzulassen. Diese Voraussetzungen sind in der Praxis nur unter schwierigen Bedingungen zu erfüllen, was anhand des nachfolgenden Beispiels verdeutlicht werden soll.  

     

    Beispiel

    Der Steuerberater verfügt über eine Berufshaftpflichtversicherung mit einer Deckungssumme von 250.000 EUR (Mindestversicherungssumme). Er hat mit seinem Mandanten eine Haftungsvereinbarung getroffen, die von beiden Parteien unterschrieben wurde. Hierin erklärt sich der Mandant unter der Überschrift „Individualvereinbarung“ für alle Fälle der Fahrlässigkeit mit einer Haftungsbegrenzung auf 250.000 EUR einverstanden. Nach Durchführung des Auftrags ergibt sich, dass der Berater aufgrund einer schuldhaften Pflichtverletzung dem Mandanten einen Schaden von 1.000.000 EUR zugefügt hat. 

     

    Im Haftpflichtprozess stellt der ehemalige Mandant die rechtliche Bindung der Individualvereinbarung in Frage und begründet dies wie folgt: Der Steuerberater habe vor Abschluss der Individualvereinbarung nicht über das hohe Risiko aufgeklärt. Der Berater habe ohne weitere Gespräche das vorbereitete Papier mit dem manuell eingesetzten Höchstbetrag von 250.000 EUR zur Unterschrift vorgelegt. Der Berater habe auf die Möglichkeit einer so genannten Objekt- bzw. Mandatsversicherung mit keinem Wort hingewiesen. 

     

    Der Steuerberater muss die vorgenannten Einwände des Anspruchstellers entkräften, weil er die Beweislast für den wirksamen Abschluss einer Haftungsbegrenzungsvereinbarung trägt. Er muss im Zweifel beweisen können, dass er die im folgenden genannten Mindest-Voraussetzungen für eine wirksame Individualvereinbarung erfüllt hat.  

     

    • Es muss ein ausführliches Risikogespräch mit dem Mandanten stattgefunden haben. Hierbei muss der ungefähre potenzielle Schaden ausdrücklich angesprochen worden sein. Bei Dauermandaten muss dies fortlaufend geschehen, um eventuelle Risikoveränderungen einzubeziehen.

     

    • Die in dem Gespräch erörterten Ziele sollten eindeutig festgehalten werden. Nach Aushandeln einer Haftungssumme, die die Risiken angemessen abdeckt, kann man hier wie folgt formulieren: „Die Haftung soll abweichend vom höheren Risiko auf ... EUR begrenzt werden.“

     

    • Weiterhin erforderlich ist das ernsthafte Angebot alternativer Haftungssummen mit Lösungen in versicherungstechnischer Hinsicht (z.B. Höherversicherung dieses Falles). Ein ernsthaftes Angebot zu einer alternativen Haftungssumme setzt zwingend voraus, dass auch ein „kongruenter“ Versicherungsschutz besteht. D.h., ein Steuerberater, der lediglich eine Haftpflichtversicherung mit der Mindestversicherungssumme abgeschlossen hat, wird kein ernsthaftes Angebot über eine höhere Haftungsbegrenzungssumme machen, es sei denn, er erörtert eingehend eine Einzelfallhöherversicherung.

     

    Der Charakter einer Individualvereinbarung muss außerdem durch die Form zum Ausdruck kommen. Ein jeweils individuell formuliertes Gesprächsprotokoll ist daher unbedingt erforderlich. Dieses sollte handschriftlich abgefasst werden. Eine formularmäßige Aufbereitung in Form von Vorlagen, Checklisten und dergleichen sind in diesem Fall schädlich. 

     

    Ergebnis: Im obigen Beispielsfall ist die Individualvereinbarung unter Berücksichtigung der dargestellten Voraussetzungen unwirksam. Aufgrund der Haftungssumme von 250.000 EUR kann die missglückte Individualhaftungsvereinbarung auch nicht in eine Haftungsbegrenzungsvereinbarung nach vorformulierten Vertragsbedingungen umgedeutet werden. Der Steuerberater haftet daher mit seinem gesamten Vermögen für den eingetretenen Schaden in Höhe von 1.000.000 EUR abzüglich Haftpflichtversichererleistungen in Höhe von 250.000 EUR, also 750.000 EUR zzgl. der Kosten des Haftpflichtprozesses.  

     

    Die hohe Messlatte, die die Rechtsprechung an eine wirksame Individualvereinbarung stellt, wird noch weiter erhöht, wenn es sich bei dem Mandanten um einen Verbraucher im Sinne von § 13 BGB handelt. Sog. Einmalbedingungen, also zur einmaligen Verwendung bestimmte Klauseln wie die Individualvereinbarung, unterliegen im Geschäftsverkehr mit einem Verbraucher nach § 310 Abs. 3 BGB der AGB-rechtlichen Kontrolle, sofern der Mandant nachweist, dass er nicht die Möglichkeit einer Einflussnahme hatte. Er kann sich aber, insbesondere bei umfangreichen und komplizierten Texten vielfach auf den Beweis des ersten Anscheins berufen. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass der typische Verbraucher nicht das erforderliche rechtliche „Know-how“ hat, um ihn benachteiligende Vertragsklauseln zu durchschauen und zweckentsprechende Änderungen durchzusetzen.  

