· Fachbeitrag · Vertragsrecht
Macht die HOAI 2013 den Planer zum Projektsteuerer?
von RA Martin Steiner, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, Berlin
| Mit der HOAI 2013 scheinen sich die Pflichten der Objekt- und Fachplaner auch im Hinblick auf die Koordination sowie Termin- und Kostenverfolgung ausgeweitet zu haben. Da es sich bei diesen Bereichen gleichzeitig um ein zentrales Tätigkeitsfeld des Projektsteuerers handelt, gilt es zu klären, wie die Leistungsbilder sinnvoll voneinander abzugrenzen sind und welche Auswirkungen dies auf die Honorierung und Haftung des Planers bzw. Projektsteuerers hat. Der folgende Beitrag leistet hier Pionierarbeit. |
Kein Überkreuz bei Planungsleistungen und Kontrollaufgaben
Unproblematisch ist auch in der HOAI 2013 die Abgrenzung zwischen der Tätigkeit von Planern und Projektsteuerern, soweit es sich um planerische Tätigkeiten und Kontrollaufgaben handelt. Planungsleistungen, die Funktion, Konstruktion, Standard und Gestaltung betreffen, liegen weiterhin in der alleinigen Verantwortung der Planer. Der Projektsteuerer kann hier lediglich die Einhaltung der Planungsziele überwachen, während die planerische Umsetzung selbst im Bereich der Objekt- und Fachplanung stattfindet.
Kontrollaufgaben nehmen beide auf ihrer Ebene entsprechend ihrer vertraglichen Verpflichtung wahr. Dabei kontrolliert der Projektsteuerer übergeordnet. Er übt für den Bauherrn unter anderem auch die Kontrolle über die projektbeteiligten Planer aus, indem er deren Planungsleistungen auf ihre Übereinstimmung mit den Projektzielen prüft. Der Planer muss nicht nur die Vorgaben des Bauherrn auf ihre Vereinbarkeit mit den Projektzielen kontrollieren, sondern auch - im Rahmen der von ihm zu erwartenden Fachkunde - die Leistungen der anderen Planer und Sonderfachleute.
Übergeordnete Koordinierung liegt beim Projektsteuerer
Schwieriger ist die Abgrenzung bei Koordinierungsleistungen, zu denen auch der Objektplaner nach den Leistungsbildern der HOAI 2013 verpflichtet wird. So zählt beispielsweise zu den in Anlage 10 zur HOAI 2013 aufgeführten Grundleistungen des Objektplaners (§ 33 HOAI 2013) in mehreren Leistungsphasen (Lph 2, 3, 5 und 8) unter anderem die „Koordination und Integration“ der Leistungen der an der Planung fachlich Beteiligten. Die „Koordination“ neben der Integration wurde erst mit der HOAI 2013 eingeführt, weshalb mitunter spekuliert wird, ob damit eine inhaltliche Erweiterung der bisherigen Integrationspflicht gemeint ist.
Tatsächlich wird man jedoch davon ausgehen können, dass es sich lediglich um eine Präzisierung handelt. Denn eine Integration der Leistungen anderer an der Planung fachlich Beteiligter setzt notwendig - und damit auch schon nach früheren HOAI-Fassungen - voraus, dass der Objektplaner
- 1. sicherstellt, dass die Planungsleistungen anderer Planer mit seiner Planung abgestimmt sind (weshalb er diese den Fachplanern rechtzeitig zur Verfügung stellen muss), und
- 2. die Leistungen der anderen an der Planung Beteiligten rechtzeitig erhält. Integration bedeutet damit notwendig auch vorausschauende Koordination.
