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  • · Fachbeitrag · Verwaltungsgerichtsverfahren

    Darf der Steuerberater Mandanten vor dem Verwaltungsgericht vertreten?

    von OStA a. D. Raimund Weyand, St. Ingbert

    | Wer zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist (§§ 3, 3a, 3d, 3e StBerG), darf für Mandanten uneingeschränkt vor den Finanzgerichten auftreten (§ 62 FGO). Berufsangehörige können aber auch in bestimmten Fällen vor den Verwaltungsgerichten tätig werden. |

    Die gesetzlichen Grundlagen

    Die Postulationsfähigkeit in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten regelt § 67 VwGO. Grundsätzlich darf sich jeder Betroffene uneingeschränkt selbst vertreten. Er kann beispielsweise aber auch Familienangehörige, berufsständische Organisationen, Verbände und natürlich Rechtsbeistände mandatieren. Neben Rechtsanwälten dürfen hier auch eingeschränkt Angehörige der steuerberatenden Berufe bzw. Beratungsgesellschaften tätig werden.

     

    Die Grundregel: Abgabenangelegenheiten (§ 67 Abs. 2 Nr. 3 VwGO)

    Berufsangehörige können ihren Mandanten vor dem Verwaltungsgericht in „Abgabenangelegenheiten“ beistehen. Das Gesetz selbst definiert diesen Begriff nicht. Er ist indes weit auszulegen (BVerwG 20.1.16, 10 C 17/14). Es besteht Einigkeit, dass hiervon Maßnahmen von Behörden über Steuern und Zölle sowie Beiträge, Gebühren und Sonderabgaben (etwa die Schwerbehindertenabgabe) erfasst werden. Gegenstand des Rechtsstreits müssen das Bestehen oder Erlöschen von öffentlich-rechtlichen Abgaben- oder darauf bezogene Erstattungsansprüche sein. Beispielhaft seien erwähnt:

     

    • Klagen gegen GewSt-Bescheide
    • Klagen wegen Billigkeitsmaßnahmen, etwa Erlassen (§ 227 AO)
    • Kirchensteuerstreitigkeiten, soweit sie nicht durch Landesrecht vor den FG auszutragen sind
    • Klagen gegen Vergnügungs-, Hunde- und Getränkesteuerbescheide
    • Streitigkeiten über Beiträge und Kommunalabgaben, wie etwa Zweitwohnungs- und sonstige kommunale Steuern, Abwasser-, Feuerwehr-, Ausgleichs- und ähnliche Abgaben, aber auch Fremdenverkehrs- und Kammerbeiträge
    • Nicht jedoch z. B. Verwaltungsstreitverfahren über Aufsichtsmaßnahmen der BaFin (VGH Kassel 22.7.13, 6 A 1260/13) oder die Rückforderung von Lastenausgleichsentschädigungen (OVG Berlin-Brandenburg 21.1.20, OVG 6 K 99.18)

     

    Soweit lediglich ‒ bevorstehende oder durchgeführte ‒ Vollstreckungsmaßnahmen angefochten werden sollen, besteht hingegen keine Vertretungsbefugnis. Dies betrifft z. B. Zwangsgelder, Kosten der Ersatzvornahme und solche für die Anwendung unmittelbaren Zwangs bzw. Polizeikosten.

     

    Sonderregel: Pandemiebedingte Hilfeleistungen (§ 67 Abs. 2 Nr. 3a VwGO)

    Durch das „Gesetz zur Modernisierung des notariellen Berufsrechts und zur Änderung weiterer Vorschriften“ vom 25.6.21 (BGBl I 21, 2154) wurde die Möglichkeit für Berufsangehörige, vor dem Verwaltungsgericht aufzutreten, mit Wirkung zum 3.7.21 erweitert. Sie können in bestimmten Verfahren im Zusammenhang mit den COVID-10-Hilfen ebenfalls tätig werden. Dies gilt in den Fällen, in denen Berater als „prüfende Dritte“ tätig geworden sind oder hätten hierbei aktiv werden können. „Prüfende Dritte“ werden in mehreren Hilfsprogrammen angesprochen, so bei der Corona-Überbrückungshilfe, den Überbrückungshilfen II und III sowie der November- und Dezember-Hilfe.

