· Fachbeitrag · Kanzleinachfolge
So übergeben Sie die Praxis richtig
von Diplom-Kaufmann Michael Loch, Köln, www.glawe-gmbh.de
| Die ersten Monate nach der Übergabe sind für das gegenseitige Kennenlernen notwendig. Die Situation ist für beide Seiten neu, egal ob ein Verkauf der Kanzlei oder aber eine Beteiligung vereinbart wurde. Viele Dinge sind jetzt zu tun. Die Vorstellung bei den Mandanten und das Kennenlernen der Mitarbeitenden stehen am Anfang. Darüber hinaus sind die fachlichen Aufgaben überzuleiten und möglicherweise weitere administrative und vertragliche Aufgaben zu erledigen. Auch für diese Phase der Kanzleinachfolge gibt es ein paar Regeln, die den Prozess erleichtern. |
Mit den Mitarbeitenden sprechen
Wann ist der richtige Zeitpunkt gekommen, die Mitarbeitenden zu informieren? Auf jeden Fall, wenn die Verträge unterschrieben sind. Die Mitarbeitenden sollten es dann als Erstes erfahren, möglichst mit einer genauen Vorgabe, wie die weitere Kommunikation mit den Mandanten in der Folgezeit geplant ist und der Bitte, vorerst nichts nach draußen zu tragen.
Die Mitarbeitenden werden natürlich persönlich informiert, und am besten wird der Käufer gleich mit vorgestellt. Auch im Verhältnis zu den Mitarbeitenden findet ein Rollenwechsel statt: Bei einem Verkauf der Kanzlei wird der neue Entscheidungsträger/Chef präsentiert, der Verkäufer tritt in die zweite Reihe. Machen Sie sich auch das bewusst. Legen Sie Ihre Worte bei der Vorstellung auf die Goldwaage. Die Mitarbeitenden haben ein Recht darauf und möchten angemessen vorgestellt werden ‒ ebenso der Übernehmer. Im weiteren Verlauf der Überleitung wird sich dann ein normales Arbeitsverhältnis entwickeln. Der neue Chef wird die Mitarbeitenden selbst kennenlernen, aber auch dankbar sein für die eine oder andere Information, wie Sie bisher Ihre Mitarbeitenden eingesetzt haben, wo Sie Stärken und Schwächen sehen und welche Besonderheiten es zu beachten gibt.
Gerade bei sehr langjährigen Arbeitsverhältnissen hat sich oftmals ein sehr persönlicher Kontakt zu den Mitarbeitenden entwickelt. Vermeiden Sie es ganz bewusst, die Mitarbeitenden in Konfliktsituationen zwischen sich und Ihren Nachfolger zu bringen. Vermeiden Sie es, hinter dem Rücken des Nachfolgers zu agieren und Politik zu machen. Nach dem Kanzleiverkauf ist der Ansprechpartner für die Mitarbeitenden der Käufer. Es sei denn, Sie haben sich gegenseitig auf etwas anderes verständigt.
PRAXISTIPP | Ein sehr starkes Zeichen für den „Machtwechsel“ ist, dem Käufer das Chefbüro zu überlassen. Die Mitarbeitenden sind es gewohnt, für Entscheidungen den Weg ins Chefbüro zu gehen. Sie leben den Mitarbeitenden damit gemeinsam vor, wie Sie die Nachfolge haben möchten. |
Die Mandanten informieren
Zeitnah zur vertraglichen Einigung muss bei einem Verkauf der Kanzlei die Zustimmung der Mandanten eingeholt werden. Üblicherweise wird der Verkäufer den Mandanten ein Schreiben senden, in dem er die Praxisnachfolge positiv schildert und bittet, die beigefügte Zustimmungserklärung zum Mandatsübergang zeitnah zurückzusenden. Die Einholung der Zustimmung kann einige Zeit beanspruchen, die Sie zwischen Unterschrift und Übergabe der Kanzlei einplanen müssen. Bei wichtigen Mandaten sollten Sie die Zustimmung persönlich einholen oder vorab ein persönliches Gespräch führen. Dies festigt einerseits die Bindung an die Kanzlei und gibt Ihnen auch die Möglichkeit, über die Vorzüge der neuen Lösung ausführlich zu sprechen.
PRAXISTIPP | Sinnvoll ist es, wenn die Vertragsparteien das Anschreiben (anonym!) gemeinsam entwerfen, um möglichst frühzeitig eine einheitliche Sprachregelung zu praktizieren. |
Wenn die Mandanten zugestimmt haben, ist es wichtig, dass der Käufer zeitnah Gelegenheit erhält, sich persönlich bei den wichtigsten Mandanten zu präsentieren. Ein gemeinsamer Besuch mit dem Senior ist der übliche Weg. Machen Sie sich dabei Ihrer Rolle bewusst! Der Übergeber hat bei langjährigen Mandanten ein gewachsenes Vertrauensverhältnis. Er hat in gewissen Grenzen die Möglichkeit, einen Teil dieses Vertrauensverhältnisses auf den Käufer zu übertragen. Gehen Sie mit diesem Wert bewusst um!