     

    Fazit: Eine Individualvereinbarung zur Haftungsbegrenzung lässt sich daher nicht sicher abschließen. Es besteht vielmehr die große Gefahr, dass das Gericht die Haftungsbegrenzungsvereinbarung in einem späteren Regressprozess als unwirksam ansieht.  

    3. Haftungsbegrenzung mit vorformulierten Vertragsbedingungen

    Das größte Problem bei einer Haftungsbegrenzung durch allgemeine Vertragsbedingungen ist deren rechtswirksame Einbeziehung. Grundvoraussetzung hierfür ist, dass der Steuerberater mit seinem Mandanten einen schriftlichen Steuerberatungsvertrag abschließt und hierbei auch die Haftungsbegrenzungsvereinbarungen mit in den von den Parteien zu unterzeichnenden Vertragstext aufnimmt. Die Praxis ist jedoch häufig eine andere. Die Mandatsübernahme erfolgt quasi auf Zuruf ohne schriftliche Vereinbarung. Der Mandant sieht die allgemeinen Auftragsbedingungen für Steuerberater, wie sie von verschiedenen Fachverlagen als Vordrucke angeboten werden, erstmals, wenn ihm das Arbeitsergebnis des Beraters vorgelegt wird, z.B. wenn am Ende des Jahresabschlusses die Auftragsbedingungen beigeheftet werden.  

     

    Praxishinweis: Wenn kein umfassender schriftlicher Steuerberatungsvertrag abgeschlossen wurde, sollte auf jeden Fall an den Mandanten vor Auftragsannahme ein Schreiben folgenden Inhalts gerichtet werden: 

    Musterformulierung

    „Sie haben mich beauftragt, für Ihr Unternehmen ... den Jahresabschluss zum ... und die betrieblichen Steuererklärungen für das Kalenderjahr … zu fertigen. Eine Auftragsdurchführung biete ich Ihnen unter Zugrundelegung meiner Allgemeinen Auftragsbedingungen an, die ich diesem Schreiben beifüge. Sofern Sie mit dem Inhalt meiner Vertragsbedingungen einverstanden sind, bitte ich, das beigefügte Zweitexemplar unterschrieben zurückzusenden. Einen Freiumschlag habe ich beigefügt. Mit Eingang Ihres Einverständnisses werde ich mit der Durchführung der Arbeiten beginnen.“ 

     

    4. Sog. Drittwirkung bei der Haftungsbegrenzungsvereinbarung

    Steuerberater können auch gegenüber Dritten, mit denen sie kein Mandatsverhältnis verbindet, auf vertraglicher oder vorvertraglicher Grundlage haften. Dies geschieht im Regelfall dann, wenn die Vertragspartner, also Steuerberater und Mandant, eine dritte Person in den Schutzbereich der vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten einbeziehen. Man spricht dann von einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. Ein solcher Vertragstypus wird etwa angenommen, wenn der Steuerberater im Auftrag seines Mandanten eine Auskunft erteilt oder einen Zwischen- oder Jahresabschluss erstellt und dabei erkennbar auch die Interessen eines Dritten wahren soll, der – etwa als Kreditgeber des Mandanten – die Erklärung des Steuerberaters zur Grundlage seiner Vermögensentscheidung machen will.  

     

    Bei solchen Konstellationen ist aber größte Vorsicht geboten, denn die Rechtsprechung nimmt in diesen Fällen häufig einen Auskunftsvertrag zwischen dem Steuerberater und dem Dritten an (s. z.B. BGH 13.11.97, X ZR 144/94, NJW 98, 1059). Wurde ein stillschweigender Auskunftsvertrag mit dem Dritten geschlossen, wirkt die Haftungsbegrenzungsvereinbarung zwischen Berater und Mandant nicht auf das Vertragsverhältnis zwischen dem Berater und dem Dritten im Rahmen des Auskunftsvertrages. Selbst wenn ein eigenständiger Auskunftsvertrag nicht gegeben ist, ist es nach wie vor höchst streitig und von der höchstrichterlichen Rechtsprechung noch nicht entschieden, ob Haftungsbegrenzungsvereinbarungen zwischen Berater und Mandant auch zu Lasten Dritter wirken. Auf jeden Fall ist in der Haftungsbegrenzungsvereinbarung mit dem Mandanten dieser Fall ausdrücklich zu regeln. Die Formulierung könnte etwa lauten:  

     

    Musterformulierung

    „Die Haftungsbeschränkung bezieht sich auf alle Schadenersatzansprüche des Auftraggebers und erstreckt sich auch auf Dritte, die in den Pflichtbereich des Mandatsvertrages aufgenommen werden.“ 

     

    Praxishinweis: Um sicherzustellen, dass z.B. die Bank von der Haftungsbegrenzungsregelung Kenntnis erlangt, ist es unverzichtbar, diese Vereinbarung mit jedem Exemplar des Jahresabschlusses fest zu verbinden.  

     

    Quelle: Ausgabe 03 / 2008 | Seite 53 | ID 117596