26.11.2015 · IWW-Abrufnummer 145879
Oberlandesgericht Hamm: Urteil vom 20.09.2013 – 12 U 103/12
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Hamm
12 U 103/12
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 29.05.2012 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg teilweise abgeändert, und zwar insofern, als der Zinszeitpunkt mit dem 08.08.2011 beginnt.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte, einschließlich der Kosten der Streithelferin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
G r ü n d e
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I.
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Die Kläger nehmen die Beklagte auf Zahlung restlichen Architektenhonorars für Leistungen an den Objekten „Bauvorhaben M, M-Straße in M2“ und „Bauvorhaben U-Straße in U2“ in Anspruch.
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Die Beklagte errichtete in der M-Straße in M2 16 seniorengerechte Wohnungen nebst Stellplätzen (im Folgenden: Bauvorhaben M-Straße). Das in zwei Bauabschnitten durchgeführte Bauvorhaben ist fertiggestellt. Die Kläger erbrachten für die Beklagte diesbezüglich Architektenleistungen. Einen schriftlichen Vertrag schlossen die Parteien nicht. Die Beauftragung erfolgte auf der Grundlage der Honorarermittlungen der Kläger vom 06.03.2006 für den ersten Bauabschnitt (Anl. K2a, Bl. 9 d. A.) und vom 18.12.2006 für den zweiten Bauabschnitt (Anl. K2b, Bl. 10 d. A.).
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Bei dem Bauvorhaben M-Straße baute das bauausführende Unternehmen, die Fa. I GmbH, welches als Streithelferin der Kläger dem Rechtsstreit beigetreten ist, als Subunternehmerin der Beklagten nicht ausgeschriebene Rollädenkästen ein. Die Beklagte hat dies als Mangel sowohl des Werkes der Fa. I GmbH als auch als Mangel der Architektenleistungen der Kläger wegen mangelnder Bauaufsicht angesehen. Nach zwischenzeitlichen Streitigkeiten ist die Erneuerung der gesamten Fassade des Gebäudes durch die Fa. I GmbH am 06.07.2011 abgeschlossen worden.
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Mit Schreiben vom 27.02.2008 erteilten die Kläger für Leistungen an dem Objekt M-Straße eine „Schlussrechnung / 1.Bauabschnitt“ (Anl. K1, Bl. 7 d. A.) mit einem unter Berücksichtigung von Abschlagzahlungen geltend gemachten Endbetrag von 23.033,13 €, dessen Ausgleich sie mit der vorliegenden Klage weiterverfolgen. In der Rechnung war u. a. folgender Passus aufgenommen:
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„Die Leistungsphase 9 lt. HOAI § 15 wird nicht mehr erbracht.“
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Ebenfalls unter dem 27.02.2008 erteilten die Kläger für dasselbe Bauvorhaben eine „Schlussrechnung / 2. Bauabschnitt“ (Anl. K2, Bl. 8), mit der sie Zahlung weiterer 23.347,80 € verlangten. Auch dieses Begehren führen sie mit der Klage fort. Mit dieser Rechnung begehrten sie u.a. Nebenkosten in Höhe von 6 %.
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Die Beklagte beauftragte die Kläger ferner mit der Erbringung von Architektenleistungen (Leistungsphasen 1 – 8) hinsichtlich des Neubaus eines Einfamilienhauses in der U-Straße in U2 (im Folgenden: Bauvorhaben U-Straße). Ein schriftlicher Vertrag wurde nicht geschlossen. Mit „Honorarschlussrechnung“ wiederum vom 27.02.2008 verlangten die Kläger für Leistungen an diesem Bauvorhaben unter Berücksichtigung geleisteter Abschlagzahlungen einen verbleibenden Restbetrag von 7.444,14 €, deren Bezahlung sie als dritte und letzte Teilforderung der Klage weiterverfolgen.
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Mit Schreiben vom 11.11.2008 forderten die Kläger die Beklagte unter Fristsetzung zum 29.11.2008 zur Zahlung von 55.746,33 € auf (Anl. K3, Bl. 11 d. A.).
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Die Beklagte beauftragte die Kläger ferner mit der Erbringung von Architektenleistungen bei dem Bauvorhaben „Servicewohnen am X-Weg in U2“ (im Folgenden: BV X-Weg). Geschuldet war nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien jedenfalls die Planung, Ausschreibung und Bauüberwachung. Zumindest Teile der Bauarbeiten – u. a. die Verlegung der Dämmplatten unter der Bodenplatte – wurden von der Streithelferin der Kläger, der Fa. I GmbH, ausgeführt. Die Fa. I GmbH brachte dabei nicht die von den Klägern ausgeschriebenen Dämmplatten zur Ausführung. Darin hat die Beklagte einen erheblichen Mangel der Werkarbeiten der Fa. I GmbH gesehen, welcher den Klägern – nach Ansicht der Beklagten – im Rahmen ihrer Bauüberwachung hätte auffallen und von ihnen vermieden werden müssen.
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Mit anwaltlichem Schreiben vom 22.10.2009 (Anl. K5, Bl. 14 d. A., und B3, Bl. 84 d. A.) wies die Beklagte Zahlungsansprüche der Kläger zurück und erklärte gegen Honoraransprüche der Kläger unter Bezugnahme auf ihr eigenes Schreiben an die Fa. I GmbH vom 21.10.2009 (Anl. K5, Bl. 19 d. A.), in dem sie ebenfalls Aufrechnungen erklärt hatte, die Aufrechnung. Ferner verwies die Beklagte auf eine „Zusammenstellung Schaden und Kosten U“ nebst Anlagen (Anl. B2, Bl. 42 d. A.), aus der sich ein der Beklagten aufgrund von Bauleitungsfehlern der Kläger entstandener Schaden in Höhe von insgesamt mindestens 277.457,43 € ergeben sollte. Wegen des genauen Inhaltes der Schreiben und der Anlagen wird auf die zu den Akten gereichten Kopien Bezug genommen.
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Die Kläger haben die Ansicht vertreten, sie hätten hinsichtlich des BV M-Stra ße keine Leistungen nach der Leistungsphase 9 geschuldet. Dies habe auch dahin- stehen können, weil die Leistungsphase 8 jedenfalls vollständig erbracht worden sei.
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Die Kläger und die Streitverkündete haben die von der Beklagten zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen nach Grund und Höhe bestritten. Sie haben die Ansicht vertreten, die Beklagte hätte diese Forderungen schon nicht hinreichend substantiiert vorgetragen.