Bei der Abgrenzung zur Tätigkeit des Projektsteuerers muss daher (auch weiterhin) berücksichtigt werden, dass der Planer Koordinierungsleistungen nach den Leistungsbildern der HOAI nur insoweit zu erbringen hat, wie es für eine ordnungsgemäße Erfüllung der von ihm geschuldeten Planungsleistung (und damit auch der Integration der Planungen anderer an der Planung Beteiligter) erforderlich ist. Eine darüber hinaus gehende Koordinierungs- und Steuerungsleistung kann man von ihm bei Vereinbarung der zitierten Grundleistungen der HOAI nicht verlangen. Der Bauherr - oder sein Projektsteuerer - muss weiterhin die auf das Gesamtprojekt bezogene Koordinierung und gegebenenfalls eingreifende Steuerung erbringen.
Terminverfolgung: Kaum erweiterte Pflichten des Planers
Nach den früheren Fassungen der HOAI bestand eine ausdrückliche terminbezogene Verpflichtung des Planers lediglich in Form der Grundleistung „Aufstellen, Fortschreiben und Überwachen eines Terminplans“ während der Objektüberwachung (Lph 8). Mit der HOAI 2013 wird nun zusätzlich das „Erstellen und Fortschreiben von Terminplänen“ bereits ab der Vorentwurfsplanung (Leistungsbild Objektplanung) bzw. ab der Entwurfsplanung (Leistungsbilder Ingenieurbauwerke und Verkehrsanlagen) ausdrücklich als Grundleistung verlangt. Wird dem Planer damit nicht eine originäre Aufgabe des Projektsteuerers aufgebürdet?
PRAXISHINWEIS | Nein. Auch hier dürfte es sich nur um eine Klarstellung im Hinblick auf bereits in der Vergangenheit bestehende Pflichten handeln. Denn der Planer ist regelmäßig vertraglich auch auf das Planungsziel „Einhaltung eines bestimmten Fertigstellungstermins“ verpflichtet. Deshalb muss er - und musste es auch schon vor der HOAI 2013 - seine Leistungen selbstverständlich von Anfang an auch an den terminlichen Vorstellungen des Auftraggebers orientieren. Das aber ist ohne eine frühzeitig durchgeführte und in der Folge fortgeschriebene und verfeinerte Terminplanung nicht möglich. Mehr aber schuldet der Planer auch nach der HOAI 2013 nicht. |
Wichtig | Etwas anderes gilt für die Grundleistung „Aufstellen eines Vergabeterminplans“ im Zuge der Vorbereitung der Vergabe (Lph 6). Diese neue Grundleistung führt zu einem echten Mehraufwand für den Planer und greift gleichzeitig in den klassischen Tätigkeitsbereich des Projektsteuerers ein.
Für den Projektsteuerer verbleibt damit unverändert die Aufgabe, die Terminpläne und -einhaltung aller Projektbeteiligter während der gesamten Projektdurchführung zu prüfen und gegebenenfalls nach Abstimmung mit dem Bauherrn steuernd einzugreifen. Ergänzt wird das durch die umfassende übergeordnete Terminplanung und -verfolgung für das Gesamtprojekt.
PRAXISHINWEIS | Im Hinblick auf die Aufstellung eines Vergabeterminplans sollte der Auftraggeber, um eine Doppelbeauftragung zu vermeiden, entweder das Leistungsbild des Planers um die entsprechende Grundleistung reduzieren oder aber die Tätigkeit des Projektsteuerers auf die Überprüfung des vom Planer erstellten Vergabeterminplans beschränken. Entsprechendes gilt natürlich auch für die Besondere Leistung „Aufstellen, Überwachen und Fortschreiben von differenzierten Zeitplänen“. Sofern der Bauherr den Planer damit trotz Einschaltung eines Projektsteuerers beauftragen will, sollte er das Leistungsspektrum des Projektsteuerers entsprechend begrenzen. |
Kostenermittlung und -verfolgung: Planerpflichten wie zuvor
Die von jeher in der HOAI verankerte Pflicht des Planers zur Kostenermittlung und -kontrolle hat sich mit der HOAI 2013 - insbesondere bei der Abgrenzung zur Tätigkeit des Projektsteuerers - nicht wesentlich verändert. Den Planer treffen hier nicht grundsätzlich neue, zusätzliche Pflichten. Die Grundleistungen der Kostenermittlung und -kontrolle (in den Lph 2, 3, 6 und 8) stehen damit weiterhin neben einer Kostenverfolgung durch den Projektsteuerer.
