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  • 13.09.2016 · IWW-Abrufnummer 188649

    Landesarbeitsgericht Düsseldorf: Urteil vom 25.07.2016 – 9 Sa 31/16

    Rechtlicher Ausgangspunkt für die Entstehung eines Ersatzanspruchs für untergegangene Urlaubsansprüche ist der Verzug des Arbeitgebers. Der Urlaubsanspruch geht mit Ablauf des Übertragungszeitraumes unter. Erforderlich ist deshalb ein vorhergehendes Urlaubsverlangen des Arbeitnehmers, weil dem Arbeitgeber nicht die Pflicht obliegt, dem Arbeitnehmer Urlaub zu erteilen. Dies ergibt sich bereits aus der gesetzlichen Konstruktion des Urlaubs als Anspruch, § 194 BGB . Dem stehen auch europarechtliche Vorgaben nicht entgegen.


    Tenor:
    1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 09.12.2015, Az. 6 Ca 2280/15 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.


    2. Die Revision wird zugelassen.



    Tatbestand



    Die Parteien streiten über Urlaubsabgeltungsansprüche im Umfang von neun Urlaubstagen aus dem Jahre 2013.



    Die Beklagte befasst sich mit Inkassodienstleistungen für die Wohnungswirtschaft.



    Der Kläger war bei der Beklagten vom 18.03.2013 bis zum 17.03.2015 mit einem durchschnittlichen Stundenlohn von 10,02 € bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden beschäftigt. Der jährliche Urlaubsanspruch beträgt 21 Tage.



    Für das Jahr 2013 standen dem Kläger nach dem übereinstimmenden Sachvortrag der Parteien 16 Urlaubstage zu, von denen er sechs Tage in Anspruch nahm. Einen weiteren Tag nahm er im Januar 2014, weil der Anspruch jedenfalls bis zum 31.03.2014 übertragen worden ist. Für das Jahr 2014 standen ihm 21 Urlaubstage zu, von denen er im April und Mai 2014 acht Urlaubstage in Anspruch nahm. Für das Jahr 2015 besteht ein Anspruch von vier Tagen Urlaub, von denen er keinen in Anspruch nahm, nachdem er von August 2014 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses arbeitsunfähig erkrankte.



    Mit gewerkschaftlichem Schreiben vom 08.06.2015 (Bl. 5f. d.A.) verlangte der Kläger zunächst Urlaubsabgeltung für 25 Urlaubstage in Höhe der Klageforderung. Er wies darauf hin, dass in der Abrechnung für Mai 2014 (Bl. 29a d.A.) - insoweit unstreitig - ein Urlaubsanspruch von 21 Tagen ausgewiesen sei.



    Die Beklagte erstellte für März 2015 eine Abrechnung (Bl. 18 d.A.) über eine Urlaubsabgeltung in Höhe von 136,00 Stunden = 1.326,00 € für 17 Urlaubstage (13 Urlaubstage aus 2014, 4 Tage aus 2015) und zahlte den sich ergebenden Nettobetrag am 16.09.2015 an den Kläger aus.



    Mit seiner am 24.08.2015 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 27.08.2015 zugestellten Klage hat der Kläger zunächst Urlaubsabgeltung in Höhe von 1.935,00 € für 25 Tage verlangt. Er hat die Klage mit Schriftsatz vom 26.10.2015 auf neun Urlaubstage reduziert.



    Der Kläger hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, ihm seien noch neun Urlaubstage aus dem Jahre 2013 abzugelten, die insgesamt auf das Jahr 2014 übertragen worden seien. Er habe zum Jahreswechsel 2013/2014 sehr viele Überstunden gemacht. Vor diesem Hintergrund habe ihm sein Teamleiter L. Anfang 2014 erklärt, der Resturlaub aus dem Jahre 2013 verfalle nicht, sondern könne ohne zeitliche Beschränkung in Anspruch genommen werden. Vor diesem Hintergrund habe die Beklagte auch konsequent im Mai 2014 noch einen Urlaubsanspruch von 22 Tagen in der Lohnabrechnung ausgewiesen. Bei einem Durchschnittsverdienst von 10,02 €, den die Beklagte selbst ihrer Abrechnung aus 5/2014 (Bl. 29 a d.A.) zugrunde gelegt habe, errechne sich bei acht Stunden pro Urlaubstag ein Zahlungsanspruch von 721,44 € brutto.



    Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

    die Beklagte zu verurteilen, an ihn 721,44 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 01.04.2015 zu zahlen.



    Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

    die Klage abzuweisen.



    Die Beklagte hat erstinstanzlich behauptet, der Urlaub aus dem Jahr 2013 sei nur bis zum 31.03.2014 übertragen worden. Der in den Monaten April und Mai 2014 genommene Urlaub von acht Tagen habe den Urlaubsanspruch aus dem Jahr 2014 erfüllt, so dass aus dem Jahr 2014 noch ein Urlaubsanspruch von 13 Tagen bestehe. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Abrechnung Mai 2014. Diese sei von der externen Lohnbuchhaltung unrichtig ausgefüllt.



    Das Arbeitsgericht Essen hat die Klage nach durchgeführter Beweisaufnahme abgewiesen. Ein Anspruch auf weitergehende Urlaubsabgeltung bestünde nicht, weil der Urlaub aus dem Jahre 2013 mit Ablauf des 31.03.2014 verfallen sei. Denn die Beweisaufnahme habe nicht ergeben, dass die Parteien eine weitergehende Übertragung des Alturlaubs aus dem Jahre 2013 vereinbart hätten. Der Zeuge L. habe die Behauptung des Klägers nicht bestätigt. Auch aus der Abrechnung für April und Mai 2014 ergebe sich nichts anderes, weil sie kein Schuldanerkenntnis darstelle. In aller Regel teile der Arbeitgeber in der Lohnabrechnung dem Arbeitnehmer entsprechend § 108 GewO lediglich die Höhe des Entgelts einschließlich seiner Zusammensetzung sowie sonstiger Ansprüche wie etwa des Urlaubsanspruchs mit. Die Lohnabrechnung habe nicht den Zweck, streitig gewordene Ansprüche endgültig festzulegen.



