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  • · Fachbeitrag · Architekten- und Ingenieurrecht

    Baugrundrisiko ist nicht immer Sache des Bauherrn: Der BGH und die Folgen für Ihr Büro

    | Das Baugrundrisiko ist nicht immer vom Bauherrn allein zu tragen. Es kommt auf den jeweiligen Fall an. Das hat der BGH klargestellt. Die bisherige Grundsatzannahme, dass beim Baugrundrisiko alle baugrundbedingten Mehrkosten und Verzögerungen zulasten des Bauherrn gehen, weil er den Baugrund als „Baustoff“ für die Planung und Bauausführung bereitstellt, gilt damit nicht mehr. Ziehen Sie daraus für Ihre Leistungserbringung, Auftraggeberberatung und Honorarabrechnung die richtigen Schlüsse. |

    Der entschiedene Fall

    Im konkreten Fall hatte ein Kranunternehmer im Vertrag geregelt, dass der Bauherr alle baugrundbedingten Risiken trägt. Der Kran brach aufgrund eines unterirdischen Kanals ein. Es entstand ein Sachschaden in Höhe von rund 300.000 Euro. Der Kranunternehmer verlangte, dass der Auftraggeber ihm die Kosten erstattet, weil er das Baugrundrisiko zu tragen hatte. Der BGH lehnte das ab. Insbesondere „widerspricht eine einseitige Verlagerung der Verantwortlichkeit für die Bodenverhältnisse auf den Auftraggeber ohne Mitwirkungspflichten des Auftragnehmers dem Haftungsgefüge des Werkvertragsrechts“ (BGH, Urteil vom 28.1.2016 Az. I ZR 60/14, Abruf-Nr. 184215).

    Neue Frage: Wer trägt denn das Baugrundrisiko?

    Das Urteil kann nicht verallgemeinert werden. Aber es wirft die Frage auf, wer denn nun grundsätzlich das Baugrundrisiko zu tragen hat.

     

    1. Anwendungsfall: „Technische“ baugrundbedingte Änderungen

    Baukonstruktiv ausgerichtete Nachtragsforderungen aufgrund von baugrundbedingten Zusatzleistungen (z. B. verlängerte Bohrpfähle, tiefere und größere Fundamente, höherer Betonverbrauch) prüfen meistens die Objektplaner. Das BGH-Urteil hat hier zu einer neuen Situation geführt.

     

    Bevor Sie in die Prüfung einsteigen, muss ab sofort in einem ersten Schritt geprüft werden, ob aufgrund der neuen Rechtslage in Verbindung mit den vertraglichen Regelungen überhaupt ein Anspruch auf baugrundbedingte Zusatzvergütung besteht. Das ist eine Rechtsfrage.

     

    PRAXISHINWEIS | Die Klärung dieser Rechtsfrage ist keine Grundleistung aus dem Leistungsbild der Objekt- und Fachplanung. Lassen Sie sich in Zukunft nicht überreden, baugrundbedingte Nachtragsforderungen nur fachtechnisch zu prüfen und eine Vergabeempfehlung vorzulegen, ohne dass die Rechtsfrage geklärt ist. Weisen Sie den Auftraggeber mindestens darauf hin, dass die Anspruchsgrundlage zuvor grundsätzlich geklärt werden muss. Machen Sie ihm klar, dass Sie das nicht leisten können. Ihre Leistung besteht allenfalls darin, fachtechnische Hilfestellung im Hinblick auf eine etwaige Höhe der Forderung zu geben.

     

    2. Anwendungsfall: Baugrundbedingte Verzögerungen

    Anders sieht die Sache bei baugrundbedingten Verzögerungen aus. Entstehen Verzögerungen, die Stillstandskosten usw. auslösen, liegt häufig anschließend ein bauwirtschaftlich begründeter Nachtrag vor (Beispiel: Rohbauer macht Stillstandskosten geltend, weil der Tiefgründungsunternehmer verlängert ausführt). Die Mitwirkung bei der Prüfung solcher bauwirtschaftlich begründeter Nachträge ist eine Besondere Leistung im Leistungsbild Gebäude (Lph 7).

     

    Aus der Grundregel, dass die Grundleistungen abschließend formuliert sind, kann gefolgert werden, dass die Mitwirkung bei der Prüfung bauwirtschaftlich begründeter Nachträge auch in den Leistungsbildern Ingenieurbauwerke und Verkehrsanlagen eine Besondere Leistung ist. Gesichert ist das aber nicht. Denn diese Leistung ist - im Gegensatz zum Leistungsbild Objektplanung - aus nicht erkennbaren Gründen nicht ausdrücklich in den Besonderen Leistungen geregelt.

    Was gilt bei baugrundbedingten Planungsänderungen?

    Die BGH-Entscheidung gilt auch für den Fall, dass baugrundbedingte Mehrleistungen Planungsänderungen und damit prinzipiell Zusatzhonorar auslösen. Auch hier muss also zunächst geklärt werden, wer das Baugrundrisiko im konkreten Fall trägt (und Ihr Honorar zahlen muss). Oft wird das Risiko beim Bauherrn liegen. Es dürfte aber auch Ausnahmen geben. Etwa dann, wenn keine sachgerechte Beratung zum gesamten Leistungs- und Untersuchungsbedarf in Lph 1 erfolgt ist und deswegen übersehen wurde, die Baugrundeigenschaften zu erkunden.

     

    Wichtig | PBP liegen Informationen über Verträge vor, bei denen vereinbart wurde, dass der Planer die Baugrundrisiken in seine Planung einbezogen hat und bei der Kostenermittlung berücksichtigt. In solchen Fällen kann es kompliziert werden.

     

    FAZIT | Bei baugrundbedingten Zusatzforderungen sind zunächst Rechtsfragen zu klären. Will der Auftraggeber diese nicht klären lassen und von Ihnen vorab eine rein fachtechnische Prüfung vornehmen lassen, ist Vorsicht angesagt. Tragen Sie dafür Sorge, dass Sie keine Verantwortung für Dinge übernehmen, für die Sie nicht ausgebildet sind. Sprechen Sie in Zweifelsfällen mit Ihrem Anwalt über die Möglichkeiten, dem Bauherrn eine Leistung zu erbringen, ohne ein besonderes Risiko einzugehen. Diese kann darin bestehen, dass die fachtechnische Prüfung unter dem Vorbehalt der Klärung der gesonderten Rechtsfrage steht. Da es bei baugrundbedingten Zusatzkosten i. d. R. um größere Beträge geht, ist hier guter Rat nicht teuer sondern günstig. Was das Thema „Änderungshonorar“ betrifft: Zentraler Punkt wird immer sein, ob sich der Objektplaner auf die Angaben der Fachplaner und Berater (Baugrundgutachten, Gründungsempfehlung) verlassen durfte. Hätte er daran Zweifel haben müssen, hätte er den Bauherrn sofort nach Bekanntwerden der Zweifel unterrichten und um Entscheidung bitten müssen. An dieser Stelle zeigt sich auch die sehr hohe Bedeutung der Grundleistung a) in der Lph 1 („Beraten zum gesamten Leistungs- und Untersuchungsbedarf“), die nicht nur im Leistungsbild Gebäude, sondern auch - sinngemäß - im Leistungsbild Ingenieurbauwerke und Verkehrsanlagen gilt.

     
    Quelle: Ausgabe 08 / 2016 | Seite 19 | ID 44178555