· Fachbeitrag · Mitarbeiterführung
Neue Mitarbeiter finden und binden ‒ ein einfaches Drei-Phasen-Modell
von Marion Ketteler, Kanzleiberaterin, Münster
| Was glauben Sie: Wie viel Prozent aller Mitarbeiter kündigen innerhalb der ersten 100 Tage, weil der Arbeitgeber die Probezeit nicht übersteht? Es sind 10 %. In vielen Fällen hätte das nicht sein müssen. Mit diesem simplen Drei-Phasen-Modell (Recruiting ‒ Preboarding ‒ Orientierung und Integration) möchte ich Ihnen Tipps an die Hand geben, wie Sie als Arbeitgeber die Probezeit überstehen. |
Erinnern Sie sich noch an Ihre erste Probezeit?
Jeder Arbeitgeber freut sich, wenn er einen qualifizierten Bewerber für sich gewinnen kann. Dennoch ist es erschreckend, was Mitarbeiter in ihren ersten 100 Tagen bei ihren neuen Arbeitgebern erleben.
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Leider sind das keine Ausnahmen, sondern fast jeder Mitarbeiter kann in seiner beruflichen Laufbahn das eine oder andere aus eigener Erfahrung berichten. Kein Wunder, dass die Lust sich zu bewerben, nicht gerade groß ist. Wer will den ganzen Aufwand auf sich nehmen und dann so etwas erleben?
Dabei ist das eigentliche Problem gar nicht einer dieser Punkte, die nicht beachtet werden. Das Problem ist die mangelnde Wertschätzung, die der neue Kollege in diesem Zusammenhang wahrnimmt. Ist sein Arbeitsplatz nicht eingerichtet, kommt bei ihm an: „Ich werde gar nicht gebraucht“, „Ich bin nicht wichtig“. Das ist wohl kaum der perfekte Start in eine vertrauensvolle und langjährige Zusammenarbeit, oder? Damit Sie auf keinen Fall zu dieser Gruppe von Arbeitgebern gehören, bekommen Sie hier Tipps und Anregungen für einen gelungenen Start in eine langjährige Zusammenarbeit.
Onboarding ist mehr als ein Blumenstrauß am ersten Tag!
Der gesamte Prozess, das Einstellen und die Aufnahme neuer Mitarbeiter durch ein Unternehmen und vor allem alle Maßnahmen, welche die Eingliederung fördern, wird als Onboarding bezeichnet. Ein gutes Onboarding bietet mehr als die Zufriedenheit des neuen Mitarbeiters:
- Mit einem guten Onboarding erreicht der neue Mitarbeiter schnell seine volle Leistungsfähigkeit. Das senkt Ihre Einarbeitungskosten.
- Ein gutes Onboarding-Konzept verhindert Kündigungen während der Probezeit. Das spart Recruiting-Kosten. Mit einer guten Einarbeitung und Integration ist die Chance viel größer, dass sich das neue Teammitglied im Unternehmen wohlfühlt und bleibt. So sorgen Sie für Kontinuität.
- Der neue Mitarbeiter lernt durch ein gutes Onboarding die Werte und Kultur des Unternehmens schnell kennen. So kann er sich gut integrieren und sich mit den Kanzleiwerten identifizieren. Das ist die Basis für Ihre gute Außendarstellung.
- Durch einen optimalen Onboarding-Prozess suchen Sie von Anfang an passgenaue Mitarbeiter und verschwenden keine Ressourcen in diejenigen, die nicht zu Ihrer Kanzlei passen.
- Zuletzt können Sie mit einem guten Prozess schnelle und fundierte Entscheidungen über eine langjährige und vertrauensvolle Zusammenarbeit treffen.
Sie sehen: Ein gutes Onboarding rechnet sich für Sie und Ihre Bewerber! Der gesamte Onboarding Prozess dauert ‒ rechnet man das Recruiting hinein ‒ etwa sechs bis zwölf Monate.
Phase 1: Starten Sie mit dem Recruiting
Wenn Sie Ihren kanzleiinternen Onboarding-Prozess entwickeln wollen, starten Sie am besten mit Ihrem Recruiting: Statt wie gewohnt die nächste Stellenanzeige zu veröffentlichen, fragen Sie sich:
- Was verstehen wir in unserer Kanzlei unter einem Recruiting-Prozess?
- Wie ist der genaue Ablauf?
- Wer sind die Verantwortlichen und Beteiligten?
- Wer muss wann was tun?