    Gegen das ihm am 10.12.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 11.01.2016 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Frist zur Begründung der Berufung bis zum 04.03.2016 - mit einem am 01.03.2016 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet.



    Der Kläger verfolgt mit der Berufung sein ursprüngliches Begehren weiter. Er meint, das Arbeitsgericht sei rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass der Urlaub nicht übertragen worden sei. Das Arbeitsgericht habe übersehen, dass der Arbeitgeber nach der Rechtsprechung diverser Landesarbeitsgerichte von sich aus gehalten sei, den Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers zu erfüllen. Komme er dieser Verpflichtung nicht nach, entstünde ein Schadensersatzanspruch. Etwas anderes gelte nur dann, wenn der Arbeitgeber die Nichterfüllung des Urlaubsanspruchs nicht zu vertreten habe. Die entsprechende Verpflichtung ergebe sich aus dem Bundesurlaubsgesetz. Zudem habe das Arbeitsgericht verkannt, dass der Lohnabrechnung eine Indizwirkung zukäme, wobei die Aussage des Zeugen L. widersprüchlich sei. Denn wenn sich das Gespräch so zugetragen hätte, wie vom Zeugen behauptet, wäre es sinnwidrig, die Lohnabrechnung entsprechend auszufüllen. Auch aus der E-Mail vom 12.03.2015 ergebe sich, dass die Beklagte im März 2015 der Auffassung gewesen sei, dem Kläger stünden noch Urlaubsansprüche aus dem Vorjahr zu.



    Der Kläger beantragt,

    das Urteil des Arbeitsgerichtes Essen vom 09.12.2015, Az. 6 Ca 2280/15 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 721,44 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 01.04.2015 zu zahlen.



    Die Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.



    Die Beklagte verteidigt in erster Linie das angefochtene Urteil und macht unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens ergänzend geltend: Der Arbeitgeber müsse den Anspruch auf Urlaub nicht von sich aus erfüllen, sondern der Arbeitnehmer müsse einen Urlaubsantrag stellen. Zudem habe der Arbeitgeber die Nichterfüllung ohne einen Urlaubsantrag auch gar nicht zu vertreten. Der Kläger sei mit einer entsprechenden Behauptung auch präkludiert. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers hätten die Lohnabrechnungen auch keinen Indizcharakter. Auch die Aussage des Zeugen L. sei nicht zu beanstanden. Auch der E-Mail von Frau C. sei kein Zugeständnis oder Anerkenntnis zu entnehmen.



    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf die in beiden Instanzen zu den Akten gereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen.



    Entscheidungsgründe



    I.



    Die Berufung ist zulässig, insbesondere unter Beachtung der Vorgaben der §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit § 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist aber unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung einer Urlaubsabgeltung für neun Urlaubstage in Höhe von 721,44 € brutto. Denn die Voraussetzungen eines Urlaubsabgeltungsanspruchs liegen nicht vor. Zu Recht hat das Arbeitsgericht entschieden, dass die Parteien keine Vereinbarung über die Übertragung des Urlaubs getroffen haben. Denn der vom Kläger benannte Zeuge hat keine über den 31.03.2014 hinausgehende Übertragung bestätigt. Eine Wiederholung der Beweisaufnahme war nicht angezeigt. Der geltende gemachte Zahlungsanspruch ergibt sich aber auch nicht aus dem rechtlichen Gesichtspunkt des Schadensersatzes. Denn die Beklagte war nicht im Sinne einer Obliegenheit gehalten, dem Kläger von sich aus ohne Urlaubsantrag Urlaub zu gewähren. Mit Ablauf des 31.03.2014 erlosch der Urlaubsanspruch.



    Im Einzelnen:



    1.Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von Urlaubsabgeltung für neun Urlaubstage in Höhe von 721,44 € brutto gem. § 7 Abs. 4 BUrlG.



    a)Gem. § 7 Abs. 4 BUrlG ist der Urlaub abzugelten, wenn er wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann. Gem. § 7 Abs. 3 BUrlG muss der Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Dringende betriebliche Gründe im Sinne des § 7 Abs. 3 S. 2 BUrlG liegen vor, wenn die Interessen des Arbeitgebers an einer Gewährung von Urlaub im Übertragungszeitraum anstelle des im Urlaubsjahr zu gewährenden Urlaubs das Interesse des Arbeitnehmers an der fristgerechten Inanspruchnahme des Urlaubs noch innerhalb des Kalenderjahres überwiegen. Das ist z. B. dann gegeben, wenn die Auftragslage zum Jahresende die Anwesenheit des Arbeitnehmers erfordert, eine besonders arbeitsintensive Zeit bevorsteht oder bereits anderen Arbeitnehmern Urlaub gewährt worden ist usw.. Von der Erfüllung des Tatbestandsmerkmals kann regelmäßig ausgegangen werden, wenn der Arbeitgeber eine entsprechende Erklärung abgegeben hat, insbesondere ein Urlaubswunsch des Arbeitnehmers zum Jahresende ablehnt. Die Darlegungslast für das Vorliegen eines Übertragungstatbestands liegt beim Arbeitnehmer (LAG Schleswig-Holstein v. 09.02.2016 - 1 Sa 321/15, [...]).



    b)Auch wenn der Kläger für das Jahr 2013 angesichts des Eintritts am 18.03.2013 einen vollen Urlaubsanspruch von 21 Tagen nach § 4 BUrlG erworben hat, besteht aufgrund der genommenen Urlaubstage ein gemeinsames Verständnis der Parteien dahin, dass für das Urlaubsjahr 2013 insgesamt neun Urlaubstage nicht in Anspruch genommen worden sind. Diese Urlaubstage sind jedenfalls insoweit auf das Jahr 2014 übertragen worden, dass der Kläger sie bis zum 31.03.2014 in Anspruch nehmen konnte. Eine weitergehende Übertragung ist zwischen den Parteien nicht vereinbart worden. Jedenfalls hat der darlegungs- und beweisbelastete Kläger die weitergehende Übertragung auf das Jahr 2014 nicht dargelegt.



    aa)Die weitergehende Übertragung ergibt sich nicht aus einer Vereinbarung des Klägers mit Herrn L., dem Vorgesetzten des Klägers.



