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  • 17.05.2017 · IWW-Abrufnummer 193931

    Oberlandesgericht Frankfurt/Main: Urteil vom 24.08.2016 – 29 U 147/16

    1. Die Beschränkung einer Gewährleistungsbürgschaft auf "Mängelansprüche nach VOB/B § 13 für bereits fertig gestellte und ohne Beanstandungen und Auflagen abgenommene Arbeiten"ist rechtlich unbedenklich.

    2. Hat der Auftraggeber die Arbeiten unter Vorbehalt abgenommen, so erstreckt sich die Gewährleistungsbürgschaft nur dann auf die Mängel dieser unter Vorbehalt abgenommenen Arbeiten, wenn der Vorbehalt später in schriftlicher Form fallen gelassen wurde.


    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    Urt. v. 24.08.2016

    Az.: 29 U 147/16

    Tenor:

    Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 9. Zivilkammer der Landgerichts Wiesbaden vom 10. März 2016, Az. 9 O 79/15, wird zurückgewiesen.

    Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung jeweils gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

    Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 25.069,67 € festgesetzt.

    Gründe

    I.

    Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einer Gewährleistungsbürgschaft in Anspruch. Die Beklagte übernahm die selbstschuldnerische, unbefristete Bürgschaft in Höhe von 39.618,34 € für die Arbeiten der Firma A GmbH betreffend Sanierung und Umbau des Gebäudes X in Stadt1 zu seniorengerechten Wohnungen. Unter dem Punkt "Bürgschaftsart" ist geregelt, "Mängelansprüche nach VOB Teil B § 13 für bereits fertiggestellte und ohne Beanstandungen und Auflagen abgenommene Arbeiten" (vgl. Anlage K 4, Bl. 16 d. A.). Die von der Schuldnerin A durchgeführten Arbeiten wurden abgenommen. Soweit noch kleinere Mängel vorhanden waren, haben sich die Vertragsparteien darauf verständigt, dass diese noch abzuarbeiten sind und hierüber unter dem Datum vom 19.09.2011 eine Vereinbarung getroffen. Insoweit wird auf die Anlage K 3 (Bl. 15 d. A.) Bezug genommen. Die Klägerin verlangte von der Firma A mit E-Mail vom 17.4.2012 die Beseitigung von zwischenzeitlich eingetretenen Feuchtigkeitsschäden mit Fristsetzung zum 20.04.2012 (vgl. Anlage K 5, Bl. 17 d. A.). Die Firma A ist in Insolvenz geraten und der Mangelbeseitigungsaufforderung nicht mehr nachgekommen. Die Klägerin verlangt nun von der Beklagten die Kosten für die Mauerwerkstrockenlegung und Anbringung einer horizontalen und vertikalen Abdichtung gegen Feuchtigkeit, die gemäß Angebot der Firma B (vgl. Anlage K 6, Bl.18 ff. d. A.) auf 25.069,67 € brutto beziffert werden.

    Die Klägerin hat behauptet, der Werklohn sei einschließlich Sicherungseinbehalt vollständig bezahlt und die in der Vereinbarung festgehaltenen Mängel seien beseitigt worden. Sie ist der Ansicht, dass dies einer von Anfang an vorbehaltlosen Abnahme gleichkomme. Sie sei daher berechtigt, die Beklagte aus der Bürgschaft in Anspruch zu nehmen.

    Die Klägerin hat beantragt,

    1.

    die Beklagte zu verurteilen, an sie 25.069,67 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit 22.11.2104 zu zahlen,

    2.

    die Beklagte zu verurteilen, an sie Nebenkosten i. H. v. 1.474,89 € (= volle außergerichtlich angefallene Geschäftsgebühr) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

    Die Beklagte hat beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Sie hat behauptet, der Sicherheitseinbehalt sei nicht voll ausbezahlt worden, so dass die Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme aus der Bürgschaft nicht vorliegen. Dem Architekten sei die fehlende Abdichtung auch bekannt gewesen, da die Installation einer vertikalen und horizontalen Abdichtung erfordert hätte, vor den Kellerwänden das Erdreich auszuschachten, um die Mauern freizulegen. Der geltend gemachte Betrag von 25.069,67 € sei außerdem bei Weitem übersetzt. Sie ist der Ansicht, die mit Anlage K 5 (Bl. 17 d. A.) vorgelegte E-Mail erfülle nicht die Voraussetzungen einer Mängelrüge. Außerdem seien nur Mängelansprüche für bereits fertiggestellte Arbeiten besichert, was auf die nicht fertiggestellte Kellerabdichtung nicht zutreffe. Da die Werkleistungen durch die Klägerin nicht beanstandungsfrei abgenommen worden seien, was sich aus der Vereinbarung vom 19.9.2011 ergebe, sei der Bürgschaftsfall gar nicht eingetreten, da die Bürgschaft nur "für bereits fertiggestellte und ohne Beanstandungen und Auflagen abgenommene Arbeiten" bestellt worden sei.

    Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes nimmt der Senat auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug.

    Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, dies im Kern mit der Begründung, die Klägerin mache der Sache nach einen Erfüllungsanspruch geltend, der von der Gewährleistungsbürgschaft nicht erfasst sei. Die Kellerabdichtung sei hier nicht fertiggestellt worden, so dass es insoweit auch keine Abnahme gegeben habe und der Bürgschaftsfall nicht eingetreten sei.

    Die Klägerin rügt mit ihrer Berufung, das Landgericht habe zu Unrecht hinsichtlich der nicht hergestellten Abdichtung einen Gewährleistungsmangel verneint. Das Werk sei insgesamt abgenommen worden. Der Mangel der fehlenden Abdichtung habe sich erst später gezeigt. Zu dem geschuldeten Werkerfolg der Firma A gehöre auch, dass die Kellerräume so hergerichtet werden, dass sie gegen Nässeeintritt zuverlässig geschützt werden. Die bei der ersten Abnahmebegehung gerügten Mängel gemäß Vereinbarung vom 19.9.2011 seien beseitigt worden und es habe danach eine erneute Abnahmebegehung gegeben, die zu einer mangelfreien Abnahme des streitgegenständlichen Objekts geführt habe.

    Die Klägerin beantragt,

    1.

    das landgerichtliche Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 25.069,67 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 22.11.2014 zu zahlen.

    2.

    die Beklagte zu verurteilen, an sie Nebenkosten i. H. v. 1.474,89 € (= volle außergerichtlich angefallene Geschäftsgebühr) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

    Die Beklagte beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil. Sie ist der Auffassung, dass ein Bürgschaftsfall gar nicht vorliege, wenn bei einer Bürgschaft, die nur Mängelansprüche für bereits fertiggestellte und ohne Beanstandungen und Auflagen abgenommene Arbeiten besichert, bestimmte Leistungen nicht erbracht worden sind.

    II.

    Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

    Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch gemäß § 765 Abs. 1 BGB aus der Gewährleistungsbürgschaft der Beklagten vom 04.04.2011 nicht zu.

    Wie in der Bürgschaftsurkunde (Anlage K 4, Bl. 16 d. A.) ausdrücklich festgehalten, hat die Beklagte im Auftrag der Firma A zugunsten der Klägerin eine selbstschuldnerische Bürgschaft übernommen für "Mängelansprüche nach VOB Teil B § 13 für bereits fertiggestellte und ohne Beanstandungen und Auflagen abgenommene Arbeiten".

    Wie zwischen den Parteien unstreitig und der Klägerin bei dem (ersten) Abnahmetermin auch bekannt war, waren die von der Firma A durchgeführten Arbeiten nicht ohne Beanstandungen geblieben. Vielmehr hat die Klägerin in der Vereinbarung vom 19.09.2011 einen Vorbehalt wegen einzelner aufgeführter Leistungsmängel erklärt (vgl. Anlage K 3, Bl. 15 d. A.).

    1. Die Möglichkeit der Beschränkung einer Bürgschaft auf fertiggestellte und ohne Beanstandung bzw. Vorbehalt abgenommene Arbeiten ist in der Praxis üblich und wird in der Rechtsprechung allgemein als wirksam angesehen (vgl. zuletzt OLG Frankfurt am Main, BauR 2016, 153 m w. N.). Denn der Bürgschaftsgläubiger hat ein schutzwürdiges Interesse daran, in Bezug auf den Umfang seiner Einstandspflicht eine unmissverständliche Grenze zu ziehen und diese einem späteren Streit zu entziehen insbesondere darüber, ob später geltend gemachte Mängel mit den seiner Zeit vorbehaltenen identisch sind oder nicht (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 03.03.2004, 25 U 68/03, zitiert nach juris, Rd.nr. 36; OLG Frankfurt, Urteil vom 18.01.2006, 1 U 194/05, zitiert nach juris, Rd.nr. 11; OLG München, Beschluss vom 23.10.2007, 23 U 3005/07, zitiert nach juris, Rd.nr. 5; OLG Hamburg, Urteil vom 04.05.1990, 1 U 130/89, WM 1992, S. 349 ff.).

