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  • · Fachbeitrag · Berufsausübungsgemeinschaften

    Handlungsbedarf bei GbR und Scheinsozietät bei Versicherungsschutz und Haftungsbeschränkung

    von RA StB WP Dr. iur. Norbert H. Hölscheidt und RA Daniel König, Praevenia GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft, www.praevenia.de

    | Die Änderungen des Berufsrechts zum 1.8.23 haben auch Auswirkungen auf die bestehenden Zusammenschlüsse von Steuerberatern/Rechtsanwälten im Rahmen einer Sozietät/GbR. Dort sind in vielen Kanzleien die notwendigen Maßnahmen (Abschluss bzw. Erhöhung der Berufshaftpflichtversicherung der Gesellschaft und Änderung der Haftungsbeschränkung in den Allgemeinen Auftragsbedingungen ‒ AAB) aber auch bis jetzt noch nicht umgesetzt. Mehr als ein Jahr nach der berufsrechtlichen Änderung besteht dringender Handlungsbedarf! |

    Auswirkungen auf bestehende Gesellschaften

    Die größtenteils mit Wirkung zum 1.8.22 in Kraft getretenen Änderungen im Recht der Berufsausübungsgesellschaften (BAG), die im Steuerberatungsgesetz und in der Bundesrechtsanwaltsordnung umgesetzt wurden, sind nun bereits über ein Jahr in Kraft. Die Änderungen brachten insbesondere eine Liberalisierung für den Zusammenschluss von Steuerberatern und/oder Rechtsanwälten mit Angehörigen anderer freier Berufe in den unterschiedlichen Gesellschaftsformen. Der Zusammenschluss ‒ beispielsweise in der Rechtsform einer GmbH oder einer GmbH & Co. KG ‒ zwischen Steuerberatern und Rechtsanwälten sowie Angehörigen anderer freier Berufe wurde dabei erleichtert.

     

    Anpassung der Berufshaftpflichtversicherung

    Dabei sind von den Änderungen aber nicht nur neue/zukünftige Zusammenschlüsse von Berufsträgern zu einer BAG betroffen. Zahlreiche neue bzw. geänderte Regelungen betreffen auch die bereits bestehenden Gesellschaften und Zusammenschlüsse von Berufsträgern und haben dort einen entsprechenden Handlungsbedarf ausgelöst. Dies betraf vornehmlich die Berufshaftpflichtversicherung der BAG. Für viele Zusammenschlüsse änderte sich die Höhe der Mindestversicherungssumme der Berufshaftpflichtversicherung. So stieg beispielsweise für Zusammenschlüsse von Steuerberatern die Mindestversicherungssumme für Gesellschaften mit Beschränkung der Haftung auf das Gesellschaftsvermögen (z. B. GmbH) von 250.000 EUR auf 1.000.000 EUR und für Gesellschaften mit persönlicher Haftung der Gesellschafter (insbesondere also die GbR) von 250.000 EUR auf 500.000 EUR.

     

    Auswirkungen auf die AAB

    Die Erhöhung der Mindestversicherungssumme hat auch Auswirkungen auf die von den Gesellschaften verwendeten Allgemeinen Auftragsbedingungen (AAB). Im Rahmen einer ‒ zur Haftungsabsicherung dringend zu empfehlenden ‒ Vereinbarung einer Haftungsbeschränkung in AAB ist eine Beschränkung der Haftung des Beraters nur auf den vierfachen Betrag der jeweils gesetzlich vorgeschriebenen Mindestversicherungssumme (oder höher) zulässig. Bei den Gesellschaften, für die sich zum 1.8.22 die Mindestversicherungssumme durch die gesetzlichen Änderungen im StBerG bzw. in der BRAO erhöht hat, wurde daher zum 1.8.22 die in den verwendeten AAB vereinbarte Haftungsbeschränkung unwirksam. Das kann bei Mandaten mit höherem Risikopotenzial zu einer möglicherweise existenzbedrohenden persönlichen Haftung der Berufsträger führen, wenn sie im Vertrauen auf die ‒ vermeintlich auch für die Zukunft ‒ wirksam vereinbarte betragsmäßige Haftungsbeschränkung eine zusätzliche Absicherung durch eine höhere Versicherungssumme unterlassen haben.

    Besondere Folgen für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts

    Eine besondere Beachtung zur Umsetzung der entsprechenden Maßnahmen ist bei den Gesellschaften bürgerlichen Rechts geboten. Für Steuerberater und/oder Rechtsanwälte, die sich zur gemeinsamen Berufsausübung in der Rechtsform einer GbR (Sozietät) zusammengeschlossen haben, besteht nach den neuen gesetzlichen Regelungen zwar weiterhin keine Verpflichtung zur Anerkennung bzw. Zulassung als BAG bei der zuständigen Berufskammer. Allerdings besteht für die GbR aus Steuerberatern und/oder Rechtsanwälten die Möglichkeit der freiwilligen Anerkennung (§ 53 Abs. 1 StBerG) bzw. Zulassung (§ 59f Abs. 1 BRAO) als BAG.