    Dies steht fest aufgrund der vom Arbeitsgericht durchgeführten Beweisaufnahme. Denn der Zeuge L. hat die Behauptung des Klägers nicht bestätigt. Die erkennende Kammer folgt insoweit den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts zur Beweiswürdigung. Der Kläger hat in seiner Berufungsbegründung aus Sicht der erkennenden Kammer keine ausreichenden und konkreten Anhaltspunkte aufgezeigt, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Tatsachenerhebung oder -feststellung des Arbeitsgerichtes begründen könnten (§ 520 Abs. 3 Nr. ZPO). Derartige Zweifel sind nicht in ausreichendem Maße ersichtlich. Insoweit war die erneute Durchführung der Beweisaufnahme entbehrlich.



    (1)Gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellung begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Diese Bestimmung bedeutet zwar nicht, dass die Prüfungskompetenz des Berufungsgerichtes bezogen auf die erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen nur auf Verfahrensfehler in Form einer Revisionskontrolle beschränkt wären. Es kommt jedoch der Wille des Gesetzgebers zum Ausdruck, das Berufungsgericht grundsätzlich an die erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen zu binden. Eine erneute Tatsachenfeststellung durch das Berufungsgericht ist nach der Gesetzesformulierung die Ausnahme ("soweit nicht ...", vgl. Gesetzesentwurf der Bundesregierung, Bundesdrucksache 14/4722, S. 100). Aus den Gesetzesmaterialien folgt, dass die zwecks Entlastung der Berufungsgerichte vorgesehene grundsätzliche Bindung an die erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen sich auf solche Tatsachenfeststellungen bezieht, welche die erste Instanz bereits vollständig und überzeugend getroffen hat (BGH v. 12.03.2004 - V ZR 257/03, NJW 2004, 1876; LAG Rheinland-Pfalz v. 22.09.2001 - 11 Sa 198/11; Rimmelspacher NJW 2002, 1897; Strackmann, NJW 2003, 169).



    Die Anforderungen an die Voraussetzungen einer erneuten Tatsachenfeststellung durch das Berufungsgericht dürfen jedoch im Hinblick auf den Grundgedanken der materiellen Gerechtigkeit nicht überspannt werden. Vernünftige Zweifel liegen daher nicht nur dann vor, wenn die erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen verfahrensfehlerhaft erhoben worden sind, sondern auch dann, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Feststellungen unvollständig oder unrichtig sind (LAG Rheinland-Pfalz v. 22.09.2001 - 11 Sa 198/11; BGH v. 09.03.2005 - VII ZR 2 66/03, NJW 2005, 972; BGH v. 12.03.2004 - V ZR 257/03, NJW 2004, 1876). Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen können sich aus der Möglichkeit unterschiedlicher Wertung (BVerfG 12.06.2003 - 1 BVR 2385/02, NJW 2003, 2534) dann ergeben, wenn das Berufungsgericht das Ergebnis einer erstinstanzlichen Beweisaufnahme anders würdigt, als das Gericht der Vorinstanz. Konkrete Anhaltspunkte, welche die Bindung des Berufungsgerichtes an die erstinstanzliche getroffenen Feststellungen entfallen lässt, können sich auch ergeben, wenn die Beweiswürdigung nicht den Anforderungen des § 286 Abs. 1 ZPO genügt, weil sie unvollständig oder in sich widersprüchlich ist oder gegen Denk- und Erfahrungsgesetze verstößt. Ein Verstoß gegen Denkgesetze liegt dabei insbesondere dann vor, wenn Umständen Indizwirkungen zuerkannt werden, die sie nicht haben können, oder wenn die Ambivalenz von Indiztatsachen nicht erkannt wird.



    Gemäß § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder nicht wahr zu erachten ist. Nach § 286 Abs. 2 BGB ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen an gesetzlichen Beweisregeln gebunden. Die Beweiswürdigung ist also auf eine individuelle Würdigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses der Beweisaufnahme zu gründen. Nach § 286 Abs. 1 ZPO ist bei umfassender Würdigung der erhobenen Beweise Ziel der Würdigung die Beantwortung der Frage, ob eine streitige Behauptung als erwiesen angesehen werden kann, d.h. das Gericht von der Wahrheit der behaupteten Tatsache überzeugt ist. Dies ist der Fall, wenn eine Gewissheit besteht, die Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie letztendlich vollständig ausschließen zu können. Weniger als Überzeugung von der Wahrheit reicht für das Bewiesensein dabei nicht aus. Ein bloßes Glauben, Wähnen, für wahrscheinlich halten, berechtigt den Richter nicht zur Bejahung des streitigen Tatbestandsmerkmals. Mehr als subjektive Überzeugung ist jedoch letztendlich nicht gefordert. Absolute Gewissheit ist nicht zu verlangen (vgl. Zöller, ZPO, § 286, Rn. 18 und 19).



    Bei der Analyse der Glaubhaftigkeit einer spezifischen Aussage ist nach den allgemein anerkannten Grundsätzen der forensischen Aussagepsychologie von der sogenannten Nullhypothese auszugehen (vgl. dazu BGH 30.07.1999 - 1 StR 618/98; Bender/Nack/Treuer, Tatsachenfeststellung vor Gericht, Seite 72 ff.). Dies bedeutet, dass im Ansatz davon auszugehen ist, dass die Glaubhaftigkeit einer Aussage positiv begründet werden muss (OLG Karlsruhe v. 14.11.1997 - 10 U 169/97, NJW-RR 1998 789). Erforderlich ist deshalb eine Inhaltsanalyse, bei der die Aussagequalität zu prüfen ist. Es geht um die Ermittlung von Kriterien der Wahrhaftigkeit (vgl. BGH v. 03.11.1987 - VI ZR 95/87, NJW-RR 1988, 281). Zur Durchführung der Analyse der Aussagequalität existieren Merkmale, die die Überprüfung ermöglichen, ob die Angaben auf tatsächliches Erleben beruhen, sog. "Realkennzeichen" oder ob sie Ergebnis basiert sind. Das Vorhandensein dieser Real- oder Glaubwürdigkeitskennzeichen gilt als Hinweis für die Glaubhaftigkeit der Angaben (vgl. BGH, 30.07.1999 a.a.O.; LAG München v. 09.11.1988 - 5 Sa 292/88, NZA 1989, 597). Bei einmaligen Aussagen kann auch eine Motivationsanalyse durchgeführt werden (vgl. OLG Karlsruhe v. 04.08.2006 - 2 UF 270/05, FamRZ 2007, 225).