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Die Kläger und die Streitverkündete haben beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger 53.825,24 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.11.2008 zu zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat die Ansicht vertreten, die Schlussrechnung für den ersten Abschnitt des Bauvorhabens M-Straße sei noch nicht fällig, weil die zwischen den Parteien vereinbarte Leistungsphase 9 nicht erbracht worden sei.
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Sie hat ferner gemeint, die Schlussrechnung für den zweiten Abschnitt des Bauvorhabens M-Straße sei insofern nicht nachvollziehbar als Nebenkosten pauschal und nicht detailliert abgerechnet worden seien. Gleiches gelte für die Schlussrechnung bezüglich des Bauvorhabens U-Straße. Zu letzterem hat die Beklagte ferner gemeint, es sei wohl die Umsatzsteuerdifferenz doppelt abgerechnet worden.
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Die Beklagte hat hilfsweise die Aufrechnung mit behaupteten Gegenforderungen erhoben. Hierzu hat sie die Ansicht vertreten, ihr sei ein Schaden in Höhe von 277.492,43 € wegen mangelhafter Bauüberwachung der Kläger hinsichtlich des Bauvorhabens X-Weg entstanden. Die unstreitig abweichend von der Ausschreibung verlegten Dämmplatten seien mangelhaft, weil sie nicht die erforderliche Druckfestigkeit besäßen. Zur Konkretisierung des eingetretenen Schadens und der Reihenfolge der Aufrechnung hat die Beklagte Bezug genommen auf ihr vorprozessuales Schreiben vom 22.10.2009 und die dazugehörigen Anlagen (Anl. B2 und B3). Ferner hat die Beklagte ergänzend behauptet, der ihr entstandene Schaden setze sich zunächst aus Kostenerstattungen gegenüber der Frau U, die eine Wohnung in dem Objekt X-Weg gekauft hat, und aus weiteren, der Beklagten selbst entstandenen Schäden gemäß den nachfolgend stichwortartig aufgeführten Einzelpositionen zusammen, wobei sich die Reihenfolge der Aufrechnung aus ihrem vorprozessualen Schreiben vom 22.10.2009 ergeben solle:
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Danach seien an Frau U folgende Beträge gezahlt worden: 5.050,15 € wegen zu erstattender Gutachterkosten, 9.000,00 € als vertraglich vereinbarter Verzugsschaden, 3.799,23 € für weitere Kosten, 13.107,32 € wegen Zusatzleistungen gegenüber der Baubeschreibung, 23.484,74 € für sonstige Aufwendungen sowie ein Restschadensersatz in Höhe von 25.578,76 €.
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Die Beklagte hat behauptet, ihr selbst seien darüber hinaus folgende weitere Schäden entstanden: 39.161,89 € an weiteren Handwerkerrechnungen für Mängelbeseitigung und Umbau, 56.913,20 € als verzugsbedingter Zinsschaden, 7.702,66 € als verzugsbedingter Entgang von Hausgeld sowie ein Mindererlös beim Verkauf der Wohnungen in Höhe von 93.694,68 €.
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Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, ihr stehe gegen die Kläger auch ein Schadenersatzanspruch wegen eines Bauleitungsfehlers der Kläger hinsichtlich des Bauvorhabens M-Straße zu, weil – unstreitig – von der Streithelferin als bauausführendem Unternehmen von der Ausschreibung abweichende Rolladenkästen eingebaut wurden. Auch insoweit hat die Beklagte auf ihr vorprozessuales Schreiben vom 22.10.2009 Bezug genommen und ergänzend behauptet, die aufgrund der mangelhaften Rolladenkästen notwendige Sanierung der Fassade würde Kosten in Höhe von mindestens 30.000,00 € verursachen.
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Sie hat gemeint, eine Forderung der Kläger sei jedenfalls aufgrund dieser Mängel und der nicht näher spezifizierbaren Folgekosten noch nicht fällig.
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Mit einem Schriftsatz vom 30.04.2012, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 222 ff. d. A.), hat die Beklagte vor dem letzten Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 08.05.2012 ferner Minderung geltend gemacht und in diesem Zusammenhang behauptet, die Klägerin habe kein Bautagebuch geführt. Weiterhin hat sie umfänglich ergänzend zu den bisher geltend gemachten Schadensersatzforderungen vorgetragen und diese nunmehr vor allem darauf gestützt, dass die Kläger und die Streithelferin es verabsäumt hätten, das Objekt X-Weg ausreichend vor Regenwasser zu schützen, wodurch es zu erheblichen Schäden gekommen sei.
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Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. R vom 06.01.2012.
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Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht der Klage ganz überwiegend stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, den Klägern stehe ein Vergütungsanspruch in Höhe von 51.537,71 € zu, der nicht durch Aufrechnung erloschen sei. Der Anspruch setze sich zusammen aus einer berechtigten Honorarforderung in Höhe von 45.095,80 € für das Bauvorhaben M-Straße und weiteren 6.441,91 € für das Bauvorhaben U-Straße. Die Forderung bezüglich des ersten Bauabschnittes des Bauvorhabens M-Straße sei fällig, weil die Schlussrechnung als Rechnung über einer Abschlagszahlung bis zur Leistungsphase 8 umzudeuten sei. Aus dem Einwand, die Klägerin habe kein Bautagebuch geführt, könne die Beklagte keine Rechte herleiten, weil der Einwand gem. § 296 Abs. 1 ZPO verspätet sei. Auch die Honorarforderung aus der Schlussrechnung bezüglich des zweiten Bauabschnittes des Bauvorhabens M-Straße sei überwiegend begründet. Lediglich ein Teilbetrag von 6 % der abgerechneten Leistungen sei unbegründet, weil die Kläger einen entsprechenden Nebenkostenanspruch nicht hinreichend vorgetragen hätten. Ebenso sei der weiterhin geltend gemachte Resthonoraranspruch für das Bauvorhaben U-Straße unter Abzug der Nebenkosten von 6 % begründet.
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Der Vergütungsanspruch der Kläger sei nicht durch Aufrechnung der Beklagten untergegangen, weil die Beklagte ihre Gegenforderungen nicht schlüssig dargelegt habe. Mit einer Gegenforderung, welche aus Versäumnissen der Kläger bei dem Bauvorhaben M-Straße resultiere, sei schon keine Aufrechnung erklärt worden. Jedenfalls fehle es an einem Schaden, weil der Bau zwischenzeitlich saniert sei.
