05.12.2012 · IWW-Abrufnummer 123609
Amtsgericht Kassel: Urteil vom 09.10.2012 – 435 C 6301/11
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
AG Kassel, 09.10.2012
435 C 6301/11
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.374,45 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 10.02.2011 und weitere 88,25 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von acht Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 22.07.2011 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt die Zahlung von Architektenhonorar.
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Mit schriftlichem Vertrag vom 08.07.2010 (Bl. 14 d.A.) vereinbarten die Parteien, dass der Kläger für die Beklagte Leistungen zur Begutachtung von diversen gebrauchten Immobilien unter Einschluss der Ermittlung des Investitionsbedarfes und der Sanierungs- sowie Instandsetzungskosten erbringen sollte. Die Parteien vereinbarten weiter die Honorierung des Klägers auf Stundenbasis, ohne einen Stundensatz zu benennen. Die Beklagte wollte eine Boarding-House eröffnen. Der Kläger nahm drei Objekte in Kassel in Augenschein. Mit Rechnung vom 10.01.2011 stellte er hierfür 1.374,45 € in Rechnung (Bl. 76 d.A.), nämlich 21 Stunden zu je 55,00 € zuzüglich Umsatzsteuer.
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Der Kläger meint, diese Rechnung sei prüffähig und fällig, da die Vereinbarung eines Stundenhonorars wirksam getroffen worden sei. Der Stundensatz von 55,00 € sei ortsüblich. Ferner könne er die Erstattung seiner vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verlangen.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.374,45 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.02.2011 sowie weitere 98,25 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von acht Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.07.2011 zu bezahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie wendet die fehlende Prüffähigkeit wegen Unterschreitung des Mindestsatzes nach der HOAI ein. Der begehrte Stundesatz sei nicht ortsüblich.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage hat weitgehend Erfolg.
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Der Kläger hat gem. § 631 BGB einen Anspruch auf den in Rechnung gestellten Werklohn.
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Die Rechnung des Klägers vom 10.01.2011 ist prüffähig. Sie enthält den Stundensatz sowie die Anzahl der aufgewendeten Stunden. Den Inhalt der Tätigkeit hat der Kläger jedenfalls mit Schriftsatz vom 20.08.2012 hinreichend klar und einlassungsfähig beschrieben, so dass spätestens dann der Beklagten bewusst sein musste, wofür der Kläger sein Honorar beansprucht. In jenem Schriftsatz hat er spezifiziert dargelegt, für welches Objekt er welche Aktivitäten entfaltet hatte. Die Beklagte hat sich dazu aber nicht mehr geäußert, so dass das Klägervorbringen insoweit als zugestanden und unstreitig gilt.
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Die Rechnung beruht auch nicht auf einem unwirksamen Vertrag. Nach § 7 Abs. 1 HOAI können mit Architekten Honorarvereinbarungen schriftlich getroffen werden. Dies hatten die Parteien hier vorgenommen. Die Vereinbarung der Parteien ist auch nicht wegen Unterschreitung der Mindestsätze der HOAI unwirksam, weil sich der Auftragsgegenstand schwerpunktmäßig mit Fragestellungen beschäftigt, die nicht Gegenstand der Leistungsbilder des § 3 Abs. 4 HOAI sind. Nach der Vertragsgegenstandsdefinition in § des Vertrages vom 08.07.2010 war insbesondere die Begutachtung der von der Beklagten ausgewählten Objekte die vom Kläger geschuldete Leistung. Gutachterliche Tätigkeiten sind indes nicht von § 3 Abs. 4 HOAI erfasst, sondern allenfalls von § 3 Abs. 1 S. 2 HOAI i.V.m. Anlage 1, welche aber im Gegensatz zu § 3 Abs. 4 HOAI keine verbindliche Regelung enthalten. Dies bedeutet, dass die Parteien insoweit in ihrer Honorarvereinbarung frei waren.
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Daran ändert auch nichts der Umstand, dass in § 1 des Vertrages der Parteien auch Kostenermittlungen für Sanierung und Instandsetzung genannt sind, die in die Rubrik "Grundlagenermittlung" des § 3 Abs. 4 Nr. 1 HOAI fallen könnten. Denn diese Tätigkeit des Klägers war erkennbar nur von untergeordneter Bedeutung, weil die Objektbegutachtung eindeutig Vorrang hatte. Selbst dann, wenn man dies anders sehen sollte, wäre eine Stundenhonorarvereinbarung gleichwohl deswegen zulässig, weil die Gutachtertätigkeit eben nicht wie ein solche nach § 3 Abs. 4 Nr. 1 HOAI abzurechnen ist. Mithin genügt es, wenn nur teilweise nicht unter § 3 Abs. 4 HOAI fallende Tätigkeiten vom Architekten geschuldet sind.
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Der Beklagten war hierzu kein weiterer Schriftsatznachlass einzuräumen. Es handelt sich um eine Rechtsfrage, die die Beklagte selbst mit der Klageerwiderung in die Diskussion geworfen hat. Spätestens aufgrund des Klägerschriftsatzes vom 20.08.2012 war die Beklagte ohnehin gehalten, diese Thematik weiter zu vertiefen, da sich in jenem Schriftsatz der Kläger eingehend damit auseinandergesetzt hat. Die Beklagte hat nichts an Gründen vorgebracht, die sie an früherem Vortrag gehindert hätten.
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Die Rechnung des Klägers ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden.
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Die abgerechnete Stundenzahl hat die Beklagte in der Erläuterung durch den Schriftsatz vom 20.08.2012 nicht mehr weiter angegriffen. Zwar hatten die Parteien das Stundenhonorar der Höhe nach nicht vertraglich fixiert. Dies hat dann zur Folge, das gem. § 632 Abs. 2 BGB die übliche Vergütung zu zahlen ist. Der geltend gemachte Stundesatz ist ohne weiteres üblich. Dies zeigt bereits ein Vergleich mit den Stundensätzen des JVEG. Dieser Vergleich kann deswegen stattfinden, weil nach dem Vertragsinhalt wesentliche Leistung des Klägers eine gutachtende Tätigkeit war. In § 9 Abs. 1 JVEG i.V.m. Anlage 1 sind Sachverständigentätigkeiten, die ein Architekt erbringen kann (z.B. Altbausanierung, Bewertung von Immobilien, Innenausbau oder Schäden an Gebäuden) mit den Honorargruppen 5 und 6 zu vergüten, was Stundensätzen von 70,00 € oder 75,00 € entspricht. Vor diesem Hintergrund bedurfte es weiterer Ermittlungen über die Üblichkeit des vom Kläger geforderten Honorars nicht mehr.
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Die Entscheidung über die Zinsen beruht auf §§ 286, 288 Abs. 1 BGB (ne ultra petita).
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Unter Verzugsschadensersatzgesichtspunkten kann der Kläger auch die Erstattung seiner vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verlangen. Die geltend gemachte Gebühr ist dem Grunde nach nicht zu beanstanden. Der Höhe nach enthält sie einen Rechenfehler, sie beträgt bei mathematisch korrekter Ableitung lediglich 88,25 €. Die Entscheidung über die Zinsen insoweit beruht auf §§ 286, 288 Abs. 2 BGB.
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Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
Streitwertbeschluss:
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Der Streitwert wird auf 1.374,45 € festgesetzt.