30.07.2008 · IWW-Abrufnummer 082338
Oberlandesgericht Brandenburg: Urteil vom 05.11.1999 – 4 U 47/99
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
4 U 47/99 Brandenburgisches Oberlandesgericht
8 O 434/98 Landgericht Potsdam
Verkündet am 5.11.1999
Brandenburgisches Oberlandesgericht
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit XXX
hat der 4. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 22. September 1999
durch XXX
für R e c h t erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 20. Januar 1999 verkündete Urteil des Landgerichts Potsdam - Az.: 8 O 434/98 - abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen, soweit der Beklagte zur Zahlung über einen Betrag von 94.576,71 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 21. November 1996 hinaus verurteilt worden ist.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz werden den Klägern zu 53 % und dem Beklagten zu 47 % auferlegt.
Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger können die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 9.000,00 DM abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d :
Die Kläger, die bis zum 30. Juni 1993 als Gesellschafter bürgerlichen Rechts ein Architektenbüro betrieben, begehren von dem beklagten Land (im Folgenden: "der Beklagte") restliches Honorar für die Fachplanung anlässlich des Um- und Neubaus der JVA …. Die geplante technische Gebäudeausrüstung in den umgebauten Teilen der JVA war - nachdem die entsprechenden Anlagenteile vollständig entfernt worden waren - von den Klägern vollständig neu zu planen. Ein schriftlicher Architektenvertrag ist zwischen den Parteien nicht zu Stande gekommen. Nach Beendigung der Arbeiten durch die Kläger ermittelte der Beklagte ein Honorar von insgesamt 523.438,04 DM (Schreiben vom 25. August 1994; Bl. 6 d.A.). Auf der Basis dieser Abrechnung errechnen die Kläger ihren restlichen Anspruch wie folgt:
Honorar 523.438,04 DM
Zahlung ./. 183.658,17 DM
Zahlung ./. 172.000,00 DM
vom Finanzamt N… gepfändet und anderweitig
rechtshängig ./. 73.203,16 DM
Restforderung 94.576,71 DM
Daneben begehren die Kläger einen Umbauzuschlag gemäß § 76 Abs. 2 HOAI, den sie zunächst mit 20 % von Gesamthonorar in Höhe von 523.438,04 DM = 104.786,60 DM beziffert haben (Klageschrift; Bl. 3 d.A.). Mit Schriftsatz vom 08. April 1997 haben die Kläger den Zuschlag für die Planungsleistungen, der auf die Neubauteile (A, E, F, G und H) entfällt, mit 11.780,12 DM errechnet und die Klage in Höhe dieses Betrages nebst Zinsen zurückgenommen.
Die Kläger haben zur Begründung des Umbauzuschlags ausgeführt: Die Planung der technischen Ausrüstung in den Altbauteilen habe im Hinblick auf die hiermit verbundene Erschwerung mindestens durchschnittliche Anforderungen gestellt.
Die Kläger haben beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 198.484,19 DM nebst 4 % Zinsen seit Zustellung der Klage (21. November 1996) zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat die Auffassung vertreten, den Klägern stehe ein Umbauzuschlag nach § 76 Abs. 2 HOAI nicht zu.
Im Übrigen hat er die Aufrechnung mit Schadensersatzforderungen wegen Fehlplanungen nach Maßgabe des Schriftsatzes vom 12. Februar 1997 (Bl. 20 d.A.) erklärt.
Das Landgericht hat Beweis erhoben gemäß Beschluss vom 29. April 1997 (Bl. 87 d.A.). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen B… vom 17. Oktober 1997 (Bl. 131), die weiteren schriftlichen Erläuterungen des Gutachters vom 18. März 1998 (Bl. 159 d.A.), das Ergänzungsgutachten vom 28. Juni 1998 (Bl. 168 d.A.) und die mündlichen Erläuterungen des Sachverständigen im Kammertermin vom 25. November 1998 (Protokoll Bl. 188 d.A.) Bezug genommen.
