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  • · Fachbeitrag · Steuerberaterhaftung

    Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht als Haftungsfalle für den Steuerberater

    von RA/STB/WP Dr. Norbert H. Hölscheidt, RA Daniel König, Praevenia GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft, www.praevenia.de

    | Mit dem Ende der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht kommt für eine ganze Reihe von Mandaten der entscheidende Moment: Ist das Unternehmen fortführbar oder nicht? Mit im Boot der Steuerberater, der sich zu Recht fragt, wie er bei den Jahresabschlüssen für 2019 und vor allem 2020 verfahren soll. Denn just in dieser Phase greift auch noch eine gesetzliche Verschärfung: § 102 StaRUG, der die BGH-Rechtsprechung zur Steuerberaterhaftung beim Jahresabschluss nun gesetzlich kodifiziert. Der Beitrag klärt darüber auf, wie Sie sich als Steuerberater jetzt am besten schützen können. |

    Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht

    Die Insolvenzantragspflicht wurde infolge der Coronakrise durch die Regelungen des COVInsAG in mehreren Stufen zeitweise ausgesetzt.

     

    • März bis September 2020: Die Insolvenzantragspflicht für Unternehmen, die pandemiebedingt in die Krise geraten waren, wurde ausgesetzt, wenn die Insolvenzreife auf den Folgen der Coronapandemie beruhte und die Aussicht bestand, dass die Zahlungsunfähigkeit beseitigt werden konnte.

     

    • Oktober bis Dezember 2020: Eine Aussetzung der Insolvenzantragspflicht galt nur noch für Gesellschaften, bei denen eine Überschuldung pandemiebedingte Gründe hatte, jedoch keine Zahlungsunfähigkeit vorlag.

     

    • Januar bis April 2021: In einem dritten Schritt wurde die vorübergehende Aussetzung der Insolvenzantragspflicht erneut bis zum 30.4.21 verlängert, wobei sich die Voraussetzungen wiederum geändert hatten. Die dritte Aussetzung der Insolvenzantragspflicht ist in § 1 Abs. 3 COVInsAG geregelt. Die verlängerte Aussetzung der Insolvenzantragspflicht galt für Unternehmen, die im Zeitraum vom 1.11.20 bis zum 28.2.21 einen Antrag auf die Gewährung finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie gestellt haben, sofern der Antrag auf die Hilfeleistung nicht aussichtslos war und die Hilfeleistung zur Beseitigung der Insolvenzreife ausreichte. Auch für die von dieser Regelung betroffenen Unternehmen endete die Aussetzung zur Verpflichtung der Geschäftsleiter zur Insolvenzantragstellung jedoch am 30.4.21.

    Was bedeutet das Ende der Aussetzung für Steuerberater?

    Gerade in der wirtschaftlichen Krise des Mandanten am Rande der Insolvenzreife (oder schon darüber hinaus) ergeben sich zahlreiche Haftungsgefahren für den Steuerberater, insbesondere im Zusammenhang mit der Erstellung des Jahresabschlusses für den Mandanten in der Krise. Dieser Gefahren und der möglichen Maßnahmen zur Vermeidung dieser Gefahren muss sich der Berater gerade jetzt in erhöhtem Maße bewusst werden.

     

    Steuerberater kennen die Schwierigkeiten der Unternehmen

    Viele Steuerberater werden (gerade in der seit dem vergangenen Jahr bestehenden, für viele Unternehmen schwierigen Situation in der Coronakrise) dem Wunsch ihrer Mandanten zu einer umfassenden und daher auch wirtschaftlichen Beratung (über die reine steuerliche Beratung oder Erstellung der Jahresabschlüsse hinaus) entsprochen haben. Gerade im Rahmen einer Beratung zu den verschiedenen Coronahilfen wurde diese Grenze zur wirtschaftlichen Beratung auch unter Einbeziehung von Fragen zu einer möglichen Insolvenz des Unternehmens noch viel leichter überschritten, als es vorher schon der Fall war. Daher werden sich viele Steuerberater aktuell in der Situation sehen, dass sie ihren Mandanten im Laufe des vergangenen Jahres auch zur allgemeinen wirtschaftlichen Situation des Unternehmens und damit auch zu insolvenzbezogenen Fragen die eine oder andere Auskunft erteilt haben oder sie im Rahmen einer betriebswirtschaftlichen Beratung zu der einen oder anderen Maßnahme zur Rettung des Unternehmens beraten haben. Dabei rückte auch die Thematik der vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht in den Fokus.