PRAXISTIPP | Neben dem persönlichen Kontakt zu den Mandanten ist auch die Einführung in die Mandate wichtig. Planen Sie Ihr Vorgehen. Welche Mandate sind erklärungsbedürftig? Wo ist akuter Handlungsbedarf? Die langjährige Kenntnis des Mandanten lässt sich nur bedingt aus den Mandantenakten herauslesen. Je besser die Einführung gelingt, umso erfolgreicher und befriedigender wird die Nachfolge sein. |
Das Kanzlei-Netzwerk informieren
Eine langjährige Tätigkeit bringt es mit sich, dass meistens ein umfangreiches geschäftliches Netzwerk von Kontakten vorhanden ist. Auch hier sollten Sie den Käufer mit einbinden. Die Vorstellung bei Notaren, Banken usw. ist hilfreich, um vor Ort Fuß zu fassen. Auch kann es für den Nachfolger ratsam sein, sich lokal zu engagieren. Eine erfolgreiche Praxisnachfolge ist übrigens eine tolle Marketing-Story für Ihre Kanzlei!
Wenn Sie plötzlich einen Partner haben
Gerade Berufsträger, die sehr lange als Einzelunternehmer selbstständig waren, sind in der partnerschaftlichen Kommunikation manchmal nicht besonders geübt. Ihre geschäftlichen Entscheidungen wurden bisher nicht oft infrage gestellt, eine Erläuterungs- oder Rechtfertigungssituation war in der Vergangenheit nicht gegeben. Die fachlichen Entscheidungen wurden, wenn überhaupt, nur noch vom Finanzamt hinterfragt.
Es liegt in der Natur der Sache, dass bei der Überleitung Situationen entstehen werden, die eine unterschiedliche Sichtweise offen zutage treten lassen.
Auf solche Situationen sollten Sie sich bewusst vorbereitet haben. Auch ein noch so guter Vertrag wird dies nicht lösen können. Sie müssen in der Überleitungsphase eine Kommunikationskultur entwickeln, die es Ihnen ermöglicht, auftretende Probleme auf kleiner Flamme zu halten und zu lösen. Wenn Sie schon im Vorfeld der Nachfolge externe Unterstützung in Anspruch genommen haben, kann dies auch für mögliche Problemfälle in der nachvertraglichen Phase hilfreich sein.
PRAXISTIPP | Käufer und Verkäufer vereinbaren, dass sie während der Überleitung alle „Problempunkte“ offen besprechen. Ohne Vorwürfe und ohne Besserwisserei. Sie treffen sich wöchentlich zu einem festen Termin, um alles zu besprechen. An diesen Gesprächen nimmt einmal im Monat der externe Berater teil, der auch bereits die Planung begleitet hat. |
Das Ausscheiden aus der Kanzlei
Das Ziel, auf das Sie Ihre Planung ausgerichtet haben, steht am Ende: das Ausscheiden aus der Kanzlei, die Beendigung der beruflichen Tätigkeit oder ein langsames Ausschleichen aus dem Beruf. Ein guter Nachfolgeplan/Verkaufsprozess soll gewährleisten, dass Sie genau das am Ende machen können, was Sie sich zu Beginn Ihrer Planung vorgenommen haben.
Viele Gesellschaftsverträge sehen eine altersmäßige Begrenzung der Partnerstellung vor. Bei Einzelpraxen gibt es diese Möglichkeit nicht. Sie selbst müssen den Endpunkt festlegen. Sie müssen bereits zu Beginn der Planung eine konkrete Vorstellung entwickelt haben, was Ihre Zielvorstellungen sind.
Aber die beste Planung nützt nichts, wenn sie nicht gelebt und umgesetzt wird. Die Vorbereitungen für eine Zeit außerhalb des Berufs müssen Sie rechtzeitig beginnen. Jahrzehnte eines selbstbestimmten, selbstständigen Berufslebens lassen den Beruf oftmals zum Lebensmittelpunkt und zum wesentlichen Lebensinhalt werden. Ein Abschied ist oftmals schwer und muss somit gut vorbereitet werden.
PRAXISTIPP | Hilfreich ist es, sich rechtzeitig ein konkretes Datum vorzunehmen, denn dadurch werden die dafür notwendigen Schritte zum Ziel ebenfalls grob fixiert. |
Zum Autor | Michael Loch ist geschäftsführender Gesellschafter der Glawe GmbH, Köln und der proStB GbR, Nethpen. Sollten Sie Fragen haben, dann freuen wir uns auf Ihre Kontaktaufnahme. Ein reger Austausch sowie Kritik sind immer willkommen. Sie erreichen uns unter: ratgeber@glawe-gmbh.de; 0221 842011
Weiterführende Hinweise
- So gehen Sie die Kanzleinachfolge strategisch an (Loch, KP 21, 192)
- Kleiner Ratgeber für Verhandlungen beim Praxisverkauf (Loch, KP 22, 2)
- Tipps für den Vertragsabschluss (Loch, KP 22, 30)