Sodann hat das Landgericht den Beklagten zur Zahlung von 187.484,19 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 21. November 1996 verurteilt und zur Begründung ausgeführt: Nach Erbringung der Planungsleistungen stehe den Klägern das Honorar gemäß §§ 71 ff. HOAI zu. Das Honorar sei auch fällig gemäß § 10 HOAI; einer weiteren prüfungsfähigen Schlussrechnung bedürfe es nicht, da die Beklagte die der Klageforderung zu Grunde liegende Honorarsumme selbst berechnet habe. Die Schadensersatzforderungen könne die Beklagte nicht im Wege der Aufrechnung geltend machen; dem stehe die Rechtskraft des Urteils 4 O 198/95 Landgericht Potsdam entgegen.
Der Beklagte sei auch verpflichtet, den 20-%igen Umbauzuschlag gemäß § 76 Abs. 2 HOAI zu zahlen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, dass die Altbauteile umgestaltet worden seien; hierdurch hätten sich für die Kläger als Planer höhere Anforderungen ergeben, die mindestens durchschnittlichen Anforderungen entsprächen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Urteils, welches dem Beklagten am 22. Februar 1999 zugestellt worden ist, wird auf die bei den Akten befindliche Urschrift (Bl. 196 ff.) Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die am 22. März 1999 eingegangene Berufung des Beklagten. Dieser hat sie - nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 22. Mai 1999 - durch einen Schriftsatz, beim Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangen am 25. Mai 1999 (Dienstag nach Pfingsten), begründet.
Mit der Berufung wendet sich der Beklagte ausschließlich gegen die Zuerkennung des Umbauzuschlags. Dieser sei schon deswegen nicht gerechtfertigt, weil sich Planungserschwerungen im Verhältnis zu einem gleichartigen Neubau nicht ergeben hätten. Das Gutachten des Sachverständigen B… sei insoweit nicht aussagekräftig. Zudem hätten die Kläger die maßgeblichen Berechnungsgrundlagen nicht hinreichend dargetan, zumal einige neu erstellte Anlagengruppen - zum Beispiel die Abscheideanlagen und die Schmutzwasserhebeanlage - bei der Berechnung des Umbauzuschlags Berücksichtigung gefunden hätten.
Der Beklagte beantragt,
die angefochtene Entscheidung abzuändern und die Klage abzuweisen, soweit er zur Zahlung über einen Betrag in Höhe von 94.576,71 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 21. November 1996 hinaus verurteilt worden ist.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie vertiefen ihre erstinstanzlichen Rechtsansichten nach Maßgabe der Berufungserwiderung vom 02. Juli 1999 (Bl. 256 d.A.)
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die Berufung ist zulässig; insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 516, 518, 519 ZPO).
Das Rechtsmittel ist auch begründet. Nachdem der Beklagte in der Berufungsinstanz die in erster Instanz zur Aufrechnung gestellten Forderungen nicht mehr weiterverfolgt, hat der Senat lediglich über die Frage zu entscheiden, ob den Klägern für die geleisteten Planungsarbeiten neben dem im Übrigen zwischen den Parteien nicht im Streit stehenden Honorar ein auf die Altbauten bezogener Umbauzuschlag gemä ß § 76 Abs. 1 HOAI in Höhe von 92.907,48 DM zusteht. Die Voraussetzungen für die Abrechnung eines solchen Zuschlages sind im Streitfall jedoch nicht gegeben; die Klage ist daher im Umfang der Anfechtung der erstinstanzlichen Entscheidung abzuweisen.
Ein Umbauzuschlag, der bei mindestens durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad in Ermangelung einer anderweitigen schriftlichen Vereinbarung mindestens 20 % des Planungshonorars beträgt (§ 76 Abs. 4 HOAI), fällt nach der Verordnungsregelung nur dann an, wenn sich die Planungsleistungen auf "ein Objekt" im Sinne des § 3 Nr. 5 HOAI beziehen. Hier waren die Kläger mit der Planung der technischen Ausrüstung der Gebäude betraut (Objekt im Sinne des § 3 Nr. 1 HOAI). Diese Ausrüstung ist - was zwischen den Parteien unstreitig ist - in den Altbauteilen vollständig neu geplant und erstellt worden, wobei teilweise (zum Beispiel bei der Heizungsanlage) die zuvor vorhandenen Anlagen entfernt worden waren, teilweise (zum Beispiel bei der Lüftungsanlage) neuartige, zuvor nicht vorhandene Anlagen gebaut worden sind.
