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  • · Fachbeitrag · Berufliche Pflichten

    Berufspflichtverletzungen im Spiegel der Rechtsprechung und standesrechtliche Folgen

    von Oberstaatsanwalt Raimund Weyand, St. Ingbert

    | Steuerberater, die ihre beruflichen Pflichten schuldhaft verletzen, müssen mit standesrechtlichen Maßnahmen rechnen: bei leichteren Pflichtverletzungen mit einer Rüge ( § 81 StBerG ), bei gravierenden Verstößen mit einem berufsgerichtlichen Verfahren ( § 89 ff. StBerG ). Aber auch außerberufliches Verhalten kann, wie aus § 89 Abs. 2 StBerG deutlich wird, ehrengerichtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Das gilt insbesondere auch für Straftaten im privaten Umfeld. |

    Grundlage: § 89 StBerG

    Berufsgerichtliche Maßnahmen droht § 89 Abs. 1 StBerG demjenigen Berater an, der „seine Pflichten schuldhaft verletzt“. Diese Bestimmung ist insbesondere im Kontext mit § 57 Abs. 1 und Abs. 2 StBerG zu lesen, wo der Berufsangehörige sowohl zu einer gewissenhaften Berufsausübung als auch zu einem allgemein achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten angehalten wird. Aber auch andere Normen enthalten einzelne Berufspflichten, wie etwa die §§ 59 bis 67, 79 und 80 StBerG, zudem auch die BOStB. Die Generalklausel des § 89 StBerG bedarf also der näheren Konkretisierung durch andere Vorschriften. Trotz des weit gefassten Anwendungsbereichs sind derartige Blanketttatbestände verfassungsrechtlich unbedenklich. Sie sind hinreichend genau bestimmt, zumal die Rechtsprechung der letzten Jahrzehnte für eindeutige und klare Auslegungsregeln gesorgt hat. Das Gesetz differenziert im Übrigen zwischen Pflichtverletzungen im beruflichen und im privaten Bereich.

    Berufspflichtverletzungen

    Auch das Berufsrecht unterliegt dem Wandel, wie etwa die Änderungen der jüngeren Zeit im Zusammenhang mit Werbeverboten und Sozietätsmöglichkeiten belegen. Unstreitig zählen zum beruflichen Bereich des Berufsangehörigen aber alle Pflichten, die dem Steuerberater infolge seines Berufs obliegen bzw. sich auf diesen beziehen. Dies betrifft insbesondere sein Verhältnis zur Berufskammer. Standesrechtlich relevant sind hier beispielsweise:

     

    • Das Nichtentrichten des Kammerbeitrags (LG Freiburg 21.11.11, StL 6/11, DStRE 13, 1216) oder des Beitrags zum Versorgungswerk (LG Potsdam 8.4.13, 31 StL 3/12, DStRE 14, 1087) trotz finanzieller Leistungsfähigkeit

     

    • Das wiederholte Nichtbeachten von Auskunftspflichten gegenüber der Kammer (LG Frankfurt 27.2.12, 5/35 StL 1/12, DStRE 14, 127)

     

    • Nicht aber die Nichtzahlung einer berufsgerichtlich verhängten Geldbuße (BGH 14.8.12, WpSt (R) 1/12, DStR 13, 375; LG Hannover 15.10.12, 44 StL 4/12, DStRE 14, 704; anders noch LG Hannover 17.1.11, 44 StL 29/10, DStRE 12, 324)

     

    Mandatsbezogene Pflichtverletzungen

    Auch mandatsbezogene Pflichtverletzungen können sich als Verstöße gegen § 89 StBerG darstellen, so etwa:

     

    • Der Rat an einen Mandanten, staatliche Zulagen zu beantragen, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorliegen (LG Frankfurt 29.4.05, 5/35 StL 2/05, DStRE 06, 1167, Abruf-Nr. 070497)

     

    • Die Weigerung, Arbeitsergebnisse und Mandantenunterlagen herauszugeben (LG Frankfurt 19.8.11, 5/35 StL 9/11, DStRE 12, 784; LG Frankfurt 10.2.12, 5/35 StL 15/11, DStRE 13, 890; LG Freiburg 9.5.14, StL 4/13, DStR 14, 2260)

     

    • Die Beteiligung an Straftaten von Mandanten, etwa durch Erstellen unrichtiger Bilanzen (LG Freiburg 28.4.11, StL 3/11, DStRE 12, 390, Abruf-Nr. 120413), oder die Beihilfe zu dessen Steuerstraftaten (LG Koblenz 6.5.14, 10 StL 3/13, DStRE 14, 1848)

