· Fachbeitrag · Haftung
Steuerberaterhaftung wegen Übernahme eines fehlerhaften AfA-Ansatzes vom Vorberater
von Rechtsassessor Dr. Matthias Gehm, Limburgerhof und Speyer
| Das OLG Braunschweig hat darüber entschieden, inwiefern sich ein Steuerberater gegenüber seinem Mandanten regresspflichtig macht, wenn er ungeprüft die Gebäude-AfA bei einem Vermietungsobjekt, die ein Vorberater angesetzt hatte, fortführt bzw. ob der Schaden dadurch ausgeglichen wird, dass die AfA in späteren Jahren bei verlängertem Afa-Zeitraum fortgeführt werden kann (OLG Braunschweig 1.2.20, 11 U 142/18). |
Sachverhalt
Der Kläger, zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer in den Jahren 08 bis 13 veranlagt, hat im Jahr 87 ein Einfamilienhaus hergestellt, das er seit 98 vermietete. Er verfügte über ein Wertgutachten aus dem Jahr 87, das von Herstellungskosten von 160.000 EUR ausging. In den Jahren 04 bis 07 wurde von seinen früheren Steuerberatern fälschlich bei der Einkommensteuer die Gebäude-AfA mit 206 EUR angesetzt. Der Beklagte (Steuerberater) fertigte, nach Beauftragung durch den Kläger, die Einkommensteuerklärungen 08 bis 13 und kreuzte hierbei bezüglich der AfA jeweils lediglich „wie Vorjahre“ an, ohne den AfA-Ansatz selbst überprüft zu haben. Im Februar 15 erfuhr der Kläger von einem Bekannten, dass dem Beklagten oftmals Fehler bei AfA-Ansätzen unterliefen, sodass ihm die Fehlberechnung bewusst wurde und er im Jahr 15, nachdem seine Ehefrau ihre Ansprüche gegenüber dem Beklagten an ihn abgetreten hatte, Klage erhob mit dem Inhalt, dass ihm der Steuerschaden zu ersetzen sei.
Grundaussagen der Entscheidung des OLG Braunschweig
Das OLG Braunschweig sah den Anspruch wegen Schlechterfüllung des Steuerberatervertrags nach §§ 280 ff., 675 BGB für gegeben an, denn nach § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 2a EStG hätte die AfA 2 % von den Herstellungskosten betragen.
Beraterpflichten
Ein Verstoß gegen die Pflichten aus dem Steuerberatervertrag liegt darin, dass ungeprüft der AfA-Satz des Vorgängerberaters vom Beklagten übernommen wurde. Ein Steuerberater hat aber den Mandanten umfassend zu beraten und diejenigen Schritte anzuraten, die zu dem erstrebten Ziel zu führen geeignet sind und Nachteile für den Auftraggeber zu verhindern, soweit solche vorhersehbar und vermeidbar sind. Dabei ist von ihm der relativste sicherste Weg zur Erreichung des Ziels dem Mandanten aufzuzeigen und die erforderlichen Schritte hierfür sind vorzuschlagen (BGH 19.3.09, I X ZR 214/07, NJW 09, 2949). Diese Beratungs- und Belehrungspflichten hat der Steuerberater eigenverantwortlich und somit unabhängig von der Rechtauffassung des Vorgängerberaters wahrzunehmen (OLG Köln 28.6.07, 8 U 43/06, BeckRS 08, 21425).
Insofern hat er unabhängig hiervon den Sachverhalt zu ermitteln und es ist seine Aufgabe, den Mandanten um Vorlage entsprechender Unterlagen, hier zur Ermittlung der Herstellungskosten, aufzufordern. Aufgabe des Mandanten ist es nur, diese Unterlagen (soweit möglich) zu beschaffen (BGH 12.3.86, IVa ZR 183/84, NJW-RR 86, 1348).
Pflichtenverstoß war kausal für den Schadenseintritt
Diese Pflichten wurden vom Beklagten nach Ansicht des OLG Braunschweig auch gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 BGB schuldhaft verletzt. Weiterhin ist Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Steuerschaden gegeben, da zu unterstellen ist, dass der Mandant sich entsprechend beratungskonform verhalten hätte, mithin bei zutreffender Beratung durch den Beklagten der Steuerschaden vermieden worden wäre (BGH 7.12.06, IX ZR 37/04, DStRE 07, 1421).
Ermittlung der zutreffenden AfA ‒ Bestimmung des Vermögensschadens
Die Herstellungskosten wurden mit 156.500 EUR vom LG Braunschweig gemäß § 287 ZPO ermittelt, sodass die korrekte AfA 3.130 EUR in den Streitjahren betrug. Dabei kommt es für die Ermittlung der Herstellungskosten darauf an, wie das FA diese richtigerweise ermittelt hätte bzw. sollte es sich dabei um eine Ermessensentscheidungen handeln, wie dieses Ermessen vom FA ausgeübt worden wäre (BGH 15.11.07, IX ZR 34/04, NJW 08, 440).