Der Senat erachtet die Neuplanung einer technischen Anlage nicht als Umbau im Sinne des § 76 Abs. 1 HOAI. Die Honorarregelung der § 68 ff. HOAI ist im Hinblick auf alle Parameter (Honorarzone und anrechenbare Kosten) streng auf die konkret zu erstellenden Anlagen bezogen. Eine Auslegung des Begriffs "Umbau" im Sinne des § 76 Abs. 1 HOAI dahingehend, dass ein solcher auch dann vorliegt, wenn eine (vollständig) neue technische Anlage im Rahmen des Umbaus eines Gebäudes geplant wird, ist mit der Systematik der HOAI nicht vereinbar (ebenso Jochem, HOAI-Kommentar, 4. Aufl. 1998, § 76 RN 3; a.A., allerdings ohne nähere Begründung: Locher/Koeble/Frik, Kommentar zur HOAI, 7. Auf. 1996, § 76 RN 2). Aus der Verweisung des § 76 Abs. 2 auf die Regelung des § 24 Abs. 2 HOAI lässt sich Gegenteiliges nicht entnehmen, setzt doch auch letztgenannte Vorschrift das Vorliegen eines Umbaus (bzw. einer Modernisierung) im Sinne des § 3 HOAI voraus. Mit dem vorgenannten Begriffsverständnis steht im Übrigen die amtliche Überschrift ("Umbauten ... von Anlagen ...") in Übereinstimmung.
Der Senat verkennt nicht, dass in Fällen, in denen - wie hier - technische Anlagen "im Bestand" geplant werden, in der Regel höhere Anforderungen an die Planung gestellt werden als anlässlich des Neubaus von Gebäuden, wie auch der Sachverständige B… in seinem Gutachten ausgeführt hat. So ist dem Fachplaner in einem solchen Fall insbesondere die sonst bereits in den Leistungsphasen 1 und 2 mögliche Einwirkung auf die Hochbauplanung nicht möglich. Eine erweiternde Auslegung des § 76 Abs. 1 HOAI auf die Fälle, in denen die Fachplanung an eine bereits vorhandene Bausubstanz anzupassen ist, erachtet der Senat jedoch wegen der Systematik der Honorarregelung nicht für sachgerecht (ebenso Jochem, a.a.O., der die Mindestgrenze von 20 % auch in solchen Fällen nicht für gegeben hält). Besondere Erschwernisse können sich gegebenenfalls beim Ansatz der Honorarzone des § 71 HOAI auswirken.
Auch für eine analoge Anwendung des § 76 Abs. 2 HOAI (so wohl Jochem, a.a.O.) ist in dem hier vorliegenden Fall kein Raum. Es ist schon nicht erkennbar, dass der Verordnungsgeber für die Neuplanung technischer Anlagen "im Bestand" in Bezug auf die Honorierung etwaigen Mehraufwandes eine planwidrige Lücke in der HOAI gelassen hätte.
Nach alledem kommt es nicht mehr darauf an, dass die Kläger konkrete Erschwernisse für die hier zu beurteilenden Planungsleistungen auch nicht hinreichend dargetan haben. Nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ist zwar davon auszugehen, dass die Kläger gehalten waren, bei der Planung der Heizung die vorhandenen Durchbrüche - soweit technisch möglich - zu berücksichtigen. Selbst wenn man im Gegensatz zu der Rechtsauffassung des Senats insoweit einen Zuschlag von 20 % nach § 76 Abs. 1 HOAI anerkennen könnte, so hätten die Kläger den auf die Planung der Heizungsanlage entfallenden Honorarteil nicht der Höhe nach dargetan.
Da den Klägern nach alledem ein Umbauzuschlag nicht zusteht, ist die Klage im Umfang des Berufungsangriffs abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92 Abs. 1 ZPO.
Das Urteil ist gemäß § 708 Nr. 10 für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Die Anordnung der Abwendungsbefugnis ergibt sich aus § 711 ZPO.
Streitwert für das Berufungsverfahren, zugleich Beschwer der Kläger:
92.907,48 DM