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  • · Fachbeitrag · Steuerberatervergütung

    So geben Sie die USt-Senkung als Steuerberater richtig weiter

    von RA Hans-Günther Gilgan, Münster, www.gilgan.de, und StB Jürgen Derlath, Münster

    | Offenbar dachte sich da jemand: Heute geht das ja alles auf Knopfdruck. Pustekuchen. Die Absenkung der Mehrwertsteuersätze für ein halbes Jahr (im Zeitraum vom 1.7.20 bis 31.12.20) ist zumindest im Gebührenrecht alles andere als trivial. Zwar gibt es ein Schreiben des BMF (30.6.20, III C2-S7030/20/10009:004), doch die Anwendung krankt daran, dass die Begrifflichkeiten der StBVV und des Umsatzsteuerrechts einander nicht so ohne Weiteres entsprechen. Der Beitrag versucht eine Harmonisierung. |

    1. Ausführungszeitpunkt

    Die neuen Umsatzsteuersätze von 16 % und 5 % sind auf Lieferungen, sonstige Leistungen und innergemeinschaftliche Erwerbe anzuwenden, die nach dem 30.6. und vor dem 1.1.21 bewirkt werden. Dienstleistungen zählen zu den sonstigen Leistungen.

     

    • Ausführungszeitpunkt

    vor dem 1.7.20

    nach dem 30.6.20 und vor dem 1.1.21 (Absenkungszeitraum)

    nach dem 31.12.20

    19 %

    16 %

    19 %

    7 %

    5 %

    7 %

     

    Maßgebend für die Anwendung der neuen Umsatzsteuersätze ist stets der Zeitpunkt, zu dem der jeweilige Umsatz ausgeführt wird. Es kommt weder auf den Zeitpunkt der vertraglichen Vereinbarung noch auf den Zeitpunkt der Entgeltvereinnahmung oder der Rechnungserteilung an (vgl. Abschnitt 12.1 Abs. 3 UStAE). Entsprechendes gilt für Teilleistungen (vgl. Rz. 2), für die die Rz. 20 bis 26 besondere Übergangsregelungen enthalten.

    2. Dauerleistung, Gesamt- versus Teilleistung

    Im BMF-Schreiben werden umsatzsteuerliche Begriffe wie Dauerleistung, Gesamtleistung, Teilleistung und Teilentgelt verwendet. Diese Begriffe kennt die Steuerberatervergütungsverordnung (StBVV) nicht. Deshalb soll im Folgenden versucht werden, eine Vergleichbarkeit herzustellen.

     

    2.1 Dauerleistung

    Dauerleistungen werden für längere Zeiträume, z. B. ein halbes Jahr, ein Jahr, ein Kalenderjahr, fünf Jahre oder zeitlich unbegrenzt vereinbart. Steuerberatungsverträge sind regelmäßig auf längere bzw. unbefristete Zeit geschlossen und daher als Dauerleistung zu qualifizieren. Zu Dauerleistungen i. d. S. zählen unstreitig die laufende steuerliche Beratung, die Erstellung von Jahres(!)buchführung, Jahresabschluss und Steuererklärungen.

     

    • Dauerleistungen

    Begriff

    Leistungen, die für längere Zeiträume, z. B. ein halbes Jahr, ein Jahr, ein Kalenderjahr, fünf Jahre oder zeitlich unbegrenzt, vereinbart werden

    Beispiele

    • laufende steuerliche Beratung
    • laufende Finanzbuchhaltung (wenn am Jahresende endabgerechnet wird, s.u.)
    • Erstellung von Jahresbuchführung, Jahresabschluss und Steuererklärungen

    Ausführungs-zeitpunkt

    an dem Tag, an dem der vereinbarte Leistungszeitraum endet (Rz. 24)

     

    2.2 (Einheitliche) Gesamtleistung/Teilleistung

    Eine weitere wichtige Unterscheidung ist die zwischen Gesamtleistung und Teilleistung. Am ehesten vergleichbar ist der Begriff der Gesamtleistung mit dem Begriff der Angelegenheit i. S. d. StBVV. Die in den §§ 23 bis 39 StBVV geregelten Gebührentatbestände bilden für jede Tätigkeit, die eine selbstständige Gebühr ausweist, eine Angelegenheit, die sich auf mehrere ‒ gebührenrechtlich unbeachtliche ‒ Einzeltätigkeiten erstrecken kann.