     

    • Die fehlende Kommunikation mit Mandanten über Wochen hinweg (LG Frankfurt 25.10.13, 5/35 StL 7/13, DStRE 15, 192)

     

    • Irreführende Angaben gegenüber Mandanten im Zusammenhang mit den möglichen Kosten, die für ein Gründungscoaching anfallen (LG Hannover 10.3.14, 44 StL 2 StV 30/09, DStRE 15, 319)

     

    Nicht direkt mandatsbezogene Pflichtverletzungen

    Gleichfalls können nicht direkt mandatsbezogene Verhaltensweisen Pflichtverletzungen darstellen, die standesrechtliche Folgen nach sich ziehen. Beispiele hierfür sind:

     

    • Das Überreden von Mandanten, Immobilien zu erwerben, um so selbst Provisionen zu erhalten (LG Freiburg 4.11.09, StL 2/09, n.v.)

     

    • Das Verwenden von unerlaubten Berufszusätzen im Geschäftsverkehr, wenn der Berater sich z.B. als „Zertifizierter Rating Analyst>“ bezeichnet (OLG Karlsruhe 19.6.12, StO 1/11, DStR 12, 1828)

     

    • Körperliche Übergriffe auf Auszubildende, auch wenn sie volljährig sind (LG Münster 18.1.13, 19 StL 5/12, DStR 13, 1402)

     

    • Das Delegieren höchstpersönlicher Dienstleistungen wie das Unterzeichnen von Rechtsmittelschreiben an das Finanzamt auf einen angestellten Buchhalter (LG Hannover 11.11.13, 44 StL 8/13, DStRE 14, 1152; s. bereits LG Nürnberg 11.2.11, StL 9/2010, DStRE 12, 456)

     

    Eigenes steuerliches Fehlverhalten von Berufsangehörigen

    Besonders sensibel reagieren die Berufsgerichte auf eigenes steuerliches Fehlverhalten des Berufsangehörigen. Insoweit erfordert es das Ansehen des Berufs, dass der Berater in seinen persönlichen finanziellen Angelegenheiten nicht nur allgemein sorgfältig verfährt. Er muss auch steuerliche Obliegenheiten genau beachten und gleichermaßen Steuerschulden stets fristgerecht tilgen; anderenfalls kann er seine Berufspflichten nicht unabhängig erfüllen (s. bereits OLG Düsseldorf 5.12.02, StO 1/02, DStRE 08, 1432). Berufspflichtwidrig ist daher:

     

    • Die mehrfache Nichtabgabe bzw. verspätete Vorlage von Einkommensteuererklärungen, Lohnsteueranmeldungen und USt-Voranmeldungen (LG Potsdam 8.4.13, 31 StL 3/12, DStRE 14, 1087; s. bereits LG Frankfurt 11.12.09, 5/35 StL 7/09, DStRE 11, 725, Abruf-Nr. 102557)

     

    • (Auch bedingt) vorsätzlich begangene Steuerhinterziehungen, selbst wenn die unrichtigen Erklärungen im Rahmen einer Selbstanzeige korrigiert und die Nachforderungen vollständig entrichtet werden (LG Frankfurt 17.6.11, 5/35 StL 7/11, DStRE 13, 1024)

     

    • Die jahrelange Abgabe von falschen eigenen Steuererklärungen, auch wenn der Berater hierdurch nur seine Unterhaltspflichten gegenüber der geschiedenen Ehefrau minimieren wollte (LG München 17.1.14, StL 15/13, DStRE 15, 320)

    Außerberufliches Fehlverhalten

    Pflichtwidriges Verhalten außerhalb des beruflichen Bereichs führt demgegenüber nur eingeschränkt zu ehrengerichtlichen Sanktionen. Im Einzelfall kann die Abgrenzung zwischen beruflichem und privatem Fehlverhalten durchaus schwierig sein, wie etwa in den Fällen eigenen steuerlichen Fehlverhaltens.

     

    Mittelbarer Zusammenhang mit der Berufsausübung

    Alles, was auch nur mittelbar im Zusammenhang mit der Berufsausübung steht, fällt stets unter die Bestimmung des § 89 Abs. 1 StBerG, ist also gegebenenfalls als Berufspflichtverstoß zu werten. Neben den genannten eigennützigen Steuerdelikten zählen hierzu z.B. auch

    • das nach § 266a StGB strafbare Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen,
    • das Vortäuschen einer Straftat, wie etwa der fingierte Diebstahl eines Praxis-Pkws (s. bereits BGH 17.10.88, StbSt (R) 5/88, Stbg 89, 128).