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Soweit Gegenforderungen aus Fehlern bei dem Bauvorhaben X-Weg geltend gemacht würden, seien diese ebenfalls unbegründet. Die Höhe und Reihenfolge der Aufrechnungen ergebe sich aus dem vorprozessualen Schreiben der Beklagen vom 22.10.2009, in dem unter Berücksichtigung anderweitiger Aufrechnungen mit einem Teilbetrag in Höhe von 205.061,81 € in einer konkret bezeichneten Reihenfolge aufgerechnet worden sei. Nach dieser Festlegung seien lediglich Forderungen „Handwerkerrechn. für Mängelbeseitig. + Umbauarb.“ (mit einem Teilbetrag in Höhe von 10.159,41 €), „sonstige Aufwendungen RA-Kosten,Makler,Verwalt.“, „Zusatzleistungen-Mehrkosten im Kaufpreis enthalten“, „Zinsschaden“, „Hausgeld“ und „Schaden – Mindererlös Verkauf ETW“ streitgegenständlich. Diese Forderungen seien aber jedenfalls unter Ausblendung der Ausführungen der Beklagten aus ihrem Schriftsatz vom 30.04.2012 nicht ausreichend nachvollziehbar, sondern entweder gar nicht näher begründet oder aber zu pauschal vorgetragen.
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Der Vortrag aus dem Schriftsatz vom 30.04.2012 sei schon wegen Widersprüchlichkeit unbeachtlich, jedenfalls aber gem. § 296 Abs. 1 ZPO verspätet, weil (eine hinreichende Substantiierung unterstellt) im Einzelnen hätte Beweis erhoben werden müssen. Eine weitere Hinweiserteilung an die Beklagte sei nicht erforderlich gewesen, weil die Kammer bereits mit Beschluss vom 11.03.2011 die Beklagte auf die Unsubstantiiertheit ihres Vortrages zu den Gegenforderungen hingewiesen habe und nochmals mit Beschluss vom 21.07.2011 auf die Unsubstantiiertheit des weiteren Vortrages aus dem Schriftsatz vom 28.04.2011 hingewiesen habe.
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Eine Verspätung läge im Übrigen auch nach §§ 296 Abs. 2, 282 Abs. 1 ZPO vor, weil die Beklagte gegen ihre Prozessförderungspflicht verstoßen habe. Wiederholt sei durch die Kammer und auch durch die Klägerin und die Streithelferin auf einen unzureichenden Vortrag zu den Gegenforderungen hingewiesen worden.
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Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihr Klageabweisungsbegehren weiterverfolgt. Dies hat sie ursprünglich damit begründet, dass die Forderung der Kläger bereits nicht fällig sei, weil alle drei streitgegenständlichen Schlussrechnungen nicht den Anforderungen an eine prüffähige Schlussrechnung genügen würden. Weiterhin sei die Forderung bezüglich des 1. Bauabschnitts des BV M-Straße wegen des nicht geführten Bautagebuchs zu mindern und zwar um 0,7 % des Gesamthonorars. Diesen Einwand habe das Landgericht zu Unrecht als verspätet zurückgewiesen. Den Einwand der mangelnden Prüffähigkeit hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 21.08.2013 ausdrücklich fallen gelassen und u. a. ausgeführt, dass sie somit die Honorarforderung der Klägerin (abgesehen von der Minderung und den Gegenforderungen) nur noch zu einem sehr geringen Teil bestreite.
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Im Übrigen sei die Klage unbegründet, weil ihr, der Beklagten, die bereits erstinstanzlich geltend gemachten Gegenforderungen und auch weitere, nunmehr zur Aufrechnung gestellten Forderungen zustehen würden. Das Landgericht habe unter Begehung gravierender Verfahrensfehler die erstinstanzlich geltend gemachten Aufrechnungsforderungen zu Unrecht als unsubstantiiert und als verspätet zurück gewiesen. Die Voraussetzungen für eine Zurückweisung nach § 296 Abs. 1 ZPO hätten nicht vorgelegen, weil das Landgericht mangels Zuständigkeit der einzelnen Richter keine wirksamen Fristen gesetzt habe. Die Fristen hätten nach Meinung der Beklagten von der Kammer gesetzt werden müssen. Eine Zurückweisung nach §§ 296 Abs. 2, 282 Abs. 2 ZPO sei durch das Landgericht schon nicht erfolgt, was aus dem gewählten Konjunktiv abzuleiten sei, und hätte auch nicht rechtmäßig erfolgen können, weil die Beklagte nicht gegen die Prozessförderungspflicht verstoßen habe. Ein hinreichend konkreter Hinweis dazu, inwiefern ihr Vortrag unsubstantiiert gewesen sei, sei nicht erfolgt. Es sei vielmehr mit dem Beschluss vom 21.07.2011 darauf hingewiesen worden, dass die Vertragsaufhebungskosten zu erstatten sein dürften. Auch sei ihr mit dem Hinweis vom 21.07.2011 keine Frist zur Stellungnahme mehr gesetzt worden. Sie, die Beklagte, habe davon ausgehen dürfen, dass zunächst ein Gutachten eingeholt und alles Weitere später geklärt werde. Mit der Übersendung des für die Beklagte positiv ausgegangenen Gutachtens und der Anberaumung eines Verhandlungstermins seien ihr, der Beklagten, dann keine Hinweise mehr bzgl. einer etwaigen Unsubstantiiertheit erteilt worden. Spätestens in oder nach dem Verhandlungstermin vom 08.05.2012 habe das Gericht unmissverständliche Hinweise erteilen müssen, was nicht geschehen sei. Eine Zurückweisung ihres Vortrages nach § 296 ZPO sei zudem deshalb nicht möglich, weil das Gericht selbst das Verfahren nicht hinreichend gefördert habe. Es sei nämlich seiner in § 139 Abs. 1, 4 ZPO normierten Pflicht, so früh wie möglich Hinweise zu erteilen, nicht nachgekommen. Auch habe das Landgericht nicht darauf hingewiesen, dass es den Vortrag aus dem Schriftsatz vom 30.04.2012 als verspätet ansehen wollte und der Beklagten somit nicht die Möglichkeit der Flucht in die Säumnis offen gehalten habe. Schließlich habe das Landgericht den Vortrag aus dem Schriftsatz vom 30.04.2012 auch nicht einfach als widersprüchlich und damit unbeachtlich zurückweisen dürfen, sondern hätte zuvor auf die Widersprüchlichkeit hinweisen und der Beklagten insofern Gelegenheit zur Aufklärung der Widersprüche geben müssen.