    (2)Gemessen an diesen Anforderungen sind Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellung nicht begründet. Die Berufungskammer teilt vielmehr die vom Arbeitsgericht vorgenommene Wertung, dass der Zeuge die Beweisfrage nicht positiv ergiebig beantwortet hat.



    Der Zeuge hat in diesem Zusammenhang bekundet, dass er keine Aussage dahingehend getätigt habe, dass der Urlaub nicht verfalle. Er könne sich nur noch grob an das Gespräch erinnern und wisse nicht mehr genau, was er gesagt habe, aber mit Sicherheit nicht, dass der Urlaub nicht verfällt. Er hat bekundet, abweichend von der Regelung, dass der Urlaub bis 31.12. zu nehmen sei, vereinbart zu haben, dass der Urlaub noch bis zum 31.03 des Folgejahres genommen werden könne.



    Der Zeuge hat damit die Behauptung des Klägers gerade nicht bestätigt. Die erstinstanzliche Kammer hat auch die Glaubwürdigkeit des Zeugen nicht in Zweifel gezogen. Auch die erkennende Kammer vermochte diese nicht zu erkennen. Soweit der Kläger in seiner Berufungsbegründung die Aussage für "etwas" widersprüchlich gehalten hat, ist dem nicht zu folgen. Insbesondere ergibt sich die angedeutete Diskrepanz nicht aus der Tatsache, dass die Lohnabrechnungen für den Zeitraum Mai - September 2014 22 Urlaubstage ausweisen. Denn es ist kein Bezug zwischen der erstellten Lohnabrechnung und dem behaupteten Gespräch zu erkennen. Der Zeuge ist Teamleiter eines Teams von vier Arbeitnehmern und nicht zuständig für die Erstellung von Lohnabrechnungen. Auch aus der E-Mail vom 12.03.2015 ergeben sich diese Zweifel nicht. Richtig ist, dass der Kläger in seiner vorangegangenen E-Mail vom 02.03.2015 um Abrechnung der Urlaubsabgeltungsansprüche bat. Dabei solle es sich um einen Tag aus 2013, den ganzen Urlaub aus 2014 und den Urlaub 2015 für drei Monate handeln. In diese E-Mail fügte die Verfasserin der E-Mail, Frau C., unterhalb der Auflistung des Anspruchs folgenden Satz ein: "Die Abrechnung erfolgt regulär mit der Märzabrechnung". Dies bedeutet aber nicht, dass Frau C. davon ausging, dass die vom Kläger in seiner vorangegangenen E-Mail bezeichneten Ansprüche bestehen und erfüllt werden sollten. Dies ergibt die Auslegung des Hinweises. Die von Frau C. gewählte Formulierung "regulär" weist darauf hin, dass nur berechtigte Ansprüche erfüllt werden sollten. Keinesfalls hat sie für den Kläger ersichtlich zu erkennen gegeben, dass sie sämtliche genannten Ansprüche erfüllen wollte. Auch der Begriff "Abrechnung" verdeutlicht, dass erst noch festgestellt werden sollte, in welchem Umfang Ansprüche bestanden.



    bb)Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Gehaltsabrechnung der Beklagten für die Monate April und Mai 2014.



    Darauf hat das Arbeitsgericht ebenfalls bereits zutreffend hingewiesen. Die erkennende Kammer folgt den insoweit zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG von einer Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Der Kläger hat zweitinstanzlich zur Frage der Auswirkungen der erteilten Lohnabrechnungen keine Gesichtspunkte vorgetragen, die Anlass zu einer anderen rechtlichen Beurteilung geben. Insoweit ist festzuhalten, dass Lohnabrechnungen hinsichtlich der in ihnen ausgewiesenen Urlaubsansprüche keine konstitutive Bedeutung zukommt. Sie stellen gerade kein Anerkenntnis der Beklagten dar. Ein abstraktes Schuldanerkenntnis entfällt bereits mangels Einhaltung der gesetzlichen Schriftform (§§ 781, 126 BGB). Aber auch ein formlos wirksames deklaratorisches Schuldanerkenntnis ist grundsätzlich in einer Gehaltsabrechnung nicht zu sehen (BAG v. 12.12.2000 - 9 AZR 508/99, NZA 2001, 514; BAG v. 10.03.1987 - 8 AZR 610/84, NZA 1987, 557; LAG Hamm v. 28.11.2007 - 18 Sa 923/07, [...]; LAG Schleswig-Holstein v. 09.05.2007 - 6 Sa 436/06, [...]; LAG Rheinland-Pfalz v. 09.10.2002 - [...]). Denn mit der Lohnabrechnung teilt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ersichtlich nur die Höhe des Entgelts einschließlich seiner Zusammensetzung sowie sonstiger Ansprüche wie etwa des Urlaubsanspruchs mit. Die Lohnabrechnung hat aber nicht den Zweck, streitig gewordene Ansprüche endgültig festzulegen. Für diesen Willen müssten weitergehende Anhaltspunkte vorliegen, die hier nicht ersichtlich sind.



    cc)Gleichfalls ergibt sich nichts aus der E-Mail von Frau C. vom 12.03.2015.



