24.02.2012 · IWW-Abrufnummer 120622
Oberlandesgericht Köln: Beschluss vom 23.11.2011 – 11 U 127/11
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Köln
11 U 127/11
Tenor:
Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Bonn vom 22.6.2011 - 11 U 127/11 – gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Gründe:
Die zulässige Berufung hat nach dem gegebenen Sachstand keine Aussicht auf Erfolg. Da die zugrunde liegende Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, eine Entscheidung durch Urteil auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist (vgl. § 522 Abs. 2 Nr. 2 bis 4 ZPO), soll über das Rechtsmittel durch Beschluss entschieden werden.
Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Der Senat teilt die Meinung des Landgerichts, dass der Kläger hinsichtlich der Höhe des von ihm geltend gemachten Architektenhonorars an seine Schlussrechnung vom 7.6.2009 ( Bl. 11 AH I) gebunden ist.
1.
Die Ansicht des Landgerichts, dass die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze für die Annahme eines Ausnahmefalls der Bindungswirkung an eine frühere Schlussrechnung des Architekten nach Treu und Glauben vorliegen ( hierzu: BGH NZBau 2009, 33; NZBau 2010, 443; auch Werner/Pastor, Der Bauprozess, 13. Aufl., Rz. 885 ff) ist überzeugend. Die vom Kläger im Berufungsverfahren hiergegen erhobenen Einwendungen veranlassen keine Abänderung der angefochtenen Entscheidung.
Der Architekt ist zwar grundsätzlich berechtigt, auch nach einer erstellten Schlussrechnung eine weitergehende Forderung geltend zu machen, weil in einer Schlussrechnung in aller Regel kein Verzicht auf eine Nachforderung liegt. Es bedarf auch keines Vorbehalts des Architekten, ggfs. weitergehende Forderungen geltend machen zu wollen.
Der Architekt kann aber nach Treu und Glauben, § 242 BGB, gehindert sein, seine in einer Schlussrechnung nicht berechnete Forderung durchzusetzen. An eine Schlussrechnung ist der Architekt gebunden,
- wenn der Auftraggeber auf eine abschließende Berechnung des Honorars vertrauen durfte
- und er sich im berechtigten Vertrauen auf die Endgültigkeit der Schlussrechnung in schutzwürdiger Weise so eingerichtet hat, dass ihm eine Nachforderung nicht mehr zugemutet werden kann, weil die durch die Nachforderung entstehende zusätzliche Belastung unter Berücksichtigung aller Umstände eine besondere Härte bedeutet.
Der Kläger weist zwar zu Recht darauf hin, dass sich der Auftraggeber dann nicht auf ein schutzwürdiges Vertrauen auf die Maßgeblichkeit der früheren Schlussrechnung berufen kann, wenn er selbst diese Schlussrechnung gerügt hat ( Urteil Senat NZBau 2005, 467; OLG Düsseldorf BauR 2010, 482). Die Beklagte hat hier die inhaltliche Richtigkeit der Schlussrechnung des Klägers vom 7.6.2006 beanstandet und eine Nachforderung wegen angeblicher Überzahlung der Vergütungsforderung zurückgewiesen.
Allerdings weist der hier zugrunde liegende Sachverhalt Besonderheiten auf, die die Beklagte zu der Annahme berechtigten, dass der Kläger bei einer Neuberechnung seines Honorars jedenfalls keine Nachforderung geltend machen würde, die den in der Schlussrechnung vom 7.6.2006 geltend gemachten Betrag in Höhe von 11.199,82 € erheblich übersteigen ( vgl. zu einem ähnlichen gelagerten Fall: OLG Hamm BauR 2009, 1325: nach Rüge der mangelnden Prüffähigkeit der Rechnung durch den Auftraggeber hatte der Architekt in der Folgezeit zum Ausdruck gebracht , dass seine frühere Rechnung abschließend sein sollte, worauf sich der Besteller einrichtete).
