· Fachbeitrag · Verjährungsfristen
Wie können Verjährungsfristen verkürzt werden?
von RA Hans-Günther Gilgan, Münster
| In der Praxis stellt sich immer wieder die Frage, inwieweit es möglich ist, Verjährungsfristen für Haftungsansprüche und Ansprüche auf Rückforderung bereits gezahlten Honorars zu verkürzen. Der Beitrag soll die Möglichkeiten und Grenzen solcher Vereinbarungen aufzeigen. |
1. Gesetzliche Verjährungsfrist
Für die Verjährung gilt eine regelmäßige Frist von 3 Jahren (§ 195 BGB). Der regelmäßigen Verjährungsfrist unterliegen vertragliche Erfüllungsansprüche aus z. B. Kaufvertrag, Werkvertrag, Mietvertrag. Die Verjährungsfrist bei Rechten an einem Grundstück beträgt 10 Jahre. Rechtskräftig festgestellte Ansprüche (Anspruch aus Urteilen), familien- und erbrechtliche Ansprüche verjähren nach 30 Jahren.
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2. Verjährungsvereinbarungen
Nach § 202 BGB sind in Abweichung von den gesetzlichen Regelungen auch Vereinbarungen über die Verjährung zulässig, soweit die Ansprüche der Verjährung unterliegen (Palandt/Ellenberger, BGB § 202, Rz. 2). Unverjährbare Ansprüche sind dagegen von einer Verjährungsvereinbarung ausgeschlossen (z. B. Anspruch auf Grundbuchberichtigung, § 898 BGB; Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft, § 758 BGB usw.).
Damit sind Verjährungsvereinbarungen zwischen Steuerberatern und Auftraggebern über Gebührenansprüche, Haftungsansprüche und Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung möglich.
Denkbar sind z. B. Vereinbarungen über
- die Verlängerung oder Verkürzung der Verjährungsfrist,
- den früheren oder späteren Beginn der Verjährung,
- die Erweiterung oder Einschränkung von Hemmungstatbeständen oder
- die Erweiterung oder Einschränkung des Neubeginns der Verjährung (Goebel, Die neuen Verjährungsfristen, 2004, S 111).
2.1 Verjährungserleichterung (Verkürzung)
Verkürzungen der Verjährungsfrist sind als Ausdruck der Vertragsfreiheit zulässig, wobei allerdings u. a. § 307 BGB und § 309 Nr. 8 Buchst. b Doppelbuchst. ff BGB zu beachten sind.
PRAXISTIPP | Ausgeschlossen ist dagegen eine Vereinbarung, durch die die Verjährung bei Haftung wegen Vorsatzes im Voraus erleichtert wird, d. h. vor Entstehung des Anspruchs (§ 202 Abs. 1 BGB). Nach Entstehung des Anspruchs, d. h. im Nachhinein, kann dagegen die Verjährung verkürzt werden. |
2.2 Verjährungserschwerung (Verlängerung)
Zulässig sind auch Vereinbarungen über die Verlängerung der Verjährung. Dabei sind sie nicht an einen bestimmten Zeitpunkt gebunden: Die Vereinbarung kann sowohl vor Entstehung des Anspruchs über eine noch nicht laufende Frist getroffen werden als auch nachträglich über eine bereits laufende Frist.
PRAXISTIPP | Unzulässig ist nur eine Vereinbarung, durch die die Verjährungsfrist von 30 Jahren ab dem gesetzlichen Verjährungsbeginn hinaus erschwert wird (§ 202 Abs. 1 BGB).
Gleiches gilt für eine Vereinbarung, dass die Verjährungsfrist des Vergütungsanspruchs des Steuerberaters erst ab Zusendung der Rechnung erfolgen solle. |
2.3 Vereinbarung formlos möglich
Für Verjährungsvereinbarungen ist keine bestimmte Form vorgeschrieben. Sie können mündlich, schriftlich oder durch schlüssiges Verhalten getroffen werden. Im Hinblick auf die Nachweisbarkeit einer solchen Vereinbarung empfiehlt sich jedoch dringend Schrift- oder Textform.
3. Allgemeine Auftragsbedingungen/Individualvereinbarungen
Die Vereinbarung über die Verjährung kann entweder als Individualvereinbarung oder im Rahmen von AAB getroffen werden (Goebel, a.a.O.).
3.1 Allgemeine Auftragsbedingungen
Für Verjährungsvereinbarungen in AAB gelten die Vorschriften der §§ 305 ff. BGB. Dabei sind im Hinblick auf die Steuerberatung insbesondere § 307 BGB und § 309 Nr. 8 Buchst. b Doppelbuchst. ff BGB zu beachten.
