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  • 23.03.2011 · IWW-Abrufnummer 112130

    Landesarbeitsgericht Düsseldorf: Urteil vom 20.01.2011 – 11 Sa 1410/10

    1. Eine aus Anlass des Eintritts in den Ruhestand gewährleistete Sonderzahlung, die als "Treuegeld" bezeichnet wird und deren Höhe sich nach der Anzahl der bei Eintritt in den Ruhestand zurückgelegten Dienstjahren richtet, hat den ausschließlichen Zweck, die von einem Arbeitnehmer in der Vergangenheit längstens bis zum Eintritt in den Ruhestand zurückgelegte Betriebszugehörigkeit zu vergüten.



    2. Eine derartige Sonderzahlung kann, nachdem der Arbeitnehmer eine für ihre Höhe maßgebliche Zahl von Jahren der Betriebszugehörigkeit zurückgelegt hat, nicht gekürzt werden, wenn der Arbeitnehmer vor Erreichen des 65. Lebensjahres aus dem Arbeitsverhältnis scheidet.


    Tenor:

    Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 07.09.2010 - 7 Ca 908/10 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

    Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand

    Die Parteien streiten über die Höhe einer der Beklagten zustehenden Ruhestandszuwendung.

    Die am 04.12.1946 geborene Klägerin war vom 01.10.1982 bis zum 31.10.2007, d. h. insgesamt 25 Jahre und 1 Monat, bei der Beklagten beschäftigt.

    Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden gemäß Ziff. 11 des im Schreiben der Beklagten vom 19.07.1982 formulierten Arbeitsvertrages die jeweils gültigen Tarifverträge für die Eisen-, Metall- und Elektroindustrie NRW Anwendung, d. h. auch der Einheitliche Manteltarifvertrag in der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens vom 18.12.2003 (im Folgenden: EMTV).

    Die Klägerin erhielt zuletzt eine monatliche Vergütung in Höhe von 5.244,-- € brutto. Seit dem 01.11.2009 bezieht sie vorgezogene gesetzliche Altersrente.

    Aus Anlass der damaligen Übernahme von Mitarbeitern der U. T. Technik GmbH, E. (U.), der S. Export GmbH, F. (S.) und der S. AG, Anlagentechnik, F. (S.) durch die Beklagte, war zur Harmonisierung der Arbeitsbedingungen dieser Mitarbeiter eine paritätische Kommission eingesetzt worden. Diese verfasste am 24.05.1977 ein "Schlussprotokoll", dessen Inhalt gemäß der Betriebsvereinbarung vom 01.07.1977 als Betriebsvereinbarung zwischen Geschäftsführung und Betriebsrat der Beklagten galt. Gemäß Ziff. 8 des "Schlussprotokolls" waren "Ruhestandszuwendungen bei Pensionseintritt" vorgesehen. Diese betrugen nach 10-, 20- bzw. 30-jähriger Betriebszugehörigkeit 1, 2 bzw. 3 Monatsverdienst(e).

    In der von der Beklagten erlassenen "RICHTLINIE" vom 26.06.1985 betreffend "Ruhestandszuwendung für Belegschaftsmitglieder der U. Handelsunion AG" heißt es:

    "Mit Wirkung vom 01. Juli 1985 wird die bisherige Regelung des sogenannten Treuegeldes bei Eintritt in den Ruhestand für Mitarbeiter der U. Handelsunion AG mit Anspruch auf Leistungen nach der Werkspensionsordnung wie folgt geändert:

    1.Höhe der Ruhestandszuwendung

    Die Ruhestandszuwendung beträgt

    nach 15 vollendeten Dienstjahren das 1,5 fache eines

    Monatsbezuges

    nach 16 vollendeten Dienstjahren das1,6 fache eines

    Monatsbezuges

    etc.

    nach 30 vollendeten Dienstjahren das3,0 fache eines

    Monatsbezuges (max.)

