· Fachbeitrag · Kanzleicontrolling
Ein einfaches Modell zur Kanzleisteuerung
von Gerd Otterbach, Kanzleiberater, Netphen, www.prostb.de
| Die große Herausforderung für die Kanzleisteuerung liegt in der Komplexitätsreduktion. Die Kanzleisoftware macht die Situation oft nicht einfacher. Gefühlt Hunderte von Auswertungen bringen uns häufig vom Wege des kontrollierten und vereinfachten Kanzleicontrollings ab. In diesem Beitrag möchte ich Ihnen ein einfaches Modell zur Kanzleisteuerung vorstellen. Es besteht aus nur fünf Kennzahlen und drei einfach durchzuführenden Analysen. Voraussetzung ist allerdings, dass die „Stammdaten des Kanzleicontrollings“ genauso gut gepflegt sind wie die Mandantenstammdaten. |
Fünf wichtige Kennzahlen für das Kanzleicontrolling
Wenn wir über Kennzahlen reden, denken wir in erster Linie an die Ergebnisse in unserer eigenen Gewinn- und Verlustrechnung. Im Folgenden möchte ich Ihnen fünf Kennzahlen vorstellen, die sie jederzeit parat haben sollten:
- Rendite vor (kalkulatorischem) Unternehmerlohn
- Umsatz pro Mitarbeiter
- Verhältnis aus Mandantenzeit zu Kanzleizeit
- Anteil der Beratungsleistung am Gesamtumsatz
- Noch nicht abgerechnete Forderungen
Kennzahl 1: Rendite vor (kalkulatorischem) Unternehmerlohn
Umsatz macht Arbeit, Gewinn macht Spaß! Was erwirtschaften Sie für ein Ergebnis, von dem Sie oder mehrere Partner leben dürfen (Bereinigung um die Unternehmerlöhne)? Setzen Sie doch einfach mal die Brille eines fiktiven Käufers Ihrer Kanzlei auf. Der Logik des modifizierten Ertragswertverfahrens folgend müsste der Investor den Kaufpreis finanzieren und von den Ergebnissen der Praxis leben können, sodass er nach ca. sechs Jahren den return of investment erreicht hat.
Wollen Sie etwa 100 % eines Jahresumsatzes als Verkaufspreis ansetzen, so geht die Rechnung bei einer Rendite von unter 30 % oftmals nicht auf. Die wichtigste Stellschraube zur Verbesserung der Rendite ist der (nachhaltige) Umsatz. Machen Sie beispielsweise Leerkosten zu Nutzkosten, indem Sie bislang kostenlos erbrachte Leistungen in Ihren Dienstleistungskatalog aufnehmen und abrechnen. Denken Sie daran: Umsatz ist Preis mal Menge. Und noch eines: Haben Sie Mut, auch Ihre Preise zu überdenken. Andere tun das auch.
Kennzahl 2: Umsatz pro Mitarbeiter
Hier setzen wir ins Verhältnis, wie viel Umsatz ein Mitarbeiter in Ihrer Praxis im Durchschnitt erwirtschaftet. Hierzu rechnen wir wie folgt: Ermitteln Sie die Anzahl der bei Ihnen im operativen Geschäft tätigen Mitarbeiter inklusive Mitglieder der Geschäftsleitung. Also auch der Chef als Einzelunternehmer und das Sekretariat werden mitgezählt. Zählen Sie nun vollzeitäquivalent, nicht nach Köpfen. Halbtagskräfte zählen mithin 0,5 usw. Gerne können auch Azubis und freiberuflich tätige Mitarbeiter mit hinzugenommen werden. Teilen Sie nun den Jahresumsatz Ihrer Kanzlei durch den so ermittelten Wert.
Wir lösen uns ein wenig von der oben beschriebenen Denke, mitarbeiterbezogen zu analysieren. Wir sehen die Kanzlei und die gemeinsam erzielte Leistung als Teamwork. Bei einem Umsatz von weniger als 100 TEUR pro Mitarbeiter bestehen deutliche Potenziale. Vielfach besteht der Glaube, man benötige noch Personal. Wie schaffen es dann andere Kanzleien, hier einen Wert von mehr als 150 TEUR pro Mitarbeiter zu erzielen? Vielleicht sind Ihre Kapazitäten ja doch ausreichend und es sollten gewisse Optimierungsmaßnahmen auf den Weg gebracht werden?