     

    • Gesamt- versus Teilleistung

    Gesamtleistung

    Teilleistung

    Begriff

    • ist weder nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise teilbar
    • noch kann sie in Teilen geschuldet oder bewirkt werden
    • ist nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise teilbar
    • wird nicht als Ganzes, sondern in Teilen geschuldet und bewirkt (vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a S. 2 und 3 UStG)

     

    Hinweis: Eine Leistung ist in Teilen geschuldet, wenn für bestimmte Teile das Entgelt gesondert vereinbart wird. Die einseitig vom Steuerberater in der Rechnung bestimmte Gebühr reicht dazu nicht aus.

    Beispiele

    • Erstellung des Jahresabschlusses und der Steuererklärungen
    • Bescheidprüfung
    • Umsatzsteuer-Voranmeldung
    • Lohn- und Gehaltsabrechnung
    • Gebührenvereinbarungen nach der StBVV (z.B. §§ 4 und 14 StBVV)
    • zivilrechtliche Gebührenvereinbarungen

    Ausführungs-zeitpunkt

    an dem Tag, an dem die gesamte Leistung erbracht wurde

    an dem Tag, an dem die Teilleistung erbracht wurde

     

    Ist der Steuerberater damit beauftragt, die laufende Finanzbuchhaltung zu erstellen, kommt es für die Beurteilung als Gesamt- oder Teilleistung auf die konkrete Vereinbarung an.

     

    2.3 Sonderfälle: Laufende Finanz-, Anlagenbuchführung

    Hinsichtlich der laufenden Finanzbuchhaltung kommt es darauf an, was vereinbart wurde: monatliche Vorschüsse mit Endabrechnung (dann liegt eine Gesamtleistung vor) oder eine Monatsgebühr bzw. eine monatliche Pauschale (dann handelt es sich um eine Teilleistung). Vergleichbares gilt auch für die laufende Anlagenbuchführung.

     

    • Sonderfall: Laufende Finanzbuchhaltung
    Gesamtleistung
    Teilleistung

    Abrechnungs-verhalten

    • Nach § 33 Abs. 6 StBVV wird die Leistung nach dem Jahresumsatz abgerechnet, der frühestens zum Beginn des Folgejahrs festgestellt werden kann.
    • Ein monatlicher Vorschuss ist auf die für das Veranlagungsjahr für die Buchführung als Dauerleistung zu berechnende Vergütung anzurechnen.
    • § 33 StBVV sieht die Monatsgebühr vor und damit keine für einen längeren Zeitraum vereinbarte Leistung.
    • Eine für die monatliche Buchführung vereinbarte und gezahlte Pauschale ist keine Dauerleistung, sondern eine Teilleistung (s. u.).

    Ausführungs-zeitpunkt

    Dauerleistungen werden an dem Tag ausgeführt, an dem der vereinbarte Leistungszeitraum endet (Rz. 24).

    Teilleistungen werden ausgeführt, wenn die Teilleistung erbracht wurde.

    Konsequenz

    In der im Folgejahr zu erstellenden Rechnung mit dem Jahresumsatz als Gegenstandswert wären dann die im Absenkungszeitraum erbrachten Leistungen und gezahlten Vorschüsse für Juni bis November 2020 mit 16 % Umsatzsteuer anzusetzen, außerhalb des Absenkungszeitraums mit 19 %.

     

    Hinweis: Allerdings kommt es immer darauf an, wann die Buchhaltung des Monats fertiggestellt ist. Wenn z. B. die Buchhaltung für Mai 2020 erst im Juli 2020 bearbeitet wird, gelten auch hierfür die 16 % (s. auch den Hinweis gegenüber).

    In den jeweils monatlich per Rechnung eingeforderten Gebühren der Buchführungen für die Monate Juni 2020 bis November 2020 ist die USt mit 16 % anzusetzen.