    Als Dienstjahre gelten anrechnungsfähige Dienstzeiten im Sinne des § 4 Ziffer 1 - 3 der Pensionsordnung vom 13.05.1985 mit der Maßgabe, dass nur vollständig zurückgelegte Dienstjahre zur Anrechnung gelangen. Als Monatsbezug gilt die arbeitsvertraglich zuletzt gezahlte Bruttomonatsvergütung. Mehrarbeitsvergütung, Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld/Jahresabschlussvergütung, Jubiläumsgeld, Auf- wandsentschädigung sowie sonstige einmalige Zuwendungen bleiben außer Betracht.

    2.Anrechnung anderweitiger Leistungen

    Die Ruhestandszuwendung wird den Mitarbeitern der U. Handelsunion AG bei Eintritt in den Ruhestand, d. h. mit Bezug einer Alters- oder unbefristeten Erwerbsunfähigkeitsrente gezahlt. Wird eine unbefristete Erwerbsunfähigkeitsrente rückwirkend zuerkannt für einen Zeitraum, in dem gleichzeitig Lohn- bzw. Gehaltszahlungen, z. B. wegen Arbeitsunfähigkeit, geleistet worden sind, werden die Lohn- bzw. Gehaltszahlungen ab Beginn der Rentenleistungen mit der Ruhestandszuwendung verrechnet.

    3.Übergangsregelung

    Mitarbeiter, die am 01. Juli 1985 mindestens 10 Dienstjahre im Sinne der Ziffer 1 dieser Richtlinie zurückgelegt haben und vor Vollendung von 15 Dienstjahren in den Ruhestand treten, erhalten die Ruhestandszuwendung nach der bisherigen Regelung (1 Monatsbezug)."

    Nach dieser "RICHTLINIE" ergibt sich für die Klägerin aufgrund der Dauer ihrer Betriebszugehörigkeit sowie nach der zuletzt erhaltenen Bruttomonatsvergütung ein Betrag in Höhe von 13.110,-- Euro brutto, entsprechend dem 2,5-fachen von 5.244,-- Euro. Die Beklagte zahlte der Klägerin lediglich 12.173,74 Euro. Sie begründete die Kürzung der Ruhestandszuwendung im Wesentlichen mit der vorzeitigen Inanspruchnahme durch die Klägerin und lehnte die Zahlung des Differenzbetrages in Höhe von 936,26 Euro mit Schreiben vom 01.12.2009 endgültig ab. Wegen der näheren Berechnung des der Klägerin gezahlten Betrages wird ausdrücklich Bezug genommen auf den Schriftsatz der Beklagten vom 05.05.2010 (Seite 2).

    Mit ihrer beim Arbeitsgericht Düsseldorf am 01.02.2010 eingereichten und der Beklagten am 05.02.2010 zugestellten Klage hat die Klägerin zunächst die Zahlung weiterer 936,26 € begehrt. Im Anschluss an die Berechnungsmethode der Beklagten, die vor Durchführung der Kürzung zunächst vom Faktor 2,7 ausgegangen ist, hat die Klägerin ihre Klage mit einem der Beklagten am 27.05.2010 zugestellten Schriftsatz auf die Zahlung eines Differenzbetrages in Höhe von 1.985,06 € (5.244,00 € x 2,7 = 14.158,80 € abzüglich gezahlter 12.173,74 €) nebst Zinsen erhöht.

    Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

    die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.985,06 Euro nebst 5 % Zinsen aus 936,26 Euro über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2009 und 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus weiteren 1.048,80 Euro ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

    Die Beklagte hat beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Die Beklagte hat im Wesentlichen vorgetragen:

    Die von ihr vorgenommene Kürzung rechtfertige sich aus dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 23.01.2001 - 3 AZR 164/00 -. Danach werde bei Versorgungszusagen, die keinen versicherungsmathematischen Abschlag vorsähen, die Höhe der vorgezogenen Betriebsrente einer/eines vorzeitig mit einer unverfallbaren Anwartschaft ausgeschiedenen Arbeitnehmerin/Arbeitnehmers grundsätzlich durch doppelte zeitratierliche Kürzung ermittelt. Dies stelle einen Ersatz für den in der Versorgungszusage fehlenden versicherungsmathematischen Abschlag dar. Dieser Abschlag sei auch deshalb vorzunehmen, weil der Klägerin durch die vorzeitige Inanspruchnahme die Anlage der Ruhestandszuwendung nebst entsprechender Verzinsung ermöglicht werde. Demgegenüber werde ihr diese Möglichkeit genommen, so dass die von ihr durchgeführte Kürzung gerechtfertigt sei. Darüber hinaus stehe der Klägerin keiner der geltend gemachten Beträge zu, da sie diese nicht innerhalb der tariflichen Ausschlussfrist von drei Monaten nach Fälligkeit - dem 01.11.2009 - geltend gemacht habe.

