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  • · Fachbeitrag · Angemessene Gebühren

    Verweis auf die Mindestgebühr unangemessen?

    von RA Hans-Günther Gilgan, Münster

    | Bei der Bestimmung der angemessenen Gebühr kommt es im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten immer wieder zu Problemen. Bestreitet der Mandant die Angemessenheit der eingeforderten Gebühr und erfolgt darauf seitens des Steuerberaters kein konkreter Sachvortrag, wird ihm unter Hinweis auf die Darlegungs- und Beweislast regelmäßig auch nur die Mindestgebühr zuerkannt (z.B. LG Hagen 8.1.09, 9 O 485/06, Urteil unter www.dejure.org ; LG Duisburg 28.6.07, 7 S 247/06, Abruf-Nr. 073158 ). Dass es auch anders geht, zeigt ein Urteil des AG Kassel (4.10.12, 435 C 739/12, Urteil unter www.dejure.org ). |

    Verweis auf die Mindestgebühr bei einfachen Angelegenheiten

    In nahezu jeder Gerichtsentscheidung (z.B. OLG Düsseldorf 8.4.05, I-23 U 190/04, Abruf-Nr. 053004) findet sich in Bezug auf die Gebührenbestimmung folgende Passage: „Nach allgemeinen Grundsätzen trägt … der Steuerberater als Bestimmungsberechtigter im Sinne des § 315 BGB uneingeschränkt die Darlegungs- und Beweislast für die Billigkeit seiner Bestimmung. Dies gilt im Streitfall für jede die Mindestgebühr übersteigende Gebührenforderung.“

     

    Auf die Mindestgebühr kann der Steuerberater aber nur dann verwiesen werden, wenn er eine einfache Angelegenheit mit geringem Umfang bearbeitet und die Angelegenheit für den Auftraggeber geringe Bedeutung hat - z.B. das Fertigen einer einfachen Einkommensteuererklärung, in der neben Einkünften aus unselbstständiger Tätigkeit nur geringe Einkünfte aus Kapitalvermögen zu verzeichnen sind. Die Abschlusserstellung, die Ermittlung von Einkünften und die Fertigung von Steuererklärungen für kleine und mittlere Handelsbetriebe sowie freie Berufe sind dagegen Tätigkeiten mit gehobenem Schwierigkeitsgrad (Eckert, Steuerberatergebührenverordnung, § 11 Nr. 2.3 StBGebV).

    Funktion der Darlegungs- und Beweislast des Steuerberaters

    Substantiierungslasten dienen aber nicht dazu, der anspruchsstellenden Partei berechtigte Forderungen allein deshalb abzuerkennen, weil der Gegner zu ihrer Begleichung nicht willens oder in der Lage ist. Noch weniger sind sie dazu bestimmt, die Gerichte von der umfassenden Überprüfung des Tatsachenvortrags der Parteien auf rechtliche Relevanz und von der danach gebotenen Erhebung von Beweisen freizustellen. Außerdem soll es den Gerichten nicht ermöglicht werden, eine einfache Verfahrenserledigung zum Nachteil der erst im Urteil mit den gerichtlichen Erwartungen konfrontierten Partei herbeizuführen und den sachlichen Streit der Parteien auf diese Weise zwangsläufig in die nächste Instanz zu tragen. Sie haben vielmehr ausschließlich die Funktion, dem Gegner eine sachgerechte Rechtsverteidigung und dem Gericht eine Subsumption des beiderseitigen Tatsachenvortrags unter die anspruchs- oder einwendungsbegründenden Rechtsvorschriften sowie die Feststellung hiernach verbleibender beweisbedürftiger Tatsachen zu ermöglichen. Allein durch diesen Zweck werden die Anforderungen an den Sachvortrag der Parteien bestimmt (OLG Düsseldorf 28.05.02, I-23 U 193/01, Urteil unter www.dejure.org).

    Die Entscheidung des AG Kassel

    Ein für Steuerberater interessantes Urteil hat das AG Kassel (4.10.12, 435 C 739/12) gefällt. In dem entschiedenen Fall hatte der Steuerberater nichts vorgetragen, was für die Ausfüllung des Gebührenrahmens herangezogen werden könnte. Deshalb sah sich das Gericht in (entsprechender) Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB aufgerufen, den Gebührensatz nach Billigkeitsgrundsätzen anstelle des Steuerberaters selbst festzusetzen.

     

    Dabei habe sich das Gericht - so der Kasseler Amtsrichter - regelmäßig in der Mitte zu halten (Palandt/Grüneberg, § 315 BGB Rdnr. 19 m.w.N.). Ein Honorargutachten der Steuerberaterkammer habe das Gericht nicht zwingend zuvor einzuholen, da die StBVV eine § 14 Abs. 2 RVG („Im Rechtsstreit hat das Gericht ein Gutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer einzuholen, soweit die Höhe der Gebühr streitig ist; …“) entsprechende Regelung bewusst nicht kenne. Im entschiedenen Fall waren für das Gericht auch keine Anhaltspunkte erkennbar, die gleichwohl die Einholung eines solchen Gutachtens geboten hätten. Diese Erwägungen haben dazu geführt, dass das Gericht insoweit einen Gebührensatz von 12,5/10 ansetzte, weil dies das arithmetische Mittel der beiden in § 25 Abs. 1 StBVV genannten Ecksätze (5/10 bis 20/10 nach Tabelle B) darstellt. Der Kläger bekam daher (lediglich) 792,50 EUR netto statt der geforderten Höchstgebühr von 20/10 Gebühr zugesprochen.

     

    Bei dieser Entscheidung hat das Gericht nicht aus dem hohlen Bauch heraus argumentiert. Drei gebührenrelevante Merkmale waren aus der Klage bekannt: Bei den Beklagten handelte es sich um eine Rechtsanwaltssozietät mit der Folge, dass Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit (und keine Arbeitnehmereinkünfte) in Höhe von 450.000 EUR vorlagen, was sich unschwer aus der Rückrechnung der zuerkannten Mittelgebühr des § 25 Abs. 1 StBVV ableiten lässt.

     

    Damit waren dem Gericht die Art des Geschäftsbetriebs, die Einnahmen sowie die Einkommens-/Vermögensverhältnisse bekannt. Dies sind Merkmale, die vernünftigerweise in keiner Klage bzw. Rechnung fehlen dürfen. Bei dieser Sachlage wäre es verfehlt, wollte man dem Steuerberater nur die Mindestgebühr zuerkennen.

     

    FAZIT |  Die Gerichte dürfen sich bei mangelhaftem Sachvortrag des klagenden Steuerberaters nicht vorschnell auf die Darlegungs- und Beweislast und fehlende eigene Fachkompetenz in Gebührenfragen zurückziehen. Vielmehr sollte sehr genau geprüft werden, inwieweit sich hinter der allgemeinen Sachverhaltsschilderung relevante Merkmale für die Gebührenbestimmung verbergen, die das Gericht i.S. einer eigenen Ermessensausübung nach § 315 Abs. 3 BGB verwerten kann.

    Quelle: Ausgabe 08 / 2013 | Seite 133 | ID 39140090