31.08.2011 · IWW-Abrufnummer 112928
Kammergericht Berlin: Urteil vom 15.02.2006 – 24 U 29/05
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
24 U 29/05
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 22. Dezember 2004 - 100 O 103/01 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, sofern nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird zunächst auf das angefochtene Urteil Bezug genommen und ergänzend ausgeführt:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Auszahlung restlichen Architektenhonorars in Höhe von 55.000,00 DM = 28.121,05 EUR aufgrund der von der Beklagten aufgestellten Abrechnung mit Schreiben vom 26. September 1996 (Anlage K 6, Bd. I, Bl. 22 ff). Demnach hat die Beklagte den vorgenannten Betrag für die damals noch nicht erbrachte Leistungsphase 9 einbehalten.
Nach dem Architektenvertrag vom 12. Juli 1993 (Anlage K 1) schuldete die Klägerin im Rahmen der Leistungsphase 9 des § 15 HOAI (Objektbetreuung und Dokumentation) 2 % der „Gesamtleistung gemäß Leistungsbildbeschreibung“, 1 % schuldete die Beklagte („Mitwirkung gemäß Leistungsbildbeschreibung, wie Mängelfeststellung und Weiterleitung, Teilnahme an Objektbegehungen, Dokumentation“).
Die Klägerin behauptet die Leistungen mangelfrei erbracht zu haben. Nach Ablauf der Gewährleistungszeiten sei der Betrag auch zur Auszahlung fällig. Auf etwaige Gewährleistungszeitverlängerungen infolge von bestehenden Mängeln oder aufgrund von durchgeführten Gewährleistungsarbeiten der ausführenden Gewerke käme es nicht an.
Die Beklagte erhebt die Einrede des nicht erfüllten Vertrages bzw. macht von ihrem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch. Die Klägerin habe einen Anspruch auf Auszahlung des restlichen Honorars nicht schlüssig dargelegt. Die Leistung sei im Übrigen mangels prüffähiger Schlussrechnung nicht fällig. Die Klägerin habe die Leistungen nicht mangelfrei erbracht. So habe sie sowohl im Rahmen der Objektüberwachung (LP 8 des § 15 HOAI) als auch im Rahmen der Objektbetreuung (LP 9 des § 15 HOAI) die ihr obliegenden Pflichten verletzt. So sei ein nicht zugelassener Brandschutzanstrich zum Einsatz gelangt, der zu Schäden geführt habe. Auch die Abplatzungen des Deckenputzes seien auf eine fehlerhafte Objektüberwachung der Klägerin im Rahmen der Überwachung der Putzarbeiten zurückzuführen. Insoweit hat die Beklagte Feststellungswiderklage erhoben.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung des restlichen Werklohns verurteilt. Die Widerklage hat das Landgericht abgewiesen, da Gegenrechte der Beklagten nach dem Gutachten des Sachverständigen ... in dem selbständigen Beweisverfahren 10 OH 2/01 nicht gegeben seien. Hinsichtlich des Brandschutzes habe die Klägerin den Nachweis erbracht, dass die verwendete Farbe die Zulassungsvoraussetzungen erfülle. Nach dem Leistungsverzeichnis sei nicht ein bestimmter Brandschutzanstrich gefordert gewesen, sondern es habe die Möglichkeit der Verwendung eines gleichwertigen Anstrichs bestanden. Um einen solchen handele es sich bei dem von der ausführenden Firma verwandten Anstrich. Auch hinsichtlich der Abplatzungen des Gipsputzes an den Deckenflächen sei ein Verschulden des Architekten nicht nachgewiesen, wie sich aus dem insoweit überzeugenden Gutachten des Sachverständigen ... in dem selbständigen Beweisverfahren ergebe.
Gegen dieses der Beklagten am 7. April 2005 zugestellte Urteil richtet sich die mit Schriftsatz vom 6. Mai 2005 eingelegte und nach Fristverlängerung bis zum 14. Juli 2005 mit Schriftsatz vom 13. Juli 2005, eingegangen am 14. Juli 2005, begründete Berufung.