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Hätte das Landgericht in ausreichendem Maße Hinweise erteilt, dann hätte sie, die Beklagte, umfassend ergänzend vorgetragen und ihre einzelnen Gegenforderungen in der Weise konkretisiert, wie sie es nun mit der Berufungsbegründung tue. Hierzu macht sie umfangreiche Ausführungen zu Grund und Höhe des behaupteten Schadens. Insofern wird auf die Berufungsbegründung vom 31.08.2012 Bezug genommen (Bl. 322 ff., insb. Bl. 331-393 d. A.).
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Die Beklagte ist schließlich der Auffassung, den Klägern stehe keinesfalls ein Zinsanspruch seit dem 30.11.2008 zu, weil sie, die Beklagte, sich nicht im Verzug befunden habe. Denn sie habe zu Recht ein Zurückbehaltungsrecht wegen Mängeln an dem Objekt M-Straße geltend gemacht; die Mängelbeseitigung sei erst – was unstreitig ist – am 06.07.2011 abgeschlossen gewesen
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Die Beklagte beantragt,
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unter Abänderung des angegriffenen Urteils die Klage abzuweisen und
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hilfsweise: das angegriffene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung an das Landgericht zurückzuverweisen.
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Die Kläger und die Streithelferin beantragen,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Die Kläger verteidigen das erstinstanzliche Urteil. Sie meinen, die Beklagte sei mit der Rüge der fehlenden Prüffähigkeit ausgeschlossen. Ferner meinen sie, weitere Hinweiserteilungen des Landgerichts seien nicht erforderlich gewesen; die Zurückweisung des Vortrages aus dem Schriftsatz vom 30.04.2012 sei wegen Verspätung zu Recht erfolgt.
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Die Kläger bestreiten, dass sie oder die Streithelferin im Dezember 2006 es pflichtwidrig unterlassen hätten, durch geeignete Maßnahmen ein Eindringen von Nässe in die von Frau U gekaufte Wohnung zu verhindern. Ferner bestreiten sie u. a. eine Mangelhaftigkeit der Dämmung, eine Berechtigung der Frau U, vom Kaufvertrag zurückzutreten sowie die einzelnen, von der Beklagten geltend gemachten Schadenspositionen.
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Wegen des weitergehenden Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien wechselseitig eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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II.
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Die zulässige Berufung ist – bis auf den Angriff der Zinsforderung – unbegründet.
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1.
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Die Kläger haben einen Honoraranspruch in Höhe von 51.537,71 €, der nicht durch die von der Beklagten erklärte Aufrechnung untergegangen ist.
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a)
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Den Klägern steht gem. § 631 Abs. 1 BGB ein restlicher Honoraranspruch in der genannten Höhe zu.
51
Die Parteien haben Verträge über die Erbringung von Architektenleistungen an den hier insofern streitgegenständlichen Bauvorhaben M-Straße undU-Straße geschlossen. Diese sind als Werkverträge i. S. d. § 631 Abs. 1 BGB anzusehen.
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Der Anspruch der Kläger ist gem. § 8 Abs. 1 HOAI a. F. fällig, weil die Kläger ihre Leistungen unstreitig erbracht und mit den streitgegenständlichen Rechnungen schlussabgerechnet haben. Eine fehlende Prüffähigkeit der Rechnungen wird von der Beklagten ausdrücklich nicht mehr gerügt.
53
Die Höhe des Restwerklohnanspruches steht zwischen den Parteien nicht im Streit.
54
b)
55
Der Anspruch der Kläger ist nicht gem. §§ 633, 634 Nr. 3, 638 BGB aufgrund der von der Beklagten erstmals mit Schriftsatz vom 30.04.2012 erklärten Minderung erloschen. Denn soweit die Beklagten rügen, die Kläger hätten kein Bautagebuch geführt und mit der Berufung meinen, der Gesamthonoraranspruch sei deshalb um 0,7 % zu mindern, führt dies nicht zum (teilweisen) Erfolg der Berufung, weil schon nicht von dem Vorliegen eines Mangels auszugehen ist. Denn das Nichtführen eines Bautagebuches stellt nur dann einen zur Minderung berechtigenden Mangel des Architektenwerkes dar, wenn das Führen eines Bautagebuches vertraglich vereinbart war. Zu einer solchen Vereinbarung hat die Beklagte – auch nach entsprechendem Hinweis im Senatstermin – nichts Konkretes vorgetragen.
56
c)
57
Der Werklohnanspruch der Kläger ist nicht gem. §§ 387, 389 BGB durch Aufrechnung untergegangen.
58
Der Beklagten steht gegen die Kläger der zur Aufrechnung gestellte Schadensersatzanspruch aus §§ 633, 634 Nr. 4, 280, 281 BGB wegen mangelhafter Architektenleistungen an dem Bauvorhaben X-Weg nicht zu. Denn das Landgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der erstinstanzliche Vortrag der Beklagten zu den zur Aufrechnung gestellten Schadensersatzforderungen jedenfalls bis zum Eingang des Schriftsatzes vom 30.04.2012 unsubstantiiert, letztgenannter Schriftsatz verspätet und daher nicht zu berücksichtigen war. Der weitere Vortrag der Beklagten in der Berufungsinstanz, mit dem die zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen näher erläutert und zusätzliche Aufrechnungsforderungen geltend gemacht werden, kann gem. §§ 531, 533 ZPO keine Berücksichtigung finden.
59
aa)
60
Der erstinstanzliche Vortrag der Beklagten ist nach den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts jedenfalls unter Ausblendung des Vortrages aus dem Schriftsatz vom 30.04.2012 unsubstantiiert und damit nicht geeignet, einen Gegenanspruch der Beklagten schlüssig vorzutragen. Ein weiterer Hinweis auf die fehlende Substantiiertheit hätte durch das Landgericht nicht erfolgen müssen.
61
(1)
62
Die Beklagte hat zu dem von ihr behaupteten Schaden nicht hinreichend konkret vorgetragen. Ob den Klägern tatsächlich Bauaufsichtsfehler vorzuwerfen sind, die eine Schadensersatzpflicht begründen, kann daher dahin stehen.