Kennzahl 3: Verhältnis aus Mandantenzeit zu Kanzleizeit
Im Rahmen der Zeiterfassung hat der Mitarbeiter generell zwei Zuordnungsmöglichkeiten. Er ordnet die Zeit dem Mandanten zu (Wertschöpfung) oder er qualifiziert sie als Kanzleizeit (Zeiten für Kanzleiprojekte, Weiterbildung, Eigenverwaltung). Doch was ist in Grenzfällen?
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Die Mitarbeiterin betreibt eine ausführliche Literaturrecherche, weil ein Mandant mal wieder eine totale Ausnahme im Steuerrecht entdeckt hat und das Kopfwissen für die Lösung nicht reichte. Sie hält das Ergebnis in einem Memo fest, das auch den Kolleginnen zur Weiterbildung dient. Kanzleizeit oder Mandantenzeit?
Der Dienstleistungskatalog bzw. klare Prozesse und Vorgaben sollten dies regeln. Hier wurde die Recherchezeit durch das Mandat veranlasst. Würde die Recherchezeit als Kanzleizeit gebucht, wäre das nicht nur falsch, es würde auch den Aufwand verschleiern, den das Mandat verursacht hat. Ob ein Teil dieser Zeit später dem Mandanten nicht in Rechnung gestellt wird, ist eine gesonderte betriebswirtschaftliche Entscheidung, die mit Blick auf das konkrete Mandat gefällt werden muss. |
Es gibt Kanzleien, die einen Anteil von Kanzleizeiten mit mehr als 50 % der Gesamtzeiten haben. Hier lohnt es sich, an den Prozessen, der Definition des Leistungsportfolios und der Honorarpolitik im Allgemeinen zu arbeiten.
Kennzahl 4: Anteil der Beratungsleistung am Gesamtumsatz
Mehrere Berufsstandserhebungen ergaben, dass der Anteil des Umsatzes aus Beratungsleistungen am Gesamtumsatz nur selten 5 % übersteigt. Im Allgemeinen ist es jedoch durchaus nicht schwierig, mehr als 15 % des Honorars als Beratungsleistung abzurechnen.
Auch hier hilft es, die Brille eines Investors Ihrer Kanzlei aufzusetzen. Ein hoher Anteil an Beratungsleistungen ist hier interessant. Zum einen werden Beratungsleistungen in der Regel höher abgerechnet als die übrigen Tätigkeiten. Zum anderen muss der Käufer den Mandanten nicht mehr daran „gewöhnen“, auch Beratung abzurechnen. Parallel zu den Überlegungen hinsichtlich des Dienstleistungskatalogs ist zu überlegen, was denn tatsächlich nun Beratung ist und was nicht. Prüfen Sie, ob diverse Tätigkeiten, die Sie bereits ausüben, einfach umqualifiziert werden könnten. Überdenken Sie auch Ihre Honorarpolitik.
Kennzahl 5: Noch nicht abgerechnete Forderungen
Die Faustformel besagt, dass Sie nicht mehr als das 1,5-Fache eines Monatsumsatzes vor sich herschieben sollten. Alles andere kostet viel Geld. Doch nicht nur das nicht eingegangene Honorar zehrt am Erfolg.
Schauen Sie bitte regelmäßig ‒ nicht nur zu Bewertungsfragen am Ende des Jahres ‒ Ihre (noch) nicht abgerechneten Aufwandspositionen an. Je größer das Volumen, desto mehr Potenzial birgt es, hier eine erhöhte Aufmerksamkeit auf die Abrechnung zu legen.
Drei einfache ABC-Analysen
Schätzen Sie regelmäßig drei wichtige Kanzleiparameter ein und leiten Sie Handlungsempfehlungen daraus ab. Hier soll es um folgende Analysen gehen:
- Auftragsart
- Mandanten
- Mitarbeiter
Bewertungskriterium ist jeweils der Deckungsbeitrag. Kategorie A: Der Deckungsbeitrag ist super, Kategorie B: Der Deckungsbeitrag ist mittel, Kategorie C: Der Deckungsbeitrag ist nicht gut. Sie sollten diese Analysen regelmäßig durchführen, um Entwicklungen erkennen zu können.