    Hinweis: Das setzt aber voraus, dass die Buchführung für Juni 2020 im Juli 2020 erledigt wird und für November 2020 im Dezember 2020. Wird z. B. die November-Buchführung erst im Januar 2021 fertig, gelten wieder 19 %.

     

    2.4 Synopse: Angelegenheiten nach StBVV und Umsatzsteuer

    Danach ergäbe sich bezogen auf den Steuerberatungsvertrag folgende Zuordnung der umsatzsteuerlichen Begriffe Gesamt- und Teilleistung auf die gebührenrechtliche Angelegenheit:

     

    • Synopse: Angelegenheit nach StBVV und umsatzsteuerliche Beurteilung
    Umsatzsteuerliche Beurteilung

    Angelegenheit nach StBVV

    Gesamtleistung
    Teilleistung

    Jahres-Finanzbuchführung (mit Anlagenbuchführung)

    immer (BGH IX ZR 210/99))

    Monats-/Quartals-Finanzbuchführung (mit Anlagenbuchführung)

    Vorschuss und Endabrechnung

    Monatsgebühr oder monatliche Pauschale

    Gehalts- und Lohnbuchführung

    immer

    Voranmeldungen (USt, LSt)

    immer

    Ermittlung von Einkünften

    immer

    Jahresabschluss/Gewinnermittlung

    immer

    Steuererklärungen

    immer

    Bescheidprüfung

    immer

    Anträge und Rechtsbehelfe

    immer

    Rat/Auskunft in stl. Angelegenheiten

    immer

    Vertretung bei Betriebs-/Außenprüfungen

    immer

     

    3. Entgeltvereinnahmung vor Leistungserbringung

    Die Beurteilung des anzuwendenden Umsatzsteuersatzes hängt in diesem Fall davon ab, ob es sich bei dem vereinnahmten Betrag um einen Vorschuss oder um eine Pauschalvergütung handelt.

     

    3.1 Vorschuss, § 8 StBVV

    Hier müssen zwei Fälle unterschieden werden:

     

    • Anforderung vor dem Absenkungszeitraum: Soweit Vorschüsse vor dem Absenkungszeitraum angefordert wurden, die Leistung aber erst im Absenkungszeitraum erbracht wird, gelten die 16 %. Eine vor dem Absenkungszeitraum mit 19 % erteilte Vorausrechnung muss berichtigt werden.

     

    • Vereinnahmung vor dem Absenkungszeitraum: Sind Vorschüsse vor dem Absenkungszeitraum vereinnahmt worden, gilt der Steuersatz von 19 %. Das gilt auch dann, wenn in der Vorschussrechnung im Hinblick auf die im Absenkungszeitraum zu erbringenden Leistungen nur 16 % angesetzt wurden. Die Rechnung ist insoweit zu berichtigen.

     

    3.2 Pauschalvergütung, § 14 StBVV

    Anders als beim Vorschuss handelt es sich bei Zahlungen auf ein Pauschalhonorar nicht um Anzahlungen, sondern um die vertraglich vereinbarte und geschuldete Vergütung. Diese ist aufzuteilen entweder auf die erbrachten Leistungen oder den festgestellten Zeitaufwand und je nach Leistungserbringung innerhalb oder außerhalb des Absenkungszeitraums mit 16 % bzw. 19 % zu versteuern.

    4. Gehört die Einreichung/Übermittlung noch zur Leistung?

    Problematisch ist mit Blick auf Steuererklärungen und Jahresabschlüsse, ob die Einreichung bei der Finanzverwaltung bzw. die Übertragung an das elektronische Handelsregister noch Bestandteil der Leistungsausführung ist.

     

    4.1 Einreichung der Steuererklärung

    Ist die Einreichung nicht im Steuerberatungsvertrag geregelt oder besteht ein nur mündlich/konkludent geschlossener Steuerberatungsvertrag, könnte dafür sprechen, dass Mandanten erwarten, dass der Steuerberater die Übermittlung übernimmt. Es gibt jedoch einige Punkte, die dagegen sprechen:

     

    • Der Steuerberater muss seine Arbeitsergebnisse nur Zug um Zug gegen Zahlung seiner Vergütung herausgeben (§ 320 BGB). Dieses Zurückbehaltungsrecht liefe leer, wenn die Einreichung noch zur Leistungsausführung zählen würde (s. auch KP 17, 22).