Ein Teil der vom Kläger erbrachten Leistungen war hier von den Parteien bereits einvernehmlich abgerechnet und abgewickelt worden. Die im vorliegenden Verfahren in Rede stehenden Leistungen hatte der Kläger zunächst mit Schlussrechnung vom 25.4.2006 ( BL. 8 AH I) abgerechnet und eine Nachforderung in Höhe von 66.904,50 € geltend gemacht, die die Beklagte auf 57.937,90 € gekürzt und auch bezahlt hatte. Daraufhin erstellte der Kläger die Rechnung vom 7.6.2006, in der er weitere 11.199,82 € forderte. Auch diese Rechnung wurde von der Beklagten beanstandet, eine weitere Zahlung wurde wegen angeblicher Überzahlung abgelehnt. Zwischen den Parteien waren die streitigen Punkte der berechneten Positionen ( insbesondere die Höhe der anrechenbaren Kosten, Abrechnung nach Zeitaufwand) also wiederholt diskutiert worden. Mit Schreiben vom 2.7.2006 berief sich der Kläger aber erneut nur auf das Bestehen einer offenen Vergütungsforderung in Höhe von „mehr als 10.000 €“ , wobei er einräumte, dass einzelne Kürzungen der Beklagten berechtigt seien. Er kündigte lediglich an, eine neue Rechnung vorlegen zu wollen, ohne zum Ausdruck zu bringen, dass er nunmehr beabsichtige, seine Leistungen komplett neu abzurechnen, ohne Berücksichtigung der bisherigen Abrechnungsweise und der zwischen den Parteien diskutierten Punkte, und dass die neu berechnete Nachforderung auch deutlich höher ausfallen könne als bisher geltend gemachte. Die Beklagte musste daher zwar mit der Erstellung einer weiteren Schlussrechnung und der Geltendmachung einer Nachforderung durch den Kläger rechnen, aber nicht damit, dass der Kläger in der Folgezeit eine komplett neue, vom Inhalt der Rechnungen vom 25.4. und vom 7.6.2006 völlig abweichende Art der Abrechnung vornehmen und eine deutlich höhere Forderung als zuvor ( nunmehr zusätzlich 98.431,55 €) geltend machen würde. Nachdem zweimal die Richtigkeit der Rechnungen und die Art und Weise der Abrechnung diskutiert worden war, und der Kläger auch die Berechtigung zu Rechnungskürzungen in Teilen bestätigt hatte, durfte die Beklagte darauf vertrauen, dass eine weitere Rechnung nicht wesentlich höher ausfiel als die vom 7.6.2006.
Zu Recht führt das Landgericht weiter aus, dass auch der Zeitablauf von über 2 ½ Jahren bis zur Rechnungserstellung im November 2009 bei der Frage der Vertrauensentwicklung der Beklagten berücksichtigt werden kann.
Schließlich sind auch die Ausführungen des Landgerichts dazu, dass sich die Beklagte in berechtigtem Vertrauen auf die Höhe des in der Schlussrechnung vom 7.6.2006 geforderten Nachzahlungsbetrages in schutzwürdiger Weise eingerichtet hat, und dass eine darüberhinausgehende Nachforderung gegen die Beklagte unzumutbar ist, nicht zu beanstanden.
2.
Aber auch unabhängig von einer abschließenden Bewertung, ob sich die Bindungswirkung an die Rechnung vom 7.6.2006 unter Heranziehung der Grundsätze von Treu und Glauben zu begründen lässt, ist mit Rücksicht auf die hier vorliegenden Umstände anzunehmen, dass sich die Parteien im Rahmen des wechselseitigen Schriftverkehrs darauf geeinigt haben, dass der Kläger die hier in Rede stehenden Leistungen höchstens im Rahmen des in der Rechnung vom 7.6.2006 geforderten Betrages abrechnen sollte. Die Erörterung der Parteien nach vollständiger Leistungserbringung durch den Kläger bezog sich nur auf die in den streitigen Rechnungen vom 25.4.2006 und vom 7.6.2006 enthaltenen Abrechnungsweisen und die entsprechenden Rechnungsprüfungen der Beklagten. Hierauf nahm auch der Kläger in seinem Schreiben vom 2.7.2007 Bezug, worin er die von der Beklagten vorgenommenen Rechnungskürzungen als zum Teil berechtigt bestätigte, und eine Neuberechnung ankündigte. Er hatte weder hierin noch in der Neuberechnung vom 7.6.2006 einen Vorbehalt bezüglich einer gänzlich anderen Abrechnungsweise und der Geltendmachung einer deutlich höheren Forderung erklärt. Die Beklagte durfte daher die Rechnung des Klägers vom 7.6.2006 und das Schreiben vom 2.7.2006 aus dem maßgebenden Empfängerhorizont unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen und Treu und Glauben (§§ 133, 157 BGB) als Verzicht des Klägers auf die Geltendmachung einer gänzlich anderen Abrechnungsweise und einer deutlich höheren Nachforderung ansehen, zumal der Kläger bereits bei Erstellung der Rechnung vom 7.6.2006 die Möglichkeit zu einer gänzlich anderen und höheren Abrechnung nicht ergriffen hatte.
Der Kläger hat im Berufungsverfahren auch nicht geltend gemacht, dass ihm aus der Rechnung vom 7.6.2006 über die vom Landgericht zuerkannten 5.000 € hinaus ein weitergehender Vergütungsanspruch zusteht.
II.
Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme hierzu innerhalb einer Frist von drei Wochen seit Zugang dieses Beschlusses. Die Frist kann nur unter den Voraussetzungen des § 224 Abs. 2 ZPO oder mit Zustimmung des Gegners verlängert werden. Auf die Möglichkeit einer kostensparenden Rücknahme der Berufung (KV Nr. 1220, 1222 zu § 3 Abs. 2 GKG) wird hingewiesen.
Köln, den 23.11.2011
Oberlandesgericht, 11. Zivilsenat