· Fachbeitrag · Elektronische Steuererklärung
Trotz Bedenken wegen Ausspähung ist der Jahresabschluss elektronisch zu übermitteln
von Rechtsassessor Dr. Matthias H. Gehm, Limburgerhof und Speyer
Eine unbillige Härte i. S. der § 5b Abs. 2 S. 1 EStG und § 150 Abs. 8 AO ergibt sich nicht durch ein behauptetes Ausspähungsrisiko, auch wenn der Steuerpflichtige ein sicherheitsrelevantes Unternehmen betreibt. Wenn weder eine wirtschaftliche noch eine persönliche Unzumutbarkeit vorliegt, kann auch aus anderen Gründen eine unbillige Härte gegeben sein. Das Gesetz sieht nur 2 Arten der Übermittlung vor (Papierform und Datenfernübertragung). Die Daten können daher nicht auf Datenträgern (USB-Stick oder CD/DVD) eingereicht werden (BFH 15.5.18, VII R 14/17). |
Sachverhalt und Entscheidung
Die klagende GmbH vertreibt sicherungstechnische Einrichtungen und streitet sich mit dem FA, ob sie die Bilanz und GuV in Papierform, hilfsweise auf einem Datenträger, übermitteln darf. Das Unternehmen sah die Gefahr, dass es bei Datenfernübertragung der Daten ausgespäht werden könnte. Der BFH vertrat die Meinung, dass gerade mit Blick auf die Sicherheitsbedenken weder eine unbillige Härte bzw. Unzumutbarkeit i. S. von § 5b Abs. 2 S. 1 EStG noch nach § 5b Abs. 2 S. 2 EStG i. V. mit § 150 Abs. 8 AO vorliegt und die Klägerin Bilanz und GuV durch Datenfernübertragung übermitteln muss. Das wegen der Weigerung festgesetzte Zwangsgeld (500 EUR) war auch nicht ermessensfehlerhaft.
Ausnahmen von der Pflicht der elektronischen Übermittlung
Nach § 5b Abs. 1 S. 1 EStG ist grundsätzlich der Inhalt von Bilanz und GuV nach amtlich vorgeschriebenen Datensatz durch Datenfernübertragung zu übermitteln. Als Ausnahme von diesem Grundsatz kann das FA zur Vermeidung von unbilligen Härten auf diese elektronische Übermittlung verzichten. Vergleichbares gilt auch für die elektronische Abgabe der
- KSt-Erklärung (§ 31 Abs. 1a KStG),
- GewSt-Erklärung (§ 14a GewStG),
- ESt-Erklärung (§ 25 Abs. 4 EStG),
- USt-Voranmeldung (§ 18 Abs. 1 UStG),
- USt-Jahreserklärung (§ 18 Abs. 3 UStG).
Ausnahmen ohne Ermessensentscheidung
Bei der Ermessensentscheidung des FA, auf die elektronische Übermittlung zu verzichten, ist § 150 Abs. 8 AO zu beachten. Danach hat der Steuerpflichtige im Falle der wirtschaftlichen und persönlichen Unzumutbarkeit sogar einen Anspruch darauf, seinen Erklärungen in Papierform (nicht jedoch auf einem anderen elektronischen Datenträger) einzureichen (BFH 14.3.12, XI R 33/09, BStBl II 12, S. 477, Rz. 38).
Ob eine persönliche oder wirtschaftliche Unzumutbarkeit i. S. von § 5b Abs. 2 S. 2 EStG i. V. mit § 150 Abs. 8 AO vorliegt, ist gerichtlich voll überprüfbar, da es sich hierbei um unbestimmte Rechtsbegriffe handelt. Aufgrund der Formulierung „insbesondere“ in § 150 Abs. 8 S. 2 AO ergibt sich, dass die Ausführungen zu den Fällen persönlicher und wirtschaftlicher Unzumutbarkeit nur Regelbeispiele sind, sodass außerhalb dieser sich noch eine entsprechende Unzumutbarkeit ergeben kann (BFH 14.3.12, XI R 33/09 , BStBl II 12, S. 477, Rz. 67).
Dabei hat der BFH bereits hervorgehoben, dass diese Regelung bewusst vom Gesetzgeber weit gefasst wurde, um unbillige Härten durch die Erlaubnis, die Meldung in Papierform nach amtlichen Vordruck vorzunehmen, zu vermeiden und somit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip Rechnung zu tragen. Somit ist die ungerechtfertigte Versagung einer Ausnahmegenehmigung ausgeschlossen (BFH 15.12.15, V B 102/15, FG Rheinland-Pfalz 12.10.16, 2 K 2352/15, Rev. BFH VIII R 29/17; BFH 14.3.12, XI R 33/09; BT-Ds. 16/10940, S. 3, 10; Rätke in: Klein, AO, 13. Aufl. 16, § 150, Rz. 93f.).
Ein Antrag kann auch konkludent durch Einreichung der Bilanz und GuV in Papierform gestellt werden. Denn ein förmlicher Antrag ist nicht erforderlich (BFH 14.3.12, XI R 33/09 , BStBl II 12, S. 477, Rz. 42; Rätke in: Klein, AO, 13. Aufl. 16, § 150, Rz. 95; BT-DS 16/10940, S. 10).
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Bei der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit sind die Gewinnsituation aber auch die Vermögensverhältnisse (Betriebsvermögen) des Steuerpflichtigen zu beachten. Ist diese Situation derart gut, dass die Aufwendungen für die erforderlichen technische Installationen wie auch ihre Wartung in einem sinnvollen wirtschaftlichen Verhältnis hierzu stehen, kann ihm dieser Aufwand zugemutet werden.