     

    • Als zweites Argument ist die Entscheidung des OLG Hamm (5.2.19, 25 U 17/18) anzuführen. Danach können Steuerberater nicht für jede verspätete Abgabe der Steuererklärung haftbar gemacht werden, sondern nur für den Fall, dass der Auftraggeber den Steuerberater in Verzug gesetzt hat. Insbesondere entfalte der Fristenerlass keine Wirkung zwischen Steuerberater und Finanzverwaltung, sondern nur im Verhältnis Finanzverwaltung ‒ Steuerpflichtiger. Auch das OLG Hamm geht also davon aus, dass die Leistung des Steuerberaters ausgeführt ist, wenn das beauftragte Arbeitsergebnis erstellt ist.

     

    Die Abgabe/Einreichung gehört demnach nicht zur Erstellung (s. auch die weiterführenden Hinweise). Die Abrechnung erfolgt jedoch nicht nach einer gesonderten Gebührenvorschrift, sondern durch Erhöhung des Zehntel-Satzes. Das bedeutet, dass eine noch im Juni 2020 fertiggestellte, aber erst im Juli 2020 eingereichte Steuererklärung dem Steuersatz von 19 % unterfällt. Sollte für die Einreichung der Erklärung eine gesondert geschuldete Vergütung vereinbart worden sein, gilt ‒ nur für die Einreichung ‒ der Steuersatz von 16 %.

     

    4.2 Einreichung des Jahresabschlusses

    Die Einreichung des Jahresabschlusses beim elektronischen Handelsregister ist nicht in der StBVV geregelt und daher gemäß §§ 612 Abs. 2, 632 Abs. 2 BGB als eigenständige (Gesamt-)Leistung abrechenbar.

    5. Zusammenfassung und Anmerkung

    Der umsatzsteuerliche Begriff Gesamtleistung ist am ehesten mit dem gebührenrechtlichen Begriff der Angelegenheit vergleichbar. Leistungen, die weder geteilt noch in Teilen geschuldet oder bewirkt werden können, sind Gesamtleistungen, z. B. Steuererklärungen oder Bescheidprüfung. Dagegen liegt eine Teilleistung vor, wenn die Leistung auch in Teilen erbracht und vergütet werden kann, z. B. die monatliche Finanzbuchführung, wenn sie jeweils pauschal abgerechnet wird, oder die Lohnbuchhaltung, die monatlich zu erstellen und monatlich abrechenbar ist. Wird die Finanzbuchführung zwar monatlich erledigt, aber nur ein monatlicher Vorschuss gefordert und gezahlt, liegt eine Jahresbuchführung vor, weil sie auf der Basis des Jahresgegenstandswerts unter Abzug der Vorschüsse endabgerechnet wird.

     

    Wie die Ausführungen zeigen, ist die Umsetzung der Umsatzsteuer-Senkung alles andere als trivial. Dabei müssen die Steuerberater, anders als Restaurants und Gaststätten, nur mit einem Absenkungszeitraum und einer Absenkung der Sätze herumhantieren (vgl. Levenig, BBK 20, 593). Und das alles, damit man im Absenkungszeitraum bei Einkäufen von 100 EUR (inkl. USt) 2,17 EUR bzw. 1,78 EUR bei Lebensmitteln spart. Erklären Sie das mal einer Familie mit kleinen Kindern, wo die Mutter zu Hause bleibt und der Vater seit einem halben Jahr Kurzarbeitergeld bezieht.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Haftung des Steuerberaters bei verspäteter Abgabe von Steuererklärungen (Braun, KP 04, 6)
    • Grenzen der Vorleistungspflicht für Steuerberater und Zurückbehaltungsrecht (Gilgan, KP 17, 22)
    • Mehrwertsteuersenkung: Programmiert der Gesetzgeber die Gastronomie auf Chaos? (Levenig, BBK 20, 593)
    Quelle: ID 46699237