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  • 01.04.2010 | Schwierige Probleme souverän meistern

    Legalisierung bestehender Objekte: Eine interessante Nische für Planungsbüros

    Die Legalisierung bestehender Objekte ist eine Nische, die gerade für kleine und mittlere Planungsbüros attraktive Auftragschancen verspricht. Erfahren Sie nachfolgend, worauf wir diese Prognose stützen, was Legalisierung bedeutet und welche Leistungen in diesem Zusammenhang nachgefragt werden.  

    Die Ausgangslage

    Das heranziehende Nachfragehoch hat seinen Ursprung im Bauboom bis in die 70er Jahre. Wie sich jetzt herausstellt, entsprechen überraschend viele Bauwerke (Gebäude und auch Ingenieurbauwerke) nicht den zum Errichtungszeitpunkt erteilten Baugenehmigungen. Eine Reihe von Bauwerken sind gar ganz ohne Genehmigung errichtet worden. Das böse Erwachen kommt jetzt, wenn zum Beispiel ein An- oder Umbau bevorsteht.  

     

    Versäumnisse holen die Eigentümer jetzt ein

    Oft ist es aber auch so, dass über die Jahre hinweg verschiedene An- und Umbauten vorgenommen wurden, die im Ergebnis zu einer nicht genehmigten Immobilie geführt haben. Häufig entstehen Schwierigkeiten auch beim beabsichtigten Verkauf von Immobilien, wenn der Erwerber die damals erteilte Baugenehmigung als Qualitätssiegel verlangt und sich dabei die ungenehmigten Bauteile offenbaren.  

     

    Viele Anlässe führen zur Aufdeckung rechtlicher Mängel

    Als Fazit bleibt also festzuhalten, dass es eine Vielzahl von Anlässen gibt, wo diese Mängel aufgedeckt werden. Betroffen sind nicht nur Wohnungsbauten, sondern auch Verwaltungsgebäude und gewerbliche Objekte.  

     

    Zwei Tätigkeitsplaner für Planer

    In solchen Fällen können Architekten und Ingenieure helfen. Zwei Tätigkeitsfelder tun sich auf:  

     

    1. Die Legalisierung des bestehenden Zustands (ohne dass konkrete Baumaßnahmen anstehen).
    2. Die Legalisierung im Zuge einer Umbau- oder Erweiterungsplanung.

    Nachträgliche Legalisierung ohne gleichzeitige Planung

    Diese Tätigkeit mag zunächst risikoarm erscheinen, birgt aber erhebliche Risiken. Wir raten Ihnen deshalb, die Erwirkung einer nachträglichen Baugenehmigung nicht als erfolgsorientierte Werkleistung zu verstehen - und zu vereinbaren - sondern als Dienstleistungsvertrag. Dieser besteht aus  

    • dem Erstellen von Bestandsplänen,
    • der Abstimmung der Genehmigungsfähigkeit und
    • dem Einreichen des Bauantrags.

     

    Im Gegensatz zu den klassischen Planungsleistungen, bei denen Sie für den Erfolg einstehen müssen, gibt es hier nur sehr begrenzte eigenständige Möglichkeiten für eine Werkleistung, da es einen Planungsprozess im Sinne einer Ingenieurleistung nicht mehr gibt. Ist es unmöglich, eine Baugenehmigung zu erzielen, liegt das in der Regel nicht am Planer, sondern an der vorgefundenen vorhandenen Bausubstanz. Deshalb sollten Sie vermeiden, im Vertragsgegenstand erfolgsorientierte Vertragsvereinbarungen zu treffen.  

     

    Vorschlag für Ihre Leistungsvereinbarung

    Vereinbaren Sie also Leistungen, die Dienstleistungscharakter haben. Die Leistungen sollten in zwei Schritten vereinbart werden.  

     

    1. Prüfung der Genehmigungsfähigkeit: Zunächst wird geprüft, inwieweit die Immobilie durch nachträgliche Genehmigungsverfahren legalisiert werden kann. Ziel ist also, eine aktuelle bestandskräftige Baugenehmigung zu erhalten. Liegen keine Bestandspläne vor, die den tatsächlichen Bestand ausweisen, sind in diesem Schritt zunächst Bestandspläne in der Qualität der Entwurfsplanung bzw. Bauantragsplanung zu erstellen.

     

    2. Erarbeitung des Bauantrags: Verläuft diese Prüfung positiv, kann im zweiten Schritt ein nachträglicher Bauantrag gestellt werden. Am Ende des Verfahrens steht dann eine aktuelle bestandskräftige Baugenehmigung.

     

    Mustervertragsklausel

    Vertragsgegenstand ist als erster Arbeitsschritt das Erstellen der Bestandsaufnahme des betreffenden Objekts in der Planungstiefe einer Entwurfsplanung (Planbereiche Objekt und ...) im Maßstab 1:100. Es sollen die Angaben, die für einen Bauantrag erforderlich sind, erfasst und dargestellt werden. Außerdem wird der Auftragnehmer klären, ob es möglich ist, für das Objekt nachträglich die Baugenehmigung erteilt zu bekommen, und welche Bedingungen und Auflagen dafür erfüllt sein müssen.  

     

    Sollten weitere Fachbüros zu beteiligen sein (zum Beispiel Tragwerkplaner für die Erstellung eines nachträglichen Standsicherheitsnachweises oder ... für den Nachweis nach EnEV …), werden diese vom Auftraggeber gesondert beauftragt.  

     

    Ist eine nachträgliche Erteilung einer Baugenehmigung möglich, besteht die Aufgabe - im zweiten Arbeitsschritt - darin, den Bauantrag auszuarbeiten und einzureichen.  

     

    Die Honorarvereinbarung

    Die Legalisierung von ungenehmigten Bauwerken oder -teilen ist in der HOAI nicht geregelt. Das Honorar kann frei vereinbart werden. Wir empfehlen, das Honorar für beide Schritte jeweils gesondert zu vereinbaren. Denn erst wenn der erste Schritt beendet ist, entscheidet sich, ob weitere Leistungen notwendig sind. Im ersten Schritt sollten die Bestandsaufnahme und die Prüfung der Genehmigungsfähigkeit jeweils eigene Honorarpositionen darstellen.  

     

    Musterhonorarvereinbarung

    1.1 Bestandsaufnahme im Maßstab 1:100 mit Erfassung und Darstellung aller für einen Bauantrag erforderlichen Angaben. Die Abrechnung des Honorars erfolgt im Zeithonorar.  

    1.2 Prüfung der nachträglichen Genehmigungsfähigkeit der mit den Bestandsplänen erfassten Immobilie. Die Abrechnung des Honorars erfolgt im Zeithonorar.  

    2. Erstellung, Koordinierung und Einreichung und Anpassung der Bauantragsunterlagen. Die Abrechnung des Honorars erfolgt im Zeithonorar.  

     

    Unser Tipp: Die Leistungen für Nummer 1.1 können als Pauschale oder als Zeithonorar vereinbart werden. Die Leistungen nach Nummer 1.2 werden in der Regel nach Zeithonorar vereinbart und abgerechnet. Denn es ist kaum möglich, die Anzahl der Verhandlungsgespräche bei den Bau-, Umwelt- und Denkmalbehörden, beim Gewerbeaufsichtsamt und den Tiefbauämtern abzuschätzen. Die Leistungen nach Nummer 2 können wie die nach Nummer 1.1 vereinbart und abgerechnet werden.  

     

    Vorsicht: Fachliche Hürden können die Genehmigung versagen

    Machen Sie Ihrem Auftraggeber klar, dass die Legalisierung mehr als nur ein formaler Akt ist. Die Immobilie muss dem Stand der zur Einreichung der Baugenehmigung entsprechenden Anforderungen (!) entsprechen. Deshalb kann es sein, dass die nachträgliche Genehmigung erhebliche Investitionen erfordert. Und es kann sein, dass Genehmigungen nur mit Auflagen erteilt werden (zum Beispiel das Objekt innerhalb von zwei Jahren auf EnEV-Standard zu dämmen).  

     

    Beispiel

    Die Erteilung der nachträglichen Baugenehmigung hängt unter anderem davon ab, ob der bisher nicht genehmigte Anbau dem aktuellen öffentlichen Baurecht entspricht. Denn er wird im Zuge des Genehmigungsverfahrens so behandelt, als sei er erst aktuell zum Antragszeitpunkt gebaut worden. Das bedeutet, dass für den alten ungenehmigten Anbau gegebenenfalls die Vorschriften der EnEV 2009 oder die neuen Brandschutzbestimmungen anzuwenden sind. In vielen Fällen wird es deshalb noch erheblicher Investitionen zur Ertüchtigung bedürfen, um die ersehnte Baugenehmigung erteilt zu bekommen.  

     

    Beteiligung von Fachbüros in verschiedenen Fällen notwendig

    Stellen Sie fest, dass der Standsicherheitsnachweis eines in den 50er Jahren gebauten Verwaltungsgebäudes nicht der Ausführung des bestehenden Objekts entspricht, sollte unverzüglich ein Tragwerksplaner eingeschaltet werden. Fehlt ein entsprechender Standsicherheitsnachweis, sollte unmittelbar mit dem zuständigen Bauamt Kontakt aufgenommen werden.  

     

    Behörden haben sich bereits auf Legalisierung eingerichtet

    Wichtig zu wissen, dass sich die Bundesländer mittlerweile auf diese „Legalisierungsfälle“ eingerichtet haben. Das erkennen Sie daran, dass für die Legalisierung ungenehmigter Bauwerke eigene Regelungen in Bezug auf die nachträgliche Baugenehmigungsgebühr festgelegt worden sind. Der Staat will sich diese Leistung - dieses Entgegenkommen - also bezahlen lassen.  

     

    So ist in vielen Bundesländern die dreifache Baugenehmigungsgebühr für nachträgliche Legalisierungen fällig. Das kann bereits bei kleinen Gewerbebetrieben sehr teuer werden (bis zu 25.000 Euro Gebühr). Auf ein Ordnungswidrigkeitsverfahren wird in den meisten Fällen wegen eingetretener Verjährung dagegen verzichtet.  

     

    Die Ämter lassen in der Regel nicht mit sich handeln. Nimmt das Amt niedrigere Gebühren führt das nämlich dazu, dass die Revisionsbehörde Regressforderungen gegen die Beamten erhebt.  

     

    Sonderfall der Umwidmung alter Bauwerke

    Gebäude, die noch vor Inkrafttreten der ersten Bauordnungen errichtet wurden, fallen nicht unter die restriktiven Bedingungen. Dieser Schutz fällt jedoch weg, wenn genehmigungspflichtige Nutzungsänderungen geplant sind.  

     

    Beispiele

    1. Wird eine alte Kirche oder ein Bahnhof von der Kirche bzw. der Bahn AG verkauft und umgewidmet, also aus dem alten Recht entlassen, dann greifen für den Bereich der Umnutzung die aktuellen Bauordnungen.
    2. Wird ein Wohnhaus aus der Gründerzeit, für das keine Baugenehmigung vorliegt, umgebaut, dann sind die Bestimmungen der aktuellen Bauordnungen für den Umbaubereich anzuwenden.

    Legalisierung mit Planung eines Umbauvorhabens

    Nicht selten wird erst im Zuge der Planung (zum Beispiel für einen Um- und Erweiterungsbau) festgestellt, dass das vorhandene Gebäude in einigen Teilen nicht genehmigt ist. Das kann entscheidenden Einfluss auf die Gesamtplanung haben. Dann muss der Architekt bzw. Ingenieur dies seinem Auftraggeber unverzüglich mitteilen (Beratungspflicht).  

    Anschließend ist zu entscheiden, ob die Legalisierung im Zuge der Einreichung des Bauantrags für den Um- und Erweiterungsbau oder gesondert durchgeführt wird. Bestehen hinsichtlich der nachträglichen Genehmigungsfähigkeit Bedenken, sollten beide Verfahren getrennt voneinander durchgeführt werden. Ansonsten droht ein (unverschuldetes) hohes Haftungsrisiko, wenn die Behörde den Bau nicht genehmigt.  

     

    Fall aus der Praxis

    Ein besonders brisanter Fall hat sich in Niedersachsen abgespielt. Ein Investor kauft einen alten Bauernhof, will ihn umbauen zum Ferienhof mit Reiterei und Ferienwohnungsbetrieb. Im Zuge der Entwurfsplanung erfährt er, dass drei Erweiterungsbauten des alten Bauernhofs nicht genehmigt sind und nach heutigem Baurecht keine Aussicht auf nachträgliche Genehmigung besteht (Außenbereich). Sollte er sich dazu entschließen, das bis zur Leistungsphase 3 geplante Erweiterungsprojekt fallen zu lassen, wäre auch die erbrachte Planung für das Erweiterungsprojekt und damit das Honorar des Planers hinfällig. Denn die Planung wäre für den vereinbarten Zweck nicht brauchbar.  

     

    Konsequenz für die Praxis

    In einem ähnlichen Fall kann das Risiko des Honorarverlustes nur vermieden werden, wenn spätestens zu Beginn der Leistungsphase 2 eine Bestandsaufnahme und bauordnungsrechtliche Vorabstimmung erbracht wird. Das ergibt sich aus der Treuhänder-Eigenschaft, die Architekten und Ingenieuren obliegt. Sie müssen den Auftraggeber über alle Projektrisiken - und die Ablehnung des Bauantrags ist ein solches Projektrisiko - unterrichten und die weitere Planung unter Berücksichtigung dieses Risiko mit ihm abstimmen.  

     

    Wird eine solche Abstimmung unterlassen, kann der Vorwurf entstehen, dass der Planer mit seiner Planung vorgeprescht ist, obwohl ihm das Risiko sehr wohl bekannt war. Dann hätte er seinen Honoraranspruch verwirkt.  

     

    Honorar- und Leistungsvereinbarungen

    Bei einem Um- und Erweiterungsbau mit gleichzeitiger Legalisierung eines ungenehmigten Zustands sollten für beide Maßnahmen getrennte Leistungs- und Honorarvereinbarungen getroffen werden.  

     

    Als Planer können Sie keine Gewähr dafür übernehmen, dass der vorgefundene Zustand nachträglich legalisiert wird. Deshalb sollten Sie „Legalisierungsleistungen“ als Dienstvertrag vereinbaren.  

     

    Anderes gilt für die Objektplanung für die geplante Baumaßnahme. Diese stellt eine übliche Planungsleistung (Werkvertrag) dar, die nach HOAI zu honorieren ist.  

     

    Quelle: Ausgabe 04 / 2010 | Seite 8 | ID 134712