     

    Aus der Kenntnis der Schwierigkeiten resultiert ein Haftungsrisiko

    Der Steuerberater ist daher nicht nur aus der Jahresabschlusserstellung heraus, sondern auch aus anderen Tätigkeiten (Lohnbuchführung, Finanzbuchführung usw.) in Verbindung mit den Coronahilfen (Kurzarbeitergeld, Überbrückungshilfe, Soforthilfe) mit dem Thema Insolvenz und Insolvenzantragspflicht aufseiten des Mandanten in Berührung gekommen. Zur Haftungsvermeidung muss der Steuerberater daher gerade in der jetzigen Situation, in der die Insolvenzantragspflichten für viele von der Aussetzung nach § 1 Abs. 3 COVInsAG betroffene Unternehmen mit Ablauf des 30.4.21 wieder aufleben, die Hinweispflichten aus der Rechtsprechung des BGH und den neuen gesetzlichen Regelungen des StaRUG genau beachten. Dazu gehören auch die sich aus der Rechtsprechung des BGH ergebenden Handlungsempfehlungen für den Steuerberater zur Vermeidung einer Haftung.

    Pflichten des Beraters bei Erstellung des Jahresabschlusses

    Infolge der neueren Rechtsprechung des BGH bestehen in erheblichem Umfang Pflichten des Steuerberaters bei der Erstellung des Jahresabschlusses für eine GmbH, wenn er dabei mit der Frage einer möglichen Insolvenzreife der GmbH konfrontiert ist. Der BGH (26.1.17, IX ZR 285/14) hat in einem grundlegenden Urteil entschieden, dass der mit der Erstellung des Jahresabschlusses für eine GmbH beauftragte Steuerberater verpflichtet ist zu prüfen, ob sich auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen und der ihm sonst bekannten Umstände tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten ergeben, die einer Fortführung der Unternehmenstätigkeit entgegenstehen können. Diese BGH-Rechtsprechung findet nunmehr durch § 102 StaRUG auch eine konkret ausgestaltete gesetzliche Regelung:

     

    • § 102 StaRUG

    Bei der Erstellung eines Jahresabschlusses für einen Mandanten haben Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer und Rechtsanwälte den Mandanten auf das Vorliegen eines möglichen Insolvenzgrundes nach den §§ 17 bis 19 der Insolvenzordnung und die sich daran anknüpfenden Pflichten der Geschäftsleiter und Mitglieder der Überwachungsorgane hinzuweisen, wenn entsprechende Anhaltspunkte offenkundig sind und sie annehmen müssen, dass dem Mandanten die mögliche Insolvenzreife nicht bewusst ist.

     

    In diesem Fall darf der Steuerberater den Jahresabschluss nicht ungeprüft unter Ansatz von Fortführungswerten erstellen. Der Steuerberater muss den Mandanten dann vielmehr klar und deutlich darauf hinweisen, dass eine tragfähige Grundlage für eine Bilanzierung zu Fortführungswerten geschaffen werden muss. Dazu muss der Mandant eine Fortführungsprognose durch eine sachkundige Person erstellen lassen.

     

    Wenn entsprechende Anhaltspunkte für einen möglichen Insolvenzgrund offenkundig sind und der Steuerberater annehmen muss, dass die mögliche Insolvenzreife dem Geschäftsführer der GmbH nicht bewusst ist, muss der Steuerberater außerdem die Mandantin (also die GmbH in der Person ihres Geschäftsführers) auf einen möglichen Insolvenzgrund und die daran anknüpfende Prüfungspflicht ihres Geschäftsführers hinweisen.