Die Beklagte begehrt unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags die Aufhebung des Urteils des Landgerichts. Wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 13. Juli 2005 (Bd. II, Bl. 167-189 d.A.) nebst den mit Schriftsatz vom 15. Juli 2005 nachgereichten Anlagen BK 1 bis BK 5 verwiesen.
In der Berufungsbegründung hat sie gegenüber der Klageforderung auch die Eventualaufrechnung mit streitigen Ansprüchen auf Ersatz der aufgewendeten Privatgutachterkosten für das Gutachten ... in Höhe von 21.332,40 EUR und das Gutachten der ... Partner in Höhe von 2.192,40 Euro erklärt (Bd. II, Bl. 180 d.A.).
Sie beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Berlin – 100 O. 103/01- vom 22. Dezember 2004, die Klage abzuweisen,
widerklagend festzustellen, dass die Klägerin verpflichtet ist, ihr, der Beklagten, sämtliche Schäden zu ersetzen, die ihr infolge der Verwendung des ungeeigneten Brandschutzanstriches „Firetex M 70 (Außen)“ sowie aus sämtlichen Deckenputzschäden am Bauvorhaben ... (Projekt 1) und ... (Projekt 2) entstanden sind und noch entstehen werden,
hilfsweise den Rechtsstreit gemäß § 538 ZPO nF an das erstinstanzliche LG zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil, nimmt auf ihren erstinstanzlichen Vortrag Bezug und vertieft diesen wie im Einzelnen aus dem Schriftsatz vom 31. Oktober 2005 nebst Anlagen (Bd. II, Bl. 198- 208 d.A.) ersichtlich.
Die Akten 10 OH 2/01 des Landgerichts Berlin lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
II.
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.
Die Klage ist begründet, die Widerklage ist abzuweisen.
I. Der Klägerin steht der geltend gemachte Restwerklohnanspruch gemäß § 631 BGB i.V.m. §§ 8, 15 HOAI zu.
Der Betrag ist auch zur Auszahlung fällig.
Die Klägerin hat die Leistung vertragsgemäß erbracht und aufgrund der von der Beklagten überreichten prüffähigen Honorarschlussrechnung geltend gemacht.
a) Die Klägerin hat ihre Leistungen vertragsgemäß erbracht. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen.
Sie war nur mit einem Teil der Leistungsphase 9 des § 15 HOAI beauftragt. Dass sie den auf sie entfallenden Teil der Grundleistungen der Leistungsphase 9 erbracht hat, hat sie schon im erstinstanzlichen Schriftsatz vom 22. November 2001 nebst umfangreichen Anlagen (Bd. I., Bl. 127 ff d.A.) substantiiert dargestellt, ohne dass die Beklagte dem hinreichend fundiert ausräumend entgegengetreten ist. Soweit die Beklagte, der vertragsgemäß 1/3 der Grundleistungen der Leistungsphase 9 selbst oblagen, diese teilweise nicht erbracht haben sollte oder weitere Leistungen der Klägerin nicht in Anspruch genommen haben mag, ändert das an der Erbringung des nur geschuldeten Leistungsumfangs durch die Klägerin nichts. Nach Ablauf der fünfjährigen Gewährleistungsfrist endete diese Leistungsphase.
b) Die Schlussrechnung ist auch prüffähig.
Die Klägerin macht aufgrund der von der Beklagten selbst aufgestellten Schlussrechnung und dem Abrechnungsschreiben der Beklagten vom 26. September 1996 (Anlage K 6) nach Ablauf der Gewährleistungszeit nunmehr den Einbehalt für die Leistungsphase 9 des § 15 HOAI geltend. Stellt die Beklagte eine eigene Rechnung auf und hält sich die Klägerin an diese, so bedarf es einer eigenen Schlussrechnung der Klägerin nicht mehr. Dass die von der Beklagten selbst aufgestellte Schlussrechnung nicht ihren eigenen Informations- und Kontrollinteressen genügt, ist nicht nachvollziehbar.
c) Die Klägerin hat ihre Leistung auch mangelfrei erbracht. Die Einwendungen der Beklagten sind unbegründet, worauf bereits das Landgericht zu Recht abgestellt hat.