63
Wie bereits das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, sind von den geltend gemachten Schadenspositionen im Rahmen der Aufrechnung nur die folgenden, durch Bezugnahme auf das vorprozessuale Schreiben der Beklagten vom 22.10.2009 (Anl. K5 und B3) und die „Zusammenstellung Schaden und Kosten U“ (Anl. B2, Bl. 42 d. A.) konkretisierten streitgegenständlich: „Handwerkerrechn. für Mängelbeseitig. + Umbauarb.“ (mit einem Teilbetrag in Höhe von 10.159,41 €), „sonstige Aufwendungen RA-Kosten,Makler,Verwalt.“, „Zusatzleistungen -Mehrkosten im Kaufpreis enthalten“, „Zinsschaden gesamt“, „Hausgeld“ und „Schaden - Mindererlös Verkauf ETW“. Denn die weiteren, in der Zusammenstellung (Anl. B2) davor genannten Schadenspositionen, welche aufaddiert eine Summe von 72.410,62 € ausmachen, sollten nach dem insofern unmissverständlichen Vortrag der Beklagten nicht zur Aufrechnung gestellt werden, weil mit diesen Forderungen bereits unmittelbar gegenüber der Fa. I GmbH aufgerechnet worden war. Dies ergibt sich eindeutig aus dem Schriftsatz der Beklagten vom 28.04.2011 (S. 3, Bl. 98 d. A.) i. V. m. ihrem vorprozessualen Schreiben 22.10.2009 und wurde nach entsprechendem Hinweis des Landgerichts auch nicht etwa korrigiert.
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Hinsichtlich der mit der Aufrechnung überhaupt geltend gemachten und damit allein streitgegenständlichen Gegenforderung hat das Landgericht zutreffend ausgef ührt, dass der nach Behauptung der Beklagten kausal eingetretene Schaden nicht hinreichend substantiiert ist.
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Zu der Position „Handwerkerrechnungen für Mängelbeseitigung und Umbau“ hat bereits das Landgericht richtig ausgeführt, dass nicht nachvollziehbar vorgetragen wurde, aus welchem – von den Klägern verursachten – Grund es zu den Umbauarbeiten gekommen und warum sie in dem geltend gemachten Umfang erforderlich gewesen sein sollten. Wie schon das Landgericht ausgeführt hat, reicht eine bloße Bezugnahme auf Rechnungen, wie sie die Beklagte vornimmt, nicht aus. Denn aus der Bezugnahme auf diese Rechnungen und sonstige zusammenstellende Anlagen, ergeben sich Grund und Erforderlichkeit der Handwerkerleistungen und der Zusammenhang mit der behaupteten Pflichtverletzung der Kläger gerade nicht.
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Zu den Positionen „sonstige Aufwendungen RA-Kosten, Makler, Verwaltung“ und „Zusatzleistungen – Mehrkosten im Kaufpreis enthalten“ liegt gar kein konkreter Vortrag der Beklagten, der über eine Bezugnahme auf Anlagen hinausgeht, vor. Sie hat lediglich behauptet, es sei ein Gesamtschaden von 80.769,10 € entstanden. Damit hat sie nur die Zwischensumme der Pos. 2 aus der Zusammenstellung Anl. B2 übertragen bzw. übernommen, hat aber nichts Konkretes zu Entstehungsgründen und Zusammensetzung des Gesamtschadens sowie der Einzelpositionen vorgetragen.
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Auch zu der Position „Zinsschaden und Hausgeld“ hat bereits das Landgericht zutreffend ausgeführt, dass die Beklagte überhaupt nicht hinreichend vorgetragen hat, welche Schäden aufgrund eines den Klägern anzulastenden Verzugs entstanden sein sollen. Ein nachvollziehbarer und konkreter Vortrag dazu, warum sich die Fertigstellung aufgrund von etwaigen Pflichtverletzungen der Kläger von März 2007 auf Frühjahr 2008 verzögert hat, fehlt völlig. Auch sind schon diese beiden pauschalen Datumsangaben ohne einen Vortrag dazu, welche Kredite wann aufgenommen wurden und wann welche Wohnungen aus welchen Gründen verspätet verkauft werden konnten, gänzlich unzureichend. Die bloße Bezugnahme auf umfangreiche Anlagen ersetzt auch hier keinen konkreten Sachvortrag, weil sich aus den Anlagen die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch nicht verständlich ergeben.
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Zuletzt hat das Landgericht zu der Position „Mindererlös Verkauf ETW“ zu Recht festgestellt, dass es an Vortrag dazu fehlt, warum genau der Beklagten welche Mindererlöse entstanden sind und warum bzw. inwiefern die Kläger dafür verantwortlich sein sollten. Die bloße Behauptung, der Beklagten sei ein Mindererlös von 93.694,68 € tatsächlich entstanden, ist nicht geeignet einen Schadensersatzanspruch gegenüber den Klägern schlüssig zu begründen.
69
(2)
70
Das Landgericht hat die zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen rechtsfehlerfrei als unsubstantiiert angesehen und dementsprechend die Aufrechnung für unbegründet erachtet. Es hätte insbesondere keine weiteren Hinweise erteilen müssen. Denn das Landgericht ist seiner Hinweispflicht aus § 139 ZPO ausreichend nachgekommen, weil es die erforderlichen Hinweise hinreichend früh erteilt hat.
71
So hat das Landgericht die Beklagte mit Beschluss vom 10.03.2011 (Bl. 91R f. d. A.) ausreichend deutlich darauf hingewiesen, dass der Vortrag zu Schadensersatzforderungen in Höhe von insgesamt 277.492,43 € näher zu substantiieren sei und der bisherige Vortrag und die Bezugnahme auf frühere, beigefügte Schriftsätze nicht ausreichend sei. Es sei im Einzelnen hinsichtlich der geltend gemachten Beträge darzustellen, auf welchem Hintergrund die entsprechenden Forderungen beruhen und wie sich die Beträge zusammensetzen. Soweit Belege vorhanden seien, seien diese einzureichen. Das Landgericht hat ferner darauf hingewiesen, dass die Reihenfolge der Aufrechnungen erklärt werden solle. Dieser Hinweis war hinreichend konkret und – im Anschluss an die gescheiterte Güteverhandlung und die darauf gefolgte mündliche Verhandlung – auch hinreichend früh i. S. d. § 139 Abs. 4 S. 1 ZPO. Die Beklagte wurde sowohl auf die fehlende Substantiierung ihres bisherigen Vortrages als auch auf die Art des vom Landgericht erwarteten Vortrages hingewiesen. Der Hinweis ist entgegen der Ansicht der Beklagten in der Berufungsbegründung auch durch den zuständigen Richter erfolgt, weil in Ermangelung einer Sonderzuständigkeit nach § 348 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 c ZPO nicht die gesamte Kammer, sondern gem. § 348 Abs. 1 S. 1 ZPO der Einzelrichter zuständig war.
