· Fachbeitrag · Festsetzung der erstattungsfähigen Kosten
Abrechnung eines finanzgerichtlichen Verfahrens bei unterschiedlichen Streitwerten
von Dipl.-Finw. Walter Jost, Rehlingen
| Haben Sie in einem finanzgerichtlichen Verfahren zumindest teilweise obsiegt, können Sie die Ihrem Mandanten entstandenen notwendigen Kosten der Rechtsverfolgung gegen den Beklagten im Rahmen eines Kostenfestsetzungsverfahrens festsetzen lassen. Hierbei sind i.d.R. auch die Kosten des Vorverfahrens erstattungsfähig. Probleme bei der Abrechnung - insbesondere der Anrechnung der Geschäftsgebühr des Vorverfahrens auf die Verfahrensgebühr des Klageverfahrens - kann es dann geben, wenn der Streitwert des Einspruchs- und des Klageverfahrens voneinander abweichen. |
Streitwert allgemein
Maßgebend für die Höhe des Streitwerts ist grundsätzlich das klägerische Interesse. Bei einem Einkommensteuerbescheid ergibt sich der Streitwert z.B. aus der Differenz der ursprünglichen zur begehrten Steuerfestsetzung, bei einem Kindergeldbescheid grundsätzlich aus der Höhe des begehrten Kindergelds, bei Rückforderungsbescheiden aus dem zurückgeforderten Betrag und bei einem Haftungsbescheid aus dem Haftungsbetrag. Folgesteuern (z.B. Kirchensteuer, Solidaritätszuschlag, Zinsen usw.) bleiben bei der Bemessung außer Betracht.
Streitwert im Vorverfahren
Sofern Sie keine Honorarvereinbarung getroffen haben, rechnen Sie das Vorverfahren gegenüber Ihrem Mandanten nach den §§ 40 ff. StBVV ab. Nur diese gesetzlichen Gebühren sind im finanzgerichtlichen Verfahren erstattungsfähig (§ 139 Abs. 3 S. 1 FGO). I.d.R. werden Sie ausgehend vom Streitwert, der zu Beginn des Einspruchsverfahrens maßgebend war, eine Geschäftsgebühr von 13/10 erheben (§ 40 Abs. 1 StBVV). Die Kürzungstatbestände und Begrenzungen nach § 40 Abs. 2 bis 4 und 6 müssen Sie bei der Berechnung der Gebühr selbstverständlich beachten.
Erfolgt eine teilweise Stattgabe im Einspruchsverfahren, hat dies auf die Höhe der Geschäftsgebühr für Sie keinen Einfluss. Streiten Sie also zu Beginn des Verfahrens um 7.000 EUR und mindert die Behörde die Steuerfestsetzung um 3.000 EUR, so gehen Sie bei der Gebührenberechnung gegenüber Ihrem Mandanten zu Recht weiterhin von einem Streitwert in Höhe von 7.000 EUR aus. Ebenso verhält es sich, wenn Ihr Mandant Ihnen im Laufe des Einspruchsverfahrens mitteilt, dass er nur noch eine Minderung in Höhe von 3.000 EUR weiterverfolgen will. Da die Geschäftsgebühr mit Einlegung des Einspruchs entsteht, bleibt diese Ihnen natürlich voll erhalten. Eine Änderung des Streitwerts tritt für die Geschäftsgebühr auch dann nicht automatisch ein, wenn das Finanzamt während des laufenden Einspruchsverfahrens einen Änderungsbescheid zugunsten Ihres Mandanten erlässt, der somit Gegenstand des Einspruchsverfahrens wird, oder aber Ihrem Einspruch mit Einspruchsentscheidung teilweise abhilft. Auch die Androhung einer „Verböserung“ der Steuerfestsetzung hat keinen Einfluss, auch wenn diese anschließend mit Einspruchsentscheidung realisiert wird. Dies hängt damit zusammen, dass die Geschäftsgebühr mit Einlegung des Einspruchs bereits entstanden ist und die höhere Steuerfestsetzung durch die abschließende Einspruchsentscheidung nicht rückwirkend zu einer Erhöhung der Geschäftsgebühr führt.
Sollten Sie im Anschluss an das Einspruchsverfahren noch ein finanzgerichtliches Verfahren führen, wirken sich die beschriebenen Geschehnisse bei dem Antrag auf Kostenfestsetzung jedoch aus.