    Mit seinem am 07.09.2010 verkündeten Urteil hat das Arbeitsgericht der Klage in Höhe von 936,26 € nebst Zinsen stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung der teilweisen Stattgabe der Klage hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt:

    Die Klägerin habe am 01.11.2009 eine Ruhestandszuwendung in Höhe von insgesamt 13.110,-- Euro von der Beklagten nach der "RICHTLINIE" vom 26.06.1985 verlangen können. Diese Zuwendung könne entgegen der Ansicht der Beklagten nicht weiter gekürzt werden. Auch wenn es sich bei der streitgegenständlichen Ruhestandszuwendung um eine Leistung der betrieblichen Altersversorgung i. S. von § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG handele, hätte die Beklagte keine doppelte zeitratierliche Kürzung, gestützt auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in seinem Urteil vom 23.01.2001 - 3 AZR 164/00 - (AP Nr. 16 zu § 1 BetrAVG Berechnung) vornehmen dürfen. Die vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätze zur doppelt zeitratierlichen Kürzung würden lediglich zu gewährende Leistungen, d. h. Altersrenten erfassen, nicht jedoch eine Einmalzahlung, wie die streitgegenständliche Ruhestandszuwendung. Auch soweit die Beklagte die ihr durch die vorzeitige Inanspruchnahme der Ruhestandszuwendung entgangene Möglichkeit der Verzinsung des gezahlten Betrages anführe, könne dies nicht zu einer Übertragung der Rechtsprechung zur doppelten zeitratierlichen Kürzung einer Altersrente bei Eintritt in den vorzeitigen Ruhestand führen. Der der Klägerin danach zustehende Anspruch auf Zahlung weiterer 936,26 € sei nicht etwa wegen Versäumung der in § 19 Nr. 2 lit. b geregelten dreimonatigen Verfallfrist gemäß § 19 Nr. 4 erloschen.

    Gegen das ihr am 30.09.2010 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Beklagte mit einem beim Landesarbeitsgericht am 11.10.2010 eingereichten Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem hier am 15.11.2010 (Montag) eingegangenen Schriftsatz begründet.

    Die Beklagte macht unter teilweiser Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens im Wesentlichen geltend:

    Die vom Arbeitsgericht in Bezug genommene Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts nehme zwar nicht ausdrücklich zur Einmalzahlung Stellung. Doch sei die Interessenlage zwischen den Parteien in Fällen fortlaufend zu gewährender Leistungen und Einmalzahlungen identisch. In beiden Fällen habe der Arbeitgeber einen höheren Aufwand zu erbringen, falls der Arbeitnehmer vorzeitig Rentenleistungen erhalte. Zu Berechnung des versicherungsmathematischen Abschlages sei der Zinsverlust zu bewerten, und zwar für den Zeitraum der vorzeitigen Inanspruchnahme der Renteneinmalzahlung. Daraus ergebe sich die in ihrer Berufungsbegründung (Seite 3) dargestellte Kürzung des Treuegeldes.

    Die Beklagte beantragt,

    das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 07.09.2010 unter dem Aktenzeichen 7 Ca 908/10, zugegangen am 13.09.2010, abzuändern und die Klage abzuweisen.