72
Nach dem Hinweis aus dem Beschluss vom 11.03.2011 wäre ein weiterer Hinweis an die Beklagte, dass auch ihr weiterer Vortrag aus dem Schriftsatz vom 28.04.2011 nicht hinreichend substantiiert war, schon nicht mehr erforderlich gewesen. Denn vor allem im Anwaltsprozess kann die Hinweispflicht des Gerichts begrenzt sein, insbesondere dann, wenn der Gegner bereits auf Lücken aufmerksam gemacht hat (Musielak/Stadler, ZPO, 10. Aufl. 2013, § 139 Rn. 7). Nach einem unmissverständlichen Hinweis liefen weitergehende Anleitungen des Gerichts der Arbeitsteilung zwischen den Rechtspflegeorganen und der richterlichen Neutralitätspflicht zuwider (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 139 Rn. 12a). So liegt der Fall hier. Denn schon der Hinweis vom 11.03.2011 war unmissverständlich und deutlich und hätte der Beklagten ausreichend klar machen müssen, dass ihr Vortrag zu den geltend gemachten Schadenspositionen hätte konkret aufgeschlüsselt werden müssen und zwar nicht nur durch die Bezugnahme auf Anlagen. Darüber hinaus haben aber zunächst die Kläger mit Schriftsatz vom 31.05.2011 und auch die Streithelferin mit Schriftsatz vom 27.06.2011 im Einzelnen darauf hingewiesen, dass der Vortrag der Beklagten aus dem Schriftsatz vom 28.04.2011 weiterhin unsubstantiiert und im Übrigen bestritten war. Die Beklagte war daher auf die Problematik der Substantiierung aufmerksam gemacht worden und konnte diesen Punkt nicht übersehen.
73
Gleichwohl ist die Beklagte vom Landgericht mit Beschluss vom 21.07.2011 nochmals darauf hingewiesen worden, dass ihr Vortrag weiterhin nicht hinreichend substantiiert sei (Bl. 136 d. A.). Spätestens zu diesem Zeitpunkt musste der Beklagten klar sein, dass sie ihre Schadensersatzforderungen näher hätte konkretisieren müssen. Dem steht auch nicht entgegen, dass das Landgericht in dem Beschluss vom 21.07.2011 ferner darauf hingewiesen hat, dass im Falle des Vorliegens eines Mangels „allerdings jedenfalls die Vertragsaufhebungskosten zu erstatten“ sein dürften und dass „die Kläger wegen der Bedeutung der Arbeiten ihre Überwachungspflicht verletzt haben dürfte“, „sofern ein Mangel vorliegen sollte“. Denn nach dem dem Beschluss vorangestellten unmissverständlichen Hinweis zur fortdauernden fehlenden Substantiierung der einzelnen Schadenspositionen konnte die Beklagte bezogen auf diesen Punkt nicht davon ausgehen, dass ihr Vortrag ausreichend war. Sie konnte diesen Punkt auch nicht entschuldbar übersehen. Unabhängig davon kam es auf die als „Vertragsaufhebungskosten“ bezeichneten Schadenspositionen – bezüglich derer allein nach dem Hinweis des Landgerichts vom 21.07.2011 hätte irrtümlich angenommen werden können, dass der Vortrag ausreichend war – auch gar nicht an, weil mit diesen allenfalls die ersten Positionen der „Zusammenstellung Schaden und Kosten U“ (Anl. B2) gemeint sein konnten, die nach der konkreten Angabe der Aufrechnungsreihenfolge aber nicht streitgegenständlich waren und sind. Hätten insofern aber Unklarheiten bestanden, was nach dem ersten Satz des landgerichtlichen Beschlusses schon nicht hätte der Fall sein dürfen, so wären diese jedenfalls auf Grund des Schriftsatzes der Kläger vom 08.08.2011 ausgeräumt worden, in dem darauf hingewiesen wurde, dass der Vortrag der Beklagten zu den angeblichen Vertragsaufhebungskosten nicht substantiiert sei; Ansprüche, die über die gegenüber der Streithelferin in Höhe von 72.410,62 € erklärte Aufrechnung hinausgingen, seien ebenfalls nicht substantiiert dargelegt (Bl. 142 d. A.). Spätestens nach diesem konkreten und deutlich erkennbaren Hinweis hätte die Beklagte erkennen müssen, dass es auch bezüglich ihres Vortrages zu den behaupteten Vertragsaufhebungskosten Probleme mit der Substantiierheit geben konnte.
74
Eine weitere Hinweispflicht des Landgerichts ergab sich aufgrund der obigen Ausführungen zu den erteilten Hinweisen auch weder aus der Einholung eines Sachverständigengutachtens noch aus der Anberaumung eines Termins. Denn aufgrund der unmissverständlichen vorangegangenen Hinweise des Gerichts und den Rügen der fehlenden Substantiiertheit durch die Kläger und deren Streithelferin musste das Landgericht auf eine Ergänzungsbedürftigkeit des Vortrages der Beklagten nicht erneut hinweisen.
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bb)
76
Das Landgericht hat den Vortrag des Beklagten aus dem Schriftsatz vom 30.04.2012 auch rechtsfehlerfrei nach § 296 ZPO als verspätetet zurückgewiesen. Dieser Vortrag bleibt gem. § 531 Abs. 1 ZPO auch in der Berufungsinstanz ausgeschlossen.
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Zwar konnte eine Zurückweisung nicht nach § 296 Abs. 1 ZPO erfolgen, weil die Beklagte keine ihr gesetzte Frist versäumt hat. Denn die der Beklagten mit Schriftsatz vom 10.03.2011 gesetzte und einmalig verlängerte Frist dauerte hinsichtlich des Einreichens von Schriftsätzen zur Substantiierung des behaupteten Schadens nach dem Beschluss des Landgerichts vom 21.07.2011 nicht fort. Mit letztgenanntem Beschluss hat das Landgericht erneut auf die fehlende Substantiiertheit hingewiesen und mit dem Hinweis keine Fristsetzung verbunden. Der Hinweis konnte nur so verstanden werden, dass das Gericht weiteren Vortrag zur Substantiierung erwarten oder zumindest innerhalb angemessener Frist zulassen würde. Denn es entspricht dem Grundsatz des fairen Verfahrens, dass eine Partei zu einem Hinweis des Gerichts innerhalb angemessener Frist Stellung nehmen kann, wenn sie dies möchte.