Auswirkungen auf das finanzgerichtliche Klageverfahren
Hat das Finanzamt dem Einspruch stattgegeben, indem es die strittige Steuer nunmehr um 3.000 EUR reduziert, kann gegenüber dem Beklagten - ein Obsiegen vor dem Finanzgericht vorausgesetzt - nur eine Geschäftsgebühr ausgehend von dem Streitwert in Höhe von 4.000 EUR festgesetzt werden. Dies liegt daran, dass Kosten nur nach dem Wert des Gegenstands erstattungsfähig sind, der in das gerichtliche Verfahren übergegangen ist. Das ergibt sich aus dem Vergütungsverzeichnis zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), Teil 3 Vorbemerkung 3, Abs. 4. Das RVG findet gemäß § 45 StBVV auch für den Steuerberater Anwendung.
MERKE | Unterscheiden Sie zwischen dem Innenverhältnis zu Ihrem Mandanten einerseits und dem Kostenerstattungsanspruch gegenüber dem Beklagten andererseits. |
Das oben Beschriebene gilt natürlich auch für den Fall, dass Ihr Mandant seinen Antrag innerhalb des Einspruchsverfahrens auf 4.000 EUR reduziert hat. Auch hier geht nur ein Betrag von 4.000 EUR ins finanzgerichtliche Verfahren über, sodass bei einer Kostenfestsetzung gegen den Beklagten von dem reduzierten Wert auszugehen ist.
Konsequent ist es demnach, dass im Falle der Verböserung auf 10.000 EUR der Streitwert des Vorverfahrens zwar bei 7.000 EUR verbleibt, der Streitwert des finanzgerichtlichen Verfahrens jedoch 10.000 EUR beträgt. Mit der abschließenden Einspruchsentscheidung wurde die strittige Steuer auf 10.000 EUR erhöht und geht somit in dieser Höhe in das gerichtliche Verfahren über, sofern Sie dort die Minderung in vollem Umfang beantragen (um 10.000 EUR).
Anwendung des RVG
Bei der Berechnung der Vergütung des Steuerberaters in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit sind die Vorschriften des RVG „sinngemäß“ anzuwenden. Was aber bedeutet „sinngemäß“? Ob ein Steuerberater die Geschäftsgebühr nach § 40 StBVV ebenso wie ein Rechtsanwalt die nach VV-Nr. 2300 RVG verdiente Geschäftsgebühr zur Hälfte, jedoch höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75 auf die gerichtliche Verfahrensgebühr anrechnen muss, wird in der Finanzgerichtsbarkeit zunehmend bejaht. Die Anrechnung ist demnach „sinngemäß“ durchzuführen. Hierzu folgendes Beispiel:
| ||
Streitwert Einspruchs- und Klageverfahren: 7.000 EUR | ||
Geschäftsgebühr Vorverfahren | ||
13/10 nach § 40 Abs. 1 StBVV | 394 EUR x 13/10 = | 512,20 EUR |
+ 3/10 mehrere Auftraggeber | 394 EUR x 3/10 = | 118,20 EUR |
= Summe Geschäftsgebühr | 630,40 EUR | |
Kürzung im Klageverfahren (Tabelle RVG n.F.) | ||
1,6-fache Verfahrensgebühr VV-Nr. 3200 RVG | 405 EUR x 1,6 = | 648,00 EUR |
- ½ Geschäftsgebühr, max. 0,75 | 394 EUR x 0,65 = | 256,10 EUR |
verbleiben | 391,90 EUR | |
+ 3/10 mehrere Auftraggeber | 405 EUR x 3/10 = | 121,50 EUR |
Verfahrensgebühr gesamt | 513,40 EUR |
Hinweis | Sinn und Zweck der Anrechnung ist es, zu vermeiden, dass der Prozessbevollmächtigte für die annähernd gleiche Tätigkeit im Einspruchs- und im Klageverfahren doppelt bezahlt wird.
Änderung des Streitwerts mit Einspruchsentscheidung
Hat sich der Streitwert im Einspruchsverfahren geändert, hat dies Auswirkungen auf die erstattungsfähigen Kosten eines finanzgerichtlichen Verfahrens. Dies hängt damit zusammen, dass der gerichtliche Kostenausspruch natürlich nur insoweit auf das Vorverfahren durchschlagen kann, als derselbe Streitgegenstand anhängig war und der Streitwert in das finanzgerichtliche Verfahren übergegangen ist. Haben Sie also im Einspruchsverfahren eine Reduzierung der Steuer um 7.000 EUR beantragt und reduziert das Finanzamt die Steuer in seiner Einspruchsentscheidung um 3.000 EUR, muss die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die finanzgerichtliche Verfahrensgebühr natürlich nur um die hälftige Geschäftsgebühr (max. 0,75 Gebühren) ausgehend von einem Streitwert in Höhe von 4.000 EUR erfolgen.
