· Fachbeitrag · Steuerberaterhaftung
Haftet der Steuerberater bei mangelhafter Kassenführung des Mandanten?
von RA Hans-Günther Gilgan, Münster, www.gilgan.de
| Mandanten, die überwiegend Bareinnahmen haben, sind verpflichtet, Kassenaufzeichnungen zu führen (Grundaufzeichnungspflicht). Aufgrund der Verwaltungsanweisungen kann eine fehlerhafte Kassenführung sowohl für den Mandanten als auch für dessen Steuerberater nicht unerhebliche Haftungsrisiken bergen. Der Beitrag geht auf das Haftungsrisiko für den Steuerberater ein ‒ gerade auch wenn eine Verfahrensdokumentation fehlt ‒ und wie er dem Risiko begegnen kann. |
Haftungsrisiken des Steuerberaters
Bei den Haftungsrisiken für Steuerberater kommen vor allem in Betracht: Schadensersatzansprüche des Mandanten wegen Verletzung der Beratungspflicht (Zinsen auf nachzuzahlende Steuern, Bußgelder etc.), die Haftung gegenüber dem FA für Mehrsteuern, die vom Mandanten nicht beizutreiben sind und die Haftung des Steuerberaters für hinterzogene Steuern des Mandanten. Inwieweit für den Steuerberater eine Beratungspflicht bezüglich der Kassenführung des Mandanten besteht, hängt entscheidend vom erteilten Auftrag ab.
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Wird der Steuerberater mit der Erstellung der Finanzbuchhaltung beauftragt, liegt darin seine Hauptpflicht. Stellt er im Rahmen der Buchführungsarbeiten fest, dass einzelne Belege nicht ordnungsgemäß sind, muss er den Mandanten hierauf als Nebenpflicht zur Finanzbuchführung hinweisen. |
Das Haftungsrisiko des Steuerberaters richtet sich also danach, ob die Beratung als Hauptpflicht oder nur als Nebenpflicht zur geschuldeten Hauptpflicht geschuldet wird (vergl. auch Gilgan, Beratungs- und Belehrungspflichten des Steuerberaters, NWB 15, 1337 ff).
Beratung als Hauptpflicht des Steuerberaters
Die Beratung ist als Hauptpflicht zu qualifizieren, wenn darin die vertraglich geschuldete Leistung liegt, z. B. der Auftrag zur Erstellung der Finanzbuchführung, des Jahresabschlusses oder der Steuererklärungen. Im Rahmen der vertraglichen Hauptpflicht hat der Steuerberater nicht zu prüfen, ob der Mandant seinen Aufzeichnungspflichten nachgekommen ist (LG Krefeld, 3 O 93/11, Abruf-Nr. 145368). Die Prüfung der Aufzeichnungspflichten schuldet der Steuerberater dem Mandanten nur und ausschließlich, wenn er gesondert mit der Prüfung der Aufzeichnungspflichten beauftragt wurde (Schwamberger, KP 15, 170). Die Beweislast für einen Auftrag mit umfassender Beratungspflicht des Steuerberaters liegt beim Mandanten. Problematisch sind die Fälle eines nur mündlich erteilten Auftrags. Geht es vor Gericht, ist nur schwer vorherzusagen, wie der Richter den Vortrag von Mandant und Steuerberater bewerten wird.
FAZIT | Im Rahmen des Auftrags zur Erstellung z. B. der Finanzbuchführung oder des Jahresabschlusses ist der Steuerberater nicht zur Prüfung von Fehlern des Mandanten in den Grundaufzeichnungen verpflichtet. Hierzu bedürfte es eines ausdrücklichen Auftrags. Mangels konkreter Beauftragung bedürfte es insoweit nicht der Vereinbarung einer Haftungsbeschränkung. |
Beratung als Nebenpflicht des Steuerberaters
Stellt der Steuerberater im Rahmen der Bearbeitung der Finanzbuchführung fest, dass die Kassenführung fehlerhaft ist, muss er den Mandanten hierauf hinweisen und belehren. Die Hinweis- und Belehrungspflicht entsteht, wenn konkrete Umstände erkennbar sind, nach denen dem Auftraggeber eine rechtliche oder tatsächliche Situation nicht bewusst ist und daraus ein Vermögensschaden droht (BGH 18.12.97, IX ZR 153/96). Der Steuerberater muss auf Fehlentscheidungen hinweisen, sofern sie für ihn offen zutage liegen bzw. für einen durchschnittlichen Steuerberater auf den ersten Blick ersichtlich sind (BGH IX ZR 6/02; IX ZR 92/08). Deshalb kann sich der Steuerberater nicht darauf berufen, er sei vom Mandanten nicht beauftragt und schulde daher keinerlei Beratungsleistung im Hinblick auf die Kassenführung. Fehler in der Kassenführung kann der Steuerberater in der Regel anhand der Belege erkennen; bei lediglich elektronischer Übertragung der Daten dagegen nicht.