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Das Landgericht hat den Vortrag der Beklagten aus dem Schriftsatz vom 30.04.2012 aber zu Recht gem. § 296 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Der von dem Landgericht in dem entsprechenden Obersatz verwendete Modus des Konjunktivs lässt nicht darauf schließen, dass das Landgericht den Vortrag des Beklagten nur nach § 296 Abs. 1 ZPO, nicht aber nach § 296 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen hat und bezüglich § 296 Abs. 2 ZPO nur andeuten wollte, dass insofern auch eine Zurückweisung erfolgen könnte, wenn es denn darauf noch ankäme. Aufgrund der konkreten Ausführungen zur Norm des § 296 Abs. 2 ZPO und dem Vorliegen der einzelnen Voraussetzungen kann die Formulierung des Landgerichts nach Auffassung des Senats nur dahingehend verstanden werden, dass die Voraussetzungen von § 296 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO zur Überzeugung des Landgerichts kumulativ vorlagen. Es erscheint dem Senat lebensfremd anzunehmen, dass das Landgericht das Vorliegen der Voraussetzungen der Norm annimmt, dies ausführt, aber die Norm gleichwohl nicht anwenden wollte.
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Das Landgericht hat auch in der Sache den Vortrag des Beklagten aus dem Schriftsatz vom 30.04.2012 zu Recht gem. § 296 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 282 ZPO als verspätet zurückgewiesen. Das Landgericht hat zutreffend einen Verstoß gegen die Prozessförderungspflicht angenommen. Zweck der Vorschrift ist es, den Gegner von neuem Vorbringen so rechtzeitig zu unterrichten, dass er sich dazu im Termin – gegebenenfalls nach Einziehung von Erkundigungen – substantiiert und wahrheitsgemäß erklären kann (Musielak/Foerste, a. a. O., § 296 Rn. 30). Anträge sowie Angriffs- und Verteidigungsmittel sollen so frühzeitig mitgeteilt werden, dass der Gegner eine angemessene Zeit zur Erkundigung und zur nötigen Stellungnahme hat (Musielak/Foerste, a. a. O., 282 Rn. 8, 9). Was rechtzeitig ist, besagt nicht bereits § 132 ZPO, sondern das ergibt sich aus den Erfordernissen einer dem Gegner zumutbaren Replik vor oder in der mündlichen Verhandlung; die benötigte Zeit kann die einwöchige Schriftsatzfrist des § 132 ZPO überschreiten und durchaus zwei Wochen betragen; dann muss der Schriftsatz bei Gericht drei Wochen vor dem Termin eingehen (Zöller/Greger, a. a. O., § 282 Rn. 4; Musielak/Foerste, a. a. O.,§ 282 Rn. 9).
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Hier hatten die Kläger und die Streithelferin vor der mündlichen Verhandlung vom 08.05.2012 nicht mehr genügend Zeit, die erforderlichen Erkundigungen einzuholen und zu erwidern. Denn die Beklagte hat nach dem letzten Hinweis des Landgerichts vom 21.07.2011 über neun Monate verstreichen lassen und dann den Klägern und deren Streithelferin maximal fünf Werktage vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung vom 08.05.2012 einen 20-seitigen, engbeschriebenen und damit sehr umfangreichen Schriftsatz nebst Anlagen zu diversen Einzelpositionen zugestellt. Innerhalb dieser fünf Werktage konnte es den Klägern und der Streithelferin nicht zugemutet werden, den Schriftsatz in allen Einzelpunkten durchzugehen, zu überprüfen und eine detaillierte Stellungnahme dazu abzugeben. Dieses Verhalten der Beklagten widerspricht der allgemeinen Prozessförderungspflicht eklatant.
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Die Verspätung beruht auch auf grober Nachlässigkeit. Eine solche wird zwar nicht vermutet. Sie ergibt sich im vorliegenden Fall aber erkennbar aus dem Vortrag und dem Verfahrensablauf. Denn der Schriftsatz vom 30.04.2012 macht ganz überwiegend nur nähere Ausführungen zu den bereits mehrfach eingeführten Schadenspositionen und trägt unter Bezugnahme auf Anlagen konkreter zu dem Grund und der Höhe des geltend gemachten Schadensersatzanspruches vor. Sowohl die behaupteten Pflichtverletzungen der Kläger als auch die nach Behauptung der Beklagten daraus entstandenen Schäden lagen aber bereits lange Zeit zurück und sind nicht etwa zwischen dem 21.07.2011 und dem 30.04.2012 aufgetreten, entstanden oder erkennbar erst in diesem Zeitraum der Beklagten zur Kenntnis gelangt. Im Gegenteil handelt es bei den dem Schriftsatz anliegenden Unterlagen um solche aus der Zeit von 2007 – 2009.
82
Bei dieser Sachlage liegt es auf der Hand, dass das Nichtvortragen über einen Zeitraum von über neun Monaten und das dann erfolgte Einreichen eines Schriftsatzes fünf Werktage vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung auf grober Nachlässigkeit beruht. Denn jeder anderen Prozesspartei hätte es in der konkreten Verfahrenslage spätestens nach dem Hinweis vom 21.07.2011 als notwendig eingeleuchtet, rechtzeitig vor dem nächsten Termin den behaupteten Schaden näher substantiieren zu müssen. Ferner erscheint es als außerordentlich sorglos, einen so umfangreichen Schriftsatz zu einer Kernproblematik des Rechtsstreits so kurze Zeit vor einem Termin einzureichen.
83
Das Landgericht hat den Vortrag in verfahrenskonformer Weise als verspätet zurück gewiesen. Es hat zwar nicht erkennbar selbst vor dem Urteilsspruch auf eine Verspätung hingewiesen. Dies war aber auch nicht erforderlich, weil zum einen die Streithelferin in ihrem Schriftsatz vom 07.05.2012 darauf hingewiesen hat, dass es ihrer Meinung nach keiner ordnungsgemäßen Prozessführung entspräche, erst wenige Tage vor dem zweiten Verhandlungstermin 20 Seiten Schriftsatz zu vermeintlichen Gegenansprüchen zu verfassen. Ein rechtzeitiges Besprechen mit der Partei sei nicht möglich. Zum anderen haben die Parteivertreter der Kläger und der Streithelferin im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 08.05.2012 den Schriftsatz vom 30.04.2012 als verspätet gerügt. Ferner haben diese Parteivertreter den Vortrag zu den Gegenforderungen bzw. Schadenspositionen bestritten.