Leistungsbild der Projektsteuerung ist angepasst worden
Bis zur HOAI 2009 gab es in der HOAI (hier § 31 HOAI) auch ein Leistungsbild für Projektsteuerungsleistungen. Seitdem regelt die HOAI Projektsteuerungsleistungen nicht mehr. Ein anerkanntes Leistungsbild ist von der AHO-Fachkommission erarbeitet und auf die HOAI 2013 aktualisiert worden (Heft Nr. 9 der Schriftenreihe des AHO, www.aho.de). Danach hat der Projektsteuerer in den fünf Projektphasen Projektvorbereitung, Planung, Ausführungsvorbereitung, Ausführung und Projektabschluss unter anderem die Kosten- und Termineinhaltung zu überwachen und zu steuern.
Zentrale Leistungen im Bereich der Terminsicherung
Die zentralen Leistungen des Projektsteuerers zur Terminsicherung sind demnach:
- Aufstellen, Abstimmen und Fortschreiben des Terminrahmens.
- Aufstellen, Abstimmen, Fortschreiben und Differenzieren des Steuerungsterminplans für das Gesamtprojekt unter Berücksichtigung des Terminplans der Planungsbeteiligten für den Planungs- und Bauablauf.
- Überprüfen des Terminplans der Planungsbeteiligten für den Planungs- und Bauablauf (insbesondere auf Einhaltung des Terminrahmens).
- Terminsteuerung und Planung einschließlich Analyse und Bewertung der Terminfortschreibungen der Planungsbeteiligten.
- Überprüfen der Vergabeterminplanung der Planungsbeteiligten.
- Überprüfen der Angebote der ausführenden Unternehmen auf Einhaltung der Terminziele.
- Überprüfen der Terminsteuerung der Ausführung durch den Planer.
Zentrale Leistungen im Bereich der Kostensicherung
Projektsteuerungsaufgaben im Bereich Kostensicherung sind unter anderem:
- Das Mitwirken bei der Erstellung des Kostenrahmens für Investitions- und Nutzungskosten und des Kostenbudgets (Kostenplanung).
- Das Überprüfen der Kostenermittlungen der Planungsbeteiligten sowie Veranlassen erforderlicher Anpassungsmaßnahmen.
- Das Überprüfen der Angebote der ausführenden Unternehmen auf Angemessenheit.
- Die Kostensteuerung zur Einhaltung der Kostenziele.
- Die Prüfung der Rechnungen der Planungsbeteiligten, sonstigen Projektbeteiligten und ausführenden Unternehmen.
- Das Änderungs- und Nachtragsmanagement.
Kann auch ein Projektsteuerer haften?
Insbesondere Großbauvorhaben, bei denen sowohl die Kosten als auch die Fertigstellungstermine aus dem Ruder gelaufen sind, haben zu einer intensiven Diskussion geführt, wer dafür verantwortlich ist, und wie die Einhaltung von Kosten und Terminen bei Großprojekten gewährleistet werden kann.
Projektsteuerer werden von Bauherren selten belangt
Ein interessanter Aspekt ist, dass - jedenfalls soweit bekannt - vom Bauherrn zwar die Planer und ausführenden Unternehmen, nicht aber (auch) die Projektsteuerer für Kosten- und Terminüberschreitungen in Anspruch genommen werden. Dazu passt, dass zur Haftung der Architekten und Ingenieure unzählige Entscheidungen veröffentlicht wurden, die Haftung von Projektsteuerern in der (gerichtlichen) Praxis jedoch kaum eine Rolle spielt.
