· Fachbeitrag · Aus der Praxis
HinSchG: Kaum Denunziantentum ‒ Meldestellen-Anbieter wertet die ersten 200 Hinweise aus
| Vor drei Monaten endete die Karenzzeit für Unternehmen mit mindestens 50 Beschäftigten zur Einrichtung einer internen Meldestelle nach dem Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG). Wer der Verpflichtung nicht nachkommt, muss seitdem mit einem Bußgeld von bis zu 20.000 EUR rechnen. Das Hamburger Legal-Tech-Start-Up eagle lsp betreibt Meldestellen für fast 850 Kunden in ganz Deutschland. Das Experten-Team analysierte jetzt die ersten knapp 200 Hinweise. |
1. Denunziantentum ist nicht erkennbar
Rund drei Monate nach Ende der Übergangsregelung haben Juristen von eagle lsp, die jeden Hinweis mit fachlicher Expertise prüfen, eine klare Erkenntnis gewonnen: Befürchtungen, das so genannte Whistleblower-Gesetz fördere Denunziantentum, sind unbegründet. Unter den für die Studie ausgewerteten knapp 200 Meldungen zu angeblichem Fehlverhalten im Unternehmen ließ sich nur ein einziger Fall als Verleumdung einordnen.
Dass die Pflicht zur Einrichtung eines Meldekanals Missbrauch Tür und Tor öffne, war einer der zentralen Kritikpunkte im Gesetzgebungsverfahren. Befürchtetes Denunziantentum veranlasst tatsächlich viele Führungskräfte, ihre Meldestelle im Betrieb nur zurückhaltend zu bekannt zu machen oder gar nicht erst einzurichten.
2. Eingänge bei der extenrnen Meldestelle des Bundes
eagle lsp hat die interne Auswertung dem Hamburger Bundestagsabgeordneten und Rechtsexperten Dr. Till Steffen vorgelegt: „Beschäftigte, die Missstände in ihrem Unternehmen aufdecken, wollen andere Menschen schützen. Dies bestätigt die hohe Anzahl von Meldungen, bei nur einer einzigen, die als versuchte Denunziation einzuordnen ist. Das Gesetz zum Hinweisgeberschutz ist wichtig und erfolgreich“, kommentiert der Parlamentarische Geschäftsführer der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen die Zwischenbilanz.
Über die externe Meldestelle des Bundes beim Bundesamt für Justiz waren laut Steffen bis zum 31.12.2023 insgesamt 419 Meldungen eingegangen, 168 davon anonym. Das Meldeaufkommen sei tendenziell angestiegen.
Nach den bisherigen Erfahrungen von eagle lsp werden die Meldestellen ganz überwiegend für sachdienliche Hinweise genutzt: „Hauptsächlich wurden leichte bis mittelschwere Verstöße im Bereich des Arbeitsrechts und Gesundheitsschutzes gemeldet. Auch strafrechtlich relevantes Verhalten war Gegenstand von Meldungen“, bilanziert Dr. Nikolaus Föbus, Gründer und Geschäftsführer von eagle lsp. „Dank der Hinweisgeber konnten betroffene Unternehmen finanzielle Schäden und nachhaltige Reputationsverluste abwenden.“ So wurden beispielsweise der Diebstahl durch einen Mitarbeiter und der Arbeitszeitbetrug eines Vorgesetzten aufgedeckt
3. Beschäftigte wollen brisante Informationen anonym abgeben
Weitere Erkenntnis der internen Auswertung: Eine möglichst breite Kommunikation der eingerichteten Meldestelle sowie nutzerfreundliche Möglichkeiten zur Abgabe eines Hinweises beeinflussen die Qualität der Meldungen. So nutzen Beschäftigte vorzugsweise die Option zur anonymen Einreichung, wenn sie sensible Informationen mit dem Unternehmen teilen möchten. Föbus empfiehlt Unternehmen, die noch keine Meldestelle eingerichtet haben, bei der Einrichtung diese Möglichkeit anzubieten: „Unsere Analyse zeigt, dass Beschäftigte mit der Meldestelle sorgsam umgehen und ihr Unternehmen mit der Hinweisabgabe im Regelfall schützen wollen. Gerade brisante Informationen möchten sie aber anonym abgeben, um für sich selbst keine Nachteile zu riskieren.“
Obwohl das HinSchG jeden Hinweisgebenden vor Repressalien schützt, scheint die Möglichkeit der anonymen Meldung ein wichtiger Hebel. Sorge vor Denunziantentum und falscher Verdächtigung versteht das eagle-Team, sieht aber durch die Folgeprozesse die Risiken gut abgefedert: „Der professionelle Umgang mit der Meldung geschieht höchst vertraulich. Selbstverständlich wird eine Meldung nicht direkt für bare Münze genommen, sondern der Wahrheitsgehalt ebenso sorgsam geprüft, wie etwaige Reaktionen.“
Und noch ein interessantes Fazit lässt sich aus der Hinweis-Analyse von eagle lsp ziehen: Nicht alle eingegangenen Meldungen fielen unter den eigentlich im HinSchG vorgesehene Anwendungsbereich. So ging in der von eagle lsp für ein Unternehmen betriebenen Meldestelle der Hinweis auf ein unzureichendes Parkplatzangebot für Mitarbeitende ein. „Auch wenn dieser Fall vom HinschG nicht als „klassischer“ Fall für die Meldestelle vorgesehen ist, sind viele unserer Kunden an solchen Hinweisen durchaus interessiert, etwa um zu erfahren, wie sie den Arbeitsbedingungen für ihre Beschäftigten attraktiv gestalten können. Die Zufriedenheit mit dem Arbeitsplatz ist in Zeiten des Fachkräftemangels offenkundig sehr bedeutsam.“
Quelle | eagle lsp