Der die Bauaufsicht (Objektüberwachung) führende Architekt hat dafür zu sorgen, dass der Bau plangerecht und frei von Mängeln errichtet wird. Der Architekt ist dabei nicht verpflichtet, sich ständig auf der Baustelle aufzuhalten. Er muss allerdings die Arbeiten in angemessener und zumutbarer Weise überwachen und sich durch häufige Kontrollen vergewissern, dass seine Anweisungen sachgerecht erledigt werden. Bei wichtigen bzw. kritischen Baumaßnahmen, die erfahrungsgemäß ein hohes Mängelrisiko aufweisen, ist der Architekt zu erhöhter Aufmerksamkeit und zu einer intensiveren Wahrnehmung der Bauaufsicht verpflichtet. Besondere Aufmerksamkeit hat er insbesondere solche Baumaßnahmen zu widmen, bei denen sich im Verlauf der Bauausführung Anhaltspunkte für Mängel ergeben (BGHZ 125, 111 ff m.w.N. zitiert nach juris). Der Umfang der Bauaufsichtspflicht, also insbesondere die Häufigkeit der Baustellenbesuche, kann weder sachlich noch zeitlich generell bestimmt werden, sondern richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Handwerkliche Selbstverständlichkeiten bei allgemein üblichen gängigen und einfachen Bauarbeiten, deren Beherrschung durch den Bauunternehmer vorausgesetzt werden kann, sind im Zweifel nicht von dem Architekten zu überwachen. Insoweit kann er sich zu einem gewissen Grade auf die Zuverl ässigkeit und ordnungsgemäße unternehmerische Bauausführung verlassen. Zu den handwerklichen Selbstverständlichkeiten zählen zum Beispiel Putzarbeiten (Werner/Pastor, Der Bauprozess, 11. Auflage Rz. 1498 ff m.w.N.).
aa) Hinsichtlich des Komplexes Deckenputz ist der Klägerin ein Überwachungsverschulden nicht anzulasten. Auf die insoweit zutreffenden Ausführungen des Landgerichts unter Berücksichtigung der Ausführung des Sachverständigen ... in dem selbständigen Beweisverfahren wird Bezug genommen. Der Sachverständige ... hat bereits auf Seite 40 seines Erstgutachtens überzeugend festgehalten, dass die Klägerin kein Überwachungsverschulden trifft. Dass sie aus anderen Gründen zu erhöhter Aufmerksamkeit und einer intensiveren Überwachung verpflichtet gewesen wäre, hat die Beklagte nicht dargetan. Baubehinderungsanzeigen wegen zu hoher Bauteilfeuchte oder zu geringer Außentemperatur hat die Beklagte nicht vorgetragen. Soweit die Beklagte das Zulassen von Innenputzarbeiten bei Außentemperaturen unter 5 Grad Celsius als klägerisches Überwachungsverschulden rügt, mag sogar dahin stehen, wie weit die diesbezügliche Überwachungspflicht des bauleitenden Architekten reicht. Denn es ist unausgeräumt, dass zum einen die betroffenen Wohnungen zum Teil über Fenster verfügten und zum anderen die Deckenputzablösungen auch in Wohnungen aufgetreten sind, in denen die Putzarbeiten bei wärmeren Temperaturen ausgeführt worden sind.
