· Nachricht · Steuerberaterhaftung
Mandate mit möglicher Überschuldung und der daraus resultierenden Insolvenzantragspflicht
| Das OLG Schleswig (29.11.19, 17 U 80/19) umreißt die Pflichten des Steuerberaters, wenn dessen Mandant möglicherweise überschuldet und damit insolvenzantragspflichtig ist. Die Entscheidung erging vor den Änderungen durch das StaRUG. |
Der Insolvenzverwalter einer GmbH machte gegen deren Steuerberaterin Ansprüche aus Insolvenzanfechtung und Steuerberaterhaftung geltend. Das Mandat umfasste neben der vollständigen Finanzbuchhaltung und der Erstellung von Steuererklärungen auch die Erstellung von Jahresabschlüssen.
Was das Erkennen-Können einer signifikanten Überschuldung oder gar drohender Zahlungsunfähigkeit angeht, hält das OLG fest, dass den BWAs über erkennbare Zahlungsflüsse und Anzeichen für die Profitabilität eines Unternehmens hinaus keine hinreichend sicheren Hinweise auf den Vermögensstatus eines Unternehmens entnehmen lassen, weil monatliche BWAs offene Forderungen, künftige Geschäfte oder auch ggf. Lagerbestände nicht zwingend erfassen müssen. Damit wird deutlich, dass die Steuerberaterin selbst aus der von ihr durchgeführten Finanzbuchhaltung einschließlich der BWAs keine Anhaltspunkte auf eine signifikante Überschuldung oder gar drohende Zahlungsunfähigkeit entnehmen konnte.
Hinsichtlich der Pflichten bei wahrnehmbarer Insolvenzgefahr hält das OLG fest:
- Der Steuerberater ist nicht verpflichtet, von sich aus eine Überschuldungsprüfung vorzunehmen oder von sich aus kontinuierlich die Zahlungsfähigkeit zu überprüfen, weil beides originäre Aufgaben des Geschäftsführers selbst sind.
- Es besteht keine Verpflichtung von sich aus eine Fortführungsprognose anzustellen und eine Überschuldungsbilanz zu erstellen.
- Es besteht aber eine Hinweispflicht aus vertraglicher Nebenpflicht kraft überlegenen Wissens. Hierfür reicht die unmissverständliche Feststellung der bilanziellen Überschulung mit dem Hinweis auf die gesetzliche Verpflichtung zur Stellung eines Insolvenzantrags. Dazu muss der Steuerberater die maßgeblichen Umstände gegenüber seinem Mandanten im Einzelnen bezeichnen und ihn konkret darauf hinweist, dass diese Umstände Anlass zu einer Prüfung einer möglichen Insolvenzreife geben.
- Der bilanzerstellende Steuerberater darf auch bei der Handelsbilanz nicht ungeprüft Fortführungswerte zugrunde legen. Weiß er, dass die Vermutung des § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB widerlegt ist oder dass zumindest ernsthafte Zweifel an der Ansetzbarkeit von Fortführungswerten bestehen, ist eine Bilanzierung nach Fortführungswerten mangelhaft (gerade auch im Sinne der mit der Bilanzerstellung übernommenen werkvertraglichen Verpflichtung). Anderes gilt nur, wenn der Steuerberater zuvor mit seinem Mandanten abgeklärt hat, ob entweder tatsächlich von einer positiven Fortführungsprognose auszugehen sei oder er jedenfalls nach Weisung der Gesellschaft von Fortführungswerten auszugehen hat.