FAZIT | Der Steuerberater ist also auch außerhalb eines gesonderten Auftrags verpflichtet, den Mandanten auf Fehler in der Kassenführung hinzuweisen, wenn diese für einen durchschnittlich begabten Steuerberater erkennbar sind. |
Vermeidung der Haftung
Um eine Haftung gegenüber dem Mandanten zu vermeiden, ist es bei einem Dauermandat ‒ insbesondere bei Erstellung der Finanzbuchführung ‒ also erforderlich, auf die erkennbaren Fehler der Kassenführung hinzuweisen und zugleich deutlich zu machen, dass darüber hinaus ein zusätzlicher Auftrag für die Beratung erforderlich ist. Zum Nachweis dafür, dass der Berater den Mandanten auf die Problematik der ordnungsgemäßen Kassenführung hingewiesen und der Mandant eine weitergehende Aufklärung nicht gewünscht hat, sollten die Anfrage an den Mandanten sowie die Ablehnung des Mandanten in jedem Fall schriftlich dokumentiert werden, am besten durch eine schriftliche Rückäußerung des Mandanten.
Soweit der Mandant eine Beratung über die Fragen der ordnungsgemäßen Kassenführung wünscht, sollte diese Beratung durch Übersendung eines Merkblatts oder in ähnlicher schriftlicher Form erfolgen, damit der Mandant die relevanten Informationen vollständig, zusammengefasst und in unveränderlicher Form (z. B. als PDF) erhält. So ist es dem Steuerberater auch im Nachhinein jederzeit möglich, den Inhalt der umfassenden Beratung auch später noch nachweisen. Der Steuerberater sollte sich den Erhalt des Merkblattes vom Mandanten schriftlich bestätigen lassen.
Wenn sich der Steuerberater jedoch gegenüber seinem Mandanten ohne ausdrücklichen Auftrag zu Fragen der Kassenführung äußert, liegt ein Auskunftsvertrag vor. Im Rahmen dieses Vertrags müssen die Auskünfte des Steuerberaters fachlich zutreffend sein; sind sie fehlerhaft, haftet er.
Haftungsfalle Verfahrensdokumentation
Erstellt der Steuerberater die Finanzbuchhaltung und/oder Jahresabschlüsse, obwohl er weiß, dass sein Mandant die Verfahrensdokumentation zur ordnungsgemäßen Führung eines elektronischen Aufzeichnungssystems nicht gefertigt hat, könnte darin ein Verstoß gegen die Beratung als Nebenpflicht und zugleich eine Verletzung der GoBD liegen. Allerdings gibt es Gegenstimmen in der Literatur, wonach sich die Notwendigkeit einer Verfahresdokumentation nicht aus der AO ableiten lässt. Rechtsprechung hierzu steht noch aus.
Sollte sich die Literaturmeinung nicht durchsetzen, besteht das Risiko, dass die Finanzverwaltung Haftungsbescheide gegen den Steuerberater erlassen wird, wenn die im Zuge der Kassen-Nachschauen festgesetzten Mehrsteuern vom Steuerpflichtigen nicht beizutreiben sind und er positiv davon wusste, dass der Mandant keine Verfahrensdokumention hat. Die Berufshaftpflicht dürfte dann im Hinblick auf die Kenntnis und damit den Vorsatz des Steuerberaters ins Leere laufen, soweit die Haftungsbescheide tatsächlich bestandskräftig werden. Damit das nicht passiert, sollten Sie (wie beschrieben) zum einen den Mandanten über seine Pflichten belehren und sich den Erhalt der Belehrung schriftlich bestätigen lassen (siehe die Musterformulierung). Zum anderen können Sie die Belehrung aber auch zu einem Beratungsanlass ausbauen.
Musterformulierung / Verfahrensdokumentation |
Betr.: Verfahrensdokumentation zur ordnungsgemäßen Führung eines elektronischen Aufzeichnungssystems
Sehr geehrte/r …,
der zwischen uns geschlossene Steuerberatungsvertrag umfasst nicht die Beratung zum Thema „Einsatz von elektronischen Registrierkassen oder PC-Kassen und die Aufbewahrung der Organisationsunterlagen“. Die Verantwortung und Haftung liegt insoweit ausschließlich bei Ihnen.
Um Ihnen die Wahrnehmung Ihrer Verantwortung zu erleichtern, überlassen wir Ihnen unter Ausschluss unserer Haftung die folgenden/beigefügten Hinweise zur Verfahrensdokumentation.
folgt Inhalt des Merkblatts, das mit folgender Floskel schließt:
Den Erhalt und die Kenntnisnahme dieser Hinweise bitten wir uns der guten Ordnung halber zu bestätigen und unterschrieben zurück zu senden.
oder:
Hiermit bestätige ich, über die Anforderungen an elektronische und PC-Kassen informiert worden zu sein. Ich erkläre hiermit ausdrücklich, dass eine entsprechende Verfahrensdokumentation vorgehalten und entsprechend verfahren wird. |