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  • 24.01.2012 · IWW-Abrufnummer 122085

    Finanzgericht München: Beschluss vom 06.09.2011 – 14 V 2031/11

    Soweit der Antragsteller sowohl steuerpflichtige als auch nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfreie Ausgangsumsätze tätigt, sind die in den unternehmerischen Bereich entfallenden Vorsteuerbeträge nach § 15 Abs. 4 UStG aufzuteilen (BFH v. 28.9.2006, V R 43/03, BStBl II 2007, 417). Nach dieser Vorschrift ist der Teil der Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG wirtschaftlich zuzurechnen.


    BESCHLUSS
    In der Streitsache
    hat der 14. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung … ohne mündliche Verhandlung am 06. September 2011 beschlossen:
    1. Der Antrag wird abgelehnt.
    2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
    Gründe
    I.
    Im Hauptsacheverfahren ist die Aufteilung von Vorsteuern streitig.
    Der Antragsteller ist als Architekt unternehmerisch tätig. Seit 2004 ist der Antragsteller zu 100 % an der S Wohnbau GmbH (S GmbH) beteiligt und wurde mit Vertrag vom 6. Mai 2004 zum Gesellschafter-Geschäftsführer bestellt. Zwischen der S GmbH, die ausschließlich steuerfreie Grundstücksumsätze ausführt, und dem Antragsteller besteht eine umsatzsteuerliche Organschaft.
    Im Rahmen einer Umsatzsteuersonderprüfung für den Zeitraum 2005 sowie für das erste bis dritte Quartal 2006 kam das Finanzamt (FA) zu dem Ergebnis (vgl. Bericht vom 3. April 2007), dass der Antragsteller in diesem Zeitraum ausschließlich für die C GmbH, die FranK GmbH sowie für die S GmbH tätig geworden ist. Dabei wurde im Einvernehmen zwischen den Beteiligten die Aufteilung des Vorsteuerabzugs aus Kosten für Büro, Büroeinrichtung sowie Kraftfahrzeuge im Wege der Schätzung ermittelt. Aufgrund der für die S GmbH getätigten Umsätze wurden für das Jahr 2005 Vorsteuern von 2.717,90 EUR und für das dritte Quartal 2006 Vorsteuern von 2.408,68 EUR nicht zum Abzug zugelassen, da sie auf steuerfreie Ausgangsumsätze entfielen.
    Diesen Feststellungen folgend setzte das FA die Umsatzsteuer 2005 mit Bescheid vom 24. April 2007 auf 2.247,86 EUR und die Umsatzsteuervorauszahlung für das dritte Quartal 2006 mit Bescheid vom 23. April 2007 auf 3.410,97 EUR fest.
    Im Rahmen des dagegen gerichteten Einspruchsverfahrens wurden die Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 2005 und 2006 eingereicht. Dabei wurden die vom Antragsteller erbrachten Leistungen für die einzelnen Bauprojekte neu aufgeteilt. Das FA änderte daraufhin den für 2006 geltend gemachten Vorsteuerabzug und setzte die Umsatzsteuer für dieses Jahr mit Bescheid vom 16. September 2008 auf einen Negativbetrag von 1.020 EUR fest.
    Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Mit Entscheidung vom 26. August 2010 wurde die Umsatzsteuer 2005 nach vorherigem Hinweis erhöht und auf 2.383,76 EUR festgesetzt und die Umsatzsteuer 2006 auf negativ 1.612,59 EUR festgesetzt.
    Mit seinem beim Finanzgericht gestellten Antrag bringt der Antragsteller im Wesentlichen vor, dass das FA die Vorsteuern unzutreffend nach Umsätzen aufgeteilt habe. Bei dem Umsatz im Rahmen der Organschaft mit der S GmbH handle es sich um einen so genannten Nicht-Umsatz mit der Folge, dass er bei der Berechnung einer aufzuteilenden Vorsteuer keine einzubeziehende Berechnungsgröße darstelle. Eine Kürzung der Vorsteuern scheide daher aus. Im Hinblick auf die neueste höchstrichterliche Rechtsprechung sei die wirtschaftliche Zurechnung in Form einer betrieblichen Kostenrechnung nicht mehr die zwingende Aufteilungsmethode, da der daraus resultierende faktische Ausschluss von Aufteilungen nach Umsätzen möglicherweise gegen EU-Recht verstoße.
    Der Antragsteller beantragt,
    den Umsatzsteuerbescheid 2005 vom 26. August 2010 in Höhe von 11.007,49 EUR und den Umsatzsteuerbescheid 2006 vom 26. August 2010 in Höhe von 3.453,15 EUR und die Einspruchsentscheidung vom 17. Februar 2011 von der Vollziehung auszusetzen.
    Das Finanzamt beantragt,
    den Antrag abzulehnen.
    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Finanzamts-Akten und auf die im Verfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
    II.
    Der Antrag hat keinen Erfolg.
    1. Bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen und auch ausreichenden summarischen Beurteilung des Sachverhalts anhand präsenter Beweismittel bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinne des § 69 Abs. 3 und Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) an der Rechtmäßigkeit der Bescheide (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 24. Februar 2000 IV B 83/99, BStBl II 2000, 298) und zwar aus folgenden Erwägungen:
    Das FA hat die Umsatzsteuer für die Streitjahre zutreffend festgesetzt, ein weiterer Vorsteuerabzug kommt nicht in Betracht.
    Der Unternehmer kann gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes in der für die Streitjahre maßgebenden Fassung (UStG) die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, abziehen.
    Gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG ist die Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung von steuerfreien Umsätzen verwendet, vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen.
    Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft).
    Gemeinschaftsrechtlich beruht diese Vorschrift auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG –Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage– (Richtlinie 77/388/EWG). Danach können die Mitgliedstaaten im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln. Nach der Rechtsprechung des Senats kann jeder Unternehmer die Eigenschaft als Organträger ausfüllen (Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 9. Oktober 2002 V R 64/99, BFHE 200, 119, BStBl II 2003, 375). Dementsprechend können aber auch nur Unternehmer, die –unabhängig vom Bestehen einer Organschaft– eine eigene entgeltliche Leistungstätigkeit ausüben, Organträger sein (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 29. Januar 2009 V R 67/07, DStR 2009, 1308).
    Im Streitfall handelt es sich bei der S GmbH um eine Organgesellschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG. Unternehmer und Steuerschuldner aller Umsätze, die der Organträger oder eine der ihm eingegliederten Organgesellschaften tätigt, ist der Organträger, d.h. der Antragsteller. Die von ihm gegenüber der Organgesellschaft erbrachten Leistungen sind als nicht steuerbare Innenumsätze zu behandeln (vgl. Klenk in Sölch/Ringleb, Kommentar zum UStG, Rz. 142 zu § 2 UStG, Stand April 2011).
    Soweit der Antragsteller sowohl steuerpflichtige als auch nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfreie Ausgangsumsätze tätigt, sind die in den unternehmerischen Bereich entfallenden Vorsteuerbeträge nach § 15 Abs. 4 UStG aufzuteilen (vgl. BFH-Urteil vom 28. September 2006 V R 43/03, BStBl II 2007, 417). Nach dieser Vorschrift ist der Teil der Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG wirtschaftlich zuzurechnen. Nach § 15 Abs. 4 Satz 2 UStG kann der Unternehmer die nicht abziehbaren Teilbeträge im Wege einer sachgerechten Schätzung ermitteln (BFH-Urteil vom 12. März 1998 V R 50/97, BStBl II 1998, 525).
    In ständiger Rechtsprechung hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass wegen des nicht eindeutigen Wortlauts der Vorschrift des § 15 Abs. 4 UStG verschiedene Zurechnungskriterien als sachgerecht im Sinne einer „wirtschaftlichen Zurechnung” bezeichnet werden können (vgl. BFH-Beschluss vom 12.05.2005 V B 197/03, BFH/NV 2005, 1880). Als „sachgerecht” i.S. des § 15 Abs. 4 UStG ist aber nur ein den Vorgaben des Art. 17 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG entsprechendes Aufteilungsverfahren anzuerkennen, das –objektiv nachprüfbar– nach einheitlicher Methode die beiden „Nutzungsteile” eines gemischt verwendeten Gegenstandes bzw. einer sonstigen Leistung den damit ausgeführten steuerfreien und steuerpflichtigen Umsätzen zurechnet (vgl. BFH-Urteil vom 17. August 2001 V R 1/01, BStBl II 2002, 833).
    Als sachgerechte Schätzung anerkannt wurde beispielsweise die Aufteilung der Vorsteuern im Verhältnis der im Zeitpunkt des Leistungsbezugs kalkulierten Ausgangsumsätze des Unternehmers (vgl. BFH-Urteile vom 17. August 2001 V R 1/01, BStBl II 2002, 833 und vom 18. November 2004 V R 16/03, BStBl II 2005, 503).
    Gegen die vom FA vorgenommene Aufteilung der Vorsteuern bestehen keine Bedenken. Insbesondere hat es sich für die Ermittlung der abziehbaren Vorsteuerbeträgen an den Umsätzen orientiert und den Gesamtumsatz für ein Bauprojekt ins Verhältnis zur Laufzeit eines Projektes gesetzt und so den durchschnittlichen Monatsumsatz ermittelt. Diese Vorgehensweise entspricht einer objektiv nachprüfbaren Aufteilung zwischen steuerfreien und steuerpflichtigen Umsätzen. Im Übrigen hat das FA auch die im Einspruchsverfahren vorgelegten abgeänderten Arbeitszeiten für die einzelnen Bauprojekte übernommen und die Vorsteueraufteilung entsprechend geändert.
    Die vom Antragsteller vorgenommene Berechnung führt hingegen nicht zu einer sachgerechten Aufteilung. Die zusätzlich zu der Berücksichtigung der Dauer des Arbeitsaufwandes vorgenommene Gewichtung nach Arbeitsaufwand kann objektiv nicht nachvollzogen werden und würde – wie vom FA zutreffend vorgetragen – dazu führen, dass für gleiche Leistungen unterschiedliche Preise berechnet werden würden.
    Soweit der BFH dem Gerichtshof der Europäischen Union am 22. Juli 2010 die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt hat, ob Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG dahingehend auszulegen ist, dass er die Mitgliedstaaten ermächtigt, für die Aufteilung der Vorsteuern aus der Errichtung eines gemischt-genutzten Gebäudes vorrangig einen anderen Aufteilungsmaßstab als den Umsatzschlüssel vorzuschreiben, wird das hier vorliegende Verfahren nicht berührt, da das FA eine Aufteilung der Vorsteuern anhand der getätigten Umsätze vorgenommen hat (vgl. BFH vom 22. Juli 2010 V R 19/09, BStBl II 2010, 1090).
    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.

    VorschriftenUStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, UStG § 14, UStG § 2 Abs. 1 S. 1, UStG § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 1