     

    MERKE | Der private Charakter muss eindeutig feststehen. Bei einer unklaren Gemengelage ist im Zweifel von berufsbezogenen Pflichtverletzungen auszugehen.

     

    Privatsphäre des Berufsangehörigen

    Das betreffende Verhalten muss nach § 89 Abs. 2 StBerG zum einen als Straftat oder als Ordnungswidrigkeit einzustufen und zum anderen geeignet sein, das Ansehen des Berufs in der Öffentlichkeit zu beeinträchtigen. Die Privatsphäre des Berufsangehörigen bleibt demgegenüber einer standesrechtlichen Beurteilung entzogen. Dies gilt z.B. für:

     

    • Fahrten unter Alkoholeinfluss: Die Teilnahme am Straßenverkehr hat selbst dann keinen Berufsbezug, wenn es sich um eine Trunkenheitsfahrt handelt (so explizit bereits BGH 10.11.75, AnwSt (R) 2/75, NJW 76, 526).

     

    • Auch Privatklagedelikte i.S. des § 374 StPO - wie Beleidigungen ohne Berufsbezug, Hausfriedensbruch, Körperverletzungen oder andere Straßenverkehrsdelikte - fallen nicht in den Anwendungsbereich der Bestimmung.

     

    • Überdies verbietet § 92 StBerG eine zusätzliche berufsgerichtliche Ahndung, wenn bereits eine anderweitige Sanktionierung erfolgt ist, gegen den Berater also beispielsweise wegen Trunkenheit im Verkehr eine Geld- oder Freiheitsstrafe verhängt wurde. Lediglich dann, wenn ein „standesrechtlicher Überhang“ vorliegt, können zusätzliche Maßnahmen des Standesrechts greifen. Das ist der Fall, wenn das Ansehen des Berufs derartige doppelte Sanktionierungen zwingend erfordert.

    Verschulden

    Sowohl § 89 Abs. 1 StBerG als auch Abs. 2 der Norm verlangen schuldhaftes Verhalten des Betreffenden. An erster Stelle muss er vorsätzlich vorgehen, also den Berufspflichtverstoß kennen und ihn zumindest billigend in Kauf nehmen. Aber auch fahrlässiges Verhalten genügt regelmäßig. Der Berufsangehörige muss lediglich von seinen persönlichen Verhältnissen und Fähigkeiten her überhaupt in der Lage sein, seine Obliegenheiten zu kennen und einzuhalten. Wer sich nicht hinreichend über die ihn treffenden Pflichten informiert oder aber ihre Reichweite falsch einschätzt, handelt in der Regel fahrlässig.

     

    PRAXISHINWEIS | Im Zweifel muss der Steuerberater bei der Berufskammer nachfragen, um auftauchende Probleme zu klären. Das sollte aus Beweiszwecken schriftlich erfolgen. Auf die Auskünfte der Berufskammer kann sich der Berater aber stets verlassen. Stellt sich später heraus, dass diese Informationen falsch waren, liegt ein schuldausschließender unvermeidbarer Verbotsirrtum vor, der standesrechtliche Maßnahmen verhindert.

     

    Verjährung

    Die Verfolgungsmöglichkeit von Pflichtverletzungen verjährt grundsätzlich nach fünf Jahren (§ 93 Abs. 1 StBerG). Eine Ausnahme gilt nur für solche Zuwiderhandlungen, die den Ausschluss aus dem Beruf nach sich ziehen können. Sie sind ohne zeitliche Einschränkung verfolgbar. Die Verjährung beginnt dann erst zu laufen, wenn die zeitlich letzte Zuwiderhandlung abgeschlossen ist. Der Lauf der Verjährungsfrist kann durch verschiedene Maßnahmen unterbrochen werden, etwa dadurch, dass dem Berater die Möglichkeit eingeräumt wird, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Einzelheiten regelt § 78 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 StGB, auf den § 93 Abs. 1 StBerG verweist. Die maximale Verjährungsfrist beträgt in diesen Fällen zehn Jahr (§ 78c Abs. 3 StGB). Wird vor Ablauf der standesrechtlichen Verjährung wegen desselben Sachverhalts ein Strafverfahren eingeleitet, hemmt dies automatisch den Lauf der berufsgerichtlichen Verjährung bis zum Ende der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft (§ 93 Abs. 2 StBerG).

    Quelle: Ausgabe 05 / 2015 | Seite 81 | ID 43259264