· Nachricht · Aussagepflicht
Insolvenzverwalter kann Berufsgeheimnisträger von Verschwiegenheitspflicht entbinden
OStA Raimund Weyand. St. Ingbert
| Grundsätzlich ist nur der Auftraggeber dazu befugt, einen Berufsgeheimnisträger von seiner Verschwiegenheitspflicht zu entbinden. Wurde über das Vermögen einer juristischen Person das Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt, geht die alleinige Entbindungsbefugnis auf diesen über (BGH 27.1.21, StB 44/20). |
Sachverhalt
Der „Wirecard“-Untersuchungsausschuss des Bundestages wollte die früheren Wirtschaftsprüfer des Unternehmens als Zeugen vernehmen. Sie verweigerten eine Aussage, obwohl der Insolvenzverwalter die Berufsangehörigen von ihrer beruflichen Verschwiegenheitspflicht entbunden hatte. Der BGH hob zwar einen Zwangsgeldbeschluss auf, weil er schuldhaftes Verhalten der Betroffenen verneinte, äußerte sich aber umfassend zu der Problematik.
Entscheidung
Der Schutzbereich der Verschwiegenheitspflicht erstreckt sich allein auf den Vertragspartner des Berufsangehörigen, also im vorliegenden Fall auf die juristische Person, die das Mandat erteilt hat. Deren Mitarbeiter haben kein eigenes geschütztes Vertrauensverhältnis zu dem Berufsgeheimnisträger, auch wenn es sich um Unternehmensorgane handelt. Juristische Personen sind eigenständige Rechtssubjekte, die Träger von eigenen Rechten und Pflichten sind. Es liegt auch für deren Mitarbeiter auf der Hand, dass sie selbst gerade nicht in einem speziellen Vertrauensverhältnis zu dem vom Unternehmen mandatierten Berufsgeheimnisträger stehen. Die Interessen der juristischen Person und der für diese handelnden natürlichen Personen können überdies ‒ etwa in Haftungsfällen ‒ auseinanderfallen.
Entbindungsbefugt ist allein das zum Entscheidungszeitpunkt aktiv tätige Organ. Im Fall eines eröffneten Insolvenzverfahrens ist daher der Insolvenzverwalter berechtigt, den Berufsgeheimnisträger umfassend von der Verschwiegenheitspflicht zu entbinden, soweit sich das Vertrauensverhältnis auf Angelegenheiten der Insolvenzmasse bezieht. Die Dispositionsbefugnis des Geheimnisherrn geht insoweit auf den Verwalter über (§ 80 Abs. 1 InsO). Der Berufsangehörige kann sich dann nicht mehr auf sein Schweigerecht (§ 53 StPO) berufen, sondern muss umfassend aussagen.
PRAXISTIPP | Mit diesem Beschluss hat der BGH der bisherigen sehr widersprüchlichen Rechtsprechung der OLG ein Ende gesetzt (s. dazu ausführlich Weyand, ZInsO 18, 1889). Von der Entscheidung bleiben „Doppelmandate“, also Mandate sowohl mit der juristischen Person als auch mit deren Organ, indes unberührt (vgl. OLG Hamm 27.2.18, 1 Ws 289/09). Bei diesen spezifisch gelagerten Sonderkonstellationen ist weiterhin eine kumulative Entbindungserklärung aller Mandanten nötig, um den Berufsangehörigen zur Aussage zu verpflichten. |