· Fachbeitrag · Kanzleikauf/-verkauf
Stolpersteine beim Übergang der Kanzlei vom Abgebenden auf den Übernehmenden
von StB Daniel Kubitza, Düren
| Der Kanzleikauf-/verkauf ist für die meisten Steuerberater ein einmaliger Vorgang ohne persönliche Erfahrungswerte. Seminare und Fachbücher legen den Schwerpunkt häufig auf die steuerlichen und rechtlichen Aspekte und weniger auf die vielen praktischen Probleme. Mit diesem Beitrag möchte ich auf einige Stolpersteine eingehen, die mir bei der Begleitung von Praxisübergaben immer wieder begegnen. |
Ü55 oder U55 ‒ Aus welchen Motiven verkauft der Abgebende?
Bei der klassischen Kanzleiübergabe entscheiden sich auch heute noch viele Senior-Berater dazu, die Kanzlei steuerbegünstigt ab dem 55. Lebensjahr zu verkaufen. Oft wirken Käufer und Verkäufer für eine kurze Zeit zusammen, bevor sich der Senior aus der Kanzlei zurückzieht. Sowohl steuerlich als auch organisatorisch werden dabei die Besonderheiten immer komplexer und auch die Gründe für einen Kanzleiverkauf vielfältiger.
Etliche Kanzleien suchen bereits vor der Rentenphase des Inhabers einen Nachfolger. Die Gründe dafür sind vielfältig. Ein privat veranlasster Umzug in eine entfernte Region. Eine sehr erfolgreiche Selbstständigkeit, einhergehend mit einer hohen persönlichen Arbeitsbelastung des Inhabers macht einen frühen Eintritt in die goldenen Jahre attraktiv und möglich. Leider sind die Gründe teils auch weniger erfreulich wie Krankheit, nur noch schwer erträglicher Dauerstress oder schlichtweg fehlender wirtschaftlicher Erfolg und der Ärger um ständige Gebührendiskussionen und Forderungsausfälle.
PRAXISTIPP | Ein Verkauf in frühen Jahren schließt die steuerbegünstigte Veräußerung meist aus. Hier sind kreative Lösungen zwischen Veräußerer und Käufer gefragt. Die Gründung einer gemeinsamen Gesellschaft mit der späteren Option zur Übernahme könnte eine Lösung sein. Auch die Verpachtung des Mandantenstamms ist denkbar. Dabei müssen die Verträge so verhandelt werden, dass die Finanzverwaltung keine für den sogenannten halben Steuersatz schädliche Übertragung fingiert. Für viele Fallvarianten haben sich praxiserprobte Lösungen entwickelt. |
Je nach Verkaufsmotivation des Abgebenden können Erwerber diesen nach erfolgter Kanzleiübergabe noch mehr oder weniger in die Kanzlei einbinden. Die beruflichen Ambitionen der Abgebenden könnten unterschiedlicher nicht sein. Manch einer ist froh, sich endlich privaten Interessen wie Familie, Hobbys und Reisen zu widmen. Andere sehen ihren Lebenszweck in der Berufsausübung. Neben einer Weiterarbeit für den Erwerber können eine Vielzahl neuer beruflicher Herausforderungen Interesse wecken: Autor für Verlage, Verfassen von Fachbüchern, Dozent an Hochschule, Tätigkeit für Kammer oder Verband, ehrenamtliche Tätigkeit oder die (steuerlich unschädliche) Selbstständigkeit in einer anderen Branche. Auch die Zurückbehaltung eines kleinen Mandantenstamms ist mithin denkbar. Jedoch birgt diese Variante viel Konfliktpotenzial mit Finanzamt, Mandanten und Erwerbern.
Die Suche nach der/m Richtigen kann lang werden
Viele Kollegen suchen lange vergebens nach einem Steuerberater in Anstellung oder als potenziellen Nachfolger. Neben den oft sehr hohen Anforderungen der Senior-Berater fehlt es, gerade in ländlicheren Regionen, an jungen Steuerberatern. Diese finden nach dem Studium eine Anstellung bei großen Gesellschaften oder in der Wirtschaft. Oft befinden sich die Unternehmen in Ballungszentren und ein Umzug in eine ländliche Region scheint, nicht nur wegen des tendenziell geringeren Einkommens, wenig attraktiv. Das im Artikel „Wohin tendiert die Steuerberatung“ (Derlath, KP 20, 122) dargestellte nachlassende Interesse an der selbstständigen freiberuflichen Berufsausübung kann in der Praxis nur bestätigt werden.
