· Fachbeitrag · Kolumne
Alle Belege gescannt ‒ Hurra, die Kanzlei ist jetzt digital! (Wirklich?)
von StB Jens Henke, Berlin
| Mittlerweile wird es zum Standard, dass Kanzleien die Belege ihrer Mandanten scannen oder ihre Mandanten in die Lage versetzen, Belege zu scannen. Stolz werden Bilder vollständig digitalisierter Archive in Foren präsentiert. Mandanten erhalten Apps, mit denen sie Reisekostenbelege, Restaurantrechnungen oder Ähnliches abfotografieren können. Und es wird empfohlen nur noch digitale Rechnungen zu verwenden. Mal ehrlich: Ist das schon die Digitalisierung unseres Arbeitslebens? Sind wir jetzt fertig und können uns zurücklehnen? Und vor allem: Können wir mit diesem Prozess zufrieden sein? |
In meinen Augen ist das nur ein erster Schritt. Übrigens einer, den wir schon vor zehn Jahren hätten gehen können. Schön, dass wir ihn endlich gehen. Belege zu scannen ist für mich nur eine Brückentechnologie, mit der wir uns um die eigentliche Aufgabe herumdrücken, nämlich die Information bereits digital zu generieren und digital weiterzuverarbeiten.
Belege scannen, das ist wie eine Theateraufführung abzufilmen. Alle Begrenzungen, die das Theater hat (z. B. ein Raum, lineares Erzählen, kaum Effekte etc.), bleiben bestehen. Alle Möglichkeiten, die das Medium Film bietet (unbegrenzte Räume, Erzählen auf verschiedenen Ebenen, Effekte etc.), können nicht genutzt werden.
Einen wirklich sauberen und durchgängigen Prozess haben wir jedoch erst dann geschaffen, wenn es uns gelingt, dass Datensätze, die alle relevanten Buchhaltungsinformationen enthalten, zwischen Leistungserbringer und Leistungsempfänger ausgetauscht werden und wir als Steuerberater in diesen Informationsaustausch einbezogen sind, um daraus für unsere Mandanten die Buchhaltung zu erstellen.
Dies ist keine Zukunftsmusik und lässt sich bereits heute bei Rechnungen mit den Formaten ZUGFeRD oder XRechnung erreichen. Diese Formate setzen sich jedoch viel zu langsam durch. Noch enttäuschter bin ich bei Kassenbelegen, z. B. in Restaurants. Warum werden nicht aus dem elektronischen Kassensystem digitale Belege generiert, die der Gast mit einer App seiner Wahl bezahlen kann und eine unmittelbare Verbuchung in seiner Buchhaltung ermöglichen? Technisch ist das alles möglich ‒ oder wollen wir wieder zehn Jahre warten.
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Dass auch dieser technische Wandel kommen wird, ist klar. Die Frage ist, wer ihn herbeiführt. Wir Steuerberater oder Dritte? Warum gestalten wir als Steuerberater diesen Wandel nicht aktiv und sorgen als digitale Botschafter dafür, dass sich rein digitale Rechnungsformate schnellstmöglich im Markt durchsetzen. Wir sollten anfangen zu agieren, bevor wir auf Technologien aus dem Ausland reagieren müssen. Dann ist es zu spät und andere gewinnen die Kontrolle über den Prozess. |