Analyse 1: Auftragsarten
Es empfiehlt sich, in regelmäßigen Abständen festzustellen, in welchem Dienstleistungsbereich die Kanzlei das Geld verdient und in welchem eher nicht. Hierzu muss festgelegt werden, welche Dienstleistungen die Kanzlei überhaupt bedient. In den meisten Fällen sind das die FiBu mit Jahresabschluss und Deklaration, zudem der Bereich Lohn sowie Beratungsleistungen im Zusammenhang damit. Eventuell bietet die Kanzlei auch Leistungen aus dem Bereich der vereinbaren Tätigkeiten an.
In der Kanzlei-Software sind das die dort spezifizierten Auftragsarten. Lassen Sie sich diese einschließlich der Unterauftragsarten anzeigen und beleuchten Sie diese auf Vollständigkeit und Richtigkeit. Schauen Sie sich darüber hinaus an, welche Tätigkeiten bzw. Honorare hierzu im System subsumiert werden.
PRAXISTIPP | Wichtig: Pflegen Sie diese „Stammdaten des Kanzleicontrollings“ mit derselben Sorgfalt wie Sie die Stammdaten Ihrer Mandanten pflegen! |
Analyse 2: Mandanten
Fragen Sie Ihre Mitarbeiter, von welchen Mandanten sie sich am liebsten trennen würden oder welche Mandanten den höchsten Spaßfaktor haben. Wenn jeder Mitarbeiter fünf Mandantennamen auf einen Zettel schreibt, könnte es sein, dass bei Auswertung der Zettel übereinstimmende Ansätze erkennbar sind. Oftmals sind es die gleichen Mandanten, die hier zu finden sind und es sind die Mandanten, die Sie ebenfalls auf dem Zettel hatten. Die Gründe sind immer ähnlich. Die Mandanten liefern nicht, machen nur Arbeit, sind unfreundlich und bringen ‒ unter dem Strich ‒ kein Geld.
Fahren Sie nun ‒ verprobungshalber ‒ genau so eine Auswertung mit den Daten aus der Kanzleisoftware und beurteilen Sie die Daten auf Plausibilität. Sortieren Sie die Mandate dazu nach dem Kriterium jährlicher Gesamtdeckungsbeiträge. Also: Welches Honorar hat die Kanzlei mit dem Mandanten in einem Jahr erzielt und wie viel Aufwand hat er verursacht? Die lukrativsten Mandate stehen oben in der Liste, die problematischsten ganz unten.
PRAXISTIPP | Betreiben Sie Ursachenforschung: Was läuft bei den guten Mandaten anders, was läuft bei den problematischen schief? Welche Ursachen liegen im Verantwortungsbereich der Kanzlei, welche beim Mandanten. Handeln Sie! |
Analyse 3: Mitarbeiter
In vielen Kanzleien gilt noch die Faustregel, der Mitarbeiter muss das Dreifache seines Gehalts an Umsatz bringen: Ein Drittel zur Deckung der Personalkosten, ein Drittel zur Deckung der Sachkosten und ein Drittel für den Gewinn (also für den Inhaber). Konkret bedeutet das: Der Inhaber legt den Gewinnbedarf fest und errechnet den dafür nötigen Umsatz jedes Mitarbeiters, der z. B. in Jahresgesprächen einvernehmlich festgelegt wird. Natürlich muss die Umsatzvorgabe realistisch und mit den Mandaten erwirtschaftbar sein. In der Regel schult dieses Vorgehen das betriebswirtschaftliche Denken und Handeln der Mitarbeiter. Sie erkennen den Wert ihrer Arbeitszeit und versuchen, sie möglichst umsatzwirksam einzusetzen. Bei Problemen werden sie schneller initiativ, sodass früher gehandelt werden kann.
Auch hier lohnt es sich, je Mitarbeiter Leistungen und Aufwand gegenüberzustellen. Fahren Sie auch hier eine Auswertung aus Ihrem System und betrachten Sie die Ergebnisse aus der Hubschrauberperspektive.
