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  • 09.10.2014 · IWW-Abrufnummer 172104

    Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg: Beschluss vom 29.07.2014 – 13 Ta 20/14

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Im Beschwerdeverfahren mit den Beteiligten 1. - Klägerin/Beschwerdeführerin - 2. - Beklagter/Beschwerdegegner - Proz.-Bev.: hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Kammern Mannheim - - 13. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Schlünder ohne mündliche Verhandlung am 29.07.2014 beschlossen: Tenor: 1. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Mannheim - Kammern Heidelberg - vom 3. April 2014 (Az.: 10 Ca 218/13; jetzt: 6 Ca 101/14) abgeändert. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen wird für zulässig erklärt. 2. Der Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. 3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf EUR 1.500,00 festgesetzt. 4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen. Gründe: I. Die Klägerin verlangt mir ihrer Klage vom Beklagten es zu unterlassen, die Behauptungen aufzustellen oder zu verbreiten, sie habe gegenüber ihrem übergeordneten Vorgesetzten mit Krankheit gedroht und sich im Anschluss daran tatsächlich krankschreiben lassen und damit einen Arbeitszeitbetrug begangen. Die Klägerin ist Arbeitnehmerin der S. GmbH. Der Beklagte ist der Geschäftsführer der GmbH. Die Parteien führten am 3. Dezember 2012 ein Telefongespräch, in welchem sich die Klägerin unzufrieden mit der Arbeitsatmosphäre in ihrer Abteilung äußerte, insbesondere in Bezug auf die Abteilungsleiterin und erklärte gegenüber dem Beklagten, dass er sich dieser Probleme nicht ausreichend annehme. Seit dem 4. Dezember 2012 ist die Klägerin arbeitsunfähig krankgeschrieben. Am 23. Januar 2013 teilte der Beklagte dem Personalleiter und der Abteilungsleiterin der Klägerin mit, diese habe für den Fall, dass die Abteilungsleiterin nicht abgelöst werde, angekündigt krank zu werden. Der Beklagte wandte sich in der Folgezeit unter Anderem auch an den Medizinischen Dienst der Krankenkasse, um die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin überprüfen zu lassen, da nach seiner Ansicht hieran aufgrund der behaupteten Äußerung der Klägerin Bedenken bestünden. Die Klägerin, die behauptet eine solche Androhung einer Erkrankung nicht abgegeben zu haben, sieht in der Äußerung des Beklagten einen Eingriff in ihr Persönlichkeitsrecht, welches auch strafrechtliche Relevanz habe und Straftatbestände der Beleidigung, üblen Nachrede, Verleumdung und falscher Verdächtigung berühre. Deshalb sei der Beklagte auf ihre am 5. August 2013 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage zu einem Unterlassen dieser Äußerung unter Androhung eines Ordnungsgeldes zu verurteilen. Die Klägerin führt vor dem Arbeitsgericht Mannheim - Kammern Heidelberg - zwei weitere Rechtsstreitigkeiten gegen ihre Arbeitgeberin, die S. GmbH, betreffend die Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz beziehungsweise wegen einer nicht vertragsgerechten zu niedrigen Vergütung. Anlässlich der mündlichen Verhandlung vor der Kammer des Arbeitsgerichts am 3. April 2014 hat der Beklagte die Zuständigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen gerügt und eine Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht H. beantragt. Dem ist die Klägerin entgegengetreten. Mit Beschluss vom 3. April 2014 hat das Arbeitsgericht den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für nicht gegeben angesehen und den Rechtsstreit an das