Die Höhe des Vermögensschadens ermittelt sich nach der Differenz zwischen dem Vermögen, wie es sich nach Eintritt der Falschberatung gegenüber demjenigen bei richtiger Beratung darstellt. Ein Vorteilsausgleich, der sich daraus herleitet, dass die Falschberatung dazu führt, dass die AfA in späteren Jahren nachgeholt werden kann (BFH 3.7.84, IX R 45/84, BStBl II 84, 704), ist nicht vorzunehmen, da sich dieser erst in den Veranlagungszeiträumen 37 bis 42 auswirken würde, also erst in vielen Jahren (hier 17 Jahre), was dem Kläger nicht zumutbar und es zudem unsicher ist, ob es überhaupt dazu kommen wird, also auch noch in diesen Jahren Einkünfte beim Kläger nach § 21 EStG vorliegen und er das AfA-Volumen überhaupt ausschöpfen wird.
Auch wenn nur der Kläger den Beratungsvertrag mit dem Beklagten abgeschlossen hat, so ist dieser ein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, sodass auch der Vermögensschaden der Klägerin, der ihr bei Zusammenveranlagung entsteht, den insofern schuldet sie nach § 44 Abs. 1 EStG gesamtschuldnerisch die Einkommensteuer mit ihrem Ehemann, vom Beklagten unter Berücksichtigung von § 428 BGB ersetzt werden muss (BGH 13.10.11, IX ZR 193/10, DStRE 12, 844).
Kein Mandantenmitverschulden
Da die Einkommensteuererklärungen keinen Hinweis darauf enthalten, wie die AfA ermittelt wurde, trifft den Kläger auch kein Mitverschulden gemäß § 254 BGB am Schadenseintritt, denn insofern war er nicht gehalten, das Wertgutachten aus dem Jahr 87 von sich aus dem Kläger vorzulegen. Zudem ist es alleinige Aufgabe des Beraters, das Mandat ordnungsgemäß zu erfüllen und nur ausnahmsweise ist der Mandant gehalten, den Berater über fundierte anderweitige Rechtsauskunft zu unterrichten (BGH 17.3.11, IX ZR 162/08, DStRE 12, 133).
Ein Verschulden des Vorberaters hat sich der Kläger auch nicht zurechnen zu lassen, weil der Beklagte verpflichtet ist, in eigener Verantwortung und damit unabhängig von der AfA-Berechnung des früheren Beraters, diese selbst vorzunehmen.
Keine Verjährung
Die Schadensersatzansprüche sind auch nicht verjährt, da die hier einschlägige dreijährige Verjährungsfrist nach § 195 BGB erst gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BGB zu laufen beginnt, wenn nach Entstehen des Regressanspruchs der Kläger Umstände erfährt, aus denen sich auch für ihn als Laien die Falschberatung offenbart. Dies war aber erst im Februar 15 der Fall, als ein Bekannter ihn auf die Defizite des Beklagten bei Berechnung der zutreffenden AfA hinwies, sodass er rechtzeitig Klage erhoben hat (BGH 25.10.18, IX ZR 168/17, DStRE 19, 917). Entstanden war der Regressanspruch gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB mit Bekanntgabe des überhöhten Steuerbescheids (BGH 12.11.09, IX ZR 218/08, DStRE 10, 643).
Praxisrelevanz
Die Entscheidung beweist, welche hohen Anforderungen an die Beratungspflichten eines Steuerberaters zu stellen sind. Dies gilt selbst dann, wenn es sich beim Mandanten um eine Person mit steuerlichen Kenntnissen handelt (BGH 17.3.11, IX ZR 162/08, DStRE 12, 133). Da das Mandat eigenverantwortlich auszuüben ist, müssen bei Mandatsübernahme Dauersachverhalte neu ermittelt und steuerrechtlich gewürdigt werden.
Erwähnt werden soll, dass das Gericht es als unerheblich erachtete, ob es wahrscheinlich gewesen wäre, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Eigennutzung der Immobilie nach § 10e EStG vorgegangen war, letztlich, weil dies der Beklagte selbst hätte überprüfen müssen und er nicht einfach unterstellen konnte, dass das AfA- Volumen ggf. insofern bereits verbraucht sei.
Abschließend sei darauf hingewiesen, dass ein Steuerberater, da er den sichersten Weg für seinen Mandanten einschlagen muss, gehalten sein kann, diesem die Einholung einer verbindlichen Auskunft anzuraten (BGH 8.2.07, IX ZR 188/05, DB 07, 854; BGH 15.11.07, IX ZR 34/04, NJW 08, 440).