Viele junge Steuerberater sind auf dem Gebiet der Steuerberatung absolute Spezialisten. Je nach Vorbildung verfügen Sie sogar über umfangreiche betriebswirtschaftliche Kenntnisse. Zumeist jedoch sind die Erfahrungen im Bereich der Unternehmensführung gering und Praxiserfahrung mit der Führung einer kleinen oder mittelständischen Kanzlei ist gar nicht vorhanden. Das beginnt bei der Sortierung des morgendlichen Posteingangs und geht über die Zeitplanung und die permanenten kleinen Störungen im Berufsalltag bis zu den zwischenmenschlichen Momenten im Umgang mit Mitarbeitern und Mandanten.
Häufig bleibt der Abgebende weiter emotional stark investiert
Dabei entstehen bei einem Kanzleiverkauf viele Punkte, die der eigenen Person besonders wichtig sind, denn häufig wird ein Lebenswerk abgegeben. Die weiterhin gute Betreuung der Mandanten und ein sicherer Arbeitsplatz für die oft langjährigen Mitarbeiter stehen im Fokus. Darüber hinaus sollten auch die eigenen, persönlichen Interessen Beachtung finden: ein steuerbegünstigter Veräußerungsgewinn, Absicherung bei Krankheit, geringere Arbeitsbelastung oder die eigene Altersvorsorge.
Unterschiedliche Auffassungen ‒ unüberbrückbare Gräben
Fraglich, und im Vorhinein kaum absehbar, ist die sinnvolle Dauer der Zusammenarbeit und die Verteilung der Kompetenzen. Kleinere Differenzen zwischen den Beratern sind aufgrund von persönlichen Werten und Arbeitsstilen fast unvermeidlich. Zu handfesten Problemen werden diese, wenn die Kanzleientwicklung stagniert, sich unüberbrückbare Gräben bilden, sich die Arbeitsqualität oder Gewinnsituation verschlechtert.
PRAXISTIPP | Senior und Junior sollten sich bei Konflikten immer in die Position des jeweils anderen versetzen und auf seine Werte und Standpunkte Rücksicht nehmen. Gemeinsam kann eine produktive und harmonische Berufszeit gestaltet werden. Sollte bei aller Kompromiss- und Gesprächsbereitschaft keine funktionierende Zusammenarbeit mehr möglich sein, sollten vorher schon Optionen für ein Ausscheiden des Seniors vereinbart worden sein. Selbstverständlich mit einem zulässigen Wettbewerbsverbot. |
„Wenn er nicht weitermacht, laufen die Mandanten weg“
Die verständliche Sorge, ein abruptes Ausscheiden des Seniors könnte zu einer Kündigungswelle unter den Mandanten führen, ist weit verbreitet. Aus eigener Erfahrung ist dem mithin nicht so. Mandanten sehen die Zukunft schnell im Junior und sind auch durch neue Arbeitsweisen zu begeistern. So erzielen bereits kleine Veränderungen im Bereich der Digitalisierung schon große Wirkung. Zudem haben die Mandanten aufgrund der häufigen persönlichen Kontakte ebenfalls eine enge Bindung an den nach wie vor vorhandenen Kanzleimitarbeiter. Ein baldiges Ausscheiden des Veräußerers kann sogar positiv zu werten sein. Der Käufer kann seine Arbeitsmethoden und Strategien ungestört umsetzen.
Als Nachteil bleibt jedoch, dass mit Ausscheiden des Seniors nicht nur sein Fachwissen, sondern auch eine in der Regel fleißige Arbeitskraft und insbesondere auch seine Beziehungen zu den Mandanten verloren gehen. Der Junior muss viel Aufbauarbeit leisten, um diese Lücke zu füllen. Aufgrund des geringeren Konfliktpotenzials zwischen Jung und Alt kann diese Variante für den Erwerber trotzdem deutlich entspannter sein.
Wer muss sich Mandatsabgänge zurechnen lassen?
Diskussionen liefern dann allerdings Mandatsabgänge. Wer hat diese zu verschulden? Ist die Mandatskündigung noch durch den Senior verursacht oder vielleicht doch schon durch den Erwerber? Eine sinnvoll gestaltete vertragliche Abschmelzungsklausel kann hier für beide Seiten hilfreich sein. Sofern durch die bisherige Kanzleiorganisation bereits die Mitarbeiter zu einer hohen Mandatsbindung beigetragen haben, ist aus eigenen Erfahrungen, nur mit sehr geringen Mandatskündigungen zu rechnen.