    Pflichten nach Maßgabe des erteilten Auftrags

    Die Pflichten des Steuerberaters richten sich im Einzelfall stets nach dem Inhalt und dem Umfang des ihm erteilten Auftrags (BGH 26,1.17, IX ZR 285/14, Rz. 18, 20, 21, 29, 40) ‒ also vor allem danach, was von der Beratung des Steuerberaters mit umfasst sein soll:

     

    • Insolvenzberatung gewollt: Will der Steuerberater (bewusst und aktiv) auch die insolvenzrechtliche Beratung der GmbH übernehmen, dann sollte er sich dafür einen gesonderten Auftrag in schriftlicher Form erteilen lassen, der Inhalt und Umfang des Auftrags klar definiert. Auf einen solchen zusätzlichen Beratungsauftrag sollte sich der Steuerberater nur dann einlassen, wenn er in diesem Bereich über erhebliche Kenntnisse und Praxiserfahrung verfügt.

     

    • Insolvenzberatung nicht gewollt: Will der Steuerberater dagegen die insolvenzrechtliche Beratung nicht übernehmen, dann sollte er dies gegenüber der Mandantin (in der Regel die GmbH) auch klar und deutlich, aus Gründen der späteren Nachweisbarkeit am besten schriftlich, zum Ausdruck bringen.

     

    Keinesfalls sollte der Steuerberater eine Beratung über den erteilten Auftrag (Erstellung des Jahresabschlusses) hinaus erbringen, indem er sich (auch nur beiläufig) auf eine Erörterung insolvenzrechtlicher Fragen einlässt oder gar konkrete Aussagen zur Frage der Insolvenzreife der GmbH tätigt, ohne deren Grundlagen eingehend geprüft zu haben.

    Hinweispflicht innerhalb des erteilten (regulären) Mandats

    Der Geschäftsführer der GmbH sollte daher im Zweifel bereits bei Vorliegen einer bilanziellen Überschuldung der GmbH ‒ auch dann, wenn weitere Anzeichen einer wirtschaftlichen Krise der GmbH noch nicht deutlich erkennbar sind ‒ schriftlich und deutlich darauf hingewiesen werden, dass er die Frage einer möglichen Insolvenz der GmbH und einer möglichen Insolvenzantragspflicht des Geschäftsführers durch Hinzuziehung eines auf diesen Bereich spezialisierten Rechtsanwalts klären lassen sollte.

     

    Diese deutlichen und in der Akte des Steuerberaters dokumentierten Hinweise sind aktuell aufgrund der neuen Gesetzeslage nach dem 30.4.21 besonders wichtig, weil erfahrungsgemäß bereits jetzt absehbar ist, dass sich Mandanten demnächst darauf berufen werden, dass die aktuelle neue Gesetzeslage ihnen nicht sofort bekannt gewesen sei und sie deshalb in erhöhtem Maße solche Hinweise ihres steuerlichen Beraters benötigt hätten. Wenn der Steuerberater dann nachweisen kann, dass er diese Hinweise zeitnah, klar und deutlich erteilt hat, wird sich mancher Haftungsvorwurf bereits im Ansatz ersticken lassen.

     

    Beachten Sie | Aber nicht nur die schriftliche Fixierung des konkret erteilten Auftrags ist sehr bedeutsam. In diesem Zusammenhang ist es ebenfalls wichtig, konkret zu vereinbaren, welche Unterlagen und Informationen der Geschäftsführer der GmbH dem Berater zur Verfügung stellen muss, damit dieser seinen Auftrag (Erstellung des Jahresabschlusses) ordnungsgemäß erfüllen kann. Befindet sich die GmbH in einer wirtschaftlichen Krise, dann gehört zu den Unterlagen, die der Geschäftsführer beibringen muss, auch eine nachvollziehbare und plausible Beurteilung der Fortführungsfähigkeit der GmbH durch einen in diesem Bereich erfahrenen Rechtsanwalt oder Unternehmensberater.