    In seiner Berufungsbegründung meint der Kläger - wie bereits oben unter b) (2) im Rahmen der Beweiswürdigung aufgezeigt - dass sich aus der E-Mail vom 12.03.2015 ergebe, dass die Niederlassungsleiterin der Beklagten, Frau C., noch im März 2015 davon ausgegangen sei, dass die Ansprüche des Klägers bestünden. Indes ergibt die Auslegung dieses Schreibens, dass ihm mit dem Schreiben nicht die Erfüllung der im vorangegangenen Schreiben erhobenen Ansprüche zusagte. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass die von Frau C. gewählte Formulierung "regulär" zeigt, dass der Kläger nur das abgerechnet erhalten sollte, was ihm zustand. Keinesfalls hat sie für den Kläger ersichtlich zu erkennen gegeben, dass sie sämtliche genannten Ansprüche erfüllen wollte. Auch der Begriff "Abrechnung" verdeutlicht, dass erst noch festgestellt werden sollte, in welchem Umfang Ansprüche bestanden.



    2.Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz für neun Urlaubstage in Höhe von 721,44 € brutto gem. § 275 Abs. 1 und Abs. 4, § 280 Abs. 1 und Abs. 3, § 283 Satz 1, § 286 Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB.



    a)Das Bundesarbeitsgericht geht seit der Entscheidung vom 05.09.1985 (6 AZR 86/82) in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass für die Entstehung des Schadensersatzanspruches das Vorliegen von Schuldnerverzug des Arbeitgebers zum Zeitpunkt des Verfalls des Urlaubsanspruches ist. Nach dieser Rechtsprechung schuldet der Arbeitgeber Ersatz für den verfallenden Urlaubsanspruch nur dann, wenn er mit der Gewährung des Urlaubs in Verzug geraten ist und aus diesem Grund die durch den Zeitablauf eingetretene Unmöglichkeit des Urlaubsanspruchs nach §§ 280 Abs. 1, 287 Satz 2 BGB zu verantworten hat. Zur Herbeiführung des Verzuges verlangt das Bundesarbeitsgericht eine Mahnung des Arbeitnehmers, also die Geltendmachung des Anspruchs auf Urlaub gegenüber dem Arbeitgeber (vgl. nur BAG v. 18.03.1997 - 9 AZR 994/95, [...] Rn. 18). Das BAG hat ergänzt, dass es ausreicht, dass der Arbeitnehmer Urlaub verlangt und es dem Arbeitgeber überlässt, den Urlaubszeitraum festzulegen (vgl. BAG 17.05.2001- 9 AZR 197/10, [...]).



    Hat der Arbeitnehmer den Urlaub also nicht vor dem Ablauf des Urlaubsjahres bzw. dem Übertragungszeitraum verlangt, besteht auch kein Schadensersatzanspruch. Dazu führt das BAG in seiner Entscheidung vom 20.04.2012 - 9 AZR 504/10 - Rn. 12 aus:



    "Hat der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer rechtzeitig verlangten Urlaub nicht gewährt, wandelt sich der im Verzugszeitraum verfallene Urlaubsanspruch grundsätzlich in einen auf Gewährung von Ersatzurlaub als Naturalrestitution gerichteten Schadensersatzanspruch um. Ist das Arbeitsverhältnis - wie im Streitfall - beendet, schuldet der Arbeitgeber nach § 251 Abs. 1 BGB statt der Gewährung von Ersatzurlaub Schadensersatz in Geld".



    Diese Rechtsprechung hat das BAG mehrfach bestätigt (BAG v. 14.05.2013 - 9 AZR 760/11, [...]).



    Das BAG hat allerdings zwischenzeitlich offen gelassen, ob es an dieser Rechtsprechung noch festhält. Denn in der Entscheidung vom 15.10.2013 - 9 AZR 374/12 findet sich folgender Hinweis:



    In seiner Entscheidung vom 19.01.2016 (9 AZR 507/14, [...] Rz. 21) hat das BAG indes wiederum an seiner bisherigen Rechtsprechung festgehalten. Es hat dort formuliert:



    Diese Rechtsprechung hat das BAG jüngst fortgesetzt, ohne sich mit der Frage weitergehend zu befassen (BAG v. 12.04.2016 - 9 AZR 659/14, Rn. 14, [...]).



    Auch der 7. Senat hat die Auffassung des 9. Senates zwischenzeitlich bestätigt (BAG v. 04.11.2015 - 7 AZR 851/13, [...]. Dort (Rz. 62ff) finden sich auszugsweise folgende Hinweise:



    b)In der Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte ist derzeit streitig, ob die Voraussetzungen des Verzugs zur Begründung eines Schadensersatzanspruchs vorliegen müssen. So hat sich die erste Kammer des LAG Schleswig-Holstein in seiner Entscheidung vom 09.02.2016 dem BAG angeschlossen (1 Sa 321/15, [...]). Es hat ausgeführt:



    LAG Schleswig-Holstein v. 09.02.2016 - 1 Sa 321/15, Rn. 74, [...]



    Demgegenüber halten Kammern der Landesarbeitsgerichte Berlin-Brandenburg (Urteil v. 12.06.2014 - 21 Sa 221/14), München (Urteil v. 06.05.2015 - 8 Sa 982/14) und Köln (Urteil v. 22.04.2016 - 4 Sa 1095/15) Verzug nicht für erforderlich. Dabei wird der Anspruch nicht aus dem Gesichtspunkt des Verzugs, sondern der zu vertretenden Unmöglichkeit hergeleitet. Anders als das BAG meinen Kammern dieser Landesarbeitsgerichte, dass es nicht darauf ankomme, ob der Arbeitgeber sich zum Zeitpunkt des Untergangs des originären Urlaubsanspruchs, mithin zum Zeitpunkt des Endes des Kalenderjahres, in Verzug befand. Vielmehr habe der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer von sich aus rechtzeitig Urlaub zu gewähren. Komme er dieser Verpflichtung nicht nach, werde der Schadensersatzanspruch begründet, es sei denn, der Arbeitgeber habe die nicht rechtzeitige Urlaubsgewährung nicht zu vertreten. Denn mit dem Untergang des Urlaubsanspruchs werde dessen Erfüllung unmöglich, so dass der Arbeitnehmer nach § 280 Abs. 3, § 283 Satz 1 BGB Schadensersatz statt der Leistung verlangen könne. Es komme deshalb nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer Urlaub beantragt und dadurch den Arbeitgeber nach § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB in Verzug gesetzt habe.