     

    Nicht bekannt ist dabei oft, dass die neuen Regelungen auch dann gelten, wenn für die GbR keine Anerkennung bzw. Zulassung als BAG erfolgt. Denn die GbR (als Gesellschaft) muss in jedem Fall die für sie geltenden berufsrechtlichen Regelungen einhalten, egal, ob sie als BAG anerkannt bzw. zugelassen ist oder nicht. Dazu gehört insbesondere auch die Versicherungspflicht der GbR als Gesellschaft. Es reicht also nach neuem Recht nicht mehr aus, wenn im Rahmen eines Zusammenschlusses als GbR jeder einzelne Berufsträger seine gesetzlich notwendige Berufshaftpflichtversicherung hat. Vielmehr muss die GbR selbst (als Gesellschaft) die gesetzlich erforderliche Berufshaftpflichtversicherung unterhalten.

     

    In diesem Zusammenhang hat sich durch die neuen berufsrechtlichen Regelungen die Mindestversicherungssumme für die GbR, an der Steuerberater und/oder Rechtsanwälte beteiligt sind, von bisher 250.000 EUR auf 500.000 EUR erhöht. Gleichzeitig hat dies zur Folge, dass sich die zulässige Mindestsumme einer seitens der GbR mit den Mandanten in AAB vereinbarten Haftungsbeschränkung von bisher 1.000.000 EUR auf 2.000.000 EUR erhöht hat. Diese Anforderungen müssen seit 1.8.22 eingehalten werden. D. h., mit Wirkung zu diesem Stichtag musste die GbR einerseits eine eigene Berufshaftpflichtversicherung mit einer Versicherungssumme von mindestens 500.000 EUR (bzw. mindestens 2.000.000 EUR bei Verwendung von AAB mit Haftungsbeschränkung) unterhalten. Zudem musste die GbR mit allen Mandanten neue AAB mit einer Haftungsbeschränkung auf 2.000.000 EUR vereinbaren.

     

    Problematisch ist zudem, dass es auch eine nicht unerhebliche Anzahl an sog. Scheinsozietäten gibt. Das sind Zusammenschlüsse, die im Innenverhältnis wie eine reine Bürogemeinschaft zusammenarbeiten, nach außen hin aber wie eine Sozietät (GbR) auftreten und daher auch im Außenverhältnis die für die GbR geltenden berufsrechtlichen Regelungen einhalten müssen. In diesen Scheinsozietäten sind die notwendigen Maßnahmen ebenfalls häufig nicht oder nur unzureichend umgesetzt. Daher sollten auch Berater, die im Innenverhältnis getrennt arbeiten, nach außen aber gemeinschaftlich auftreten, dringend prüfen, ob eine Scheinsozietät vorliegt und welche Maßnahmen umzusetzen sind.

    Handlungsbedarf für die Berufsträger

    Diese Maßnahmen sind nach den aktuellen Erfahrungen aus der Praxis noch längst nicht in allen Gesellschaften bürgerlichen Rechts bestehend aus Steuerberatern und/oder Rechtsanwälten umgesetzt. Jede Sozietät sollte daher prüfen, ob und inwieweit die notwendigen Maßnahmen bereits umgesetzt wurden. Soweit betroffene Gesellschaften bürgerlichen Rechts also bisher noch nicht gehandelt haben, müssen diese sich unbedingt umgehend um die Umsetzung der entsprechenden Maßnahmen kümmern:

     

    • Die GbR muss dazu eine hinreichende Berufshaftpflichtversicherung abschließen bzw. einen bereits bestehenden Versicherungsschutz anheben.
    • Zudem muss die GbR, die ihre Haftung bisher bereits durch AAB gegenüber ihren Mandanten beschränkt hat, mit jedem Mandanten eine Änderung der AAB bzw. neue AAB mit der erhöhten Summe der Haftungsbeschränkung vereinbaren.
    • Dabei muss die Kanzlei beachten, dass die Vereinbarung einer Haftungsbeschränkung in AAB nur dann wirksam ist, wenn der Versicherungsschutz in der entsprechenden Höhe besteht.

     

    Beachten Sie | Für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts bedeutet dies, dass sowohl der Versicherungsschutz für den einzelnen Schadensfall als auch die Vereinbarung der Haftungsbeschränkung in den AAB auf eine Summe von 2.000.000 EUR erhöht werden muss. Dabei muss der Versicherungsschutz (mit dem Versicherer) rückwirkend ab 1.8.22 vereinbart werden. Soweit möglich sollte auch bei der Vereinbarung der AAB mit Haftungsbeschränkung (mit dem Mandanten) eine rückwirkende Vereinbarung ab 1.8.22 erfolgen. Eine solche rückwirkende Vereinbarung ist grundsätzlich zulässig, kann im Einzelfall aber auch problematisch sein.

     

    FAZIT | Es ist ein unverzügliches Handeln geboten. Denn soweit beispielsweise eine rückwirkende Vereinbarung der neuen AAB mit den Mandanten zum 1.8.22 nicht mehr erreicht werden kann (dazu wäre eine ausdrückliche Vereinbarung mit dem Mandanten nach entsprechender Aufklärung notwendig), sollte die seit 1.8.22 in der Haftungsabsicherung insoweit entstandene Lücke zumindest so zeitnah wie möglich geschlossen werden.

     
    Quelle: Ausgabe 01 / 2024 | Seite 15 | ID 49757565