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  • · Nachricht · § 53 FGO

    Verstoß gegen zwingende Zustellungs-vorschrift und tatsächlicher Zugang

    | Verstößt eine Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten gegen zwingende Zustellungsvorschriften, ist das zuzustellende Dokument in dem Zeitpunkt dem Empfänger tatsächlich zugegangen, in dem er das Schriftstück in die Hand bekommt. |

     

    Sachverhalt

    Der Postbote hatte einen Brief mit einem finanzgerichtlichen Urteil am Vormittag des 24.12., einem Mittwoch, in den Briefkasten einer Rechtsanwaltskanzlei geworfen. Dabei hatte er aber vergessen, den vorgeschriebenen Datumsvermerk auf dem Umschlag anzubringen. Erst nach den Feiertagen - am Montag, den 29.12. - wurde der undatierte Brief vorgefunden. Der Anwalt ging von einer Zustellung an jenem Montag aus und legte ein Rechtsmittel erst am 27.1. beim BFH ein. Der zuständige Senat des BFH hielt dies für verspätet, weil die Monatsfrist schon am 24.12. begonnen habe: Am Heiligabend sei ebenso wie an Silvester davon auszugehen, dass Anwälte Postsendungen zur Kenntnis nehmen könnten, die bis mittags eingeworfen werden. Dies reiche für einen tatsächlichen Zugang aus. Andere Senate sahen dies aber anders, weshalb der Große Senat jetzt entscheiden musste.

     

    Entscheidung

    Die Rechtsmittelfrist beginnt mit dem Tag, an dem ein Urteil zugestellt wird. Dieser Zeitpunkt muss aber sowohl vom Zustellenden wie auch vom Empfänger genau bestimmt werden können. Trifft der Postbote den Zustellungsempfänger nicht an, darf er den betreffenden Brief zwar in den Briefkasten werfen. Entsprechende Datumsvermerke werden bei einer solchen Ersatzzustellung aber zu Dokumentationszwecken auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks und auf der Zustellungsurkunde angebracht. Wird eine dieser Förmlichkeiten vergessen, gilt das Schreiben in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem es dem Empfänger tatsächlich zugegangen ist (§ 53 Abs. 2 FGO iVm § 189 ZPO).

     

    Der Große Senat des BFH teilt die strenge Sichtweise des vorlegenden Senats nicht: Wenn der Gesetzgeber die für eine Zustellung im Grundsatz notwendige Übergabe des Schriftstücks durch den Einwurf in den Briefkasten zulässt, müssen zwingend alle Verfahrensförmlichkeiten beachtet werden. Nur dann können die Beteiligten die Rechtsmittelfrist zuverlässig berechnen. Wird ein Datumsvermerk vergessen, kommt es für den Fristbeginn allein darauf an, wann der Empfänger das Schriftstück tatsächlich in Händen hält.

     

    Der zuständige Senat muss daher über das Rechtsmittel auch materiell entscheiden, weil die Rechtsmittelfrist nach Auffassung des Großen Senats gewahrt ist.

     

    Fundstellen

    Quelle: ID 42814865