    Hinweispflicht außerhalb des erteilten (regulären) Mandats

    Über die eigentlichen Grenzen des erteilten Mandats hinaus kann den Steuerberater auch außerhalb des ihm erteilten Mandats eine Hinweispflicht auf eine mögliche Insolvenzreife der GmbH treffen, wenn er diese mögliche Insolvenzreife feststellt und gleichzeitig sieht, dass die Mandantin (Geschäftsführer der GmbH) diese nicht erkennt (BGH 26.1.17, IX ZR 285/14, Rz. 43). Diese Hinweispflicht ist nun auch ausdrücklich Gegenstand der gesetzlichen Vorschrift in § 102 StaRUG (vgl. oben).

     

    Auch dies gilt aber nur, wenn für den Steuerberater eine mögliche Insolvenzreife auf der Grundlage der Unterlagen und Informationen, die er von dem Mandanten erhalten hat oder die aus anderen Gründen für ihn offenkundig sind, erkennbar ist (BGH 26.1.17, IX ZR 285/14, Rz. 20, 30, 36, 40).

     

    Wie oben beschrieben, wurde der Steuerberater im Rahmen der Coronakrise sehr häufig über den bisherigen Steuerberatungsauftrag hinaus auch in die betriebswirtschaftliche Beratung des Mandanten involviert, indem er das Unternehmen auch über die Möglichkeiten der staatlichen Coronahilfen aufgeklärt und in den entsprechenden Antragsverfahren begleitet hat. Daraus hat der Steuerberater im Zuge dieser erweiterten Aufträge zur betriebswirtschaftlichen Beratung in der Regel noch tiefere Kenntnisse über die wirtschaftliche Situation seines Mandanten erhalten, sodass die Hinweispflichten außerhalb des erteilten Mandats gerade in der jetzigen Situation sehr häufig zum Tragen kommen werden und vom Steuerberater unbedingt zu beachten sind.

    Klärung von Vorfragen, Grenzen erlaubter Rechtsberatung

    Eine Pflicht des Steuerberaters zur Beratung des Mandanten über insolvenzrechtliche Fragen besteht ohne gesonderten diesbezüglichen Auftrag grundsätzlich nicht.

     

    Wenn die insolvenzrechtlichen Fragen aber als Vorfragen bei den auftragsgemäß durchzuführenden Tätigkeiten des Steuerberaters (hier: bei der Erstellung des Jahresabschlusses) erheblich sind, muss der Steuerberater darauf hinwirken, dass diese Vorfragen geklärt werden. Auf diese Notwendigkeit muss der Steuerberater den Mandanten deutlich hinweisen und im Einzelnen aufklären, was seitens des Mandanten getan werden muss, um eine hinreichende Klärung dieser Vorfragen herbeizuführen.

     

    Dabei ist zu beachten, dass die Grenze zur unerlaubten Rechtsberatung schnell überschritten sein wird, soweit es nicht um eine Beurteilung vorhandener Lösungen anhand der vom Mandanten vorgelegten Unterlagen und Informationen geht, sondern um aktive rechtliche Gestaltungsmaßnahmen.

    Vorbeugende Absicherung des Steuerberaters

    Damit sich die Risiken des Steuerberaters bei Mandanten in der Krise ‒ im Zweifel keine Vergütung, aber volle Haftung ‒ nicht quasi automatisch und kumulativ verwirklichen, ist eine vorbeugende Absicherung durch den Steuerberater unerlässlich. Dazu gehören insbesondere eine schriftliche Mandatsvereinbarung (gegebenenfalls auch mit negativer Abgrenzung, welche Tätigkeiten gerade nicht Gegenstand des Auftrags sein sollen), die wirksame Einbeziehung Allgemeiner Auftragsbedingungen mit Regelung zur Haftungsbeschränkung und eine möglichst umfassende schriftliche Dokumentation der Beratung.

     

    Weiterführende Hinweise

    Quelle: Ausgabe 06 / 2021 | Seite 103 | ID 47375279