     

    Die Vertretungsbefugnis besteht, wenn über die Bewilligung von Hilfsleistungen oder deren Rücknahme (§ 48 VwVfG) bzw. deren Widerruf (§ 49 VwVfG) gestritten wird, ferner bei Rückforderungen von Förderbeträgen (§ 49a VwVfG). Der Berufsangehörige darf hier auch dann tätig werden, wenn der Mandant den betreffenden Antrag entweder selbst gestellt hat oder durch einen anderen Berater hat stellen lassen. Die Anträge können etwa wie folgt lauten:

     

    Musterformulierungen / 

    Bei einem kombinierten Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid:

     

    „Ich beantrage, den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom … (Aktenzeichen: …) aufzuheben.“

     

    Bei getrennten Aufhebungs- und Rückforderungsbescheiden:

     

    „Ich beantrage, den Aufhebungsbescheid vom … (Aktenzeichen: …) sowie den Rückforderungsbescheid vom … (Aktenzeichen: …) aufzuheben.“

     

    Bei einem Verpflichtungsantrag:

     

    „Ich beantrage, den Ablehnungsbescheid vom … (Aktenzeichen: …) aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger einen Zuschuss in Höhe von … nach Maßgabe des Programms „Corona-Soforthilfe …“ zu gewähren.“

     

    Umfang der erlaubten Vertretung

    Postulationsfähige natürliche bzw. juristische Personen können sämtliche Verfahrensrechte wahrnehmen, soweit das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht anhängig ist. Lediglich die Vertretungsmöglichkeit vor dem BVerwG ist eingeschränkt: Hier dürfen Berufsangehörige nicht tätig werden (§ 67 Abs. 4 S. 7 i. V. m. Abs. 2 S. 2 Nr. 3 VwGO). Verfahren vor dem BVerwG erfordern nach höchstrichterlicher Auffassung regelmäßig besondere Kenntnisse, die nicht Gegenstand der Steuerberaterprüfung sind (grundlegend BVerwG 14.8.19, 9 B 24.19).

    Verfahrensbesonderheiten

    Die Besetzung der Kammern des VG entspricht der der Senate beim FG. Es entscheiden also drei Berufs- zusammen mit zwei ehrenamtlichen Richtern. In der Praxis werden Verfahren aber regelmäßig einem Einzelrichter übertragen (§ 6 VwGO).

     

    Abweichend vom finanzgerichtlichen Verfahren kann eine Klage vor dem VG häufig ohne Vorverfahren erhoben werden (§ 68 Abs. 1 VwGO). Dies gilt insbesondere für Streitigkeiten im Zusammenhang mit Pandemiehilfen. Die entsprechenden Bescheide enthalten regelmäßig Rechtsbehelfsbelehrungen, die direkt auf den Rechtsschutz durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit verweisen: Hier gilt es jedenfalls, die betreffenden Passagen genau zu beachten. Eine Klage ist gegen das Bundesland zu erheben, das durch die jeweils zuständige Behörde vertreten wird. Deren Bezeichnung als Beklagter genügt aber (§ 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die Klagefrist beträgt einen Monat (§ 74 VwGO).

     

    MERKE | Die Verwaltungsgerichte sehen die für Verwaltungsakte bestehende dreitägige Zugangsfiktion (§ 41 Abs. 2 VwVfG) nicht als Frist an. Der Ablauf kann daher auch auf einen Samstag oder Sonntag fallen (OVG Münster 28.2.07, 10 A 1851/04), mit dem die Klagefrist dann beginnt.

     

    Die korrekten Klageanträge richten sich nach dem Ziel des Verfahrens. Wendet sich der Mandant gegen die Aufhebung eines Bescheids bzw. einen Rückforderungsbescheid, muss die behördliche Anordnung bezeichnet und deren Aufhebung beantragt werden. Wird eine Bewilligung angestrebt, ist der Antrag zu stellen, unter Aufhebung der ablehnenden Entscheidung eine bestimmte ‒ dem Grunde und der Höhe nach möglichst genau spezifizierte ‒ Hilfsmaßnahme zuzusprechen.

     

    Ebenso wie im finanzgerichtlichen Verfahren gilt vor den Verwaltungsgerichten der Amtsermittlungsgrundsatz. Dennoch muss der Kläger bei Streitigkeiten über Coronahilfen ‒ ggf. unter Beweisantritt ‒ natürlich schlüssig vortragen, dass er die Voraussetzungen für das jeweilige Hilfsprogramm erfüllt.

    Verfahrenskosten

    Bei verwaltungsgerichtlichen Verfahren fallen Gerichtsgebühren an, wobei der unterlegene Beteiligte die Kosten trägt (§ 154 Abs. 1 VwGO), ggf. auch die Auslagen für einen Rechtsbeistand, dessen Honorar auf der Grundlage des RVG zu berechnen ist (§ 45 StBGebV).

     

    MERKE | Wird ein Vergleich geschlossen, sieht § 160 VwGO grundsätzlich eine Teilung der Gerichtskosten vor, wobei jeder Beteiligte seine eigenen außergerichtlichen Auslagen, mithin auch entstandene Beraterhonorare, selbst trägt. Im Einzelfall sollte der Vergleich daher auch insoweit Regelungen treffen.

     
    Quelle: Ausgabe 04 / 2022 | Seite 63 | ID 47907842