PRAXISTIPP | Von Kanzleivermittlern wird oft eine Kündigungsquote von bis zu 10 % als noch üblich empfunden. Bei durch uns betreute Kanzleinachfolgen erzielen wir Bleibequoten von nahezu 100 %. Aus dem Erfahrungsaustausch mit Kollegen sind Fälle bekannt, bei denen mehr als die Hälfte der Mandanten nach Kanzleiübernahme den Steuerberater gewechselt haben. Ein Restrisiko bei der Übernahme der Mandate wird bleiben und ist als originäres unternehmerisches Risiko schwierig auszuschließen. Wer engagiert auf einem hohen fachlichen Niveau für die Mandanten da ist, wird regelmäßig neue Mandate über organisches Wachstum generieren können und somit die Abgänge kompensieren. |
„Ich kann mir den Alten doch gar nicht leisten!“
Aus unserer Sicht ist die Weiterbeschäftigung des Alt-Inhabers zu einem angemessenen Gehalt oft nicht wirtschaftlich darstellbar. Eine Weiterbeschäftigung wird von einer oder beiden Vertragsseiten subventioniert werden müssen. Viele Alt-Berater überschätzen die wirtschaftliche Situation ihrer Kanzlei bzw. die finanziellen Möglichkeiten des Juniors. Kritik wird dabei oft mit Floskeln begegnet wie: „Sie sind jünger und schaffen deutlich mehr Umsatz und Gewinn!“. Ein solches Potenzial ist in der Regel aber nicht da und falls doch, ist es dem Junior zuzurechnen. Ein Verteilungsstreit ist vorprogrammiert.
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Kanzleiumsatz = Kaufpreis (Faktor 1,0) | 360.000 | ||
Kanzleikosten | 200.000 | (AfA vernachlässigt) | |
Gewinn vor Kaufpreis-Finanzierung | 160.000 | hohe Umsatzrentabilität von 44 %! | |
Jährliche Tilgung (AfA) | 60.000 | Bei Tilgung über sechs Jahre | |
Liquiditätsbelastung nach Übernahme (Annahmen: insgesamt 135.000 EUR, verteilt auf drei Jahre) | 45.000 | Marketing, Forderungsaufbau, neue Büromöbel, Digitalisierung, Fortbildung Mitarbeiter, Einarbeitungszeit in die Fälle, ggf. Kanzleivermittler, Notar, Rechtsanwalt, Umsatzverlust durch Mandatskündigungen usw. | |
Gewinn für Käufer | 55.000 |
An diesem ‒ zugegeben extremen ‒ Beispiel soll deutlich werden, dass gerade in der Phase direkt nach Übergabe, die Liquiditätsbelastung des Käufers besonders hoch ist. Daneben trägt er auch noch das unternehmerische Risiko. Im konkreten Fall kann die Liquiditätsbelastung nach der Übernahme sehr unterschiedlich ausfallen. Einflussfaktoren sind der Stand der Kanzleiausstattung, der Weiterbildungsstand der Mitarbeiter, der Grad der Digitalisierung, die Zahlungsmoral der Mandanten usw. Zumindest ein Teil dieser Kosten kann, sofern die finanzierende Bank mitspielt, gemeinsam mit dem Kaufpreis finanziert werden. Dadurch wird die anfänglich hohe Liquiditätsbelastung über einen längeren Zeitraum verteilt.
- Natürlich bringt der Übergang auch Chancen mit sich: Umsatzsteigerungen durch optimierte Abrechnung von Leistungen,
- Mandatszugänge, insbesondere von jüngeren Mandanten,
- moderne Mitarbeiterführung bindet die guten Angestellten,
- Kanzleidigitalisierung vereinfacht die Akquise von Mitarbeitern.
PRAXISTIPP | Eine erfolgreiche Zusammenarbeit kann gelingen, sofern Senior und Junior mit einem geringeren Fixum zurechtkommen. Dann könnte eine langfristige Lösung in einer variablen leistungsbezogenen Verteilung bestehen. So können beide Seiten profitieren. Der Senior erzielt weiterhin ordentliche Einkünfte und der Junior profitiert von den Erfahrungen und kann durch Umsatzwachstum den Kanzleiwert steigern. |
Über den Autor | StB Daniel Kubitza arbeitet in Kooperation mit sechs Steuerberatern zwischen 40 und 67 Jahren in einer überörtlichen Kanzleigemeinschaft zusammen.