Allein dass diese technischen Voraussetzungen noch nicht vorliegen, begründet keine wirtschaftliche Unzumutbarkeit i. S. von § 150 Abs. 8 S. 2 Alt. 1 AO (BFH 14.3.12, XI R 33/09 , BStBl II 12, S. 477, Rz. 45, 53f., 57f.; FG Rheinland-Pfalz 12.10.16, 2 K 2352/15, Rev. VIII R 29/17, wobei bei einem Kleinstbetrieb mit jährlichen Einnahmen von 5.000 bis 6.000 EUR die wirtschaftliche Unzumutbarkeit angenommen wurde, unerheblich war demgegenüber, ob der Steuerpflichtige früher selbst in der Finanzverwaltung als EDV-Anwender gearbeitet hatte). Hingegen ist das Fehlen technischer Voraussetzungen bei der Ermessensentscheidung nach den Normen in den Einzel-Steuergesetzen zu berücksichtigen (BFH 14.3.12, XI R 33/09, BStBl II 12, S. 477, Rz. 59; FG Bremen 26.6.14, 2 K 12/14).
Allerdings wird sehr pauschal betrachtet auch vertreten, dass in Anbetracht der gesunkenen Preise für Internetzugang und PC eine wirtschaftliche Unzumutbarkeit kaum noch in Betracht käme (Rätke in: Klein, AO, 13. Aufl. 16, § 150, Rz. 96). |
Eine unbillige Härte ist auch gegeben, wenn der Steuerpflichtige nach seinen individuellen Kenntnissen und Fähigkeiten nicht oder nur eingeschränkt in der Lage ist, die Möglichkeiten der Datenfernübertragung zu nutzen ‒ persönliche Unzumutbarkeit i. S. von § 150 Abs. 8 S. 1 und S. 2 Alt. 2 AO. Dies ist insbesondere bei Kleinstbetrieben der Fall bzw. wenn keinerlei Medienkompetenz etwa wegen des Alters gegeben ist (BFH 14.3.12, XI R 33/09 , BStBl II 12, S. 477, Rz. 45, 60ff. unter Bezugnahme auf BT-DS 16/10940, S. 10; FG Bremen 26.6.14, 2 K 12/14 [2] ‒ EFG 14, S. 1732; Rätke in: Klein, AO, 13. Aufl. 16, § 150, Rz. 97; FG Berlin-Brandenburg 14.2.18, 3 K 3249/17 ‒ EFG 18, S. 706 im Fall eines 64 Jahre alten Landwirts, wobei dann der persönlichen Unzumutbarkeit nicht die Möglichkeit entgegensteht, ein entsprechend versiertes Familienmitglied mit der Datenübertragung zu betrauen zu können).
Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, so unterstellt der BFH eine entsprechende persönliche Zumutbarkeit (BFH 14.3.12, XI R 33/09 , BStBl II 12, S. 477, Rz. 63ff.; vgl. auch FG Berlin-Brandenburg 8.10.15, 7 V 7195/15 ‒ EFG 15, S. 2158 bei entsprechend versierten Mitarbeitern). Allerdings hatte das FG Berlin-Brandenburg noch entschieden, dass der persönlichen Unzumutbarkeit nicht entgegensteht, dass dem Steuerpflichtigen möglich sei, sich insofern eines Steuerberaters zu bedienen (FG Berlin-Brandenburg 14.2.18, 3 K 3249/17 ‒ EFG 18, S. 706). Dieser Sichtweise hat der BFH durch vorliegende Entscheidung eine Absage erteilt, sodass es insgesamt betrachtet schwieriger werden wird, sich auf persönliche Unzumutbarkeit zu berufen. Wie dies mit dem dargelegten gesetzgeberischen Anliegen zu vereinbaren ist, § 150 Abs. 8 AO großzügig in der Praxis anzuwenden, erscheint fraglich. |
Ausnahmen mit Ermessensentscheidung
Soweit hinsichtlich der elektronischen Übermittlung ein Ermessen besteht, ist die Ermessensentscheidung gemäß § 102 FGO gerichtlich nur auf Ermessensfehler hin überprüfbar. Der Steuerpflichtige hat nur einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung des FA unter Berücksichtigung des Prinzips der Gleichmäßigkeit der Besteuerung (BFH 14.3.12, XI R 33/09 , BStBl II 12, S. 477, Rz. 72; FG Schleswig-Holstein 8.3.17 ,1 K 149/15).
Bei der hierbei vorzunehmenden Abwägung sind die Interessen des Steuerpflichtigen gegen die des Fiskus hinsichtlich der elektronischen Datenübermittlung abzuwägen, wobei sich durch die elektronische Datenübermittlung für den Fiskus eine Verwaltungsvereinfachung und eine bessere Überprüfungsmöglichkeit ergibt, was insofern beim Abwägungsprozess zu berücksichtigen ist (BFH 14.3.12, XI R 33/09 , BStBl II 12, S. 477, Rz. 74; FG Berlin-Brandenburg 14.2.18, 3 K 3249/17; Rätke in: Klein, AO, 13. Aufl. 16, § 150, Rz. 99).
Allgemeine nicht näher substantiierte Sicherheitsbedenken führen aber nicht zu einer entsprechenden Ermessensreduzierung auf Null, derart dass das FA auf die elektronische Datenübermittlung verzichten müsste, denn dann wäre regelmäßig auf diese Datenübermittlung zu verzichten, was aber klar dem gesetzgeberischen Willen widerspricht (FG Schleswig-Holstein 8.3.17, 1 K 149/15).