    Die Klägerin beantragt,

    die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

    Die Klägerin verteidigt in erster Linie das angefochtene Urteil und macht unter teilweiser Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens im Wesentlichen geltend:

    In der "RICHTLINIE" vom 26.06.1985 sei ausdrücklich vorgesehen, dass die erdiente Ruhestandszuwendung mit Eintritt ins Rentenalter - und nicht etwa bei Erreichen der Regelaltersgrenze - auszuzahlen sei. Das Rentenvolumen stehe also überhaupt nicht zur Disposition. Die "RICHTLINIE" enthalte keinerlei Einschränkungen dahingehend, dass eine Kürzung bei einem vorzeitigen Rentenbezug möglich sein solle. Im Gegenteil werde ausdrücklich festgehalten, dass die "erdiente" Ruhestandszuwendung auch bei Bezug einer unbefristeten Erwerbsunfähigkeitsrente, die weit vor Erreichen der Regelaltersgrenze zuerkannt werden könne, ungekürzt gezahlt werden solle.

    Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der Akte ergänzend Bezug genommen.

    Entscheidungsgründe

    A.

    Die Berufung der Beklagten, gegen deren Zulässigkeit keinerlei Bedenken bestehen, ist unbegründet. Zu Recht hat die Vorinstanz der Klage in Höhe von 936,26 € (brutto) nebst Zinsen stattgegeben.

    I.Die Klägerin hat Anspruch auf den bislang nicht an sie ausgezahlten Differenzbetrag in Höhe von 936,26 € (brutto) gemäß Ziffer 8 des nach der Betriebsvereinbarung vom 01.07.1977 selbst als Betriebsvereinbarung geltenden "Schlussprotokoll" über die "HARMONISIERUNG U./U. - U. - S. - S." vom 24.05.1977 i. V. m. der als Gesamtzusage (vgl. hierzu z. B. BAG 23.09.2009 - 5 AZR 628/08 - Rz. 22 EzA § 151 BGB 2002 Nr. 1; BAG 17.11.2009 - 9 AZR 765/08 - Rz. 19 EzA § 242 BGB 2002 Betriebliche Übung Nr. 12) zu qualifizierenden "RICHTLINIE" vom 26.06.1985.

    1.Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen für die Zahlung der in Rede stehenden Ruhestandszuwendung (künftig: Treuegeld). Nach der in Ziffer 8 des "Schlussprotokolls" enthaltenen Harmonisierung kommt die Klägerin in den Genuss der Zahlung des Treuegeldes, da sie mit Wirkung vom 01.11.2009 in den Ruhestand getreten ist (vgl. Eingangssatz der "RICHTLINIE").

    2.Was die Höhe des an die Klägerin zu zahlenden Treuegeldes betrifft, ist nach Ziffer 1 Satz 1 der "RICHTLINIE" von 25 vollendeten Dienstjahren auszugehen mit der Folge, dass sich ein 2,5-facher Monatsbezug zu Gunsten der Klägerin errechnet. Als Monatsbezug ist nach Ziffer 1 Satz 3 der "RICHTLINIE" die zuletzt gezahlte Bruttomonatsvergütung, also 5.244,-- € brutto, anzusetzen. Daraus errechnet sich ein Betrag in Höhe von 13.110,-- € brutto.

    3.Dieser Betrag war entgegen der Auffassung der Beklagten nicht weiter zu kürzen. Zutreffend hat die Vorinstanz erkannt, dass es vorliegend nicht um die Frage der Berechnung der von der Klägerin etwa vorgezogen in Anspruch genommenen, ihr nach Ziffer 10 des "Schlussprotokoll" zustehenden Betriebsrente, über die sich die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wie sie im Urteil vom 23.01.2001 - 3 AZR 164/00 - niedergelegt worden ist, verhält, geht, sondern um die Zahlung einer Sonderzuwendung, nämlich des Treuegeldes, aus Anlass des Eintritts in den Ruhestand, und damit um eine Einmalzahlung.