    Begründet wird diese Auffassung mit der Auslegung des Bundesurlaubsgesetzes unter Berücksichtigung des Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Rates über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung vom 04.11.2003 ("Arbeitszeitrichtlinie").



    Der Wortlaut des § 7 Abs. 3 Satz 1 und Satz 3 BUrlG, wonach der Urlaub innerhalb des dort vorgegebenen Zeitraums "zu gewähren und zu nehmen" ist, deute darauf hin, dass ein Arbeitgeber von sich aus und nicht erst nach entsprechender Aufforderung durch den Arbeitnehmer gehalten sei, den Urlaubsanspruch rechtzeitig im Sinne des § 7 Abs. 3 BUrlG zu erfüllen. Wenn der Arbeitgeber tatsächlich nur verpflichtet sein sollte, Urlaub auf entsprechende Aufforderung des Arbeitnehmers zu gewähren, hätte die Formulierung nahe gelegen, dass der Urlaub "zu nehmen und zu gewähren" ist, oder ausdrücklich zu regeln, dass der Arbeitnehmer den Urlaub so rechtzeitig zu beantragen hat, dass er noch während des genannten Zeitraums gewährt werden kann. Dem stünde nicht entgegen, dass der Arbeitgeber nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen habe. Denn das Recht des Arbeitgebers, die zeitliche Lage des Urlaubs festzulegen, setze weder voraus, dass ihm der Arbeitnehmer einen Urlaubswunsch mitgeteilt hat, noch dass er den Arbeitnehmer dazu befragt habe (so ausdrücklich LAG München v. 06.05.2015 - 8 Sa 982/14, Rn. 64, [...]).



    Weiter wird angeführt, dass auch der Zweck des Urlaubsanspruchs für diese Sichtweise spreche. Sowohl nach deutschem Recht als auch nach Unionsrecht dient der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub dem Gesundheitsschutz der Beschäftigten. Er gehöre damit nach seiner Zielrichtung zum Arbeitsschutzrecht. Auf diesen Charakter des Anspruchs weise auch der Umstand hin, dass der Anspruch auf bezahlten Mindesturlaub in Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie geregelt sei, die nach ihrem Art. 1 Abs. 1 Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeitszeitgestaltung enthalte. Für das Arbeitsschutzrecht gelte jedoch, dass der Arbeitgeber seinen Pflichten zum Gesundheitsschutz auch ohne vorherige Aufforderung nachzukommen habe. Der Arbeitgeber sei aufgrund seiner Organisationsmacht verpflichtet, seinen Betrieb so zu organisieren, dass die arbeitsschutzrechtlichen Bestimmungen eingehalten würden (so ausdrücklich LAG München v. 06.05.2015 - 8 Sa 982/14, Rn. 64, [...]).



    c)Der EuGH hat die Rechtsfrage bislang nicht beantwortet. Zuweilen wird allerdings aus der Entscheidung vom 12.06.2014 - C 118/13 "Bollacke" gefolgert, dass der Arbeitgeber den Urlaub von sich aus zu erteilen hätte (Polzer/Kafka, NJW 2015, 2292; unklar: JurisPK/Kloppenburg ArbR 29/2014).



    Der EuGH hat in seiner Entscheidung vom 12.06.2014 allerdings die Frage des vorlegenden LAG Hamm, ob Artikel 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 dahin auszulegen sei, dass der Arbeitgeber verpflichtet sei, dem Arbeitnehmer im Hinblick auf den Schutz der Sicherheit und der Gesundheit des Arbeitnehmers bei der Arbeitszeitgestaltung Urlaub bis zum Ablauf des Kalenderjahres oder spätestens bis zum Ablauf eines für das Arbeitsverhältnis maßgeblichen Übertragungszeitraums auch tatsächlich zu gewähren, ohne dass es darauf ankomme, ob der Arbeitnehmer einen Urlaubsantrag gestellt habe, gar nicht ausdrücklich beantwortet (so richtig: Preis/Sagan § 7 Rz.33; insoweit auch zutreffend LAG Köln v. 22.04.2016 - 4 Sa 1095/15). Vielmehr hat der EuGH zu den Vorlagefragen bereits eingangs angemerkt, dass das vorlegende Gericht mit den zu prüfenden drei Fragen im Wesentlichen wissen möchte, ob Artikel 7 der Richtlinie 2003/88 dahin auszulegen sei, dass er einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten wie den im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehe, wonach der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub ohne Begründung eines Abgeltungsanspruchs für nicht genommenen Urlaub untergehe, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers ende und ob bejahendenfalls eine solche Abgeltung davon abhänge, dass der Betroffene im Vorfeld einen Antrag gestellt habe. Der EuGH hat also trotz der vom LAG Hamm gegebenen Erläuterung zur Erheblichkeit der konkreten Fragestellung, ob es darauf ankommt, dass "der Arbeitnehmer einen Urlaubsantrag gestellt hat", keine Antwort auf diese Frage gegeben. Er hat eine Frage beantwortet, die das Landesarbeitsgericht im Vorabentscheidungsersuchen nicht gestellt hat. Die erteilte Antwort bezieht sich nämlich ausschließlich auf die Geltendmachung der Entschädigung (Art. 7 Abs. 2 Richtlinie 2003/88). Dem Landesarbeitsgericht ging es jedoch nicht darum, ob die Entschädigung beantragt werden muss, sondern ob der Urlaub (Art. 7 Abs. 1 Richtlinie) "beantragt" werden muss (insoweit richtig: Kloppenburg, jurisPR-ArbR 29/2014 Anm. 1; H/W/K-Schinz, § 7 BurlG Rz.122; ErfK/Gallner, § 7 BurlG Rz.86). Dem Urteil ist dem entsprechend auch keine "Tendenz" zur Beantwortung der weitergehenden Frage nach den Voraussetzungen des Verzugs zu entnehmen (so aber LAG Köln v. 22.04.2016 - 4 Sa 1095/15, [...]). Denn der EuGH lässt insbesondere nicht erkennen, dass er der Auffassung ist, dass der Anspruch auf finanzielle Vergütung bzw. Abgeltung nicht davon abhängen kann, dass der Arbeitnehmer im Vorfeld einen Antrag auf Gewährung des Urlaubs oder auf Gewährung der finanziellen Vergütung gestellt hat. Dies deshalb, weil der EuGH eben das "Verlangen" auch in den Rz. 23 und 27 nur in den Zusammenhang mit der Geltendmachung der Entschädigung stellt.