3.1.1 Verstoß gegen § 309 Nr. 8b ff BGB
§ 309 Nr. 8 Buchst. b Doppelbuchst. ff BGB betrifft Vereinbarungen, durch die bei Verträgen über Lieferungen neu hergestellter Sachen und über Werkleistungen die Verjährung von Ansprüchen gegen den Verwender wegen eines Mangels in den Fällen des § 438 Abs. 1 Nr. 2 und des § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB (Nacherfüllung, Ersatz der Kosten für eine Selbstvornahme, Schadensersatz, Ersatz vergeblicher Aufwendungen) erleichtern oder in den sonstigen Fällen eine weniger als ein Jahr betragende Verjährungsfrist ab dem gesetzlichen Verjährungsbeginn erreicht wird.
PRAXISTIPP | Diese Vorschrift greift in der Steuerberatung nur dann, wenn es sich bei dem Steuerberatungsvertrag um einen Werkvertrag handelt. Liegt ‒ was die Regel ist ‒ ein Dienstvertrag vor, gilt diese Bestimmung nicht. Verjährungsvereinbarungen können dann allenfalls noch nach § 307 BGB unwirksam sein. |
3.1.2 Verstoß gegen § 307 BGB
Nach § 307 Abs. 1 BGB sind Bestimmungen in AAB unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders ‒ hier also den Auftraggeber des Steuerberaters ‒ entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
- mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
- wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist (§ 307 Abs. 2 BGB).
Goebel (a.a.O.) vertritt die Auffassung, dass als griffige Faustformel gelten könne, dass eine Verkürzung der Verjährung auf weniger als die Hälfte oder eine Verlängerung auf mehr als das Doppelte der gesetzlichen Verjährung eine unangemessene Benachteiligung des anderen Vertragspartners darstellt. Allerdings dürfe nicht übersehen werden, dass im Einzelfall die Interessen der Beteiligten zu bewerten sind und § 202 BGB im Grundsatz die Vertragsfreiheit stärkt. Letztlich müsse das Interesse des Gläubigers, seinen Anspruch tatsächlich durchsetzen zu können, mit dem Interesse des Schuldners nach Rechtssicherheit abgewogen werden.
Hierzu enthalten die Motive zu § 202 BGB (www.sadaba.de/Mot/GSBM_BGB_0202.html) den Hinweis, dass verjährungserleichternde Vereinbarungen nur insoweit zuzulassen sind, als dem Gläubiger stets eine angemessene Zeit zur Geltendmachung des Anspruchs bleibt.
3.1.3 Unterschiedliche Regeln für Unternehmer und Verbraucher
Die Anwendbarkeit dieser Vorschriften hängt davon ab, ob es sich um Verbraucherverträge handelt (§ 310 Abs. 3 BGB) oder um Verträge mit Unternehmern (§ 310 Abs. 1 BGB).
3.1.3.1 Verbraucherverträge (§ 310 Abs. 3 BGB)
§ 310 Abs. 3 BGB gilt für Verträge zwischen einem Unternehmer (§ 14 BGB) und einem Verbraucher (§ 13 BGB). Damit werden auch Steuerberatungsverträge zwischen Steuerberatern und Verbrauchern erfasst, es sei denn ‒ was unwahrscheinlich ist ‒ die AAB wurden vom Verbraucher eingeführt (§ 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB).
PRAXISTIPP | Enthalten AAB überraschende und mehrdeutige Klauseln i. S. des § 305c BGB, werden sie selbst dann nicht Bestandteil des Vertrags, wenn die AAB nur für eine einmalige Verwendung formuliert wurden. |
3.1.3.2 Verträge mit Unternehmern (§ 310 Abs. 1 und 2 BGB)
Nach § 310 Abs. 1 S. 1 BGB finden die § 305 Abs. 2 und 3 BGB, § 308 Nr. 1, 2 bis 8 BGB und § 309 BGB u. a. keine Anwendung auf AAB, die gegenüber einem Unternehmer verwendet werden. Das könnte darauf hindeuten, dass insoweit § 309 Nr. 8 Buchst. b Doppelbuchst. ff BGB nicht auf Steuerberatungsverträge anwendbar ist mit der Folge, dass die darin genannten Einschränkungen nicht gelten.
Allerdings besagt § 310 Abs. 1 S. 2 BGB, dass § 307 BGB und § 309 BGB insoweit gelten, als dies nach § 307 BGB zur Unwirksamkeit der Vertragsbestimmungen führt (s.o. 3.1.2). Damit gilt § 309 Nr. 8 Buchst. b Doppelbuchst. ff BGB nicht unmittelbar für die Beurteilung von Klauseln im Unternehmensverkehr, sondern nur mittelbar über § 307 BGB durch Heranziehung dessen Rechtsgedankens (BT-Drucks. 14/6040, S. 157/158; Westermann, Das Schuldrecht 2002, S. 244). Aber auch insoweit gilt, dass davon nur Steuerberatungsverträge betroffen sind, die sich als Werkverträge darstellen. Für Dienstverträge gilt diese Einschränkung also nicht.