PRAXISTIPP | Tragen Sie alle einzelnen Tätigkeiten, die Sie in Ihrem Recruiting Prozess ausführen, zusammen und bringen Sie diese in eine zeitliche Abfolge. Benennen Sie alle Verantwortlichen und legen Sie unbedingt eine Vertretungsliste an, damit auch garantiert nichts schiefläuft, wenn der zuständige Kollege gerade in Urlaub ist! |
Nach der Stellenanzeige ist vor dem Bewerbungsgespräch: Nehmen wir an, Sie haben Ihren Prozess erstellt und implementiert. Jetzt kommt das Bewerbungsgespräch. Auch hier erleben Bewerber immer wieder Situationen, die entweder wenig wertschätzend sind oder ihnen sogar die Schamesröte ins Gesicht treiben. Ein kleines Beispiel hierzu:
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In der Regel haben Steuerkanzleien eine klassische Unternehmenswebsite. Diese wird für interessierte Mandanten konzipiert und man will einen seriösen Eindruck vermitteln: Also finden sich hier Fotos der Kanzleiinhaber oder Partner, die in Anzug, Hemd und Krawatte abgebildet sind. In der Praxis trägt aber niemand Schlips und Kragen, sondern alle, auch die Chefs, tragen legere Kleidung. Der Bewerber orientiert sich (wonach auch sonst?) an den Bildern im Internet und erscheint im entsprechenden Outfit zum Bewerbungsgespräch.
Das ist ein Beispiel dafür, wie Sie Ihrem zukünftigen Kollegen das Leben leicht und die Fettnäpfchen aus dem Weg räumen können: Formulieren Sie eine E-Mail, die an alle Bewerber geht, die Sie zum Gespräch bitten. Hier können Sie nicht nur auf die Kleiderfrage eingehen, sondern auch auf den Umfang des Gesprächs oder die vorhandenen Parkmöglichkeiten. Machen Sie sich einfach Gedanken, was ein potenzieller Bewerber vor einem Gespräch bei Ihnen wohl alles gerne wissen wollen würde. Und genau das teilen Sie ihm mit. |
Kommen wir zum Bewerbungsgespräch selbst. Das ist für den Bewerber immer eine Ausnahmesituation: Hier muss er das in persona halten, was seine Unterlagen versprechen. Er ist nervös, vielleicht sogar unsicher und bezieht jede Äußerung nicht nur auf seine beruflichen Fähigkeiten, sondern auf seine gesamte Persönlichkeit.
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Es liegt an Ihnen, für eine gute Atmosphäre und ein wertschätzendes Gespräch zu sorgen. Diese Tipps erleichtern Ihnen und Ihrem Bewerber das erste gemeinsame Gespräch:
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Phase 2: Halten Sie den Kontakt während des Preboarding
Sind Sie sich handelseinig geworden und Ihr neuer Mitarbeiter hat seinen Arbeitsvertrag bei Ihnen unterschrieben, befinden Sie sich in Ihrem Preboarding. Gemeint ist der Zeitraum zwischen der Einigung über die Zusammenarbeit bis zum ersten Arbeitstag. Manchmal sind das ein paar Tage, in den meisten Fällen allerdings eher Monate, weil Kündigungsfristen und Übergaben keinen schnellen Wechsel ermöglichen.
Auch wenn Ihr Mitarbeiter noch für einen anderen Arbeitgeber tätig ist, hat er eine Entscheidung getroffen, über die er im Nachgang nachdenkt. Er wird sich fragen, ob es die richtige war. Er sucht nach „Beweisen“ für seine Entscheidung. Und genau diese „Beweise“ können Sie ihm mit einem guten Preboarding-Prozess liefern: Bauen Sie jetzt schon eine Beziehung zu Ihrem neuen Mitarbeiter auf, auch wenn er noch nicht jeden Tag durch die Eingangstür spaziert.
Wie das geht? Na, ganz einfach: Überall da, wo Sie Kontaktpunkte sehen, gehen Sie in Kontakt. Laden Sie ihn zu internen Weiterbildungen ein, senden Sie ihm Ihre kanzleiinterne Gazette, schicken Sie ihm den Link zu einem Programm, das er sich in Ruhe schon einmal angucken kann. Sie haben eine interne WhatsApp-Gruppe? Prima: Laden Sie ihn ein. Und wenn Sie nichts von alledem haben oder machen: Planen Sie das für die Zukunft und rufen Sie Ihren neuen Kollegen einfach einmal an! Ein kurzes Gespräch, eine kleine Nachfrage oder Info und schon sammelt Ihr neuer Mitarbeiter einen Beweis, dass er die absolut richtige Entscheidung getroffen hat.