    d)In der Literatur geht die h.M. davon aus, dass der Verzugsanspruch nur dann begründet sein kann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer in Verzug gesetzt hat, also den Urlaub geltend gemacht hat (HWK/Schinz, § 7 BUrlG Rz. 122; ErfK/Gallner, § 7 BUrlG Rz. 40; Neumann/Fenski/Kühn/Neumann BUrlG § 7 Rn. 89-96; Hohmeister/Oppermann, § 7 BUrlG Rz. 52; Arnold/Tillmanns, § 7 BUrlG Rz.163; Leinemann/Linck, § 7 BUrlG Rz. 168; BeckOK ArbR/Lampe BUrlG § 7 Rn. 20; AR/Gutzeit, § 7 BUrlG Rz. 50; Thum, BB 2016, 1600). Andere meinen, eine Geltendmachung sei nicht erforderlich (Plüm, NZA 1988, 716; GK-BUrlG/Bachmann, § 7 Rz. 122; Natzel, § 7 BUrlG Rz. 103; offen gelassen: Kloppenburg, jurisPR-ArbR 29/2014 Anm. 1).



    e)Die erkennende Kammer folgt der bisherigen Rechtsprechung des BAG, für die die besseren Argumente sprechen. Rechtlicher Ansatzpunkt für den Ersatzanspruch ist der Verzug, nicht die Unmöglichkeit. Der Anspruch geht eo ipso mit dem Ablauf des Übertragungszeitraumes unter. Dies ist kein Fall verschuldeter Unmöglichkeit, weil dem Arbeitgeber nicht die Pflicht obliegt, den Urlaub zu erteilen. Der Ersatzanspruch kann deshalb nur aus dem Gesichtspunkt des Verzugs hergeleitet werden, wenn der Arbeitnehmer den Arbeitgeber in Verzug gesetzt hat, wobei es für die den Verzug auslösende Mahnung ausreicht, dass der Arbeitnehmer den Urlaub verlangt (so schon BAG v. 17.05.2011 - 9 AZR 197/10, [...]).



    Dass der Arbeitnehmer den Arbeitnehmer in Verzug setzen muss, um seine Ansprüche zu erhalten, ist schon die Folge der Konstruktion des Urlaubs als gesetzlicher Anspruch. Der Arbeitgeber ist nach den Regelungen des BUrlG nur berechtigt, nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer ohne Urlaubswunsch freizustellen. Dabei ist wesentlich, dass der Urlaub des Arbeitnehmers ein "Anspruch" ist. Denn nach § 1 BUrlG hat jeder Arbeitnehmer in jedem Kalenderjahr "Anspruch" auf bezahlten Erholungsurlaub. Ein Anspruch aber ist in § 194 Abs. 1 BGB definiert als das Recht, von einem anderen ein Tun oder ein Unterlassen zu verlangen. "Tun" in diesem Sinne ist jede denkbare Handlung. Wenn aber die Legaldefinition des § 194 BGB den Anspruch in einem Zusammenhang mit dem "Verlangen" stellt, dann ist für die Kammer sachlogisch vorausgesetzt, dass der Anspruch zwar entsteht, aber gegenüber dem Arbeitgeber für den Anspruchserhalt im Wege des Verzugs geltend gemacht werden muss.



    Dem steht die Regelung in § 7 BUrlG nicht entgegen. Im Gegenteil. Auch die Regelung in § 7 BUrlG bringt zum Ausdruck, dass der dem Arbeitnehmer zustehende Urlaub vom Arbeitgeber verlangt werden muss. So bestimmt Abs. 1 des § 7 BUrlG, dass bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen sind. Diese können aber nur dann berücksichtigt werden, wenn der Arbeitnehmer den Urlaub auch konkret für einen bestimmten Zeitraum begehrt. Schließlich muss der Arbeitgeber den Urlaubswunsch des diesen geltend machenden Arbeitnehmers auch ins Verhältnis zu den Urlaubswünschen der übrigen Arbeitnehmer setzen. Zwar ist es richtig, dass dem Arbeitnehmer auch ohne ein entsprechendes Verlangen Urlaub erteilt werden kann. Ein dem Arbeitgeber mitgeteilter Urlaubswunsch ist also nicht Voraussetzung des Rechts des Arbeitgebers, die zeitliche Lage des Urlaubs festzulegen. Gleichwohl ist aber zu konstatieren, dass der Arbeitgeber nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers bei der Urlaubserteilung dennoch zu berücksichtigen hat. Die ohne einen solchen Wunsch des Arbeitnehmers erfolgte zeitliche Festlegung des Urlaubs durch den Arbeitgeber ist rechtswirksam, wenn der Arbeitnehmer auf die Erklärung des Arbeitgebers hin keinen anderweitigen Urlaubswunsch äußert (BAG v. 24.03.2009 - 9 AZR 983/07, [...] Rz. 23). Damit ist aber keine Pflicht des Arbeitgebers verbunden in der Weise zu agieren, weil Ausgangspunkt der Anspruchskonstruktion und damit der "Normalfall" das Verlangen des Arbeitnehmers ist.