Zurückhaltung ist aus rechtlicher Sicht nicht nachvollziehbar
Aus rechtlicher Sicht ist diese Zurückhaltung nicht nachvollziehbar. Der Projektsteuerer übernimmt - in der Regel als werkvertragliche Verpflichtung - wichtige Beratungs- und Steuerungsleistungen, die wesentlich zur Erreichung des Projekterfolgs beitragen sollen. Es besteht deshalb kein Zweifel, dass auch der Projektsteuerer für eine mangelhafte Leistungserbringung und hieraus für den Bauherrn entstehende wirtschaftliche Nachteile haftet.
Im Rahmen seiner Mängelrechte kann der Bauherr nach § 633 ff. BGB grundsätzlich Nacherfüllung verlangen (solange sinnvoll), eine Selbstvornahme durchführen, vom Vertrag zurücktreten oder Minderung bzw. Schadenersatz verlangen. Die Gewährleistungsfrist beträgt bei Projektsteuerungsleistungen für ein Bauwerk, ebenso wie beim Planer, fünf Jahre ab der Abnahme, falls vertraglich insoweit nichts anderes vereinbart ist.
Die einzige Projektsteuerer-Entscheidung des OLG Naumburg
Zur Inanspruchnahme eines Projektsteuerers wegen Termin- und Kostenüberschreitungen gibt es, soweit ersichtlich, tatsächlich nur eine veröffentlichte Entscheidung. In dem vom OLG Naumburg entschiedenen Fall hatte der Auftraggeber ein Projektsteuerungsunternehmen mit Betreuungsleistungen für die Sanierung und Erweiterung eines großen Klinikums beauftragt. Der Bauherr warf dem Projektsteuerer vor, für eine Bauzeitverzögerung von zweieinhalb Jahren und erhebliche Kostenüberschreitungen verantwortlich zu sein. Der Projektsteuerer verwies hingegen auf ein unzureichendes Entscheidungsmanagement des Auftraggebers sowie auf Versäumnisse der beteiligten Planer und der ausführenden Unternehmen.
Im vorliegenden Fall ließ sich für das OLG aus dem Vertrag letztlich nicht entnehmen, dass sich der Projektsteuerer auf die Einhaltung einer Kostenhöchstgrenze und eines Fertigstellungstermins als Projekterfolg verpflichtet hatte. Es verneinte deshalb eine Haftung. Der Projektsteuerer habe zwar eine erfolgsbezogene Tätigkeiten übernommen, die für die erfolgreiche Realisierung des Projekts hinsichtlich Termine und Kosten einen beachtlichen Anteil ausmachten. Diese stünden keinesfalls hinter den Aufgaben des mit der Bauüberwachung beauftragten Architekten zurück und seien daher insgesamt nach Werkvertragsrecht zu beurteilen (§§ 631 ff. BGB). Aus der Qualifizierung des Vertragsverhältnisses als Werkvertrag folge aber nicht automatisch, dass der Projektsteuerer auch die Einhaltung des ursprünglichen Fertigstellungstermins unter Wahrung des geplanten Kostenrahmens als Werk-erfolg schulde, es bedürfe konkreterer vertraglicher Vereinbarungen (OLG Naumburg, Urteil vom 14.3.2008, Az. 10 U 64/07; Abruf-Nr. 142863).
Voraussetzungen für die Inhaftungnahme des Projektsteuerers
Die Entscheidung zeigt, dass es gewisser Voraussetzungen bedarf, damit ein Auftraggeber den Projektsteuerer erfolgreich wegen einer Termin- oder Kostenüberschreitung in Anspruch nehmen kann. Das ist zum einen eine klare vertragliche Regelung zu Leistungspflichten und zu erreichenden Planungszielen. Zum anderen muss der Auftraggeber den Projektsteuerer schon während der Vertragsdurchführung stets unverzüglich auf festgestellte Versäumnisse und Fehler hingewiesen und diese auch dokumentiert haben.
FAZIT |
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