Folgende Beispiele gehen davon aus, dass die Kosten des Klageverfahrens dem Beklagten auferlegt wurden.
| ||||
Abrechnung gegenüber dem Mandanten | Abrechnung gegenüber dem Finanzgericht | |||
Streitwert Einspruchsverfahren: 7.000 EUR | ausgehend von 4.000 EUR | |||
Geschäftsgebühr Vorverfahren | erstattungsfähig | |||
13/10 nach § 40 Abs. 1 StBVV | 394 EUR x 13/10 = | 512,20 EUR | 257 EUR x 13/10 = | 334,10 EUR |
Kürzung im Klageverfahren (Streitwert 4.000 EUR) | Streitwert: 4000 EUR | |||
1,6-fache Verfahrensgebühr | 252 EUR x 1,6 = | 403,20 EUR | 252 EUR x 1,6 = | 403,20 EUR |
- ½ Geschäftsgebühr, max. 0,75 | 257 EUR x 0,65 = | 167,05 EUR | 257 EUR x 0,65 = | 167,05 EUR |
Verbleibende Verfahrensgebühr gesamt | 236,15 EUR | 236,15 EUR |
Im Falle einer „verbösernden“ Einspruchsentscheidung kann eine Anrechnung nur unter Zugrundelegung des ursprünglichen Streitwerts des Einspruchsverfahrens rechtens sein. Hätte das Finanzamt die strittige Steuer von 7.000 auf 10.000 EUR erhöht, muss die Anrechnung der hälftigen Geschäftsgebühr auf die finanzgerichtliche Verfahrensgebühr auf Basis eines Streitwerts in Höhe von 7.000 EUR erfolgen, da auch die Geschäftsgebühr nur ausgehend von einem Streitwert von 7.000 EUR berechnet werden kann.
| ||
Abrechnung gegenüber dem Mandanten und dem Finanzgericht | ||
Streitwert Einspruchsverfahren: 7.000 EUR | ||
Geschäftsgebühr Vorverfahren | ||
13/10 nach § 40 Abs. 1 StBVV | 394 EUR x 13/10 = | 512,20 EUR |
Kürzung im Klageverfahren (Streitwert 10.000 EUR) | ||
1,6-fache Verfahrensgebühr | 558 EUR x 1,6 = | 892,80 EUR |
- ½ Geschäftsgebühr, max. 0,75 | 394 EUR x 0,65 = | 256,10 EUR (ausgehend von 7.000 EUR Streitwert) |
Verbleibende Verfahrensgebühr gesamt | 636,70 EUR |
Änderung des Streitwerts im Laufe des Einspruchsverfahrens
Wird ein angefochtener Bescheid im Laufe des Einspruchsverfahrens geändert, wird er automatisch Gegenstand des Verfahrens. Reagieren Sie darauf nicht, hat diese Änderung keinen Einfluss auf den Streitwert des Einspruchsverfahrens. Erweitern Sie Ihren Einspruch, da der Bescheid zuungunsten Ihres Mandanten geändert wurde, erhöht sich der Streitwert auch für die Geschäftsgebühr, da diese fortlaufend neu entsteht. Auch in einem sich daran anschließenden Klageverfahren ist der höhere Streitwert maßgebend und es ist eine entsprechend höhere Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr vorzunehmen. Die Abrechnung (Erstattung) erfolgt dann so, als wäre der Streitwert von vornherein höher gewesen.
Erledigt sich ein Teil Ihres Einspruchs durch den Änderungsbescheid, hat dies für Ihre Gebühren im Einspruchsverfahren gegenüber Ihrem Mandanten keine Bedeutung. Bei der Abrechnung des Klageverfahrens gegenüber dem Beklagten ist jedoch vom niedrigeren Streitwert auszugehen. Die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr wird ebenfalls lediglich aus dem niedrigeren Streitwert ermittelt, da der Streitwert nur insoweit auf das gerichtliche Verfahren übergegangen ist.
MERKE | Die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr wird immer aus dem Streitwert errechnet, der ins gerichtliche Verfahren übergegangen ist. Dies ist unabhängig von den Ihrem Mandanten in Rechnung gestellten Gebühren. Im Falle einer Verböserung mit Einspruchsentscheidung wird die Anrechnung vom niedrigeren Streitwertbetrag (Streitwert vor Verböserung maßgebend) berechnet. |
Zum Autor | Autor von „Gebühren- und Kostenrecht im FG- und BFH-Verfahren - Ratgeber für Steuerberater und Rechtsanwälte“, 3. Auflage (Erich Schmidt Verlag, Berlin 2011)