Fraglich ist, ob bei der Interessenabwägung zur Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung zwischen Unternehmer und Verbraucher zu differenzieren ist. Denn erkennbar hat der Gesetzgeber den Verbraucher mehr geschützt als den Unternehmer. Daraus könnte abgeleitet werden, dass für Unternehmer im Gegensatz zum Verbraucher eine weitergehende Verkürzung der Verjährungsfristen zulässig ist. Hierzu fehlt es gegenwärtig noch an Stimmen aus Rechtsprechung und Literatur. M. E. ist eine differenzierte Betrachtung durchaus zulässig, wobei aber die zulässigen Grenzen der Verkürzung vom jeweiligen Einzelfall abhängen dürften. Wer auf der sicheren Seite stehen will, der sollte keine Verkürzung von mehr als der Hälfte vornehmen.
3.2 Individualvereinbarung
Individuelle Vertragsabreden genießen Vorrang vor allgemeinen Auftragsbedingungen (§ 305b BGB) es sei denn, es liegt ein Fall des § 305c BGB (überraschende und mehrdeutige Klausel vor). Dann sind ebenfalls die Einschränkungen der §§ 307 ff. BGB zu beachten.
Individualvereinbarungen bieten sich i. d. R. nur im Ausnahmefall an, z. B. zur Regelung eines besonders schwierigen und risikobehafteten Mandats, weil insoweit auch eine individuelle Haftungsvereinbarung und/oder individueller Ausschluss des jederzeitigen Kündigungsrechts nach § 627 BGB im Raum steht. Für das „Massengeschäft“ dagegen sind AAB das Mittel der Wahl. Wobei zu beachten ist, dass es unnötig ist, diesen AAB nochmals „gekaufte“ AAB beizufügen. Diese enthalten weitgehend eine Wiederholung des sowieso geltenden Rechts und sind damit absolut verzichtbar.
4. Ergebnisse
In jedem Fall ist zu empfehlen, dass Steuerberater die Rechnung alsbald nach Leistungserbringung stellen, um einen möglichst frühen Beginn der Verjährung zu erreichen. Steuerberater können Verjährungsfristen sowohl durch Allgemeine Auftragsbedingungen als auch Individualvereinbarungen abweichend vom Gesetz regeln. Dabei sind folgende Grundsätze zu beachten:
- Für Steuerberatungsverträge über eine Dienstleistung gilt nur die Einschränkung des § 307 BGB, nicht hingegen die nach § 309 Nr. 8 Buchst. b Doppelbuchst. ff BGB. Bis auf Weiteres kann die von Goebel (a. a.O.) verwendete Faustformel, keine Verkürzung auf mehr als die Hälfte und keine Verlängerung auf mehr als das Doppelte durchaus herhalten.
- Für Gebührenansprüche des Steuerberaters sollte es bei der gesetzlichen Regelung bleiben. Eine Verlängerung würde sich negativ auf die Liquidität der Kanzlei und negativ auf die Zahlungsmoral des Auftraggebers auswirken. Eine zeitige Geltendmachung der Gebührenansprüche, die sowieso angezeigt ist, macht eine Verkürzung der Verjährungsfrist überflüssig.
- Für Schadensersatzansprüche und Ansprüche auf Rückforderung bereits gezahlter Gebühren unter dem Aspekt der ungerechtfertigten Bereicherung ist eine Verkürzung der Verjährung durchaus empfehlenswert.
- Soweit in der Literatur die Auffassung vertreten wird (Goez in Kuhls et al.: „Kommentar zum Steuerberatungsgesetz“, § 67a, Rz. 30), eine Verkürzung der Verjährungsfristen bei Schadensersatzansprüchen verstoße generell gegen § 307 BGB und § 309 Nr. 8 Buchst. b Doppelbuchst. ff BGB, kann dem nicht gefolgt werden, denn es wird insoweit nicht zwischen kenntnisunabhängiger und kenntnisabhängiger Verjährung unterschieden (zutreffend Goez, Zivilrechtliche Haftung und strafrechtliche Risiken des Steuerberaters, 2010, S. 95). Ist dem Auftraggeber sein Schadensersatzanspruch bekannt, kann durchaus eine Verjährungsverkürzung vereinbart werden. Es soll sogar die Verkürzung der Verjährungsfrist auf 6 Monate möglich sein (BGH 10.5.90, I ZR 175/88).
- Da die Verjährungsfristen mit Kenntnis des Schadens bzw. zu Unrecht geforderter Gebühren beginnt, sollten 18 Monate für den Auftraggeber in jedem Fall ausreichen, um seine Ansprüche gegen den Steuerberater prüfen zu lassen und sie ggf. rechtlich durchzusetzen.
Musterformulierung / AAB |
„Schadensersatzansprüche des Auftraggebers sowie Ansprüche auf Rückzahlung bereits gezahlten Honorars verjähren in 18 Monaten, soweit ihm diese Ansprüche bekannt sind.“ |