    a)Unter einer Sonderzuwendung versteht man eine Leistung des Arbeitgebers, die nicht regelmäßig mit dem Arbeitsentgelt gewährt wird, sondern aus bestimmten Anlässen (insbesondere z. B. aus Anlass des Weihnachtsfestes, des Urlaubsantritts oder des Dienstjubiläums) oder zu bestimmten Terminen (30.06. bzw. 30.11. eines Jahres) bezahlt werden (vgl. BAG 24.11.2004 - 10 AZR 221/04 - EzA § 4 TVG Bankgewerbe Nr. 4; BAG 23.05.2007 - 10 AZR 363/06 - juris). Mit einer Sondervergütung können verschiedene Zwecke verfolgt werden. Sie kann entweder nur die Arbeitsleistung oder nur die Betriebstreue (= Betriebszugehörigkeit) oder sowohl die Arbeitsleistung als auch die Betriebstreue honorieren. Welcher Zweck mit einer Sonderzuwendung konkret verfolgt wird, ergibt sich im Wege der Auslegung der in der Zusage geregelten Voraussetzungen sowie den Ausschluss- und Kürzungstatbeständen (BAG 31.07.2002 - 10 AZR 578/01 - EzA § 611 BGB Gratifikation, Prämie Nr. 167; BAG 25.04.2007 - 10 AZR 110/06 - juris; vgl. auch BAG 30.07.2008 - 10 AZR 497/07 - Rz. 19 DB 2009, 67; BAG 01.04.2009 - 10 AZR 353/08 - Rz. 14 juris). Die Bezeichnung der Sonderzahlung ist nicht maßgeblich. Sie kann allenfalls als ein zusätzliches Indiz, nicht jedoch als ausschlaggebendes oder alleiniges Merkmal für einen bestimmten Zweck herangezogen werden (BAG 13.06.1991 - 6 AZR 421/89 - EzA § 611 BGB Gratifikation, Prämie Nr. 86; BAG 28.03.2007 - 10 AZR 261/06 - Rz. 14 EzA § 611 BGB 2002 Gratifikation, Prämie Nr. 21).

    b)Vom Zweck der Sonderzuwendung und von ihrem Inhalt hängt die Möglichkeit ihres Ausschlusses und ihrer Kürzung bei Fehlzeiten ab. Aufgrund des aus den festgelegten Anspruchsvoraussetzungen und den Ausschluss- und Kürzungstatbeständen ergebenden Zwecks einer Sonderzahlung können aber nicht über die konkrete Regelung hinaus weitere Ausschluss- oder Kürzungsgründe hergeleitet werden (BAG 24.03.1993 - 10 AZR 160/92 - EzA § 611 BGB Gratifikation, Prämie Nr. 102; BAG 10.07.1996 - 10 AZR 204/96 - juris; BAG 10.12.2008 - 10 AZR 35/08 - Rz. 20 EzA § 611 BGB 2002 Gratifikation, Prämie Nr. 24). Soweit mit einer Sondervergütung ausschließlich vergangene Betriebstreue bzw. Betriebszugehörigkeit belohnt werden soll, geschieht dies dadurch, dass es für den Anspruch auf die Sonderzahlung ausschließlich auf die Dauer der rechtlichen Zugehörigkeit des Arbeitnehmers zum Betrieb seines Arbeitgebers ankommt (BAG 18.01.1978 - 5 AZR 56/77 - EzA § 611 BGB Gratifikation, Prämie Nr. 53; vgl. auch BAG 26.01.2005 - 10 AZR 215/04 - EzA § 611 BGB 2002 Gratifikation, Prämie Nr. 14). Soll mit einer Sonderzahlung sowohl die im Bezugsjahr bzw. in einem anderen Bezugszeitraum erbrachte Arbeitsleistung als auch die in der Vergangenheit erwiesene Betriebstreue bzw. Betriebszugehörigkeit belohnt werden, hat ein Arbeitnehmer, der vor dem vereinbarten Stichtag ausscheidet, einen anteiligen Anspruch auf die Sonderzuwendung nur, wenn hierüber eine ausdrückliche Vereinbarung getroffen worden ist (vgl. z. B. BAG 18.10.2000 - 10 AZR 503/99 - EzA § 611 BGB Gratifikation, Prämie Nr. 161; BAG 28.03.2007 - 10 AZR 261/06 - a. a. O.; vgl. auch BAG 23.04.2008 - 10 AZR 258/07 - Rz. 23 NZA-RR 2009, 143, 145).