Im Übrigen hat der Sachverständige ... in seiner Anhörung im Beweissicherungsverfahren am 21. September 2004 (Kopie Bd. II, Bl. 14 d.A.) ausgeführt – und dies wird auch durch den klägerseits eingereichten Fachartikel zum Deckenputz auf Stahlbetondecken untermauert –, dass die, nicht etwa seitens der Klägerin, vorgegebene Art der Ausführung des Gipsputzes auf Stahlbetondecken unter vorheriger Aufbringung eines Haftuntergrundes zum Zeitpunkt der Leistungserbringung durchaus üblich war. Dass heute, mehr als 10 Jahre später, eine solche Ausführung aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse nach dem Stand der Technik nicht mehr angewendet werden sollte, wie im Aufsatz des Sachverständigen ... in der Zeitschrift Bauplanung aus dem März 2005, eingereicht vom Klägervertreter Bd. II, Bl. 206 d.A., entwickelt wird, vermag den damals vorauszusetzenden Kenntnisstand nicht nachträglich zu erhöhen. Dass Gegenteil wird auch nicht durch die von der Beklagten in der Berufungsbegründungsschrift (Bd. II, Bl. 182) zitierte Literatur belegt. Nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag der Klägerin mit Schriftsatz vom 31. Oktober 2005 (Bd. II, Bl. 202) wird in dieser Literatur, die allein Ausführungen dazu enthält, wie gearbeitet werden muss, an keiner Stelle die Empfehlung gegeben, Gipsputz nicht auf Beton aufzutragen bzw., dass dies nicht dem Stand der Technik entspricht. Der Klägerin hat sich also zur damaligen Zeit auch nicht aufdrängen müssen, dass es sich um eine besonders schadensträchtige Art der Ausführung handelt, die einer intensiven Überwachung bedurft hätte.
Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus den als Anlagen zur Berufungsbegründung eingereichten Gutachten des Büros ... und ... Partner. Das ...-Gutachten befasst sich mit einem Sanierungskonzept und der Einzelfeststellung von Hohllagen des Deckenputzes, gibt aber nichts für ein Überwachungsverschulden der Klägerin her. Das Gutachten ... stellt eine Hilfe zur Formulierung von Fragen und Einwendungen zum Gutachten ... dar, vermag einen klägerischen Pflichtenverstoß aber ebenfalls nicht zu begründen. Die Eventualaufrechnung mit den jeweiligen Privatgutachterkosten scheitert also mangels eines diesbezüglichen Schadensersatzanspruches gegen die Klägerin.
bb) Auch hinsichtlich des aufgebrachten Brandschutzanstrichs an den Stahlbauteilen trifft die Klägerin keine Überwachungspflichtverletzung. Auf die insoweit zutreffenden Ausführungen des Landgerichts wird Bezug genommen. Eine bestimmte Art des Brandschutzanstrichs war nach dem Leistungsverzeichnis nicht vorgeschrieben. Die Stahlteile sollten eine F-30 Beschichtung erhalten. In dem Leistungsverzeichnis war vorgegeben: „Pyrotect Außen“ Fa. ... oder gleichartig. Die Firma ..., die zunächst die Arbeiten angefangen, aber dann wegen Konkurses beenden musste, hatte vorgesehen: „Unitherm-Stahlbrandschutz-System“. Die ausführende Firma hat sich dann des Systems Firetec M 70 Außen bedient. Dieses System war zum Zeitpunkt der Leistungserbringung noch zugelassen (vgl. Zulassungsbescheid als Anlage K 16 in Kopie Bd. I, Bl. 172 ff d.A.). Erst im Verlaufe des Jahres 1996 wurde die Zulassung entzogen bzw. endete.
Für eine nochmalige Anhörung des Sachverständigen ... bzw. die Einholung eines Obergutachtens, wie von der Beklagten angeregt, bestand nach allem daher keine Veranlassung.
cc) Unbehelflich ist schließlich auch die Bezugnahme der Beklagten auf das Privatgutachten ... vom 6. August 2000 (Anlage BK 2), das sich mit den Feuchtigkeitsschäden im Kellerbereich der Sparkassenfiliale ... a befasst. Insoweit hat der Sachverständige ... auf Seite 47 und 49 oben seines Erstgutachtens Planungs- und Überwachungsfehler überzeugend ausgeschlossen. Hiermit setzt sich die Beklagte nicht fundiert auseinander.
II. Da die Klägerin ihre Leistungen mangelfrei erbracht hat und die Schäden wegen des Brandschutzanstrichs und des Deckenputzes nach dem zuvor Ausgeführten nicht auf Überwachungsfehler der Klägerin zurückzuführen sind, ist die Widerklage unbegründet. Auf die obigen Ausführungen zur Mangelfreiheit der Leistungen wird verwiesen.
III. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
IV. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO), sind nicht ersichtlich.