PRAXISTIPP | Sind die Wertansätze plausibel und decken sich diese mit Ihren Erwartungen? Suchen Sie frühzeitig das Gespräch mit den Mitarbeitern. |
Je sicherer Ihre Zahlen und Auswertungen sind, desto besser können Sie belastbare Ergebnisse vorweisen. Hieraus lassen sich umso besser Maßnahmen ableiten. Haben Sie den Mut, diese auch umzusetzen, denn es hat sich in der Praxis bewährt. Machen Sie mit Ihrem Kerngeschäft (Analyse der Auftragsarten) an den Stellen ein gutes Geschäft, wo Ihre Expertise liegt! Machen Sie mit den Mandanten (ABC-Analyse) ein gutes Geschäft, bei denen es sich lohnt und lassen Sie sich nicht Ihre kostbare Zeit für diese Mandanten durch andere Auftraggeber stehlen! Setzen Sie Ihre wertvollen Mitarbeiter dort ein, wo sie ihre Stärken haben! Fordern und fördern Sie!
Voraussetzungen für ein Kanzleicontrolling
Selbst für das in diesem Beitrag vorgestellte Kanzleicontrolling „light“ gilt: Ohne saubere Datenbasis keine Erkenntnisse. Keinesfalls sollten Sie versuchen, die erforderlichen Daten „zu Fuß“ zu ermitteln und auszuwerten. Ihre Kanzleisoftware sollte so eingerichtet sein, dass sie Ihnen die Daten auf Knopfdruck generiert. Dazu müssen Sie dafür sorgen, dass
- die „Controlling-Stammdaten“ (Mitarbeiter-, Auftrags-, Mandanten- und Systemstammdaten inkl. Wertansätze wie z. B. Mitarbeiter-Stundenverrechnungssätze) eingepflegt sind und
- die Kanzleisoftware auch im vollen Umfang genutzt wird, sodass sie alle relevanten Bereiche abbildet. Das erfordert unter anderem:
- Faktura über das System: Die Honorare werden innerhalb des Systems abgerechnet, um die Verbindung zu den leistungserbringenden Prozessen und Personen herzustellen.
- Erfassung der Aufwandszeiten im System: Die Aufwandszeiten werden dann bei Faktura dem erzeugten Honorar gegenübergestellt. In Synchronisation der Zeiterfassung mit dem Dienstleistungskatalog ist dies ein wesentlicher Schritt auf dem Weg zur Analyse: Was machen wir den ganzen Tag über eigentlich?
Notfalls sollten Sie sich das System von einem Experten einrichten und Ihre Mitarbeiter in der Anwendung schulen lassen.
Sekundierend hierzu ist Folgendes erforderlich:
- Ein klares Dienstleistungskonzept: Hier empfiehlt sich beispielsweise die Erstellung eines Dienstleistungskatalogs, um die Auftragsarten möglichst exakt voneinander abzugrenzen. Beispielsweise: Was ist noch Deklaration, was schon Beratung? Was ist (noch) Finanzbuchhaltung und was (schon) Jahresabschlusserstellung?
- Klare Kanzleiprozesse: Wann gibt wer wie und wo seine Zeiten ein? Wann, wie oft und von wem werden welche Rechnungen geschrieben? Wie sind die definierten Routinen, um Ergebnisse aus Analysen zu betrachten, auszuwerten und Maßnahmen zu beschließen, um sie dann umzusetzen?
- Kontinuierliche Nachschau: Damit die Prozesse auch so bleiben wie sie eingerichtet wurden.
Weiterführende Hinweise
- In sechs Schritten zum Dienstleistungskatalog (Sander, KP 21, 98)
- Der Stundenverrechnungssatz als wichtige Kennzahl des Kanzleicontrollings (Sander, KP 21, 212)
- So finden Sie unter Ihren Mandanten die richtigen für die betriebswirtschaftliche Beratung (Sander, KP 20, 118)
- Optimale Prozesse in der Steuerkanzlei: Leistungserfassung und Honorarsicherung (KP-Sonderausgabe 1/21)