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Das Landgericht war danach nicht verpflichtet, zusätzlich selbst auf eine Verspätung hinzuweisen, weil für die Beklagte aufgrund der ausdrücklichen Rügen der Gegenseite die Verspätungsproblematik offen zu Tage getreten war. Die Beklagte hatte Gelegenheit, in der mündlichen Verhandlung die Verspätung zu entschuldigen bzw. sich zu der Verspätungsrüge zu erklären. Das hat sie jedoch weder vor dem Landgericht noch in der Berufungsinstanz ansatzweise getan.
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Das Landgericht war auch nicht aus anderen Gründen verpflichtet, zu einem früheren Zeitpunkt auf die Verspätung und eine mögliche Zurückweisung des verspäteten Vortrages hinzuweisen. Denn ein solcher Hinweis dient nur dazu, einer Partei die Möglichkeit einzuräumen, die Verspätung zu entschuldigen bzw. zu einer nicht eintretenden Verzögerung vorzutragen. Er dient aber nicht dazu, der Partei andere prozessuale Möglichkeiten wie eine Flucht in die Säumnis zu ermöglichen oder sie gar darauf hinzuweisen.
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Das Landgericht hat sein Ermessen nach § 296 Abs. 2 ZPO auch insofern rechtsfehlerfrei ausgeübt, als es davon ausgegangen ist, dass die Zulassung des Vortrages aus dem Schriftsatz vom 30.04.2012 die Erledigung des Rechtsstreits verzögert haben würde. Denn der neue Vortrag war von den Klägern und der Streithelferin wirksam bestritten worden und hätte daher einer Beweisaufnahme bedurft, durch die die Erledigung des Rechtsstreits ersichtlich verzögert worden wäre. Das Bestreiten in der mündlichen Verhandlung vom 08.05.2012 war nicht etwa zu pauschal und nicht unbeachtlich. Die Kläger durften den Vortrag aus dem Schriftsatz vom 30.04.2012 bestreiten, weil es sich im Wesentlichen um eine konkretisierende Wiederholung der schon zuvor in den Prozess eingeführten Schadenspositionen handelte. Weil der Vortrag den Klägern in den Eckpunkten schon bekannt war und sie diesen schon vorher zulässig bestritten hatten, waren sie nicht gehalten, nähere Nachforschungen zu betreiben, bevor sie erneut über ein Bestreiten des Vortrages entschieden.
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Einer Zurückweisung des verspäteten Vortrages stand nicht ein eigener Verstoß des Landgerichts gegen die Prozessförderungspflicht entgegen. Denn das Landgericht hat aus den oben genannten Gründen insbesondere seine Hinweispflichten erfüllt und auch im Übrigen den Rechtsstreit in angemessener Zeit gefördert.
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Einer Zurückweisung des Vortrages aus dem Schriftsatz vom 30.04.2012 stand schließlich nicht entgegen, dass das Landgericht mit Verfügung vom 01.03.2012 einen „Gütetermin und Verhandlungstermin“ auf den 08.05.2012 anberaumt hat. Der Termin vom 08.05.2012 stellte keine Güteverhandlung i. S. d. § 278 ZPO dar, in der eine Zurückweisung verspäteten Vortrages nach § 296 ZPO nicht möglich gewesen wäre. Denn eine solche Güteverhandlung hatte bereits am 10.03.2011 vor dem1. Termin zur mündlichen Verhandlung erfolglos stattgefunden.
89
cc)
90
Der Vortrag der Beklagten in der Berufungsinstanz zu den geltend gemachten Aufrechnungen kann keine Berücksichtigung finden.
91
Soweit die Beklagte ihren Vortrag erstmals konkretisiert und damit schlüssig macht, ist eine Berücksichtigung nach § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen. Denn konkretisierendes Vorbringen ist neu i. S. d. § 531 Abs. 2 ZPO, wenn es einen sehr allgemein gehaltenen erstinstanzlichen Vortrag konkretisiert oder erstmals substantiiert, nicht jedoch wenn ein bereits schlüssiges erstinstanzliches Vorbringen lediglich konkretisiert, verdeutlicht bzw. erläutert wird (BGH NJW-RR 2012, 341, Tz. 15; Musielak/Ball, a. a. O., § 531 Rn. 15). Gemessen an diesen Maßstäben ist der Vortrag der Beklagten zu den Schadenspositionen neu, weil der erstinstanzliche Vortrag aus den obigen Erwägungen unsubstantiiert war.
92
Soweit die Beklagte mit weiteren, erstmals in der Berufungsinstanz eingeführten Gegenforderung die Aufrechnung erklärt, kommt eine Zulassung nach § 533 ZPO nicht in Betracht. Denn die Aufrechnung ist zum einen nicht auf Tatsachen gestützt, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat. Außerdem liegt weder eine Einwilligung der Kläger vor noch kann der Senat eine Sachdienlichkeit annehmen. Denn die neu in den Prozess eingebrachten Gegenforderungen erscheinen weder ohne weiteres durchgreifend noch unbegründet, so dass der Senat umfangreiche Feststellungen treffen müsste.
93
2.
94
Die Berufung hat jedoch teilweise Erfolg, soweit auch gerügt wird, dass das Landgericht den Klägern ab dem falschen Zeitpunkt Verzugszinsen zugesprochen hat. Zutreffend moniert die Beklagte, dass der Resthonoraranspruch der Kläger bis zum Abschluss der Nachbesserungsarbeiten an der Fassade des Bauvorhabens M-Straße am 06.07.2011 nicht fällig war. Die Beklagte hat zwar nicht ausdrücklich ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht. Sie hat aber – wie schon das Landgericht festgestellt hat – mit diesbezüglich behaupteten Schadensersatzansprüchen auch keine Aufrechnung erklärt. Vielmehr hat sie auf der letzten Seite ihres Schriftsatzes vom 28.04.2011 ausgeführt, etwaige Zahlungsansprüche der Klägerin seien jedenfalls nicht fällig. Darin ist die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts zu sehen.
95
Die Beklagte befand sich daher gem. §§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 3 S. 1, 3 BGB erst am 08.08.2011 in Verzug.
96
3.
97
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
98
4.
99
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert,§ 543 Abs. 2 ZPO. Denn es handelt sich vorliegend lediglich um im Einzelfall zu entscheidende Fragen, inwiefern und wie die gesetzlichen Vorschriften insbesondere zur Hinweispflicht des Gerichts und zur Verspätung anzuwenden sind.