· Fachbeitrag · Nachweisgesetz
Neuregelungen im Arbeitsrecht zum 1.8.22
von RA Ina Jähne, Hannover, www.jaehne-guenther.de
| Mit Wirkung zum 1.8.22 sind Änderungen des Nachweisgesetzes (NachwG) in Kraft getreten, die eine Überarbeitung von Musterarbeitsverträgen erforderlich machen. Die gute Nachricht aber ist, dass für Alt-Arbeitsverträge zunächst kein Handlungsbedarf besteht. Arbeitgeber sind also nicht proaktiv gehalten, die neuen umfangreichen Nachweispflichten gegenüber Alt-Arbeitnehmern zu erfüllen. |
Das Nachweisgesetz tritt aus dem Schatten
Das Nachweisgesetz pflegte bisher ein Schattendasein im Arbeitsrecht. Es regelt Nachweispflichten der für das Arbeitsverhältnis geltenden wesentlichen Bestimmungen. Verstöße blieben aber bisher ohne Sanktion. Die Vorgaben der europäischen Arbeitsbedingungenrichtlinie führen nun dazu, dass die bisherigen Nachweispflichten ausgeweitet werden, mit dem Ziel, Arbeitnehmer einheitlich über die wesentlichen Aspekte ihres Arbeitsverhältnisses zu unterrichten.
Beachten Sie | Neu ist in diesem Zusammenhang, dass nach § 4 NachwG Verstöße gegen das Gesetz bußgeldbewehrt sind, sodass zu erwarten ist, dass das Gesetz ein wenig aus dem Schattendasein hervortreten wird. Der Bußgeldrahmen ist mit bis zu 2.000 EUR allerdings moderat.
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Folgende Informationspflichten bestehen nunmehr nach § 2 Abs. 1 NachwG:
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Umgang mit Alt-Arbeitsverträgen
Wie eingangs erwähnt, besteht für Alt-Arbeitsverträge zunächst kein Handlungsbedarf zur Überarbeitung. Lediglich auf Anforderung des Arbeitnehmers besteht eine Informationspflicht, die binnen einer Frist von einer Woche, bezogen auf die neuen erweiterten Nachweispflichten zu erfüllen ist; im Übrigen binnen eines Monats. Arbeitgeber könnten ein entsprechendes Informationsschreiben vorbereiten, das auf Anforderung ausgehändigt wird. Es ist davon auszugehen, dass bei einer verfristeten Information oder einer Nicht-Erfüllung kein Bußgeld droht, da sich die Bußgeldnorm nicht auf die entsprechende Norm des NachwG (§ 5) erstreckt.
Information über das Kündigungsverfahren
Nach § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 14 NachwG müssen Arbeitnehmer über das bei der Kündigung einzuhaltende Verfahren und die Drei-Wochen-Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage belehrt werden. Wie sich eine fehlende oder falsche Information auf die Frage der Rechtmäßigkeit der Kündigung auswirkt, ist unklar und wird durch die Rechtsprechung zu entscheiden sein. Derzeit spricht aber nichts dafür, dass der fehlende oder falsche Hinweis auf die Wirksamkeit der Kündigung durchschlägt. Eine Kündigung wird auch weiterhin nach Ablauf der Klagefrist und nicht eingereichter Klage wirksam.
Denkbar wäre, dass es einen Schadenersatzanspruch des gekündigten Arbeitnehmers gibt, der geltend macht, dass er bei richtigem Hinweis auf die Kündigungsfrist innerhalb der Frist Klage eingereicht und das Arbeitsgericht die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt hätte. Dagegen wird angeführt, dass der Gesetzgeber in § 7 KSchG explizit festgelegt hat, dass an der Drei-Wochen-Frist auch bei nicht ordnungsgemäßem Nachweis festgehalten werden soll. Dies würde konterkariert, wenn nun auf der anderen Seite ermöglicht würde, über Schadenersatzansprüche wegen der Unwirksamkeit der Kündigung zu streiten. Denkbar scheint auch, dass bei falscher oder fehlender Information ein Antrag auf nachträgliche Zulassung nach § 5 KSchG erfolgreich gestellt werden kann. Systematische Argumente führen auch hier eher dazu, dass eine nachträgliche Zulassung nicht allein auf die fehlende oder falsche Information über die Drei-Wochen-Frist gestützt werden kann.
Beteiligung des Betriebsrats
Unklar ist auch, ob z. B. auch auf die Notwendigkeit der Beteiligung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG hingewiesen werden muss oder gar auf das einzuhaltende Verfahren bei Arbeitnehmern mit Sonderkündigungsschutz. Auch dies wird letztlich durch die Arbeitsgerichte zu entscheiden sein. Es lassen sich aber gute Argumente für ein restriktives Verständnis der Informationspflichten anführen, zumal alles andere eine Öffnung der Büchse der Pandora gleichkäme. Schließlich gibt es zahllose, auf eine Reihe von Gesetzen verteilte Zusatzbestimmungen, die für die Wirksamkeit einer Kündigung maßgeblich sein können. Wären all diese anzuführen, dann wäre damit wohl auch für Arbeitnehmer kein Transparenzgewinn mehr verbunden, der aber Ziel der europäischen Richtlinie war.
Problematisch scheint indes, dass der deutsche Gesetzgeber bei Umsetzung der europäischen Richtlinie sich auf die Begrifflichkeit der „Kündigung“ versteift hat, während es wohl tatsächlich richtig gewesen wäre, auf die „Beendigung“ abzustellen. Folglich würde sich die Unterrichtungspflicht auch auf andere atypische Formen der Beendigung, etwa der Ablauf der Befristung oder den häufigen Fall des Aufhebungsvertrags erstrecken. Hier wäre dann bspw. auf das Schriftformerfordernis des § 623 BGB für Aufhebungsverträge hinzuweisen. Bei befristeten Arbeitsverträgen würde sich die Unterrichtungspflicht ausweiten auf die Information über die Zweckerreichung zweckbefristeter Arbeitsverträge und die Frist nach § 17 TzBfG für die Erhebung einer Befristungs- bzw. Bedingungskontrollklage.
Abschließend bleibt noch darauf hinzuweisen, dass es zwar für den Abschluss von Arbeitsverträgen keinerlei formale Vorgaben gibt, diese theoretisch also auch mündlich geschlossen werden können, die Pflichten nach dem NachwG aber in Schriftform zu erfüllen sind, sodass es hierzu in jedem Fall eine eigenhändig unterschriebene Fassung durch den Arbeitgeber braucht, die dem Arbeitnehmer in Papierform ausgehändigt wird. Dies kann also neben dem Arbeitsvertrag ein separates Dokument sein.