Spätestens eine Woche vor dem ersten Arbeitstag melden Sie sich mit einer Willkommens-E-Mail bei ihm: Hier teilen Sie ihm mit, wie sein erster Arbeitstag aussieht. Das wird ihn beruhigen und das eine oder andere Fragezeichen in seinem Kopf lösen. Und schon wieder hat er einen Beweis, wie gut die Entscheidung für Ihre Kanzlei war!
Phase 3: Orientierungs- und Integrationsphase mit Plan
Wenn Ihr Mitarbeiter denn endlich da ist, erwartet ihn ein genauer Einarbeitungsplan, den Sie im Rahmen der Vorbereitung auf die Orientierungs- bzw. Integrationsphase erstellt haben. Sie werden sehen: Wenn Sie sich einmal die Mühe machen und alles sortieren, wird es für alle leichter, einfacher und schneller sein. Ein paar Worte noch zu regelmäßigen Feedbackgesprächen innerhalb der Probezeit: Planen Sie diese auf jeden Fall mit ein und am besten so, dass der neue Kollege diese Termine schon in seinem persönlichen Kalender findet.
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1. Am Ende des ersten Arbeitstags: Sprechen Sie kurz vor Feierabend miteinander und erkundigen Sie sich, ob sich Ihr neuer Mitarbeiter wohlfühlt, ob sie oder er „angekommen“ ist. Fragen Sie nach, ob er etwas vermisst, damit er besser arbeiten kann. Das Gespräch muss gar nicht lange dauern.
2. Nach einer Woche: Ihr neuer Mitarbeiter hat eine Woche lang jeden Tag neue Eindrücke gesammelt. Holen Sie sich jetzt Feedback über Ihre Arbeitsabläufe. Was können Sie verbessern? Was fällt ihm auf? Was findet er gut und was nicht? Jetzt haben Sie sich auch schon einen ersten Eindruck machen können. Tauschen Sie sich aus und profitieren Sie voneinander. Dieses Gespräch ist sehr wichtig, wird aber häufig nicht geführt.
3. Nach vier Wochen: Jetzt haben sich Routinen gebildet und es ist ein guter Zeitpunkt, um über das Aufgabengebiet zu sprechen. Wie kommt er zurecht? Wo benötigt er Unterstützung? Passt der Einarbeitungsplan noch oder sollten Änderungen vorgenommen werden? Fragen Sie aber auch unbedingt nach seiner sozialen Integration: Fühlt er sich wohl und schon ein wenig angekommen? Sind die Kollegen nett und beziehen sie ihn in den Kanzleialltag mit ein? Geben Sie ihm Feedback zu seiner Leistung. Was macht er richtig gut und an welcher Stelle wünschen Sie sich welche Veränderung? So hat er Zeit, die weitere Probezeit für seine Entwicklung zu nutzen.
4. Nach drei Monaten: Jetzt sollte auf beiden Seiten schon eine klare Tendenz zur Weiterführung oder Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorhanden sein. Durch den klaren Einarbeitungsprozess haben Sie dafür sicherlich genügend aussagekräftige Fakten sammeln können, die Sie in diesem Gespräch besprechen können. Ziehen Sie ein gemeinsames Fazit: Wenn Sie sich einig über eine Fortsetzung sind, können Sie jetzt schon gemeinsam am konkreten Aufgabenfeld arbeiten. Sind Sie sich jetzt schon einig, dass eine Trennung sehr wahrscheinlich ist, unterstützen Sie den Mitarbeiter bei der Suche nach einer neuen Stelle. So können Sie die verbleibenden drei Monate im Sinne aller gut nutzen.
5. Vier Wochen vor Ende der Probezeit: Wenn Sie die vorherigen Gespräche geführt haben, droht jetzt keine Überraschung. Klären Sie die weiteren Schritte und ziehen Sie ein gemeinsames Resümee: Nutzen Sie die Möglichkeit und lassen Sie sich Feedback über die Einarbeitung und den gesamten Onboarding-Prozess geben. Eine gute Evaluation gehört zu jedem Prozess dazu und verbessert ihn kontinuierlich. Und danken Sie Ihrem Mitarbeiter für seine Bereitschaft, sich in die Kanzlei zu integrieren und so viel Neues in so kurzer Zeit zu lernen. Das hat er auf jeden Fall verdient! |
Wenn Sie sich dann beide zum Ende der Probezeit sicher sind, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, hat sich jeder einzelne Baustein in Ihrem Onboarding-Prozess ausgezahlt. Dann gehören Sie garantiert nicht zu den 10 % derjenigen Arbeitgeber, die die Probezeit bei ihren neuen Mitarbeitern nicht überleben.