    2. Die Formulierung in der Bürgschaftsurkunde "für bereits fertiggestellte und ohne Beanstandungen und Auflagen abgenommene Arbeiten" unter Bezugnahme auf "VOB, Teil B § 13" ist eindeutig und einer Auslegung nicht zugänglich (vgl. zu einer fast wortgleichen Bürgschaftsklausel: OLG Frankfurt am Main, BauR 2016, 153 m w. N.). Dem schließt sich der erkennende Senat an. Durch die Formulierung "abgenommene" wird der Bezug zur Abnahme hergestellt, was bedeutet, dass zum Zeitpunkt der Abnahme die Arbeiten ohne Beanstandungen gewesen sein müssen. Es lässt sich nur auf diese Weise ein Streit darüber verhindern, ob nach der Abnahme aufgetretene Mängel nach der Symptomtheorie des Bundesgerichtshofs mit solchen Mängeln, die bereits bei der Abnahme vorhanden waren, identisch sind oder nicht (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 03.03.2004, 25 U 68/03, zitiert nach juris, Rd.nr. 36.). Damit ist der vorliegende Fall von der Bürgen Haftung ausgeschlossen.

    3. Soweit die Klägerin bereits vor dem Landgericht vortragen ließ, dass die Mängel, die Eingang in das Protokoll gefunden haben, allesamt abgearbeitet worden seien und im Rahmen einer Besprechung die Leistungen nunmehr als vertragsgemäß anerkannt worden seien, so ist es zwar grundsätzlich möglich, dass die bei der Abnahme ursprünglich erklärten Vorbehalte später fallengelassen werden (vgl. OLG München, Beschluss vom 23.10.2007, 23 U 3005/07, zitiert nach juris, Rd.nr. 6). Das spätere Fallenlassen der bei Abnahme erklärten Vorbehalte kann einer vorbehaltlosen Abnahme allerdings nur dann gleichgestellt werden, falls das Fallenlassen der Vorbehalte ebenfalls in schriftlicher Form erfolgt (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 18.01.2006, 1 U 194/05, zitiert nach juris, Rdnr. 11). Dies ergibt sich aus dem berechtigten Interesse des Bürgen, Gewissheit darüber zu haben, dass die schriftlich festgehaltenen Mängel in vollem Umfang beseitigt wurden und um in einem etwaigen gerichtlichen Verfahren nicht in Beweisschwierigkeiten zu geraten. Ein schriftliches Dokument, das die in der Vereinbarung vom 19.9.2011 schriftlich festgehaltenen Mängel als beseitigt anerkennt, wurde nicht vorgelegt, so dass die Voraussetzungen für den Eintritt der Bürgen Haftung auch insoweit nicht vorliegen.

    4. Die neue Behauptung der Klägerin, dass es nach Beseitigung der Mängel eine erneute Abnahmebegehung gegeben habe, die zu einer mangelfreien Abnahme geführt habe, ist zum einen verspätet und nach § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO nicht zuzulassen.

    Entschuldigungsgründe, die ausnahmsweise eine Berücksichtigung des erst in der Berufungsinstanz erhobenen Vorbringens rechtfertigen, wurden nicht vorgebracht. Zum anderen ist eine zweite Abnahme schon begrifflich ausgeschlossen, da durch die (erste) Abnahme das Vertragsverhältnis bereits in ein Gewährleistungsverhältnis umgestaltet wurde. Anders als das BGB kennt zwar § 13 Abs. 5 Nr. 1 Satz 3 VOB/B eine Abnahme der Mangelbeseitigungsleistung (vgl. Werner/ Pastor, Der Bauprozess, 15. Auflage, 2015, Rd.nr. 2086). Nach der eindeutigen Formulierung im Bürgschaftsvertrag reicht diese allerdings nicht aus, da dort "Mängelansprüche nach VOB, Teil B § 13 für bereits fertiggestellte und ohne Beanstandungen und Auflagen abgenommen Arbeiten" besichert werden, wenn es also vorher eine Abnahme gegeben hat. Dies bedeutet zwingend, dass eine beanstandungsfreie Abnahme im Sinne von § 12 VOB/B stattgefunden haben muss, was vorliegend nicht der Fall ist.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.

    Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern.