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  • 01.02.2005 · IWW-Abrufnummer 050292

    Bundesgerichtshof: Urteil vom 16.12.2004 – VII ZR 174/03

    Ein Zwischenfeststellungsurteil kann nur auf Antrag einer Partei ergehen.


    BUNDESGERICHTSHOF
    IM NAMEN DES VOLKES
    URTEIL

    VII ZR 174/03

    Verkündet am:
    16. Dezember 2004

    in dem Rechtsstreit

    Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 30. September 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler und die Richter Hausmann, Dr. Wiebel, Prof. Dr. Kniffka und Bauner

    für Recht erkannt:

    Tenor:

    Auf die Revision des Beklagten wird das Teilurteil des 6. Zivilsenats des Kammergerichts vom 4. April 2003 aufgehoben, soweit zum Nachteil des Beklagten entschieden worden ist.

    In diesem Umfang wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Kammergericht zurückverwiesen.

    Von Rechts wegen

    Tatbestand:

    Der klagende Architekt fordert von der Beklagten restliches Honorar für erbrachte und nicht erbrachte Leistungen.

    Die Beklagte war Bauherrin eines Bauvorhabens in P., das elf unterschiedliche Mehrfamilienhäuser als Stadtvillen und vier Tiefgaragen umfaßte. Die Parteien schlossen im Mai 1994 schriftlich einen Architektenvertrag, wonach der Kläger die Grundleistungen der Leistungsphasen 6-9 des § 15 HOAI mit Ausnahme der Bauleitung für die technischen Gewerke erbringen sowie eine Kostenschätzung erstellen sollte. Sie vereinbarten auf der Grundlage geschätzter anrechenbarer Kosten von 37.327.500 DM und der Honorarzone IV ein Pauschalhonorar von 1.560.824,85 DM. Nach dem Vortrag des Klägers beauftragte ihn die Beklagte ferner mündlich mit den Leistungsphasen 6-8 des § 15 HOAI für Freianlagen.

    In der Folgezeit erbrachte der Kläger Teilleistungen. Da es während der Bauarbeiten zu Verzögerungen kam, verhandelten die Parteien erfolglos über eine vorzeitige Auflösung des Vertrages. Die Beklagte kündigte daraufhin im November 1996 den Vertrag aus wichtigem Grund. Der Kläger wies die Kündigung zurück und kündigte seinerseits den Vertrag.

    Ende Dezember 1997 erstellte der Kläger eine Honorarschlußrechnung, in der er nach Abzug von Teilzahlungen der Beklagten seine restliche Vergütung mit 1.013.877,46 DM berechnete. Im Rahmen eines Antrags auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe bezeichnete das Landgericht die Schlußrechnung als nicht prüffähig. Anfang März 2000 erstellte der Kläger eine neue Schlußrechnung, in der er für erbrachte und nicht erbrachte Leistungen insgesamt 1.766.062,71 DM errechnete. Diese Schlußrechnung hat er als Anlage seiner der Beklagten am 20. September 2000 zugestellten Klageschrift beigefügt, mit der er unter Berücksichtigung erhaltener Teilzahlungen 1.239.838,98 DM gefordert hat. Das Landgericht hat der Klage unter Abweisung im übrigen in Höhe von 1.042.098,81 DM stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht durch Teilurteil in Abschnitt I des Tenors insoweit zurückgewiesen, als die Beklagte durch das landgerichtliche Urteil verurteilt worden war, an den Kläger für erbrachte Leistungen der Objektplanung für Gebäude 254.098,65 ¤ zu zahlen; über weitergehende Vergütungsansprüche des Klägers hat es nicht entschieden. Ferner hat es die Abweisung der Klage in Höhe von 3.681,37 ¤ bestätigt sowie auf die Anschlußberufung des Klägers unter Zurückweisung im übrigen diesem einen höheren Zinssatz zugesprochen. In Abschnitt II des Urteilstenors hat es ohne Antrag des Klägers festgestellt, dieser sei berechtigt, das von ihm geforderte Honorar für erbrachte und nicht erbrachte Leistungen der Gebäude- und Freianlagenplanung auf der Grundlage der auf die erbrachten und nicht erbrachten Leistungen entfallenden Gewerke entsprechend seiner Honorarschlußrechnung vom 3. März 2000 abzurechnen und hierbei die darin aufgeführten anrechenbaren Kosten gemäß der dortigen Kostenschätzung bzw. dem dortigen Kostenanschlag sowie für die Gebäudeplanung die Honorarzone IV zugrunde zu legen; der Kläger sei weder an die Honorarvereinbarung in dem Vertrag von Mai 1994 noch an seine Schlußrechnung von Dezember 1997 gebunden. Ferner hat es ohne Antrag des Klägers festgestellt, die Beklagte sei nicht berechtigt, der Honorarforderung des Klägers Gegenansprüche im Wege der Aufrechnung oder Verrechnung entgegenzuhalten.

    Das Berufungsgericht hat die Revision mit der Begründung zugelassen, es sei höchstrichterlich nicht hinreichend geklärt, auf welche Weise die nur teilweise Erbringung von Architektenleistungen im Hinblick auf die nach § 15 Abs. 1 HOAI erreichbaren Gesamt-Prozentpunkte zu berechnen sei, insbesondere ob eine Orientierung an der "Steinfort-Tabelle" oder an ähnlichen Vorschlägen maßgebend sei. Mit ihrer Revision beantragt die Beklagte, das Urteil des Berufungsgerichts aufzuheben, soweit zu ihrem Nachteil entschieden worden ist.

    Entscheidungsgründe:

    Die Revision hat Erfolg.

    I.

    Das Berufungsgericht führt aus, es habe ein Teilurteil ergehen können. Der Ausspruch über die Zwischenfeststellung sei auch ohne ausdrücklichen Antrag des Klägers zulässig. Der Antrag sei in dem Leistungsantrag mitenthalten.

    In der Sache legt das Berufungsgericht dar, die Vereinbarung des Pauschalhonorars im Architektenvertrag von Mai 1994 sei wegen Unterschreitung des Mindesthonorars unwirksam. Die Unterschreitung ergebe sich aus zu niedrig angesetzten anrechenbaren Kosten und der Herabsetzung des Prozentsatzes der Leistungsphase 6. Dem nicht überzeugenden Vortrag der Beklagten zur Anwendbarkeit der Honorarzone III statt der als maßgeblich anerkannten Honorarzone IV sei mit Rücksicht auf die überdurchschnittliche Ausstattung der Luxushäuser nicht zu folgen. Der Kläger sei auch nach Treu und Glauben nicht an das vereinbarte Pauschalhonorar gebunden, weil sich die Beklagte darauf nicht eingestellt habe. Das dem Kläger danach zustehende Honorar sei nach den Mindestsätzen prüfbar abgerechnet; der Kläger habe eine ausreichende Abgrenzung der bis zur Kündigung erbrachten von den nicht mehr erbrachten Leistungen vorgenommen. Den sachlichen Einwänden der Beklagten gegen die Schlußrechnung sei nicht zu folgen. Der Kläger sei an seine erste Schlußrechnung nicht gebunden, weil auf seiten der Beklagten kein schutzwürdiges Vertrauen begründet worden sei. Sie habe zwar die Prüfbarkeit dieser Schlußrechnung nicht beanstandet, sich jedoch von Anfang an mit dem Kläger um die Bezahlung dieser Rechnung gestritten, so daß sie mit einer neuen Schlußrechnung habe rechnen müssen.

    II.

    Aufgrund der Revision der Beklagten ist der gesamte Streitgegenstand des Berufungsverfahrens, soweit über ihn zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist, Gegenstand der revisionsrechtlichen Überprüfung. Sollte das Berufungsgericht eine Beschränkung der Zulassung auf die genannte Frage beabsichtigt haben, wäre dies unzulässig.

    1. Der Entscheidungssatz des angefochtenen Berufungsurteils enthält keine Einschränkung der Revision. Sie ergibt sich auch nicht aus den Entscheidungsgründen. Die Revision kann nicht auf bestimmte Rechtsfragen beschränkt werden, sondern nur auf einen Teil des Streitgegenstandes, der Gegenstand eines Teilurteils sein könnte oder auf den der Beklagte selbst seine Revision beschränken könnte (BGH, Urteil vom 17. Juni 2004 - VII ZR 226/03, BauR 2004, 1650).

    2. Danach wäre eine vom Berufungsgericht beabsichtigte Beschränkung rechtlich nicht möglich. Die von ihm aufgeworfene Frage befaßt sich mit einem unselbständigen Element für die preisrechtliche Ermittlung des Architektenhonorars im Falle einer Kündigung.

    III.

    Das Teilurteil ist unzulässig. Das Berufungsgericht durfte in Abschnitt II seines Urteilstenors ohne Antrag des Klägers keine Entscheidung über die Zwischenfeststellung nicht in Rechtskraft erwachsender Urteilselemente treffen, § 308 Abs. 1 ZPO (1). Dies führt zur Unzulässigkeit des Zahlungsausspruchs in Abschnitt I des Tenors (2).

    1. Der Zwischenfeststellungsausspruch in Abschnitt II des Tenors ist unzulässig. Er verstößt gegen § 308 Abs. 1 ZPO. Das Gericht darf nicht zusprechen, was nicht zur Entscheidung gestellt ist (vgl. BGH, Urteil vom 29. November 1990 - I ZR 45/89, NJW 1991, 1683 f).

    a) Dem Ausspruch des Berufungsgerichts liegen keine entsprechenden Anträge zugrunde. Solche Anträge sind weder in dem erstinstanzlich gestellten und weitgehend zugesprochenen Zahlungsantrag des Klägers noch in seinem Antrag im zweiten Rechtszug auf Zurückweisung der Berufung als ein "weniger" enthalten. Zu Unrecht verweist das Berufungsgericht auf eine Parallele zur Zulässigkeit eines nicht beantragten Feststellungsausspruchs bei unbegründeter oder derzeit nicht begründeter Leistungsklage als ein "weniger", soweit das Interesse der klagenden Partei, in geeigneten Fällen wenigstens einen Feststellungsausspruch zu erhalten, offensichtlich sei. Dieser Grundsatz läßt sich auf ein Teilurteil mit Zwischenfeststellung, die ohne darauf gerichtete Anträge der klagenden Partei getroffen wird, um ein ansonsten unzulässiges Teilurteil erlassen zu können, nicht übertragen. In den vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fällen war die Leistungsklage stets entweder ganz oder jedenfalls derzeit unbegründet (vgl. z.B. Urteil vom 31. Januar 1984 - VI ZR 150/82, NJW 1984, 2295; Urteil vom 1. Juli 1987 - VIII ZR 194/86, MDR 1988, 46; Urteil vom 4. März 1992 - IV ZR 309/90, NJW-RR 1992, 771 f). In diesen Fällen hatte die Leistungsklage keinen Erfolg, so daß der Zahlungsantrag abzuweisen war. Das ist hier anders. Das Berufungsgericht hebt das landgerichtliche Urteil nicht auf und weist das Leistungsbegehren des Klägers weder vollständig noch als derzeit unbegründet ab. Es hält vielmehr einen Teil der Klageforderung für begründet und ebnet dem Kläger den Weg zu einem aus seiner Sicht zulässigen Teilurteil, in dem es wesentliche Urteilselemente für den noch nicht entscheidungsreifen, bei ihm noch anhängigen restlichen Zahlungsanspruch festschreibt.

    b) Der Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO ist nicht dadurch geheilt worden, daß der Kläger im Revisionsverfahren mit seinem Antrag auf Zurückweisung des Rechtsmittels der Beklagten seinen Willen zum Ausdruck gebracht hat, an dem festzuhalten, was das Berufungsgericht ihm über seinen Antrag hinaus zuerkannt hat. Eine derartige Heilungsmöglichkeit scheidet für das Revisionsverfahren grundsätzlich aus, weil insoweit eine Klageerweiterung vorliegen würde, die in der Revisionsinstanz unzulässig ist (BGH, Urteil vom 29. November 1990 - I ZR 45/89, NJW 1991, 1683 f).

    2. Soweit das Berufungsgericht in Abschnitt I des Urteilstenors die Berufung der Beklagten teilweise zurückweist, liegt ein unzulässiges Teilurteil vor. Aufgrund der Unzulässigkeit des Zwischenfeststellungsausspruchs kann der die Berufung zurückweisende Teil im weiteren Verlauf des Prozesses berührt werden. Das Berufungsgericht ist rechtlich nicht gehindert, die in der Zwischenfeststellung aufgeführten Urteilselemente für die Berechnung der noch nicht erbrachten Leistungen anders zu beurteilen.

    IV.

    Danach kann das Berufungsurteil nicht bestehenbleiben. Es ist aufzuheben; die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:

    1. Ein Zwischenfeststellungsantrag, der auf eine Feststellung gerichtet wäre, wie sie in Ziffer II 1 a und b des Tenors des Berufungsurteils ausgesprochen ist, wäre überwiegend schon deshalb unzulässig, weil er nicht auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses gerichtet wäre. Im wesentlichen würde er nur einzelne Elemente erfassen, die für die Abrechnung von Bedeutung sind.

    Ein Antrag, der auf eine Feststellung entsprechend Ziff. II 2 des Tenors des Berufungsurteils gerichtet wäre, wäre gleichfalls unzulässig. Solange nicht feststeht, daß der Kläger noch weitere Vergütung verlangen kann, kommt eine Zwischenfeststellung über das Bestehen hilfsweise zur Aufrechnung gestellter Gegenansprüche nicht in Betracht (BGH, Urteil vom 27. Oktober 1960 - VI ZR 80/58, NJW 1961, 75).

    2. Die Zulassungsfrage, wie das Architektenhonorar zu berechnen ist, wenn der Architekt im Zeitpunkt der Kündigung einzelne Grundleistungen einer Leistungsphase gar nicht oder einzelne Grundleistungen nur teilweise erbracht hat, ist in der HOAI nicht geregelt. Die HOAI bestimmt als kleinste benannte Berechnungseinheit den Vom-Hundert-Satz einer Leistungsphase. Es ist nicht erforderlich, wenn auch naheliegend, die Abrechnung in diesen Fällen nach der Steinfort-Tabelle oder ähnlichen Berechnungswerken vorzunehmen (vgl. z. B. Pott/Dahlhoff/Kniffka, HOAI, 7. Aufl., Anh. III; Locher/Koeble/Frik, HOAI, 8. Aufl., Anh. 4). Die Steinfort-Tabelle oder ähnliche Berechnungsvorschläge beruhen in der Regel auf dem Durchschnitt der Erfahrungswerte von sachverständigen Praktikern, so daß sie sich als Orientierungshilfe auch für die Bewertung nicht erbrachter Leistungen eignen. Allerdings kann eine Abrechnung im Einzelfall auch auf hiervon abweichenden Berechnungsmaßstäben beruhen, wobei es dann maßgeblich auf die im Einzelfall geschuldeten, aber nicht erbrachten Leistungen ankommt.

    RechtsgebietZPOVorschriftenZPO § 256 Abs. 2 ZPO § 308