Landgericht H. verwiesen. Es liege weder ein Rechtsstreit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber aus dem Arbeitsverhältnis noch zwischen Arbeitnehmern aus unerlaubter Handlung, die mit dem Arbeitsverhältnis in Zusammenhang stehe, vor. Der Beklagte sei als Geschäftsführer der GmbH weder Arbeitnehmer noch selbst Arbeitgeber der Klägerin. Es liege auch kein Fall einer Zusammenhangsklage vor. Gegen diesen Beschluss, welcher der Klägerin am 24. April 2014 zugestellt wurde, wendet sich die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 19. April 2014 (Eingang beim Arbeitsgericht am 22. April 2014) und vom 24. April 2014 (Eingang beim Arbeitsgericht am 28. April 2014). Die Klägerin sieht eine Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen für den Rechtsstreit als gegeben an. Der Beklagte verteidigt den Verweisungsbeschluss des Arbeitsgerichts. Es sei keine Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen für den Rechtsstreit gegeben. Das Arbeitsgericht Mannheim - Kammern Heidelberg - hat, nachdem der Rechtsstreit nunmehr nicht mehr unter dem Aktenzeichen 10 Ca 218/13 sondern unter dem Aktenzeichen 6 Ca 101/14 geführt wurde, mit Beschluss vom 11. Juli 2014 der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt. II. Die nach §§ 48 Abs. 1 ArbGG, 17a Abs. 4 Satz 3 GVG statthafte sofortige Beschwerde der Klägerin ist zulässig und begründet. Der angefochtene Beschluss des Arbeitsgerichts war abzuändern und der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für den Rechtsstreit für zulässig zu erklären. 1. Die Klägerin hat die sofortige Beschwerde rechtzeitig, in der Frist des § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhoben. Die Klägerin konnte die sofortige Beschwerde selbst, ohne anwaltlichen Beistand erheben, da ein Fall der §§ 11 Abs. 4 Satz 1 ArbGG, 569 Abs. 3 Nr. 1 ZPO vorliegt. 2. Die sofortige Beschwerde ist begründet. Das Arbeitsgericht hat den Rechtsstreit zu Unrecht gemäß § 17a GVG an das Landgericht verwiesen. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist vorliegend analog § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe d ArbGG gegeben. a) Arbeitgeber im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG ist derjenige, der einen Arbeitnehmer im Sinne des § 5 ArbGG beschäftigt. Arbeitgeber der Klägerin ist die S. GmbH, nicht deren Geschäftsführer. Gleichwohl ist der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen auch dann eröffnet, wenn der von einer juristischen Person angestellte Arbeitnehmer deren Organ, zum Beispiel den Geschäftsführer einer GmbH (§ 35 GmbHG), im Wege einer bürgerlichen Streitigkeit aus unerlaubter Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe d ArbGG verklagt (vgl. BAG 24. Juni 1996 - 5 AZB 35/95 - NZA 1997, 115). In solchen Fällen ist § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe d ArbGG entsprechend anzuwenden. Dabei steht die als Organ der juristischen Person handelnde natürliche Person dem Arbeitgeber gleich. Denn die juristische Person selbst kann nicht Täter einer unerlaubten Handlung sein, wohl aber das für sie handelnde Organ. Es liegt eine ausfüllungsbedürftige und -fähige Lücke im Gesetz vor: Ist der vom Arbeitnehmer verklagte Arbeitgeber eine natürliche Person oder persönlich haftender Gesellschafter einer Handelsgesellschaft, so ist der Weg zu den Arbeitsgerichten schon nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe d ArbGG eröffnet (vgl. BAG 14. November 1979 - 4 AZR 3/78 - AP Nr. 2 zu § 4 TVG Gemeinsame Einrichtungen). Ebenso ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet, wenn ein Arbeitnehmer von einem anderen Arbeitnehmer nach § 2 Abs. 1 Nr. 9 ArbGG aus unerlaubter Handlung vor den Gerichten für Arbeitssachen verklagt wird. Daher wäre es mit dem System des § 2 Abs. 1 ArbGG nicht vereinbar, wenn eine als Organ für eine juristische Person handelnde natürliche Person nicht vor den Gerichten für Arbeitssachen verklagt werden dürfte, wenn der Arbeitnehmer gegen sie einen bürgerlichen Streit aus unerlaubter Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe d ArbGG führt. Diese Lücke ist durch entsprechende Anwendung des § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe d ArbGG zu schließen (vgl. LAG Hamm 22. August 1967 - 3 Sa 413/67 - DB 1968, 136; Hessisches LAG 3. Februar 1994 - 16 Ta 2/94 - ArbuR 1994, 312 = BB 1994, 1504). Zur insoweit mit § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe d ArbGG (1979) inhaltlich übereinstimmenden Vorschrift des § 2 Abs. 2 ArbGG 1926 hat bereits das Reichsarbeitsgericht dieselbe Ansicht vertreten (RAG 19. Januar 1929 - RAG 473/28 - ARS 5, 133, 135). Daran hat sich in der Gegenwart nichts geändert (vgl. BAG 24. Juni 1996 - 5 AZB 35/95 - NZA 1997, 115; LAG Hamm 6. Oktober 2005 - 2 Ta 899/04 - LAGE § 2 ArbGG 1979 Nr. 48; LAG Rheinland-Pfalz 16. Januar 2008 - 9 Ta 288/07 - ZTR 2008, 227; Germelmann u.A., Schlewing, ArbGG, 8. Auflage 2013, § 2 Rn. 51; ErfK-Koch, 14. Auflage 2014, § 2 ArbGG Rn. 14; Schwab/Weth - Walker, ArbGG, 3. Auflage 2011, § 2 Rn. 128). b) Der Begriff der unerlaubten Handlung in § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe d ArbGG ist weit zu verstehen (vgl. Grunsky-Waas, ArbGG, 8. Auflage 2014, § 2 Rn. 60; Germelmann u.A., Schlewing, ArbGG, 8. Auflage 2013, § 2 Rn. 74). Die Handlung muss nur mit dem Arbeitsverhältnis in innerem Zusammenhang stehen (vgl. Germelmann u.A., Schlewing, ArbGG, 8. Auflage 2013, § 2 Rn. 76; ErfK-Koch, 14. Auflage 2014, § 2 ArbGG Rn. 21). Es kommt nicht darauf an, ob eine unerlaubte Handlung im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB vorliegt (vgl. Germelmann u.A., Schlewing, ArbGG, 8. Auflage 2013, § 2 Rn. 74 unter Bezugnahme auf Rn. 33). Die Klage muss nicht auf Leistung von Schadensersatz gerichtet sein. Ein Unterlassungs- oder Beseitigungsbegehren reicht aus (vgl. Grunsky-Waas, ArbGG, 8. Auflage 2014, § 2 Rn. 62). c) Vorliegend macht die Klägerin geltend, der Beklagte habe - handelnd als das Organ ihrer Arbeitgeberin - in ihr Persönlichkeitsrecht in strafrechtlich relevanter Weise dadurch eingegriffen, indem er unwahre Behauptungen über sie in Bezug auf ihr Arbeitsverhältnis und ihre Bereitschaft zur Arbeitsleistung aufgestellt habe und begehrt deren Unterlassung. Damit ist in analoger Anwendung des § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe d ArbGG für das Begehren der Klägerin der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen gegeben. 3. Die - notwendige (vgl. Thomas/Putzo, Hüßtege, ZPO, 33. Auflage 2012, § 17a GVG Rn. 19, m.w.N.) - Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Als Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren (vgl. hierzu Zöller-Lückemann, ZPO, 30. Auflage 2014, § 17a GVG Rn. 20, m.w.N.) sah das Landesarbeitsgericht EUR 1.500,00 (ein knappes Drittel einer Bruttomonatsvergütung der Klägerin) als angemessen an. Das Landesarbeitsgericht hat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen, weil die Zulassungsvoraussetzungen der §§ 17a Abs. 4 Satz 5 GVG i.V.m. § 574 Abs. 1 und 2 ZPO, §§ 78 Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG nicht erfüllt sind.