    c)Im Streitfall hat das in Rede stehende Treuegeld den ausschließlichen Zweck, die von einem Arbeitnehmer in der Vergangenheit längstens bis zum Eintritt in den Ruhestand erbrachte Betriebstreue bzw. Betriebszugehörigkeit zu vergüten. Hierfür spricht bereits die Bezeichnung "Treuegeld". Außerdem richtet sich die Höhe dieser Sonderzuwendung nach der Anzahl der bei Eintritt in den Ruhestand zurückgelegten Dienstjahren.

    d)Da die "RICHTLINIE", die aktuelle Rechtsgrundlage für das der Klägerin bei Eintritt in den Ruhestand zugesagte Treuegeld, keine Kürzungsklausel entsprechend der Vorstellung der Beklagten enthält, kann diese das der Klägerin nach Ziff. 1 der "RICHTLINIE" zustehende Treuegeld in Höhe von 13.110,-- € brutto nicht, wie geschehen, kürzen. Gegen die von der Beklagten in Anlehnung an das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 23.01.2001 (- 3 AZR 164/00 - AP Nr. 16 zu § 1 BetrAVG Berechnung) vorgenommene Kürzung des der Klägerin nach Ziff. 1 der "RICHTLINIE" zustehenden Treuegeldes spricht im Übrigen der Inhalt der in Ziff. 3 der "RICHTLINIE" enthaltenen "Übergangsregelung". Danach erhielten Mitarbeiter, die am 01.07.1985 mindestens zehn Dienstjahre i. S. der Ziff. 1 der "RICHTLINIE" zurückgelegt hatten und vor Vollendung von 15 Dienstjahren in den Ruhestand traten, die Ruhestandszuwendung nach der bisherigen Regelung (1 Monatsbezug). Hätte die Beklagte die von ihr bei der Klägerin praktizierte Kürzung des Treuegeldes bei einem in den Ruhestand eingetretenen Arbeitnehmer angewandt, der am 01.07.1985 mindestens zehn Dienstjahre zurückgelegt hatte und vor Vollendung von 15 Dienstjahren in den Ruhestand getreten war, hätte dieser das Treuegeld nicht in der ihm ausdrücklich in der "Übergangsregelung" versprochenen Höhe eines Monatsbezuges erhalten.

    4.Der der Klägerin zustehende Anspruch auf das Treuegeld in Höhe von 936,26 € (brutto) ist nicht wegen Versäumung der in § 19 Nr. 2 lit. b EMTV geregelten dreimonatigen Verfallfrist erloschen (vgl. zu dieser Rechtsfolge BAG 26.09.1990 - 5 AZR 218/90 - EzA § 4 TVG Ausschlussfrist Nr. 87; BAG 10.01.2007 - 5 AZR 665/06 - EzA § 179 BGB 2002 Nr. 2; vgl. auch BAG 22.01.2008 - 9 AZR 416/07 - EzA § 4 TVG Ausschlussfristen Nr. 90). Das etwaige Erlöschen eines Anspruchs einer Vertragspartei auf diese Weise ist von Amts wegen zu beachten (BAG 15.06.1993 - 9 AZR 208/92 - EzA § 4 TVG Ausschlussfristen Nr. 104; BAG 10.01.2007 - 5 AZR 665/06 - a. a. O.; vgl. auch BAG 22.01.2008 - 9 AZR 416/07 - a. a. O.). Im Streitfall ist die vorerwähnte tarifliche Verfallfrist jedoch, worauf die Vorinstanz zu Recht hingewiesen hat, jedenfalls durch das Schreiben des Klägers vom 18.01.2010 gewahrt worden. Die Beklagte hat dem zweitinstanzlich auch nicht mehr widersprochen.

    II.

    Der Zinsanspruch der Klägerin ergibt sich dem Grunde nach aus § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. m. § 286 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB und der Höhe nach gemäß § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.

    B.

    Die Kosten der Berufung waren gemäß § 97 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG der Beklagten aufzuerlegen.

    Die Kammer hat der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zugemessen und deshalb die Revision an das Bundesarbeitsgericht gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.

    RechtsgebietBGBVorschriften§ 133 BGB § 157 BGB § 611 Abs. 1 BGB

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