    Auch § 7 Abs. 1 Satz 2 setzt für den Urlaub im Anschluss an einer Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation ein Verlangen des Arbeitnehmers voraus. Dem steht die konstruktive Regelung in § 7 Abs. 2 BUrlG nicht entgegen. Die Formulierung: "Der Urlaub muss grundsätzlich im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden." ist nicht trennscharf. Denn der Begriff "gewährt" ist nach der Konstruktion des Urlaubs als Anspruch erst der zweite Schritt. Vor der Gewährung steht regelmäßig das Verlangen. Auch macht nur so der Übertragungstatbestand einen Sinn, weil nach dem Verlangen sachlogisch die betrieblichen Übertragungstatbestände geprüft werden. Auch der Übertragungstatbestand des Teilurlaubs in § 7 Abs. 4 BUrlG zeigt, dass das Verlangen des Arbeitnehmers bereits systematisch im BUrlG angelegt ist und gerade im Hinblick auf den Urlaubsanspruch nicht etwa als atypisch angesehen werden kann. Jedenfalls ist auch aus der Konstruktion des BUrlG nicht ersichtlich, dass eine Pflicht zur Erteilung durch den Arbeitgeber besteht, die automatisch einen Schadensersatzanspruch nach sich ziehen würde und insoweit entgegen der allgemeinen Systematik des Leistungsstörungsrechtes eo ipso einen Fall zu vertretender Unmöglichkeit zugrunde zu legen wäre.



    Dem steht auch Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG nicht entgegen. Richtig ist allerdings, dass der Urlaubsanspruch auch dem Gesundheitsschutz des Arbeitnehmers dient (vgl. nur BAG v. 24.03.2009 - 9 AZR 983/07, [...]; EuGH v. 20.01.2009 - C-350/06, [...]). Allein aus der Zuordnung des Urlaubs auch zum Gesundheitsschutz folgt aber nicht, dass der Arbeitgeber der Pflicht zur Urlaubsgewährung ohne Verlangen nachzukommen habe. Auch Ansprüche die aus dem Pflichtenkreis "Arbeitsschutzrecht" oder Gesundheitsschutz resultieren, müssen vom Arbeitnehmer im Falle der Nichteinhaltung durch den Arbeitgeber geltend gemacht werden (vgl. Voraussetzung des Verzugs bei der rechtswidrige Anordnung von Bereitschaftsdienst BAG v. 28.01.2004 - 5 AZR 530/02, [...]; zum tabakrauchfreien Arbeitsplatz BAG v. 19.05.2009 - 9 AZR 241/08, [...]; zu Ansprüchen auf Freizeitausgleich BAG v. 10.09.2014 - 10 AZR 844/13, [...]). Auch wenn eine Vorschrift dem Gesundheitsschutz dient, ist es also nicht ausgeschlossen, dass der Verzug erst durch eine Geltendmachung des Rechts durch den Arbeitnehmer eintritt. Insofern ist bereits der apodiktische Ausgangspunkt falsch, dass der Arbeitgeber einen Anspruch, der dem Gesundheitsschutz entstammt, stets ohne Geltendmachung von sich aus zu erfüllen habe, und nicht in Verzug gesetzt werden muss. Insoweit wird auch verkannt, dass der Gesundheitsschutz im wesentlichen Ausfluss des öffentlichen Rechtes ist und der Urlaubsanspruch ein individuelles Recht des Arbeitnehmers ist.



    Dem entspricht auch die Rechtsprechung des EuGH. Denn der Rechtsprechung des EuGH zum Verfall von Urlaubsansprüchen ist zu entnehmen, dass es nur den Arbeitnehmer schützt, der gehindert ist, seine Ansprüche zu realisieren, nicht den Arbeitnehmer, der untätig bleibt. Für den Abgeltungsanspruch gelten seit der Aufgabe der Surrogatstheorie (vgl. dazu BAG v. 19.06.2012 - 9 AZR 652/10, [...] Rz. 73) die tariflichen oder vertraglichen Ausschluss- oder Verfallfristen (dazu: BAG v. 08.04.2014 - 9 AZR 550/12, [...]; BAG v. 16.12.2014 - 9 AZR 295/13, [...]). Der Arbeitnehmer muss seine Ansprüche geltend machen und einklagen, will er einen Rechteverlust vermeiden (zutreffend: H/W/K-Schinz, § 7 BUrlG Rz. 7; ErfK/Gallner BUrlG § 7 Rz. 86). Im Ergebnis ist deshalb richtig, das Leistungsstörungsrecht systematisch anzuwenden und für einen Anspruch die Begründung des Verzugs einzufordern.



    Diese Voraussetzungen liegen indes nicht vor, da der Kläger den bis zum 31.03.2014 übertragenen Urlaub gerade nicht geltend gemacht hat.



    II.



    Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 525, 91, 97 Abs. 1 ZPO. Danach fallen die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels der Person zur Last, die es eingelegt hat.



    III.



    Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision an das Bundesarbeitsgericht liegen vor. Die Kammer ist der Auffassung, dass dem Rechtsstreit insbesondere vor dem Hintergrund der derzeit ergangenen unterschiedlichen Urteile der Landesarbeitsgerichte zur Frage des Verfalls der Urlaubsansprüche, die teilweise beim Bundesarbeitsgericht anhängig sind, grundsätzliche Bedeutung zukommt.

    Dr. Ulrich
    Vossen
    Schauf

    Vorschriften§ 108 GewO, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, § 520 ZPO, § 7 Abs. 4 BUrlG, § 7 Abs. 3 BUrlG, § 7 Abs. 3 S. 2 BUrlG, § 4 BUrlG, § 64 Abs. 6 ArbGG, § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, § 286 Abs. 1 ZPO, § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO, § 286 Abs. 2 BGB, § 69 Abs. 2 ArbGG, §§ 781, 126 BGB, § 275 Abs. 1, Abs. 4, § 280 Abs. 1, Abs. 3, § 283 Satz 1, § 286 Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB, §§ 280 Abs. 1, 287 Satz 2 BGB, § 251 Abs. 1 BGB, § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB, § 286 Abs. 1 Satz 1, § 249 Satz 1 BGB, § 280 Abs. 3, § 283 Satz 1 BGB, § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB, Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG, § 7 Abs. 3 Satz 1 und Satz 3 BUrlG, § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG, Artikel 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88, Artikel 7 der Richtlinie 2003/88, Art. 7 Abs. 2 Richtlinie 2003/88, § 1 BUrlG, § 194 Abs. 1 BGB, § 194 BGB, § 7 BUrlG, § 7 Abs. 2 BUrlG, §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 525, 91, 97 Abs. 1 ZPO